Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Abrechnung einer Fallpauschale. Abweichung von der üblichen Kodierpraxis. umfassende Information über kodierten Sachverhalt durch Krankenhaus
Leitsatz (amtlich)
Weicht ein Krankenhaus bei Abrechnung einer Fallpauschale von der üblichen Kodierpraxis ab, muss es die Krankenkasse mit den Abrechnungsdaten umfassend über den kodierten Sachverhalt informieren.
Normenkette
SGB 5 § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 4 S. 3 Fassung: 2002-04-23, § 275 Abs. 1, 1c, §§ 276, 295, 301 Abs. 1-2; KHG § 17b Fassung: 2007-03-26; KHEntgG § 4 Abs. 13 Fassung: 2003-11-14, Abs. 14 Fassung: 2004-12-15, §§ 7, 8 Abs. 9 Fassung: 2007-03-26, § 9; KFPVbg § 1 Abs. 6 S. 1; KFPVbg 2008 § 1 Abs. 6 S. 1; BGB § 387
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1714,07 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligen streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, Rechtsträgerin des zugelassenen Krankenhauses M., behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten H. B. (im Folgenden: Versicherter) wegen einer Schenkelhalsfraktur vom 26.1. bis 11.2.2008 stationär mit einer Osteosynthese mittels einer dynamischen Hüftschraube und einer Antirotationsschraube. Die Klägerin kodierte die Operation mit zwei Schlüsselnummern des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS 5-790.8e und 5-790.0e), die die diagnoseorientierte Fallpauschale DRG I08C ansteuern, und berechnete 7087,86 Euro (14.2.2008). Die Beklagte bezahlte lediglich 7030,75 Euro, da sie einen Betrag von 57,11 Euro für die Anschubfinanzierung integrierte Versorgung abzog (§ 140d SGB V). Sie machte aufgrund einer Auskunft des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) geltend, die Operation sei allein mit einer OPS-Nummer zu kodieren (OPS 5-790.9e: Geschlossene Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteosynthese, durch Materialkombinationen, Schenkelhals). Da deshalb die geringer vergütete DRG I08D maßgeblich sei, müsse die Klägerin die Überzahlung erstatten (1.4.2009). Die Klägerin lehnte eine Erstattung ab, da eine Prüfanzeige des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nicht mehr fristgerecht möglich sei. Daraufhin rechnete die Beklagte mit der nach ihrer Auffassung bestehenden Erstattungsforderung von 1714,07 Euro gegenüber Vergütungsansprüchen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf (15.5.2009). Das SG hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Klage auf Zahlung von 1714,07 Euro nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.5.2009 abgewiesen (Urteil vom 19.7.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Klägerin habe nur Anspruch auf Vergütung nach der geringer dotierten DRG I08D. Die Osteosynthese mit einer dynamischen Hüftschraube und einer Antirotationsschraube an der gleichen Lokalisation über denselben Zugang sei mit OPS 5-790.9e zu kodieren. Die Beklagte sei mit ihren Einwendungen und der Verwendung der Daten nach § 301 SGB V nicht ausgeschlossen. Es bedürfe keines Rückgriffs auf das Gerichtsgutachten und die von der Klägerin vorgelegten Behandlungsunterlagen, deren Auswertung § 275 Abs 1c S 2 SGB V verbiete (Urteil vom 8.8.2013).
Die Klägerin hat dagegen Revision eingelegt. Sie hat das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen, 57,11 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.5.2009 zu schulden. Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 275 Abs 1c S 2 SGB V. Die Beklagte habe die dort geregelte, abgelaufene Frist ohne Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens verstreichen lassen. Dies schließe Ermittlungen dazu aus, dass die Voraussetzungen der OPS 5-790.9e erfüllt seien, nämlich dass der Eingriff für das Osteosyntheseverfahren nur über einen Zugang erfolgte.
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Die Klägerin beantragt, |
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die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. August 2013 und des Sozialgerichts Koblenz vom 19. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 1656,96 Euro nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2009 zu zahlen, |
hilfsweise |
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das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. August 2013 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend entschieden, dass das klagende Krankenhaus gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung weiterer, jetzt noch streitiger 1656,96 Euro für die anderen Versicherten erbrachte Krankenhausbehandlung hat. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10 mwN; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), aber unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin auf Vergütung für die Krankenhausbehandlung anderer Versicherter (dazu 1.) erlosch dadurch in Höhe von 1656,96 Euro, dass die Beklagte wirksam mit ihrem in dieser Höhe bestehenden Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten aufrechnete (dazu 2.). Die Klägerin erhielt hierfür nämlich 7030,75 Euro, obwohl sie lediglich höchstens Anspruch auf Zahlung von 5373,79 Euro für die Behandlung des Versicherten hatte (dazu 3.). Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch (dazu 4.).
1. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund der Behandlung anderer Versicherter zunächst Anspruch auf die dort abgerechnete Vergütung zustand; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15).
2. Der Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung anderer Versicherter erlosch durch Aufrechnung in Höhe von 1656,96 Euro. Die Beklagte erklärte wirksam, mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 BGB aufzurechnen (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung vgl zB BSG SozR 4-7610 § 204 Nr 2 RdNr 9 ff mwN, stRspr). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (dazu 3.) waren gegenseitig und gleichartig (vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16), der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar.
3. Die Beklagte konnte aus öffentlich-rechtlicher Erstattung Zahlung in Höhe von 1656,96 Euro beanspruchen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt ua voraus, dass der Berechtigte Leistungen im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses ohne rechtlichen Grund erbrachte (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 15, stRspr). So lag es hier. Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten (dazu a). Dessen Höhe betrug maximal 5373,79 Euro, während ihr die Beklagte 7030,75 Euro zahlte (dazu b).
a) Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie den Versicherten vom 26.1. bis 11.2.2008 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.
b) Der Vergütungsanspruch der Klägerin belief sich auf höchstens 5373,79 Euro. Die Klägerin durfte lediglich die niedriger vergütete DRG I08D abrechnen (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur, ohne Mehrfacheingriff, ohne komplexe Prozedur, ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC), nicht die tatsächlich in Rechnung gestellte DRG I08C (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexer Prozedur, komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC). Dies wirkt sich auch auf die Vergütungsbestandteile aus, deren Höhe von der zu vergütenden DRG abhängt (§ 4 Abs 13 KHEntgG idF durch Art 15 Nr 2 Buchst b Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Modernisierungsgesetz - GMG≫ vom 14.11.2003, BGBl I 2190, § 4 Abs 14 KHEntgG idF durch Art 2 Nr 2 Buchst k Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften ≪Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz - 2. FPÄndG≫ vom 15.12.2004, BGBl I 3429; § 8 Abs 9 KHEntgG idF durch Art 19 Nr 2 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378).
Die von der Klägerin zu beanspruchende Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Rechtsgrundlage sind § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser ≪Fallpauschalengesetz - FPG≫ vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 5 Buchst a 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch Art 18 Nr 4 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (Fallpauschalenvereinbarung 2008 - FPV 2008 einschließlich der Anlagen 1 bis 6) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2008 (Ergänzungsvereinbarung 2008 zur Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2002 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG, zuletzt geändert durch die Ergänzungsvereinbarung 2007 ≪DKR 2008≫; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2008; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2008 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 25.10.2007, BAnz Nr 207 vom 7.11.2007, S 7937, in Kraft getreten am 1.1.2008 ≪ICD-10-GM 2008≫) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2008 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 25.10.2007, BAnz Nr 207 vom 7.11.2007, S 7917, in Kraft getreten am 1.1.2008 ≪OPS 2008≫; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff, stRspr).
Die Klägerin durfte nur die niedriger vergütete DRG I08D abrechnen. Die Behandlung des Versicherten erfüllte nämlich nur die Voraussetzungen der OPS 2008 Nr 5-790.9e. Diese OPS-Nr ist zu kodieren bei einer geschlossenen Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteosynthese des Schenkelhalses durch Materialkombinationen. Erforderlich ist eine Verbindung einer Mehrheit von Verfahren bei einer Osteosynthese, denn es bedarf der "Materialkombinationen". Dies erfasst eine Osteosynthese mittels zweier, sich im Sinne von Haupt- und Hilfsverfahren ergänzender Osteosyntheseverfahren, etwa durch dynamische Kompressionsschraube mit Antirotationsschraube, wie sie hier in Rede steht, wenn es lediglich eines operativen Zugangs bedarf. Denn eine Materialkombination liegt nach dem Regelungssystem nicht schon dann vor, wenn das verwendete Implantat aus mehreren Teilen besteht. So setzt sich zum Beispiel die dynamische Kompressionschraube nicht nur aus einer einzelnen Schraube zusammen, sondern aus einer Schenkelhalsschraube, einem Plattenzylinder und weiteren Schrauben zur Fixierung der Platte am Oberschenkelknochen (vgl entsprechend zB OPS 2008 5-79: "Eine Schraubenosteosynthese ist eine Osteosynthese, die nur mit Schrauben, ggf. mit zusätzlicher Unterlegscheibe, erfolgt"; "Eine Plattenosteosynthese ist eine Osteosynthese, die mit Platten und den dazugehörigen Schrauben, ggf. mit zusätzlichen Schrauben neben der Platte, erfolgt"). Auch ist Materialkombination nicht mit Werkstoffkombination gleichzusetzen. Ansonsten hätte es des Hinweises in OPS 2008 5-79 nicht bedurft, dass eine Verbundosteosynthese (bestehend aus Metall und Zement) als Materialkombination zu kodieren ist (vgl auch die Differenzliste zum OPS 2008, wonach zunächst in der Vorab-Version vorgesehen war, die Verwendung des Zements zusätzlich zu kodieren). Zusätzlich dürfen nicht mehrere Zugänge erforderlich sein. Denn OPS 2008 5-79 ordnet ausdrücklich an, dass die Durchführung einer zweiten Osteosynthese, zB bei einer Zweietagen-Fraktur, gesondert zu kodieren ist (so DIMDI, MDK und Berufsverband Deutscher Chirurgen, vgl Gerichtsgutachten vom 5.7.2010). Nach den Feststellungen des LSG ermöglichte ein einziger Zugang beim Versicherten die Osteosynthese mit einer dynamischen Hüftschraube und einer Antirotationsschraube.
Nach der Groupierungslogik steuert die Diagnose Schenkelhalsfraktur, intrakapsulär (ICD-10-GM 2008 S72.01), die MC (Major Category) 8 (Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe) an (vgl G-DRG Version 2008, Definitionshandbuch Kompaktversion, Band 1, S 447). Dort führt die OPS 2008 5-790.9e in der operativen Partition zur ADRG I08 (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität oder Wirbelsäule; vgl G-DRG Version 2008, Definitionshandbuch Kompaktversion, Band 1, S 471) und von dort zur DRG I08D (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur, ohne Mehrfacheingriff, ohne komplexe Prozedur, ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC; vgl G-DRG Version 2008, Definitionshandbuch Kompaktversion, Band 1, S 435).
4. Die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen gegen die Feststellungen des LSG (dazu a) und den Erstattungsanspruch im Übrigen (dazu b) greifen nicht durch.
a) Das LSG durfte das vom SG eingeholte Gutachten unter Auswertung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen verwerten, um widerspruchsfrei zu der angegriffenen Feststellung zu gelangen, dass ein Zugang beim Versicherten die Osteosynthese mit einer dynamischen Hüftschraube und einer Antirotationsschraube ermöglichte. Denn die Klägerin erfüllte ihre Obliegenheit, die für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung erforderlichen Informationen der Beklagten zu übermitteln (§ 301 SGB V), erst mit der Überlassung der Behandlungsunterlagen an das SG.
Die Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die KK korrespondiert mit der Prüfberechtigung der KK. KKn sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs 1 SGB V; vgl zB 1. Senat des BSG in BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21; 3. Senat des BSG in BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 18 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 14 mwN, stRspr). Jedenfalls dann, wenn sich dabei auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllte, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der KK die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben. Die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist (§ 275 Abs 1c SGB V) erfasst demgegenüber nur die Prüfung aufgrund einer Auffälligkeit (vgl näher BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten bestehen etwa in Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zweifelhaft ist oder sogar bestehender Kodierpraxis widerspricht. Es entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (§ 301 Abs 1 SGB V), sondern den eigenen Interessen des Krankenhauses, der KK die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender Vermögensverfügung der KK vor, ermöglicht der KK die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis. Dies gilt auch dann, wenn das Krankenhaus von einer Auslegungspraxis abweichen will, die im Übrigen - wie hier - auf Leistungserbringer- und KKn-Seite übereinstimmt. So lag es hier.
Die Beklagte hatte Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten der Klägerin. Die Osteosynthese über einen Zugang mittels dynamischer Kompressionsschraube mit Antirotationsschraube war nämlich nach ganz herrschender Auffassung zur richtigen Kodierpraxis im Jahr 2008 nach OPS 2008 5-790.9e zu kodieren. Dies entsprach den Einschätzungen des MDK, des Berufsverbandes Deutscher Chirurgen, des DIMDI, des vom SG gehörten Sachverständigen und weiteren professionellen Äußerungen aus dem Jahr 2007 (vgl zB die Beiträge des ärztlichen Leiters Stabsstelle Medizincontrolling, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau sowie des Medizincontrollers der Main-Kinzig-Kliniken in "Versorgung einer Osteosynthese durch Schraube oder Materialkombination", beginnend am 27.7.2007 bei myDRG-Forum/DRG-System in Deutschland ≪GDRG≫/Fragen zu praktischen Kodierproblemen, abrufbar unter www.mydrg.de/forum/index.php?page=Thread[threadID]=9092,%20recherchiert%20am%2018.6.2014). Die übliche Kodierpraxis hätte die Klägerin dazu veranlassen müssen, von sich aus gegenüber der Beklagten den Sachverhalt - und die eigene abweichende Meinung - deutlich hervorzuheben. Ohne diese notwendige Zusatzinformation musste die Beklagte die Angaben der Klägerin - unzutreffend - einerseits so verstehen, die Klägerin habe den Versicherten mittels zweier Osteosyntheseverfahren mit unterschiedlichen Zugängen behandelt. Aufgrund der mitgeteilten Entlassungsdiagnose ICD-10-GM S72.01 (Fraktur des Femurs, Schenkelhalsfraktur, Intrakapsulär) durfte die Beklagte andererseits Zweifel haben, dass die Kodierung der OPS-Nummern zutreffend das Behandlungsgeschehen wiedergab.
b) Der Erstattungsanspruch der Beklagten war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch verwirkt (vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 36 ff), dass die Beklagte ihn erst 13,5 Monate nach Rechnungslegung geltend machte. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 4 RdNr 15; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Insoweit fehlt es schon an dem für die Annahme der Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment eines Verwirkungsverhaltens des Berechtigten - hier der Beklagten (vgl dazu und zur mangelnden Tragfähigkeit des Gesichtspunkts der "Waffengleichheit" im materiellen Recht ausführlich zuletzt BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 48/12 R - Juris RdNr 19 f mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 155 Abs 1 S 3 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 und 2 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 7401795 |
SGb 2014, 497 |