Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
I.
Die Klägerin beantragte 1974 Witwen- und Waisenbeihilfe. Ihr verstorbener Ehemann hatte außer einer Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v.H. 1964 mit Unterbrechungen insgesamt 51 Monate lang Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bezogen. Der Antrag der Klägerin wurde abgelehnt, weil die Hinterbliebenenversorgung nicht schädigungsbedingt beeinträchtigt sei (§ 48 Abs. 1 Satz 1, letzte Alternative BVG). Für eine Leistung ab 1. Januar 1976 hatte der Ehemann nicht fünf Jahre lang einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich gehabt (Bescheid vom 20. Mai 1976; Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1976). In der mündlichen Verhandlung vom 27. September 1977 vor dem Sozialgericht (SG) beschränkte die Klägerin ihren Antrag auf die Zeit ab 1. Januar 1976. Darauf erklärte der Vertreter des Beklagten die Bereitschaft, der Klägerin und ihren Kindern Beihilfen von diesem Zeitpunkt ab nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Der Erklärung folgte in Klammern der Zusatz: "Der Beschädigte hatte mehr als 5 Jahre Anspruch auf Berufsschadensausgleich". Die Klägerin nahm das "Vergleichsangebot" an. Im Mai 1978 beantragte der Beklagte beim SG, das Verfahren fortzusetzen und den Vergleich für unwirksam zu erklären. Beim Vergleichsangebot sei die Verwaltung - so machte sie geltend - davon ausgegangen, daß der Beschädigte 62 Monate lang einen Einkommensverlust im Sinn des § 30 Abs. 4 BVG gehabt habe. Dabei sei aber übersehen worden, daß die Einkommenseinbuße gemäß § 30 Abs. 3 BVG i.d.F. des 2. Neuordnungsgesetzes (NOG) mindestens 75,-- DM monatlich habe betragen müsse. Demnach habe beim Ehemann der Klägerin ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht fünf Jahre lang bestanden.
Das SG wies die auf eine Witwenbeihilfe ab 1. Januar 1976 gerichtete Klage ab; es beurteilte den Vergleich als unwirksam (Urteil vom 28. November 1978). Das Landessozialgericht (LSG) hat diese Entscheidung aufgehoben und festgestellt, daß die Streitsache durch den am 27. September 1977 geschlossenen Prozeßvergleich erledigt sei (Urteil vom 23. September 1980): Der Vergleich sei wirksam zustande gekommen und sei nicht aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam. Ein Einigungsmangel habe nicht bestanden. Der Beklagte habe über den Anspruch auf Witwen- und Waisenbeihilfe verfügen können. Der Vergleich leide ferner nicht an Mängeln, die einen Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig machten. Er sei auch nicht entsprechend § 779 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam; denn ihm liege kein von der Wirklichkeit abweichender Sachverhalt zugrunde, von dem beide Parteien ausgegangen sein müßten. Der Vertreter des Beklagten sei der Ansicht gewesen, es komme nicht auf die Zahlung eines Berufsschadensausgleichs sondern auf einen Anspruch an, und dieser hätte 62 Monate lang bestanden. Insoweit habe die Verwaltung sich nicht geirrt. Schließlich sei die Anfechtung nach § 119 BGB nicht erfolgreich; es liege nur ein rechtlich nicht erheblicher Motivirrtum vor.
Der Beklagte hat die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er vertritt die Ansicht, daß er den Vergleich wegen Irrtums unverzüglich wirksam angefochten habe. Infolge des Irrtums über einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich als Voraussetzung für eine Beihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG habe er das Vergleichsangebot gemacht. Außerdem sei der Vergleich deshalb unwirksam, weil die Verwaltung nicht über diesen Klagegegenstand hätte verfügen können; er habe sich nämlich nicht im Rahmen des objektiven Rechts gehalten. Ein Verwaltungsakt entsprechenden Inhaltes wäre mit einem derart schweren und offensichtlichen Mangel behaftet, daß die Verwaltung nicht an ihn gebunden wäre. Sie hätte ihn im übrigen nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) berichtigen können. Denn es habe nach geltendem Recht an einer grundlegenden Anspruchsvoraussetzung gefehlt.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt er, festzustellen, daß der Vergleich vor dem SG unwirksam ist, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision unbegründet zurückzuweisen.
Sie schließt sich der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung an und hält den Hinweis des Senatsvorsitzenden auf einen angemessenen und sachdienlichen Antrag für zulässig.
Der Vertreter der Beigeladenen schließt sich dem Revisionsvorbringen an.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
Mit Recht hat das LSG das klageabweisende Urteil des SG aufgehoben und den Rechtsstreit als durch den "Prozeßvergleich" beendet erklärt. Zu dieser Entscheidung durfte das Berufungsgericht entsprechend dem sachdienlichen Antrag der Klägerin (§ 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) gelangen, den der Senatsvorsitzende zutreffend angeregt hatte (§ 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Klägerin hatte sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage gewandt. Dieses Prozeßziel mußte sie mit dem Begehren, die Streitsache als durch den sie befriedigenden "Prozeßvergleich" erledigt zu erklären, sachangemessen anstreben. Wenn sie nicht von sich aus schon vor der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, so war sie doch dazu zu veranlassen. Mit dieser Anregung hat der Vorsitzende sie nicht parteiisch begünstigt (BSGE- 6, 278, 283; 15, 41, 45 = SozR Nr. 15 zu § 106 SGG; BSG 17. Oktober 1974 - 9 RV 26/73 -). Zuvor hatte die Klägerin keineswegs die entgegenstehende Rechtsauffassung vertreten, der "Prozeßvergleich" sei rechtsunwirksam. In einer solchen Prozeßsituation ist der sachdienliche Hinweis des Vorsitzenden nicht stets dann parteiisch, wenn ein Beteiligter durch einen Verbandsvertreter im Sinn des § 73 Abs. 6 Satz 3 und des § 166 Abs. 2 KG vertreten wird.
Über die Wirksamkeit des Vergleichs hat das LW zutreffend im fortgesetzten Verfahren entschieden (BSGE 7, 271, 281 SozR Nr. 4 zu § 101 SGG; SozR 1500 § 101 Nr. 4; BVerwGE 14, 103, 104; 28, 332, 334). Ein Vergleich, den die Beteiligten zur Erledigung des geltend gemachten Anspruches - wie hier -ordnungsmäßig zur Niederschrift des Gerichts schließen, beendet den Rechtsstreit (§ 101 Abs. 1, §§ 185, 195, 199 AG). Das LSG hat in Übereinstimmung mit dem SG und den Beteiligten die Vorgänge, so wie sie über die Verhandlung vom 27. September 1977 protokolliert worden sind, als einen Prozeßvergleich im Sinn des § 101 Abs. 1 AG gedeutet. Diese Auslegung ist vertretbar, wenn alle Prozeßerklärungen als zusammenhängend verstanden werden. Ein Vergleich besteht im gegenseitigen Nachgeben (BVerwGE 14, 103, 107; 49, 359, 364; vgl. die auf diesen Fall übertragbaren Definitionen für das allgemeine Verwaltungsverfahren in § 55 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - vom 25. Mai 1976 - BGBl. I 1253 - und mit Wirkung ab 1. Januar 1981 für das Sozialrecht in § 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 - BGBl. I 1469 - SGB 10 -). So war es hier. Die Klägerin beschränkte ihr Begehren auf Leistungen ab 1. Januar 1976 und ließ damit den Klageanspruch für die vorhergehende Zeit fallen. Darauf verpflichtete sich der Beklagte, die neuerdings allein noch für die Zukunft verlangten Beihilfen zu gewähren. Die Klägerin nahm dieses Angebot an.
Dieser Vergleich ist rechtswirksam und bestandskräftig. Ein Vergleich über einen sozialrechtlichen Anspruch wirkt allerdings nur dann nach § 101 Abs. 1 SGG prozeßbeendend, wenn die Beteiligten, also auch die Verwaltung "über den Gegenstand der Klage verfügen können". Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der Anspruch der Klägerin auf Witwenbeihilfe mag zwar nicht gesetzlich begründet sein; denn nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVG in der ab 1. Januar 1976 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes und des BVG vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I 3113) - BVG n.F. - gilt die Voraussetzung, eine schädigungsbedingte Minderung des Einkommens und der Versorgung (Satz 1), durch einen mindestens fünfjährigen Anspruch auf Berufsschadensausgleich nur dann als erfüllt (Satz 2 Halbs. 1, dritte Alternative), wenn ein entsprechender Zahlungsanspruch bestand. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG), am 31. Oktober 1979, also nach dem Vergleichsabschluß entschieden (SozR 3100 § 48 Nr. 6). An jener Voraussetzung fehlte es aber beim Ehemann der Klägerin. Gleichwohl "konnte" die Verwaltung den geltend gemachten Anspruch der Klägerin im Wege des Vergleichs zuerkennen. Die Verfügungsbefugnis im Sinn des § 101 Abs. 1 SGG meint die Rechtsmacht, dasselbe durch einen Verwaltungsakt rechtswirksam zu regeln (BSGE 26, 210, 211 f. = SozR Nr. 8 zu § 101 SGG; Urteile des 11. Senats in ZfS 1967, 168). Eine Witwenbeihilfe "konnte" der Beklagte damals durch einen Bescheid gewähren (§§ 1 bis 3 und 22 KOVVfG). Ob damit Vergleichserklärungen ausgeschlossen sind, die nicht in vollem Umfange mit dem die Verwaltung bindenden Gesetz (Art 20 Abs. 3 Grundgesetz) vereinbar sind, hatten zuvor der 4. und der 7. Senat des BSG in den Urteilen, auf die sich der Beklagte bezieht (BSGE 4, 31, 34 = SozR Nr. 1 zu § 101 SGG; BSGE 16, 61, 62 f. = SozR Nr. 5 zu § 101 SGG), nicht ausdrücklich und eindeutig entschieden. Der 11. Senat hingegen hat solche Prozeßvergleiche grundsätzlich für wirksam erklärt (BSGE 26, 210). Er hat dazu in seinem Urteil mitgeteilt, daß die beiden anderen Senate keine abweichende Auffassung zu dieser Streitfrage verträten (BSGE 26, 212 f.). Dem haben sich später der 2. Senat für Vergleiche (SozR Nr. 9 zu § 109 SGG) und der 4. Senat für Anerkenntnisse im Sinn des § 101 Abs. 2 SGG, für die insoweit grundsätzlich Gleiches wie für Vergleiche gilt, angeschlossen (SozR Nr. 10 zu § 101 SGG). Demnach ist mit dem "Können" in § 101 Abs. 1 SGG nicht ein "Dürfen" im Sinne vollständig rechtmäßigen Verhaltens gemeint (BSGE 26, 211 f.; im Ergebnis ebenso BVerwGE 17, 87, 93 f.). Ein Vergleich ist unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten nur dann unwirksam, wenn die Rechtsmacht daran scheiterte, daß ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre (BSGE 26, 212). Dieser Rechtsgrundsatz und die folgenden sind neuerdings in entsprechenden Bestimmungen des SGB 10 für die Zeit ab 1. Januar 1981 für das Sozialrecht und im VwVfG für das allgemeine Verwaltungsverfahren ausdrücklich festgelegt, galten aber für das Sozialrecht auch schon in der Vergangenheit. Eine Nichtigkeit der bezeichneten Art setzt einen besonders schweren formellen oder sachlich-rechtlichen Fehler voraus; er muß außerdem offenkundig sein (BSGE 24, 162 165, 167f. = SozR Nr. 108 zu § 54 SGG; vgl. auch § 44 Abs. 1 und 2 VwVfG und § 40 Abs. 1 und 2 SGB 10).
Ein solcher Mangel besteht nur bei einem Widerspruch zu Zweck- und Wertvorstellungen, die der Rechtsordnung zugrunde liegen; sie müssen ein solches Gewicht haben wie die Verfahrens- und Formfehler, die kraft ausdrücklicher Vorschrift (§ 44 VwVfG, § 40 Abs. 2 SGB 10) einen Verwaltungsakt nichtig machen; eine einfache Abweichung vom Gesetz genügt nicht (BSGE 24, 162, 165; BVerwG, NJW 1971, 578). Selbst wenn die Verwaltung vor der Inkrafttreten des SGB 10 ihre Leistungspflicht, die sie in einem prozeßbeendenden Vergleich anerkannt hat, wie einen "Bescheid" nach § 41 KOVVfG überhaupt hätte berichtigen dürfen (Müller, SGb 1965, 78 m.N.; a.A. BSG SozR Nr. 4 zu § 101 WG), fehlte es hier an der notwendigen Voraussetzung; die hoheitliche Erklärung wäre nicht als "außer Zweifel tatsächlich und rechtlich unrichtig" zu beurteilen, nachdem ihre Tatsachen- und Rechtsgrundlage im Gerichtsverfahren umstritten gewesen und der Streit darüber durch einen Prozeßvergleich beendet worden ist. Dann kann auch nicht eine solche zweifelsfreie Unrichtigkeit zur Nichtigkeit führen. Nicht einmal ein Verwaltungsakt, der auf einer nachträglich von einem Verfassungsgericht für nichtig erklärten Vorschrift beruht, ist stets nichtig (§ 79 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz; 20, 230, 236). Viel weniger wäre es ein Bescheid, den der Beklagte anstelle einer Verpflichtung im Vergleich erlassen hätte, deshalb, weil später das BSG die Rechtslage durch eine entgegenstehende Gesetzesauslegung höchstrichterlich geklärt hat.
Außerdem war jene Abweichung vom Gesetz in der Auslegung, die ihm später das BSG gegeben hat, nicht offenkundig in dem bezeichneten Sinn. Sie war für einen unvoreingenommenen Beurteiler nicht ohne weiteres leicht zu erkennen. Sie wurde vielmehr erst durch die bezeichnete Revisionsentscheidung geklärt (BVerwG a.a.O.; BVerwGE 14, 103, 105).
Wenn von einer Doppelnatur des Prozeßvergleichs ausgegangen wird (BSGE 7, 280; 19, 112, 115 = SozR Nr. 6 zu § 101 SGG; BSG, BVBl. 1969, 130; BVerwGE 14, 103, 104f.), so gelten für seine Wirksamkeit insoweit keine anderen Beurteilungsmaßstäbe als für einen materiell-rechtlichen Vergleichsvertrag, der in ihm zugleich enthalten ist. Die Verwaltung darf grundsätzlich mit Bürgern, also mit "Gewaltunterworfenen", subordinationsrechtliche Verträge schließen, soweit dem keine Rechtsvorschriften, insbesondere Verbote, entgegenstehen (§ 54 Satz 2 VwVfG, § 53 Abs. 1 SGB 10). Ein solcher Vertrag ist nicht wegen jeglicher Abweichung von Rechtsvorschriften nichtig (BSG, BVBl. 1969, 130, 131; BVerwGE 49, 359, 364; BGHZ 17, 61 f.; Begründung zum SGB 10 - BT-Drucks. 8/2034, S. 36 mit Hinweis auf §§ 54 f. VwVfG; vgl. dazu Begründung dieses Gesetzes - BT-Drucks. 7/910, S. 80, zu § 51; S. 81 zu § 55) sondern nach einem allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 134 BGB enthalten ist (vgl. zur Übertragbarkeit § 59 Abs. 1, § 62 Satz 2 VwVfG, § 58 Abs. 1, § 61 Satz 2 SGB 10), nur wegen Verstoßes gegen ausdrückliche gesetzliche Verbote. Eine solche Rechtslage bestand im gegenwärtigen Fall nicht.
Sie ist nicht anders zu beurteilen, wenn die speziellen Rechtsgrundsätze über den öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag, der in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren abgeschlossen wird oder ein solches Verfahren ersetzen soll, ergänzend herangezogen werden. Die Verwaltung darf einen solchen besonderen Vertrag abschließen, um eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewißheit zu beseitigen, wenn sie dies zu dem genannten Ziel nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält (§ 55 VwVfG § 54 SGB 10). Die Beteiligten dieses Verfahrens haben einen solchen Vertrag, der Grundlage eines Prozeßvergleiches sein kann, wegen der Ungewißheit darüber abschließen dürfen, welche Voraussetzungen allgemein für den "Anspruch auf einen Berufsschadensausgleich" für "mindestens fünf Jahre" erfüllt sein müssen und ob sie beim Ehemann der Klägerin gegeben waren. Eine solche Vereinbarung braucht naturgemäß noch weniger als ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Vertrag mit der objektiven Gesetzeslage voll übereinzustimmen (BVerwG Buchholz, 310, § 106 VwGO Nr. 8).
Schließlich ist der Prozeßvergleich der Beteiligten nicht deshalb insgesamt nichtig, weil sein materiell-rechtlicher Bestandteil nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz unwirksam wäre, der für das Bürgerliche Recht in § 779 Abs. 1 BGB ausdrücklich festgelegt ist und u.a. allgemein auch Vergleiche in Gerichtsverfahren beeinflußt (§ 59 Abs. 1 und § 62 Satz 2 VwVfG, 58 Abs. 1 und § 61 Satz 2 SGB 10; BSGE 7, 280; SozR Nr. 4 zu § 101 SGG; BVerwGE 28, 334, 335). Demnach ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und wenn außerdem der Streit oder die Ungewißheit, der oder die im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden soll, bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Im gegenwärtigen Fall war eine solche tatsächliche Grundlage des Vergleichs nicht etwa die beiderseitige Annahme, der Ehemann der Klägerin habe mindestens fünf Jahre lang Berufsschadensausgleich bezogen, was nicht zutraf. Vielmehr hat der Beklagte durch den Klammerzusatz zu seiner Vergleichserklärung erkennbar allein einen gesetzlichen Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 BVG n.F. gekennzeichnet, daß nämlich die unmittelbare Voraussetzung einer Witwenbeihilfe im Sinn des Satzes 1 kraft einer Fiktion als gegeben anzusehen ist. Aus diesem speziellen Rechtsgrund sprach er der Klägerin eine Witwenbeihilfe zu. Dabei nahm er allein ersichtlich diese rechtliche Einordnung der gewährten Leistung vor. Ein in Wirklichkeit nicht gegebener "Sachverhalt", der einem Vergleich zugrunde gelegt worden ist, müßte aber nach dem Wortlaut des § 779 Abs. 1 BGB von beiden Partnern als gegeben angesehen worden sein. Das war hier nach der Sitzungsniederschrift nicht erkennbar der Fall. Abgesehen davon handelte es sich bei dem einseitig angenommenen Anspruch auf Berufsschadensausgleich für mindestens fünf Jahre nicht um eine einfache rechtliche Gegebenheit, deren tatsächliche Grundlage gleichzeitig als - unstreitige - Vergleichsbasis gewertet werden könnte (BGH, NJW 1961, 1460; BVerwG, Deutsches Verwaltungsblatt 1974, 353 mit Anmerkung von Bettermann). Bei dieser Anspruchsvoraussetzung war vielmehr damals außerdem noch, wie schon. dargelegt, der rechtliche Beurteilungsmaßstab problematisch. Die Verwaltung hatte sich aber darüber anscheinend gegenüber dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren eine andere Meinung gebildet. Schließlich läßt sich aus dem Protokoll nicht mit Sicherheit erkennen, daß beide Beteiligte in der Sitzung übereinstimmend der Beschädigten-Versorgungsakte die genaue Bezugszeit des Berufsschadensausgleichs entnommen hätten, bevor sie ihre Vergleichserklärungen abgaben, daß sie also insoweit einen bestimmten Sachverhalt als unstreitig zugrundelegten.
Der Klammerzusatz enthält auch nicht eine Bedingung, die erfüllt sein müßte, um den Vergleich wirksam werden zu lassen (BSGE 4, 33 f. = SozR Nr. 1 zu § 101 SGG).
Außerdem ist der Vergleich nicht durch eine erfolgreiche Anfechtung wegen Irrtums unwirksam geworden. Ob die Prozeßerklärungen, die ihn begründen, aus diesem Grund überhaupt angefochten werden können (BSG SozR Nr. 3 zu § 119 BGB; 1500 § 101 Nr. 2), braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Der materiell-rechtliche Vergleich kann grundsätzlich entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung einer Willenserklärung mit Auswirkungen auf den gesamten Prozeßvergleich beseitigt werden (BSGE 7, 280; 19, 114, 115, 116; § 62 Satz 2 VwVfG; § 61 Satz 2 SGB 10). Ausgenommen ist aber in jedem Fall als Anfechtungsgrund naturgemäß ein Irrtum, der sich auf einen streitigen oder ungewissen Punkt als Gegenstand des Vergleichs bezieht (RGZ 162, 198, 201 f.). So war es hier. Der Beklagte hat sich nach seiner Darstellung über den rechtlichen Maßstab für die Annahme eines mindestens fünfjährigen Anspruches auf Berufsschadensausgleich und über die tatsächliche Bezugsdauer geirrt. Dies wäre nur dann zu seinen Gunsten rechtserheblich, wenn dadurch die Grundlage des Vergleichs entsprechend § 779 Abs. 1 BGB entfiele. Das war gerade nicht der Fall. Keineswegs stellt diese irrige Vorstellung einen Irrtum im Erklärungsakt im Sinn des § 119 Abs. 1, zweite Alternative BGB dar, d.h. im Sinne des Versagens beim Umsetzen des Erklärungswillens, ebensowenig einen Irrtum über den Inhalt der Erklärung im Sinn des § 119 Abs. 1, erste Alternative BGB, d.h. einen Irrtum der Art, daß die Erklärung des Inhalts, wie er objektiv zu verstehen ist, überhaupt nicht gewollt war, und schließlich auch keinen Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache oder Person im Sinn des § 119 Abs. 2.
Ob ein Prozeßvergleich durch übereinstimmende Erklärungen aller Beteiligten für gegenstandslos oder unwirksam erklärt werden kann, ist fraglich (BSGE 19, 115 f.), kann hier auch dahingestellt bleiben. Die dafür erforderliche Zustimmung der Klägerin lag nicht in ihrem anfänglichen Schweigen zu der vom Beklagten vertretenen Auffassung, daß der Vergleich unwirksam sei. Die Klägerin kämpfte bereits vor der endgültigen Formulierung ihres Berufungsantrages weiterhin um die Leistungen, die ihr die Verwaltung im Vergleich zugesprochen hatte.
Die Erklärungen, die die Beteiligten in der Verhandlung vom 27. September 1977 abgegeben haben, könnten auch als Anerkenntnis und Annahme desselben verstanden werden (BSGE 24, 4, 5), wodurch der Rechtsstreit nach § 101 Abs. 2 SGG in der Hauptsache erledigt worden wäre (vgl. auch § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG, BVBl. 1969, 130; SozR Nr. 3 zu § 101 SGG). Das kommt deshalb in Betracht, weil zuvor die Klägerin den Streitgegenstand beschränkt (§ 102 SGG; BSGE 21, 13, 14 = SozR Nr. 5 zu § 156 SGG) und sodann der Beklagte diesem Begehren ohne Einschränkung voll entsprochen hat. Aber auch bei dieser Auslegung ihrer Erklärungen wäre die Rechtslage nicht anders. Einerseits wäre der Beklagte ebenso wie zum Angebot eines Vergleichs verfügungsbefugt gewesen. Andererseits wäre das Anerkenntnis nach den für die Bestandskraft eines Vergleiches geltenden Grundsätzen nicht unwirksam gewesen (BSG SozR Nr. 10 zu § 101 SGG). Der Beklagte könnte diese Art von Verpflichtung auch nicht erfolgreich anfechten. Die grundsätzlich entsprechenden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften mögliche Anfechtung wäre hier ebensowenig wie bezüglich des Vergleiches wegen eines rechtserheblichen Irrtums im Sinn des § 119 BGB zulässig. Auch ungeachtet dessen könnte das Anerkenntnis, soweit in ihm ein materiell-rechtliches enthalten ist, das außerhalb des Gerichtsverfahrens erklärt werden kann, trotz einer Rechtswidrigkeit nicht frei rückgängig gemacht werden (BSG SozR 2200 § 1423 Nr. 12).
Nach alledem muß die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen