Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zusicherung und Genehmigung eines weiteren Versorgungsauftrags bereits bestehender Dialyseeinrichtungen. Erforderlichkeit der Auslastung im Zeitpunkt der Entscheidung und in Zukunft. sozialgerichtliches Verfahren. Maßstäbe bzgl der Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten. Geltung auch bei der Versorgung mit Dialyseleistungen
Leitsatz (amtlich)
Die für die Zusicherung und Genehmigung eines weiteren Versorgungsauftrags erforderliche Auslastung bereits bestehender Dialyseeinrichtungen muss sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung gegeben als auch in Zukunft prognostisch zu erwarten sein.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine – für die Erteilung einer Zusicherung eines weiteren Versorgungsauftrags erforderliche – Auslastung der Dialysepraxen in der Versorgungsregion ist nach § 6 Abs. 1 S. 3 Anl. 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä anzunehmen, wenn kontinuierlich mindestens 90 % der nach der QSV festgelegten Patientenzahl von den dazu erforderlichen Ärzten versorgt wird.
2. Die danach erforderliche hinreichende Auslastung bereits bestehender Praxen muss sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zusicherung des Versorgungsauftrags gegeben als auch – prognostisch – in Zukunft zu erwarten sein.
Normenkette
SGB 5 § 82 Abs. 1; BMV-Ä Anl 9.1 § 4 Abs. 1, § 6; SGB 5 § 82 Abs 1; BMV-Ä Anl 9.1 § 4 Abs 1, §§ 2, 3 Abs 3 Buchst a, § 4 Abs 1 S 1, § 4 Abs 1 S 2 Nr 3, § 6 Abs 1 S 3, § 6 Abs 1 S 5, § 7 Abs 2; EKV-Ä Anl 9.1 § § 2, 3 Abs 3 Buchst a, § 4 Abs 1 S 1, § 4 Abs 1 S 2 Nr 3, § 6 Abs 1 S 3, § 6 Abs 1 S 5, § 7 Abs 2; SGG § 54 Abs 1 S 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 24. April 2015 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 18. April 2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2006 und vom 21. März 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2009 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Erteilung der Zusicherung eines Versorgungsauftrags abzulehnen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens; die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladenen zu 1. bis 4. und 11. - die Beigeladenen als Gesamtschuldner - je zur Hälfte. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die dem Beigeladenen zu 1. - Dr. B. erteilte Zusicherung eines Versorgungsauftrags.
Die klagende Gemeinschaftspraxis (seit dem 1.1.2007: Berufsausübungsgemeinschaft) betreibt in S. ein Dialysezentrum. Der Beigeladene zu 1., Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie, beantragte im Mai 2003 eine Sonderbedarfszulassung in der nephrologischen Gemeinschaftspraxis der Beigeladenen zu 2. bis 4. Mit einem an den Zulassungsausschuss für Ärzte gerichteten Schreiben vom 30.5.2005 sicherte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) dem Beigeladenen zu 1. die Erteilung eines Versorgungsauftrages nach § 3 Abs 3 Buchst d der Anl 9.1 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassenvertrag Ärzte (BMV-Ä/EKV-Ä) in gemeinschaftlicher Berufungsausübung mit den Beigeladenen zu 2. bis 4. zu. Der Zulassungsausschuss erteilte daraufhin dem Beigeladenen zu 1. mit Wirkung zum 1.7.2005 die Sonderbedarfszulassung. Gegen die Zusicherung des Versorgungsauftrags legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.2.2006 Widerspruch ein, den die beklagte KÄV mit Bescheid vom 5.9.2006 als unzulässig zurückwies. Das dagegen angerufene SG hat auch die Klage als unzulässig angesehen (Urteil vom 18.4.2007), weil es an der erforderlichen Klagebefugnis fehle. Während des Verfahrens gründeten die Beigeladenen zu 1. bis 4. zusammen mit Frau Doc. G. das "Medizinische Versorgungszentrum J. Straße in S. GmbH" - die Beigeladene zu 11. -, das mit Beschluss vom 21.3.2007 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Dem MVZ wurde die Genehmigung erteilt, die Beigeladenen zu 1. und 4. ganztags als angestellte Ärzte zu beschäftigen. Die KÄV hatte zuvor - mit Schreiben vom 21.3.2007 - mitgeteilt, dass sie bereit sei, die bestehenden Versorgungsaufträge auf das MVZ zu übertragen, und den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2009 als unzulässig verworfen.
Das LSG hat mit Urteil vom 1.10.2010 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 18.4.2007 als unzulässig verworfen, weil ihr Rechtsschutzbedürfnis aufgrund der Zulassung des MVZ entfallen sei. Das BSG hat mit Beschluss vom 29.6.2011 (B 6 KA 79/10 B) die Revision gegen dieses Urteil zugelassen sowie mit Urteil vom 17.10.2012 (B 6 KA 41/11 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 31) das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Die Klägerin sei zur Anfechtung der dem Beigeladenen zu 1. erteilten Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrags berechtigt. Nach der Beendigung der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 1. sei der Versorgungsauftrag inhaltlich unverändert auf die Beigeladene zu 11. für den Beigeladenen zu 1. als nunmehr dort angestellten Arzt übertragen worden. Die Voraussetzungen für die Anfechtungsberechtigung seien grundsätzlich erfüllt. Die Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrags sei untrennbar mit der Statusentscheidung verbunden; zudem wäre ohne die Berechtigung, die Zusicherung des Versorgungsauftrages anzufechten, für den im Konkurrenzverhältnis betroffenen Dritten kein effektiver Rechtsschutz iS des Art 19 Abs 4 GG gewährleistet. Ob die Zusicherung und die an ihre Stelle getretene Genehmigung des Versorgungsauftrags hier zu Recht erteilt worden seien, vermöge der Senat anhand der Feststellungen der Vorinstanzen nicht zu entscheiden. Dazu werde die KÄV die erforderlichen Daten nach § 6 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä darzulegen haben.
Das LSG hat nachfolgend die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 24.5.2015 zurückgewiesen. Die Klägerin besitze bereits keine Anfechtungsberechtigung, weil diese nur im Falle einer nicht hinreichenden Auslastung ihrer Praxis zu bejahen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Zwar sei zum Zeitpunkt der erstmaligen Zusicherung im Jahr 2005 die Praxis nicht ausgelastet gewesen, doch sei der ursprüngliche Bescheid vom 30.5.2005 durch den Bescheid vom 21.3.2007 ersetzt worden, sodass es für die Frage der Anfechtungsberechtigung der Klägerin nur noch auf deren Auslastung in Bezug auf den Ersetzungsbescheid vom 21.3.2007 ankommen könne. Allerdings sei auch für den Stichtag 21.3.2007 eine Auslastung der klägerischen Praxis nicht zu bejahen. Zwar habe die Beklagte angegeben, dass die Klägerin in den maßgeblichen Quartalen II/2006 bis I/2007 - unter zutreffender Zugrundelegung der abgerechneten statt der vergüteten Dialysen - zu (gerundet) 91 % ausgelastet gewesen sei. Allerdings habe sie nicht berücksichtigt, dass der nach den Bestimmungen des § 5 Abs 7 Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) zu ermittelnde "Arzt-Patienten-Schlüssel" ausschließlich auf "Zentrumsdialysen" und "Zentralisierte Heimdialysen" bezogen sei, während bei den heranzuziehenden Pauschalen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) alle Dialyseformen und -verfahren enthalten seien. Da die Beklagte die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) empfohlene Hilfskodierung nicht eingeführt habe und nach eigenem Bekunden nicht imstande sei, die Zahl der durchgeführten Heimdialysen zu ermitteln, bleibe nur der von der KÄBV alternativ vorgesehene pauschale Abzug in Höhe von 6 %, der dem durchschnittlichen Anteil dieser Leistungen entspreche.
Bei Berücksichtigung dieses Abzugs habe auch zum Stichtag 21.3.2007 keine hinreichende Auslastung der klägerischen Praxis vorgelegen, sodass auch der Abänderungsbescheid vom 21.3.2007 zunächst rechtswidrig ergangen sei. Jedoch sei die Auslastung der klägerischen Praxis in der Zeit vom 31.3.2008 bis 31.12.2008 von 94 % auf 97 % und zuletzt 101 % angestiegen, sodass auch unter Berücksichtigung eines Abzugs von 6 % es in jedem Fall im Laufe des Jahres 2008 zu einer Auslastung der klägerischen Praxis gekommen sei. Spätestens jetzt hätte der hier umstrittene Versorgungsauftrag im Verhältnis zur Klägerin erteilt werden müssen. Bei der erteilten Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrages handele es sich um einen Verwaltungsakt (VA) mit Dauerwirkung, der nach der Rechtsprechung des BVerwG von der Klägerin nur solange angegriffen werden könne als er im Verhältnis zu ihr rechtswidrig sei. Der strittige VA sei ab dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für seinen Erlass vorgelegen haben, als rechtmäßig anzusehen, sodass seine Aufhebung ab diesem Zeitpunkt nicht (mehr) in Betracht komme.
Die von der Klägerin hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sei nicht begründet. Der Bescheid vom 30.5.2005 sei trotz der fehlenden Auslastung der klägerischen Dialysepraxis nicht rechtswidrig gewesen, denn es sei zu berücksichtigen, dass die Dialysepraxis der Beigeladenen zu 2. bis 4. zu durchschnittlich 188,25 % ausgelastet gewesen sei, sodass ihr damit - insbesondere unter maßgeblicher Berücksichtigung des Patientenwohls - der begehrte Versorgungsauftrag in jedem Fall hätte erteilt werden müssen. Hinsichtlich des Bescheides vom 21.3.2007 stehe einer Feststellung der Rechtswidrigkeit entgegen, dass aufgrund der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 30.5.2005 der Bescheid vom 21.3.2007 lediglich deklaratorische Wirkung gehabt habe; wenn ein Versorgungsauftrag einmal rechtmäßig erteilt worden sei, bleibe der Anspruch auf das Behaltendürfen dieses Versorgungsauftrages auch dann bestehen, wenn die Auslastung des Drittbetroffenen nachträglich wieder unter die 90%-Grenze absinke.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Es sei unstreitig, dass sie 2005 und 2006/2007 zu weniger als 90 % ausgelastet gewesen sei. Das gelte ebenfalls für 2007/2008; eine kontinuierliche Auslastung von mehr als 90 % sei nicht erreicht worden. Auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren habe die Auslastung deutlich weniger als 90 % betragen. Das LSG sei von einer ausreichenden Auslastung spätestens 2008 ausgegangen, ohne den Zeitpunkt zu definieren und ohne diese durch Zahlen zu belegen. Ab dem Quartal II/2009 bis heute sei die 90%-Marke wieder dauerhaft unterschritten worden. Ein rechtswidriger VA mit Dauerwirkung werde nicht automatisch rechtmäßig, wenn zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt nur eine der fehlenden Voraussetzungen kurzzeitig gegeben sei. Heimdialysen seien bei der Prüfung der Auslastung nicht einzubeziehen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG für das Saarland vom 24.4.2015 und des SG für das Saarland vom 18.4.2007 sowie den Zusicherungs-Bescheid vom 30.5.2005 und den ersetzenden Übertragungsbescheid vom 21.3.2007 sowie die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 5.9.2006 und vom 2.10.2009 aufzuheben, soweit der besondere Versorgungsauftrag die Behandlung von mehr als 150 Patienten gestattet,
hilfsweise,
festzustellen, dass die mit den Bescheiden vom 30.5.2005 und 21.3.2007 erfolgte Zusicherung bzw Übertragung des besonderen Versorgungsauftrags zugunsten des Beigeladenen zu 1. bzw der Beigeladenen zu 11. rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es sei unstreitig, dass die Klägerin spätestens zum Ende des Jahres 2008 hinreichend ausgelastet gewesen sei. Es mache für diese wenig Sinn, ihre Auslastung im Jahr 2008 zu bestreiten, da sie in diesem Zeitraum selbst eine Erweiterung ihres Versorgungsauftrags auf bis zu 150 Patienten beantragt und zum 1.4.2009 auch erhalten habe; hierfür müsse die Auslastung auf 100 % bzw darüber angestiegen sein. Als vom Gericht als maßgebend für die Entscheidung heranzuziehender Zeitpunkt könne nicht die für VAe mit Dauerwirkung geltende Ausnahme von der Maßgeblichkeit der letzten Verwaltungsentscheidung eingreifen; vielmehr bedürfe es hier einer Rückausnahme, weil das für die Dialyseversorgung maßgebliche Regelwerk keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung bzw den Widerruf einmal erteilter Versorgungsaufträge enthalte. Ein rechtmäßig erteilter Versorgungsauftrag bleibe auch dann bestehen, wenn die Auslastung bei einem Drittbetroffenen zeitlich nachgelagert wieder unter die 90%-Grenze absinke. Vorliegend hätte der streitige Versorgungsauftrag rechtmäßig im Jahr 2008 erteilt werden können.
Die Beigeladenen zu 1. bis 4. und zu 11. beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung des LSG sei zum Stichtag 21.3.2007 die Praxis der Klägerin hinreichend ausgelastet gewesen. Die Hinweise und Erläuterungen der KÄBV, die einen Pauschalabzug von 6 % für Heimdialysepatienten vorsähen, könnten keine Anwendung finden. Es sei unverständlich, warum Heimdialysepatienten aus der Qualitätssicherung herausfallen sollten. Unterschiede in der Versorgung rechtfertigten keine völlige Herausrechnung. Zudem versorge keine Dialyseeinrichtung im Saarland auch nur annähernd die von der KÄBV angesetzte Zahl von Heimdialysepatienten. Da der Auslastungsgrad für die Drittanfechtung eine äußerst gewichtige Rolle spiele, sei es geboten, die tatsächlich vorhandene Datengrundlage heranzuziehen.
Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich sonst geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Unrecht zurückgewiesen.
Die Drittanfechtungsklage der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist anfechtungsberechtigt (1.). Zudem hätte die Beklagte den Antrag auf Zusicherung eines Versorgungsauftrags für den Beigeladenen zu 1. ablehnen müssen, weil die Voraussetzungen für deren Erteilung nicht vorlagen (2.).
1. Die Klägerin ist berechtigt, die (ursprünglich) dem zu 1. beigeladenen Arzt erteilte Zusicherung anzufechten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 17; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 30 RdNr 17) erfolgt die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten zweistufig. Danach ist zunächst zu klären, ob der Kläger berechtigt ist, die dem Konkurrenten erteilte Begünstigung "anzufechten". Ist das zu bejahen, muss geprüft werden, ob die Entscheidung der jeweils zuständigen Behörde in der Sache zutrifft. Eine Berechtigung eines Vertragsarztes, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten (sog defensive Konkurrentenklage), besteht nur dann, wenn (1.) der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten und (2.) dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert wird und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird, sowie (3.) der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist (stRspr, vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 43/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Maßstäbe gelten auch für Drittanfechtungsklagen im Rahmen der Versorgung mit Dialyseleistungen (so zuletzt BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 40/14 R - RdNr 19 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 54 Nr 39 vorgesehen).
Die vorstehenden Voraussetzungen werden von der Klägerin erfüllt, wie der Senat bereits im vorangegangenen Urteil vom 17.10.2012 (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 29 f) entschieden hat: Dass zwischen der Klägerin und dem Konkurrenten - der Praxis der Beigeladenen zu 1. bis 4. bzw dem zu 11. beigeladenen MVZ - ein faktisches Konkurrenzverhältnis gegeben ist, steht angesichts des Umstandes, dass beide Dialysepraxen weniger als 10 km voneinander entfernt sind, außer Zweifel (aaO RdNr 29). Die Anfechtungsberechtigung der Klägerin scheitert auch nicht daran, dass es sich bei der Zusicherung des Versorgungsauftrages nicht um eine Statusentscheidung handelt (aaO RdNr 30). Dass auch die dritte Voraussetzung - die Eröffnung der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung - erfüllt ist, hat der Senat nicht gesondert erwähnt, liegt aber gleichfalls auf der Hand. Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die Anfechtungsberechtigung allein anhand der dargestellten Voraussetzungen festzustellen ist, hingegen - entgegen der Auffassung des LSG - nicht von einer nicht hinreichenden Auslastung der jeweils klagenden Dialysepraxis abhängt. Diese hat Bedeutung allein für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.
2. Die Revision ist auch im Übrigen begründet. Die Zusicherung des Versorgungsauftrags ist zu Unrecht erfolgt. Es hätte kein zusätzlicher Versorgungsauftrag an den Beigeladenen zu 1. erteilt werden dürfen, weil die Klägerin im insoweit maßgeblichen Zeitraum nicht im erforderlichen Umfang ausgelastet war. Der Senat hat die Beklagte daher verpflichtet, den Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Erteilung eines Versorgungsauftrags abzulehnen.
a. Voraussetzung für die Erteilung der Zusicherung - wie auch der nachfolgenden Genehmigung des Versorgungsauftrages - ist die Durchführung der Bedarfsprüfung gemäß § 6 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 30). Nach § 4 Abs 1 Satz 1 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä bedarf die Übernahme des Versorgungsauftrags nach § 3 Abs 3 Buchst a) aaO - dh für die in § 2 aaO definierten Patientengruppen - durch zugelassene Vertragsärzte der Genehmigung der KÄV. Diese ist gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen zu erteilen, wenn eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis gewährleistet ist (Nr 3 aaO). Ob die Anforderungen an eine wirtschaftliche Versorgungstruktur iS des § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä erfüllt sind, stellt die KÄV im Verfahren nach § 6 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä fest. Danach ist der Auslastungsgrad der im Umkreis der beabsichtigten Niederlassung bestehenden Dialysepraxen (Versorgungsregion) durch eine Arzt-Patienten-Relation zu bestimmen (§ 6 Satz 1, 2 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä). Eine Auslastung der Dialysepraxen in der Versorgungsregion ist nach § 6 Abs 1 Satz 3 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä anzunehmen, wenn kontinuierlich mindestens 90 % der nach der QSV festgelegten Patientenzahl von den dazu erforderlichen Ärzten versorgt wird. Die Forderung nach einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur der projektierten Dialysepraxen gilt als dauerhaft erfüllt, wenn sich die Versorgungsregionen der bestehenden und der projektierten Praxis nicht schneiden (§ 6 Satz 4 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä). Das Gleiche gilt, wenn sich die Versorgungsregionen zwar schneiden, jedoch die bereits bestehenden Dialysepraxen in diesem Umfang ausgelastet sind (§ 6 Satz 5 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä).
Diese spezielle Bedarfsprüfung dient nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 26) in erster Linie der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen, daneben aber auch dem Schutz der bereits in diesem Bereich tätigen Leistungserbringer. Der in § 6 aaO festgelegte Auslastungsgrad soll eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur gewährleisten. Damit werden auch dem einzelnen Leistungserbringer, der sich in einem verhältnismäßig kleinen Markt hoch spezialisierter Leistungen bewegt, Erwerbsmöglichkeiten in einem bestimmten Umfang gesichert. Die Auslastungsprüfung dient mit Blick auf die kostenintensiven Investitionen, die für den Betrieb einer Dialysepraxis erforderlich sind, der Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs der Leistungserbringer untereinander und damit der Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit einer (bereits bestehenden) Dialysepraxis (BSG aaO). Da sich vorliegend die Versorgungsregionen der Praxis, der ein weiterer Versorgungsauftrag zugesichert worden ist (der früheren Praxis der Beigeladenen zu 1. bis 4. bzw nachfolgend die des MVZ), sowie der klägerischen Praxis schneiden, ist § 6 Abs 1 Satz 5 aaO maßgeblich. Danach "gilt das Gleiche" - dh die Forderung nach wirtschaftlicher Versorgungsstruktur der projektierten Dialysepraxen gilt als dauerhaft erfüllt -, wenn die bestehenden Dialysepraxen "in diesem Umfang" - dh zu 90 % - ausgelastet sind.
b. Die danach erforderliche hinreichende Auslastung bereits bestehender Praxen muss sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zusicherung des Versorgungsauftrags gegeben als auch - prognostisch - in Zukunft zu erwarten sein.
aa. Dass es für die Feststellung des Auslastungsgrades nicht allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung bzw Bescheiderteilung ankommen kann, verdeutlicht bereits die wiederholte Verwendung des Begriffes "kontinuierlich" in den maßgeblichen Vorschriften (§§ 4, 6 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä). So muss nach § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 aaO eine "kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur" gewährleistet sein; nach § 6 Abs 1 Satz 3 aaO ist eine (hinreichende) Auslastung anzunehmen, wenn "kontinuierlich mindestens 90 vH der … Patientenzahl … versorgt wird". Für das Erfordernis einer "kontinuierlich" bzw "dauerhaft" hinreichenden Auslastung streitet auch die Formulierung in § 6 Abs 1 Satz 4 aaO, wonach die Forderung nach wirtschaftlicher Versorgungsstruktur unter den dort genannten Voraussetzungen "als dauerhaft erfüllt" gilt. Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom 11.2.2015 (B 6 KA 7/14 R - RdNr 40 - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5) - wenn auch zur Bedarfsprüfung im Rahmen einer Dialysezweigpraxisgenehmigung - ausgeführt, die beklagte KÄV werde zunächst den Auslastungsgrad der klägerischen Praxis festzustellen haben - "zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie in der Folgezeit". Die Formulierung "kontinuierlich mindestens 90 vH … versorgt" in § 6 Abs 1 Satz 3 aaO ist daher in dem Sinne zu verstehen, dass der geforderte Auslastungsgrad nicht nur zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Abgabe einer Zusicherung gegeben sein muss, sondern zugleich die Annahme gerechtfertigt sein muss, dass dies auch in der Folgezeit der Fall sein wird.
bb. Während sich die Frage einer hinreichenden Auslastung zum Zeitpunkt der Entscheidung ohne Weiteres - retrospektiv - anhand der zeitnächsten Auslastungszahlen der betroffenen Praxen ermitteln lässt, bedarf es in Bezug auf die Frage, dass die Mindestauslastung - jedenfalls voraussichtlich - durch das Hinzutreten eines Konkurrenten auch in Zukunft nicht in Frage gestellt wird, einer prognostischen Feststellung.
Sachgerechte Prognosen beruhen auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen aus der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird (BSG SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 24). Dabei sind alle bei der Prognosestellung für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 25), die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und Einfluss auf die zu beurteilenden Umstände haben (BSG SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 27). Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung (BSG SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 28); Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkennbare Umstände sein (BSG aaO RdNr 30). Spätere Entwicklungen, die bei Beginn des entscheidungserheblichen Zeitraums noch nicht erkennbar waren, können eine Prognose weder bestätigen noch widerlegen (BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 26).
In Bezug auf die zu treffende Prognose - dh der Feststellung einer hypothetischen Tatsache (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 9f) - ist vom Gericht zu prüfen, ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt (Keller aaO unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 44 Nr 47). Die Prognose ist fehlerhaft, wenn die der Prognose zugrundeliegenden Tatsachen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt worden sind oder die Prognose auf unrichtigen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 28; Keller aaO; vgl auch BSG SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 31).
cc. Die KÄV ist mithin gehalten, die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegenden Auslastungszahlen heranzuziehen und zum einen dahingehend zu würdigen, ob gegenwärtig eine ausreichende Auslastung gegeben ist, und zum anderen auf dieser Grundlage die wertende Feststellung zu treffen, ob und aus welchen Gründen diese Angaben auf eine bestimmte Entwicklung in der Zukunft schließen lassen. Liegen die ermittelten Auslastungszahlen deutlich über der geforderten Mindestauslastung und sind keine Gründe dafür erkennbar, dass dies in Zukunft anders sein dürfte, bedarf es keiner vertieften Begründung. Anders ist dies, wenn der Auslastungsgrad bereits jetzt nur geringfügig über dem Grenzwert liegt und/oder der KÄV andere Umstande - wie etwa zur Entscheidung anstehende Anträge anderer Dialysepraxen - bekannt sind, die die Auslastung prospektiv verringern könnten.
dd. Soweit das LSG es für entscheidungserheblich ansieht, dass die erforderliche Auslastung jedenfalls in den Quartalen II/2008 bis IV/2008 erreicht worden sei, folgt ihm der Senat nicht. Selbst wenn dies - jedenfalls vorübergehend - der Fall gewesen sein sollte, wofür sprechen kann, dass der Versorgungsauftrag der Klägerin aufgrund ihres Auslastungsgrades zum 1.4.2009 erweitert wurde, ist dies rechtlich unerheblich. Maßgeblich ist - wie bereits dargestellt - allein die Situation, wie sie sich der KÄV am Tag der Entscheidung über die Zusicherung des Versorgungsauftrags darstellt.
(1) Wenn nach den vorstehend dargestellten Maßstäben ein zusätzlicher Versorgungsauftrag unter Zugrundelegung der am Entscheidungstag maßgeblichen Verhältnissen nicht hätte erteilt werden dürfen, weil der erforderliche Auslastungsgrad bestehender Dialysepraxen zu diesem Zeitpunkt weder bereits erreicht noch dies prognostisch zu erwarten war, dann bleibt diese Entscheidung rechtswidrig und ist auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben. Die gegenteilige Ansicht des LSG, dass es ausreiche, wenn irgendwann im Verlauf eines darüber geführten Rechtsstreits die klagende Praxis in irgendeinem Quartal in hinreichendem Umfang ausgelastet war, geht schon deswegen fehl, weil es im Zusammenhang mit Versorgungsaufträgen für Dialyseleistungen eben nicht allein darauf ankommt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Auslastung gegeben war, sondern diese - zumindest prospektiv - auf Dauer ("kontinuierlich") gegeben sein muss. Dafür reicht eine in der Folgezeit - vorübergehend - eingetretene Auslastung nicht aus.
Dem steht nicht entgegen, dass es Konstellationen geben kann, in denen die KÄV zu einem späteren Zeitpunkt den ursprünglich zu Unrecht erteilten Versorgungsauftrag nunmehr rechtmäßig erteilen könnte oder müsste. Der begünstigte Arzt kann das bei der KÄV beantragen, und diese muss dann die Versorgungslage - bezogen auf den neuen Zeitpunkt - prüfen; ihren rechtswidrigen ersten Bescheid kann sie aufheben und insoweit den Kläger klaglos stellen. Ob - wie das LSG ausgeführt hat - jedenfalls im Jahr 2008 eine Zusicherung zu erteilen gewesen wäre, ist jedoch ohne Belang, weil der Beigeladene zu 1. zu diesem Zeitpunkt keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (zur Zulässigkeit eines solchen Antrags vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 53 ff zum Zulassungsverfahren).
(2) Das Berufungsgericht kann sich zur Rechtfertigung seiner Auffassung auch nicht auf den von ihm herangezogenen Beschluss des BVerwG vom 5.1.2012 (8 B 62/11 - Juris = Buchholz 310 § 113 Abs 1 VwGO Nr 39 = NVwZ 2012, 510 ff - die Untersagungsverfügung hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten in einer Gaststätte betreffend) stützen. Dort hat das BVerwG (aaO RdNr 14) ausgeführt, der Klageantrag, einen Dauer-VA auch für vergangene Zeiträume aufzuheben, setze voraus, dass der Kläger von ihm auch insoweit noch beschwert sei. Ein Dauer-VA erledige sich jedoch häufig bei fortschreitender Zeit für die jeweils vorangegangenen Zeiträume - gewissermaßen fortlaufend -, auch wenn für die Annahme seiner Erledigung der bloße Zeitablauf nicht genüge, vielmehr erforderlich sei, dass von ihm auch für die Vergangenheit keine dem Kläger nachteilige Rechtswirkungen mehr ausgingen. Das LSG hat aus dieser Entscheidung den Schluss gezogen, dass die Rechtmäßigkeit des Zusicherungsbescheides allein in Bezug auf den Zeitraum ab Vorliegen einer (zumindest vorübergehenden) ausreichenden Auslastung der klagenden konkurrierenden Praxis zu überprüfen und der vergangene Zeitraum wegen angenommener Erledigung allein im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage einer Prüfung zu unterziehen sei. Dies überzeugt nicht.
Zwar handelt es sich bei dem Bescheid über die Zusicherung eines Versorgungsauftrags - in Verbindung mit der hieraus resultierenden Genehmigung eines Versorgungsauftrags - um einen VA mit Dauerwirkung. Die Annahme, dass sich dieser Dauer-VA "fortlaufend erledigt", ist jedoch zumindest nicht auf Statusentscheidungen im Vertragsarztrecht und ihnen vergleichbare Entscheidungen - zu denen auch der Bescheid über die Zusicherung und die nachfolgende Genehmigung des Versorgungsauftrags gehört - übertragbar. Entscheidungen im Vertragsarztrecht, die den Status eines Vertragsarztes bzw einer ärztlich geleiteten Einrichtung betreffen, sind auf eine Kontinuität der Tätigkeit angelegt. Dem steht es entgegen, den Bescheid bzw die hierauf beruhende Tätigkeit des Vertragsarztes in zeitliche Teilabschnitte zu zerlegen, indem von einer sukzessiven Erledigung des Bescheides bzw einem sukzessiven Verbrauch seiner Regelungswirkung ausgegangen wird. Ist ein entsprechender Dauer-VA rechtswidrig erteilt worden, setzt sich diese Rechtswidrigkeit mit jedem Tag seiner Existenz fort; der begünstigte Arzt wird durchgehend zu Unrecht tätig, der betroffenen Konkurrenzpraxis entgehen - ggf - fortlaufend Patienten.
Hinzu kommt, dass - folgte man der dargestellten Auffassung des Berufungsgerichts - ein die (Status-)Entscheidung anfechtender Konkurrent entscheiden könnte, ob ihm eine Aufhebung für die Zukunft genügt und er sich für die Vergangenheit auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung beschränkt. Dann würde zB eine rechtswidrig erteilte Zulassung lediglich mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben, während sie für die Vergangenheit als solche bestehen bliebe, weil insoweit lediglich die Rechtswidrigkeit der Entscheidung festgestellt würde.
(3) Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für die Beigeladene zu 11. bzw deren Vorgängerpraxis nach dem in § 5 Abs 7 Buchst c) Satz 5 der QSV genannten Arzt-Patienten-Schlüssel aufgrund des bei ihr bestehenden Auslastungsgrades ein Tätigwerden eines weiteren Dialysearztes angezeigt gewesen wäre. Es besteht allerdings ein potentielles Spannungsverhältnis zwischen den Vorgaben der QSV, nach der die Auslastung einer Dialysepraxis Maßstab für die Frage ist, ob ihr ein weiterer Versorgungsauftrag erteilt werden kann, und den Vorgaben der Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä, wonach die Genehmigung eines (weiteren) Versorgungsauftrags davon abhängig ist, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestehender Dialysepraxen nicht gefährdet wird. Dieses Spannungsverhältnis kann jedoch nicht unter Berufung auf das "Patientenwohl" dahingehend gelöst werden, dass die wirtschaftlichen Interessen nicht ausgelasteter Konkurrenzpraxen entgegen den klaren Vorgaben der Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä außer Betracht zu bleiben haben.
Auch die wirtschaftliche Sicherung bestehender Praxen liegt im Interesse des Patientenwohls, weil hierdurch verhindert werden soll, dass die Versorgung der Patienten mit Dialyseleistungen durch die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz bestehender Praxen in Frage gestellt wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 26). Im Übrigen ist im Falle widerstreitender Regelungen in der QSV und der Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä zu berücksichtigen, dass Regelungsgegenstand der QSV allein Fragen der Qualitätssicherung sind, während die Anl 9.1. BMV-Ä/EKV-Ä die rechtlichen Grundlagen der Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten regelt. Die QSV regelt, wann eine Praxis einen weiteren Versorgungsauftrag beantragen kann, nicht aber, dass dieser bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen stets auch zu erteilen ist. Dies richtet sich vielmehr nach den entsprechenden Vorgaben der Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä. Entspricht somit in einer Praxis der Arzt-Patienten-Schlüssel nicht mehr den Vorgaben des QSV, sind andere Praxen im Versorgungsbereich hingegen nicht ausgelastet, ist dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die "überlastete" Dialysepraxis die Aufnahme weiterer Patienten ablehnen (oder gar Patienten "abgeben") muss. Andernfalls liefen die Bestimmungen der Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä über die "wirtschaftliche Versorgungsstruktur" leer.
c. aa. Bei der Ermittlung des hinreichenden Auslastungsgrades hat die KÄV allein die Dialysen zu berücksichtigen, die von ihr nach Durchführung der sachlich-rechnerischen Prüfung vergütet wurden. Der Auffassung der Beklagten, dass die Auslastung "qualitätsbezogen" zu betrachten sei und es daher auf die von der Klägerin abgerechneten Fälle ankomme, trifft nicht zu. Der geforderten Mindestauslastung der konkurrierenden Praxen liegen nicht Qualitätsgesichtspunkten zugrunde, sondern sie dient der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen sowie der wirtschaftlichen Existenz bestehender Dialysepraxen (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 26). In Bezug hierauf sind aber allein die Fälle von wirtschaftlichem Interesse, die letztlich auch vergütet werden. Im Übrigen stellt auch der Gesetzgeber in Konstellationen, in denen eine bestimmte Leistungsmenge zu ermitteln ist, ebenfalls auf die Leistungsmenge nach Richtigstellung ab: So ist zB gemäß § 87a Abs 4 Satz 2 SGB V bei der Ermittlung des Aufsatzwertes für den Behandlungsbedarf ua auf die Menge der für vier Quartale abgerechneten Leistungen - "jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung" - maßgeblich.
bb. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, sind die ermittelten Werte unter bestimmten - vorliegend gegebenen - Voraussetzungen um einen 6%igen Abzug für Heimdialysepatienten zu bereinigen: Nach § 6 Abs 1 Satz 3 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä ist eine Auslastung anzunehmen, wenn mindestens 90 % "der in der Qualitätssicherungsvereinbarung festgelegten Patientenzahl" versorgt wird. Nach § 5 Abs 7 Buchst c) Satz 1 QSV ist der in der QSV bestimmte "Arzt-Patienten-Schlüssel" ausschließlich auf "Zentrumsdialysen" und "Zentralisierte Heimdialysen" bezogen, während bei den für die Ermittlung des Auslastungsgrades heranzuziehenden Pauschalen des EBM-Ä alle Dialyseformen und -verfahren enthalten sind (vgl Abschnitt 40.14 EBM-Ä). Diesem Umstand ist bei der Ermittlung des Auslastungsgrades Rechnung zu tragen.
Die KÄBV hat in ihren "Hinweisen und Erläuterungen zur Neuordnung der Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten" vom Juli 2002, auf die das LSG Bezug genommen hat, hierzu die Empfehlung ausgesprochen, dass die KÄVen auf Landesebene entweder eine entsprechende "Hilfskodierung" der betreffenden Pauschalen einführen bzw alternativ von den in einem Jahreszeitraum abgerechneten Pauschalen des EBM-Ä 6 % für Heimdialysen in Abzug zu bringen (aaO S 42 - zu Frage 3). Auch wenn es sich dabei formal lediglich um eine rechtlich unverbindliche "Empfehlung" handelt, ist es nicht zu beanstanden, wenn das LSG diese bei der in der Sache gebotenen Berücksichtigung der Heimdialysefälle zugrunde gelegt hat. Auch die Höhe des Abzugs ist nicht zu beanstanden, da der zur Anwendung gelangte Prozentsatz dem durchschnittlichen Anteil von "Peritonealdialysen" und "Hämoheimdialysen" im Bundesgebiet entspricht (vgl "Hinweise und Erläuterungen" aaO). Das Zurückgreifen auf einen Durchschnittswert ist nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil die Beklagte nach den Feststellungen des LSG nicht imstande ist, die Zahl der durchgeführten Heimdialysen zu ermitteln.
d. Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid der Beklagten vom 30.5.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5.9.2006, mit dem die Beklagte dem Beigeladenen zu 1. die Erteilung eines Versorgungsauftrags zugesichert hat, rechtswidrig. Entsprechendes gilt für den weiteren Bescheid vom 21.3.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2.10.2009, mit dem die Beklagte ihre Bereitschaft zur Übertragung des dem Beigeladenen zu 1. auf der Grundlage dieser Zusicherung erteilten Versorgungsauftrages auf das zu 11. beigeladene MVZ erklärt hat. Da diese Übertragung ohne erneute Sachprüfung und inhaltlich unverändert erfolgt ist (siehe hierzu schon BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 24), bildet der Bescheid vom 30.5.2005 auch insoweit die Grundlage für die Genehmigung des Versorgungsauftrags, die an die Stelle der Zusicherung getreten ist (BSG aaO RdNr 14, 23).
Die Beklagte hätte dem Beigeladenen zu 1. die Erteilung eines Versorgungsauftrags nicht zusichern dürfen, weil die erforderliche Auslastung der Klägerin nicht kontinuierlich gewährleistet war. Der erforderliche Auslastungsgrad von 90 % war in Bezug auf die Praxis der Klägerin - deren Auslastung allein maßgeblich ist, weil nur insoweit ein subjektives Recht der Klägerin auf Überprüfung der angefochtenen Entscheidung besteht (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 36-37) - weder zum Zeitpunkt der Entscheidung noch - prognostisch - in der Folgezeit gegeben. Dies ergibt sich sowohl aus den Feststellungen des LSG als auch aus den Ausführungen der Beklagten:
Nach den - nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts hat es jedenfalls bis in das Jahr 2008 hinein an einer hinreichenden Auslastung der Klägerin gefehlt. Die Angaben der Beklagten bestätigen diese Feststellungen des LSG. Danach hat in den Quartalen I/2004 bis I/2005 der Grad der Auslastung der klägerischen Praxis (ohne Abzug für Heimdialysepatienten) zwischen 79,92 % und 86,38 % gelegen. Für die Quartale I/2006 bis I/2007 hat sie Auslastungsgrade von 90,3 %, 90,15 %, 89,31 %, 88,9 % und 94,8 % - vor Bereinigung - benannt; nach Bereinigung ergäbe sich danach eine durchschnittliche Auslastung von 87 % bzw 88 %. Somit fehlte es zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung einer Zusicherung sowohl an einer auf diesen Zeitpunkt bezogenen hinreichenden Auslastung der Klägerin als auch an verwertbaren Anhaltspunkten dafür, dass die Klägerin in der Folgezeit hinreichend ausgelastet sein könnte.
Abgesehen davon lässt die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 30.5.2005 schon nicht erkennen, dass die Beklagte in Bezug auf die Auslastung der Klägerin überhaupt eine Prognose getroffen hat. Bezüglich der Frage einer hinreichenden Auslastung bestehender Praxen und einer entsprechenden Prognose enthält der Bescheid lediglich den Satz "Unter Berücksichtigung der Patientenzahlen des Jahres 2004 und unter Einbeziehung auch derjenigen Patienten, die auf Grund des über- und zwischenstaatlichen Krankenversicherungsrechts Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung haben, hat sich eine Neubewertung der wirtschaftlichen Auslastung der nephrologischen Praxen der Versorgungsregion ebenso der diese Versorgungsregion schneidenden Versorgungsregionen ergeben, so daß gemäß § 6 in Verbindung mit § 7 Abs 2 der Anlage 9.1 BVM-Ä/EKV-Ä u.E. der Anspruch auf Zusicherung eines Versorgungsauftrags besteht." Diesen pauschalen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, ob und in welcher Form die Beklagte eine Auslastungsprüfung vorgenommen hat.
Damit fehlt dem Bescheid auch eine ausreichende Begründung. Einer solchen hätte es umso mehr bedurft, als die Beklagte selbst von einer "Neubewertung" spricht. So hatte sie noch im Widerspruchsbescheid vom 23.2.2005, der im vorangegangenen Verfahren auf Erteilung eines Versorgungsauftrags für den Beigeladenen zu 1. ergangen war, entschieden, dass die geforderte Auslastung nicht erreicht werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens allein (§ 154 Abs 1 VwGO), die Kosten des Revisionsverfahrens zusammen mit den Beigeladenen zu 1. bis 4. - diese wiederum als Gesamtschuldner (§ 159 Satz 2 VwGO) - je zur Hälfte zu tragen (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst.
Fundstellen
Haufe-Index 9951169 |
MedR 2017, 735 |
NZS 2017, 236 |
SGb 2016, 572 |
GesR 2017, 118 |