Beteiligte
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. August 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für eine sog Mikroportanlage als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der 1945 geborene Kläger, der wegen seiner Hörbehinderung bereits mit einem Cochlear-Implantat versorgt ist, bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente und ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Juni 1994 beantragte er unter Vorlage der Verordnung eines HNO-Arztes die Versorgung mit einer Mikroportanlage. Diese Anlage überträgt die von einem Mikrofon aufgenommene Sprache bzw den Fernseh- oder Radioton drahtlos über einen Empfänger direkt an das Hörgerät. Das Empfängergerät trägt der Hörbehinderte um den Hals mit einer Verbindung zum Ohr. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers, der die Anlage inzwischen zum Preis von 3.894 DM erworben hat, durch Bescheid vom 3. August 1994 ab: Eine drahtlose Übertragungsanlage sei auf Kosten der Krankenversicherung nur Kindern zu gewähren, damit sie eine normale Schule besuchen können oder damit im Rahmen der Frühförderung bei hörbehinderten Kleinkindern die Sprachentwicklung gefördert und verbessert werden könne. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1995).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts vom 14. Januar 1997 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 25. August 1998). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt, zwar handele es sich bei der Mikroportanlage um ein Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), doch sei die Versorgung des Klägers mit dieser Anlage nicht erforderlich. Das Hören stelle ein elementares Grundbedürfnis dar, das durch die Mikroportanlage beim Kläger jedoch nur in einem relativ geringen Rahmen verbessert werden könne. Dieser Anwendungsbereich stelle für sich gesehen keinen elementaren Bereich dar. Die Anlage könne nur zu Vorträgen benutzt werden, bei denen der Vortragende bereit sei, einen entsprechenden Sender zu tragen. Die Einsatzmöglichkeiten beim Kläger entsprächen damit bei weitem nicht denen bei einem hörgeschädigten Kind, das durch den Einsatz der Mikroportanlage in die Lage versetzt werde, die Schule zu besuchen oder Sprache überhaupt erst zu erlernen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 33 Abs 1 SGB V und Art 3 Grundgesetz (GG): Alle Hörgeschädigten mit einem Ausmaß der Behinderung, wie es bei ihm bestehe, hätten ein Anrecht darauf, auch an Lesungen, Tagungen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen des beruflichen und kulturellen Lebens – auch an Theaterbesuchen – teilzunehmen. Darüber hinaus müsse es ihm überlassen bleiben, wie er sein Grundbedürfnis auf Kommunikation sicherstelle; die Verweigerung der Mikroportanlage sei ein Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Art 3 GG lasse es nicht zu, Mikroportanlagen nur hörbehinderten Schülern zuzugestehen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Januar 1997 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. August 1998 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 3. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für eine Mikroportanlage in Höhe von DM 3.894,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen. Der Kläger hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, keinen Anspruch auf Erstattung der durch die Anschaffung einer Mikroportanlage verursachten Kosten, weil die Weigerung der Beklagten, ihn mit diesem Hilfsmittel zu versorgen, nicht rechtswidrig war (§ 13 Abs 3 SGB V).
Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V idF durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (2. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Eine Mikroportanlage ist kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind oder von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind grundsätzlich nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27). Die Mikroportanlage ist auch nicht durch eine Rechtsverordnung des Bundesministers für Gesundheit nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen. Wenn das Hilfsmittelverzeichnis die Versorgung mit einer drahtlosen Übertragungsanlage nur zur Hör- und Spracherziehung schwerhöriger Kinder vorsieht (Bekanntmachung des Hilfsmittelverzeichnisses vom 7. November 1994, BAnz Beilage Nr 42a, vom 1. März 1995, S 5 und 27), wird dadurch der Anspruch erwachsener Versicherter, mit einer Mikroportanlage versorgt zu werden, ebenfalls nicht ausgeschlossen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 16, 20 und 27).
Die Mikroportanlage ist damit ein – bezogen auf den individuellen Bedarf des Klägers – in Betracht kommendes Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung iS der 2. Alternative des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Es ersetzt allerdings nicht das beim Kläger erheblich beeinträchtigte Hörorgan, sondern kompensiert nur teilweise dessen ausgefallene Funktionen. Das LSG hat daraus zu Recht abgeleitet, daß dies zur Begründung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausreicht. Wird eine Organfunktion wie das Hören durch ein Hilfsmittel nicht für alle Lebensbereiche gleichermaßen, sondern – weil wie hier die grundlegende Verbesserung des Hörvermögens bereits durch das Cochlear-Implantat erreicht worden ist – nur noch für bestimmte Lebensbereiche weitergehend ausgeglichen, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung nur dann zu einer weiteren Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung, wenn es sich um Lebensbereiche handelt, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen. Eine Verbesserung des Behinderungsausgleichs auf beruflicher oder gesellschaftlicher Ebene sowie im Freizeitbereich reicht dazu nicht aus. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar, noch auf der Grundlage der entsprechenden Vorschrift in § 182b Reichsversicherungsordnung (RVO aF) entschieden, daß die Versorgung eines hörgeschädigten Schülers mit einer Mikroportanlage zur Leistungspflicht der Krankenversicherung zähle, wenn sie notwendig sei, um den Besuch einer Normalschule zu ermöglichen (BSG SozR 2200 § 182b Nr 28). Es hat hierbei aber maßgeblich darauf abgestellt, daß der Besuch der Regelschule für ein Kind ein elementares Lebensbedürfnis – weil von ähnlicher Bedeutung wie die Arbeitsfähigkeit von Erwachsenen – darstelle (vgl auch BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 – Sportbrille -). Die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels, das zur Teilnahme am Schulunterricht benötigt wird, ist wegen dessen elementarer Bedeutung für die Entwicklung eines Kindes auch dann bejaht worden, wenn der betreffende Gegenstand nur für diesen Zweck und nicht in anderen Lebensbereichen eingesetzt werden kann (Versorgung eines Schülers mit behindertengerechter Ausstattung eines PC: SozR 3-2500 § 33 Nr 22). Der erkennende Senat hat auch in anderen Fällen bei der Erforderlichkeit nach den Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten im Einzelfall differenziert und demgemäß die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels bei einem Jugendlichen anders beurteilt als bei einem Erwachsenen (Rollstuhl-Bike für Jugendliche: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27; Rollstuhl-Bike für Erwachsene: Urteil vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Da die unterschiedliche Behandlung von Kindern und Erwachsenen sachlich begründet ist, kann sie keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG darstellen.
Der Einsatz der Mikroportanlage ist beim Kläger nicht für einen vergleichbar elementaren Lebensbereich erforderlich. Für die übliche Kommunikation steht dem Kläger ein Cochlear-Implantat zur Verfügung, mit dem er Gespräche bis zu einer Entfernung von 1,5 Metern hören kann. Der Kläger macht nicht geltend, daß er die Mikroportanlage benötigt, um sein allgemeines Informationsbedürfnis durch Funk und Fernsehen zu befriedigen. Die Erforderlichkeit der Mikroportanlage begründet er allein damit, daß er damit in die Lage versetzt werde, Veranstaltungen in größeren und akustisch schlechten Räumen, in der Regel im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeiten, ausnahmsweise aber auch Gerichtsverhandlungen, akustisch zu verfolgen. Letzteres kann wegen des Ausnahmecharakters hier außer Betracht bleiben. Anders als der Besuch einer Normalschule, der dem Erlernen von lebensnotwendigem Grundwissen als Voraussetzung für eine Erwerbstätigkeit dient, stellt die Ausübung von Ehrenämtern kein elementares Grundbedürfnis dar. Die Erforderlichkeit der Versorgung mit Hilfsmitteln für ehrenamtliche Tätigkeiten etwa in Selbsthilfeorganisationen kann nicht anders beurteilt werden als diejenige für die Ausübung sonstiger Freizeitbetätigungen. Auf den gesellschaftspolitischen Wert kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Hilfsmittel, die in erster Linie zur Ausübung einer Freizeittätigkeit erforderlich sind, fallen jedoch grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Rahmen des Behinderungsausgleichs nach § 33 Abs 1 Satz 1, 2. Alternative SGB V nur für die medizinische, nicht aber für die soziale oder berufliche Rehabilitation zuständig ist (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22). Diese obliegt im gegliederten System der sozialen Sicherheit anderen Sozialleistungsträgern. Der Kläger hat selbst darauf hingewiesen, Mikroportanlagen würden als Versorgung mit Arbeitshilfen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach § 31 Abs 3 SchwbG iVm § 19 Schwerbehindertenausgleichsabgaben-Verordnung (SchwbAV) gewährt bzw bezuschußt, von der beamtenrechtlichen Beihilfe anerkannt und auch von Sozialämtern den Sozialhilfebedürftigen zugestanden. Daraus folgt jedoch nichts für die Leistungspflicht der Beklagten. Die Tatsache, daß eine finanzielle Förderung von Arbeitshilfen für ehrenamtliche Tätigkeiten aus Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe nicht vorgesehen ist, und der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen anderer Leistungsträger nicht erfüllt, kann die Zuständigkeit der Beklagten nicht begründen. Denn die Krankenversicherung ist kein subsidiäres Sozialleistungssystem, das immer dann einzutreten hätte, wenn andere Leistungsträger nicht zuständig sind. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das durch Art 1 und 2 GG geschützt wird, kann einen solchen konkreten Leistungsanspruch ebensowenig begründen wie das Sozialstaatsgebot. Im Rahmen der Krankenversicherung hat der Kläger nur Anspruch auf eine ausreichende Versorgung nach dem jeweiligen Stand der Medizin und Technik, soweit Grundbedürfnisse betroffen sind, nicht aber – wie er meint – auf eine optimale Ausstattung zum umfassenderen Ausgleich in allen Lebensbereichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543121 |
FEVS 2000, 352 |
NZS 2000, 401 |
br 2000, 68 |
KVuSR 2000, 4 |
SozSi 2001, 107 |