Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. September 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine neue Versicherungsnummer (VNr) unter Zugrundelegung eines anderen Geburtsjahres zu vergeben.
Dem Kläger, der die marokkanische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde mit Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1971 von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen eine VNr erteilt, die das Geburtsjahr 1947 enthielt. Im Hinblick auf ein von ihm in Kopie überreichtes Urteil des Berufungsgerichts Oujda (Marokko) vom 16. September 1994 (nicht 16. August 1994, wie vom Berufungsgericht angenommen), wonach sein in der Geburtsurkunde und im Personenstandsregister eingetragenes Geburtsjahr in das Jahr 1942 zu ändern sei, regte die AOK Rheinland mit Schreiben vom 16. Februar 1996 bei der Beklagten an, dem Kläger eine entsprechende neue VNr zu erteilen. Die Beklagte lehnte die Neuvergabe einer VNr ab, da ein anderes als das bisher zugrunde gelegte Geburtsjahr nicht nachgewiesen sei, und stellte als Geburtsjahr in der gesetzlichen Rentenversicherung das Jahr 1947 fest (Bescheid vom 3. Juni 1996). Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1996, Urteil des Sozialgerichts Aachen ≪SG≫ vom 16. April 1997). Im anschließenden Berufungsverfahren hob die Beklagte ihre Feststellung hinsichtlich des für den Kläger in der Rentenversicherung maßgeblichen Geburtsjahres auf.
Mit Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 12. September 1997 wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Gericht hat seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Es gebe im deutschen Recht keine Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Neuvergabe der VNr wegen Änderung seines amtlich festgestellten Geburtsjahres (Bezugnahme auf die Urteile des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 18. Januar 1995 – 5 RJ 20/94 – ≪SozR 3-2600 § 149 Nr 3≫ und 21. Februar 1996 – 5/4 RA 105/94). Der VNr komme in der Rentenversicherung lediglich Ordnungsfunktion zu, so daß auch aus ihrer Unrichtigkeit kein subjektiv einklagbares Recht des Versicherten auf Neuerteilung herzuleiten sei. Der Kläger könne nicht mit dem Einwand durchdringen, daß er zur Feststellung seines richtigen Geburtsdatums schon deshalb nicht auf das spätere Leistungsverfahren der Altersrentengewährung verwiesen werden dürfe, weil es dann für ihn infolge Zeitablaufs schwieriger wäre, die notwendigen Beweise zu erbringen. Insoweit bestehe nämlich die Möglichkeit der Beweissicherung gemäß § 76 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §§ 147, 148, 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 1 Abs 5 Satz 2 der Versicherungsnummernverordnung (VNrV) idF vom 7. Dezember 1987 sowie § 84 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Das Verfahren wurde zunächst im Hinblick auf die beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen – verbundenen – Vorlageverfahren „Kocak” und „Örs” (C-102/98 und C-211/98) zum Ruhen gebracht. Nach Vorlage der Entscheidung des EuGH vom 14. März 2000 (SozR 3-6940 Art 3 Nr 1) wurde es wieder aufgenommen. Der Kläger macht nunmehr geltend, auch nach Vorliegen des Urteils des EuGH sei sein Anspruch auf Neuvergabe einer VNr wegen Änderung des amtlich eingetragenen Geburtsjahres begründet. Der EuGH habe eine Diskriminierung türkischer Versicherter in Deutschland gegenüber deutschen Versicherten aufgrund des § 33a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ua deshalb verneint, weil auch der türkische Sozialversicherungsträger eine Berichtigung des Geburtsdatums von Rechts wegen nicht berücksichtigen müsse. Mit dieser Begründung lasse sich in seinem Fall eine Diskriminierung indes nicht verneinen, da es hier nicht auf das türkische, sondern marokkanische Personenstands- bzw Sozialversicherungsrecht ankomme. Ob es eine dem türkischen Recht entsprechende Vorschrift auch im marokkanischen Rechtssystem gebe, sei bislang nicht ermittelt worden. Somit sei nicht ausgeschlossen, daß eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes nach Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 vorliege. Ferner könne § 33a Abs 2 Nr 1 SGB I erfüllt sein, wonach ein Geburtsjahr uU zu berichtigen sei, wenn ein Schreibfehler vorliege. Insoweit seien im bisherigen Verfahren ebenfalls keine Ermittlungen angestellt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12. September 1997 sowie das Urteil des SG Aachen vom 16. April 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 1996 zu verurteilen, an ihn eine neue VNr unter Zugrundelegung des Geburtsjahres 1942 zu vergeben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 14. März 2000 im Ergebnis für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das Revisionsverfahren betrifft die Frage der Neuvergabe einer VNr an den Kläger unter Zugrundelegung des Geburtsjahres 1942. Nicht mehr streitig ist die rentenversicherungsrechtliche Feststellung bzw Vormerkung des Geburtsjahres 1942, nachdem die Beklagte ihren Bescheid, soweit sie damit das für die Rentenversicherung maßgebliche Geburtsjahr des Klägers mit 1947 festgestellt hatte, im Berufungsverfahren aufgehoben hat und das LSG hierüber folglich nicht mehr zu entscheiden brauchte.
Richtige Klageart für das Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG), da jedenfalls die Neuvergabe einer VNr einen Verwaltungsakt darstellt (vgl Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –, Umdr S 8). Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich bereits daraus, daß durch ein unrichtiges Geburtsdatum in der VNr sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt sein kann (vgl § 84 SGB X). Die vom 5. Senat früher vertretene Rechtsauffassung, der VNr komme lediglich Ordnungsfunktion zu (BSGE 71, 170, 174 = SozR 3-5748 § 1 Nr 1), ist vom selben Senat mit Beschluß vom 19. November 1997 – 5 S (J) 8/97 – aufgegeben worden.
Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, ob es sich bei der erstmaligen Vergabe einer VNr gemäß § 1 VNrV bzw bei der Unterrichtung des Versicherten über die Vergabe einer VNr nach § 147 Abs 3 SGB VI um einen Verwaltungsakt handelt, dessen Bestandskraft nur im Wege der §§ 44 ff SGB X beseitigt werden kann. Vorliegend kann der Kläger mit seinem Begehren jedenfalls nur durchdringen, wenn er nach materiellem Recht einen Anspruch auf Neuvergabe einer VNr hat.
Der Anspruch auf Vergabe bzw Neuvergabe (Berichtigung) einer VNr richtet sich nach § 147 und § 152 Nr 3 SGB VI iVm der VNrV. Nach § 147 Abs 1 SGB VI kann der Träger der Rentenversicherung für Personen eine VNr vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat er eine VNr zu vergeben. Nach § 147 Abs 2 SGB VI setzt sich die VNr einer Person aus der Bereichsnummer des die VNr vergebenden Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen.
§ 152 Nr 3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der VNr sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die VNrV, welche in § 1 die Vergabe und in § 2 die Zusammensetzung der VNr näher regelt. Nach § 2 Abs 3 Satz 1 VNrV enthalten die Stellen drei bis acht der VNr das Geburtsdatum (vgl auch § 147 Abs 2 Nr 2 SGB VI, § 2 Abs 1 Nr 2 VNrV). Für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen VNr wegen Unrichtigkeit des in der bisherigen VNr eingetragenen Geburtsdatums ist § 1 Abs 5 VNrV einschlägig. Danach wird eine VNr nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Ist das Geburtsdatum oder die Seriennummer in der VNr unrichtig, erhält der Versicherte eine neue VNr; die insoweit unrichtige VNr ist nicht mehr zu verwenden und als nicht verwendbar zu kennzeichnen (Satz 2).
Ob eine VNr iS des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV unrichtig ist, bestimmt sich nunmehr nach § 33a SGB I, der mit Art 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970, 2981) eingefügt wurde. Diese am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift (vgl Art 32 Abs 1 1. SGB III-ÄndG) konnte vom LSG bei seiner Entscheidung vom 12. September 1997 noch nicht zugrunde gelegt werden; sie ist aber im Revisionsverfahren zu beachten. Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist das zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung geltende Recht maßgebend (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 54 RdNr 33, 34 mwN; zur Beachtung des § 33a SGB I in der Revisionsinstanz vgl auch BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 1, 2; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – B 8 KN 3/00 R –, Umdr S 5). Voraussetzung ist allerdings, daß das neue Gesetz nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt (BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr 4; BSGE 68, 47, 48 = SozR 3-2500 § 159 Nr 1; BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4). Das ist hier der Fall. Die Verpflichtung der Beklagten, eine neue VNr zu erteilen, ist notwendig in die Zukunft gerichtet. Für die Vergangenheit kann eine VNr nicht vergeben werden (vgl Senatsbeschluß vom 1. Februar 1995 – 13 RJ 47/93 –, Umdr S 9). Der Kläger könnte aus der Zuordnung einer VNr ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit keine Rechte herleiten. Ob die §§ 300 ff SGB VI in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Vorschriften des SGB VI auf geänderte Bestimmungen außerhalb dieses Gesetzbuches Bezug nehmen, (entsprechend) anzuwenden sind, kann dahingestellt bleiben; denn der insoweit ggf einschlägige § 300 Abs 1 SGB VI enthält keine abweichende Regelung (vgl BSGE 70, 138, 139 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2; BSGE 71, 227, 228 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 4).
Nach § 33a Abs 1 SGB I ist, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs 1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß Abs 2 nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß (1.) ein Schreibfehler vorliegt oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Abs 1 und 2 gelten gemäß Abs 3 auch für Geburtsdaten, die Bestandteil der VNr oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.
Die Voraussetzungen des § 33a Abs 1 und 3 SGB I sind hier gegeben mit der Folge, daß insoweit als Geburtsjahr das Jahr 1947 maßgebend ist; denn dieses von der Beklagten bei der ersten Vergabe einer VNr zugrunde gelegte Jahr entspricht nach den Feststellungen des LSG den Angaben des Klägers bei der ersten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahre 1971. Dafür, daß der Kläger gegenüber einem anderen deutschen Sozialleistungsträger zuvor ein anderes Geburtsjahr/Geburtsdatum angegeben haben könnte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Einer der beiden Ausnahmetatbestände des § 33a Abs 2 SGB I greift nicht ein.
Daß es im Zusammenhang mit der ersten Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem deutschen Sozialleistungsträger zu einem Schreibfehler gekommen sein könnte (§ 33a Abs 2 Nr 1 SGB I), wird vom Kläger im Revisionsverfahren erstmals als möglich vorgetragen. Gemäß dem Ausnahmecharakter der Regelung des Abs 2 trägt derjenige die Beweislast, der sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen beruft – hier also der Kläger. Dazu hat dieser jedoch nichts Erhebliches vorgebracht. Seine Ausführungen hierzu, wonach es im Rahmen der „Artenaufnahme” – gemeint evtl Daten- oder Kartenaufnahme – zu einem Schreibfehler dahingehend gekommen sein könne, daß aus 1942 leicht 1947 gemacht worden sei, sind unsubstantiiert und damit unbeachtlich (vgl BSG, Urteil vom 9. Juli 1998 – B 4 RA 13/98 R; vgl auch Meyer-Ladewig aaO § 164 RdNr 9a ff). Aus dem gesamten Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen solchen Schreibfehler. Der Kläger selbst hat seit seiner Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland im Jahre 1971 mehr als zwei Jahrzehnte lang das Geburtsjahr 1947 geführt, ohne der Beklagten gegenüber das Vorliegen eines Schreibfehlers zu behaupten. Ebensowenig ist ersichtlich, daß die marokkanische Gerichtsentscheidung vom 16. September 1994 der Korrektur eines das Geburtsjahr betreffenden Schreibfehlers in den Personenstandsunterlagen des Klägers gedient haben könnte.
Aber auch der Ausnahmefall des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I ist vorliegend nicht gegeben. Zwar hat der Kläger in Fotokopie das Urteil des marokkanischen Berufungsgerichts Oujda (Marokko) vom 16. September 1994 überreicht, in dem entschieden wurde, daß sein amtlich festgestelltes Geburtsjahr von 1947 in 1942 zu ändern und die Geburtsurkunde sowie das Personenstandsregister dementsprechend zu berichtigen seien. Doch ist das Original dieser Urkunde, aus der sich möglicherweise ein früheres Geburtsjahr ergibt, nicht vor, sondern ist erst nach dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Klägers gegenüber einem deutschen Sozialversicherungsträger ausgestellt worden. Unerheblich ist deshalb auch das Vorbringen des Klägers, daß er jetzt von der AOK Rheinland und der Stadt E. – mit dem Geburtsjahr 1942 geführt werde.
Die Anwendung des § 33a SGB I auf den Fall des Klägers steht nicht in Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsratsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen (vgl AmtsBl EG Nr C 110 vom 25. April 1983, S 60) für möglich hält, kann ein solcher schon deshalb nicht vorliegen, weil der genannte Beschluß nur für türkische Staatsangehörige und deren Familienangehörigen gilt (vgl Art 2 des Beschlusses). Vorliegend kommt allenfalls eine Verletzung des Diskriminierungsverbots in Art 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens vom 26. Februar 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits vom 25. August 1998 (BGBl II 1998, 1810) in Betracht, der ab 1. März 2000 ein entsprechendes Verbot in Art 41 des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und dem Königreich Marokko (vgl Verordnung ≪EWGV≫ Nr 2211/78 des Rates vom 26. September 1978, ABl EG 1978, L 264, 1 ff) abgelöst hat (vgl ABl EG 2000, L 70/1 ff, 228). Nach Abs 1 dieser Vorschrift gewährt jeder Mitgliedstaat den Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt. Diese Regelung ist grundsätzlich unmittelbar anwendbar (vgl allgemein dazu EuGHE I 1994, 1353 = SozR 3-6615 Art 41 Nr 2 ≪„Yousfi”≫).
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist § 33a SGB I mit Art 64 Abs 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens vereinbar. Da letztere Bestimmung im wesentlichen dem Art 3 Abs 1 des og Assoziationsratsbeschlusses Nr 3/80 entspricht, kann insoweit das Urteil des EuGH vom 14. März 2000 („Kocak” und „Örs”, C-102/98 und C-211/98, SozR 3-6940 Art 3 Nr 1) herangezogen werden. Der Hinweis des Klägers, daß diese Entscheidung in bezug auf türkische, nicht aber auf marokkanische Staatsangehörige ergangen sei und sich hieraus ein wesentlicher Unterschied ergebe, vermag nicht zu überzeugen. Die Ausführungen des EuGH beanspruchen von der Tendenz her Gültigkeit auch im Verhältnis zu marokkanischen Staatsangehörigen. In der genannten Entscheidung hat der EuGH ua dargelegt, es könne auf der Grundlage des in Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr 3/80 verankerten Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit von einem Mitgliedstaat nicht verlangt werden, daß er bei der Regelung der Frage, welches Geburtsdatum für die Erteilung einer VNr und die Gewährung einer Altersrente maßgebend sei, der besonderen Situation Rechnung trage, die sich aus dem Inhalt und der praktischen Anwendung der türkischen Personenstandsbestimmungen ergebe. Entsprechendes hat auch hinsichtlich der marokkanischen Personenstandsbestimmungen zu gelten (vgl auch EuGHE I 1991, 199 ≪„Kziber”≫ sowie BSG, Beschluß vom 17. März 1993 – 8 RKnU 2/92; BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 2). Da sich nach alledem keine Auslegungszweifel bezüglich der vorliegend einschlägigen Bestimmungen des europäischen Gemeinschaft- bzw Unionsrechts ergeben, sieht sich der erkennende Senat auch nicht veranlaßt, dem EuGH diesbezügliche Fragen gemäß Art 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Eine Anwendung des § 33a SGB I ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese Vorschrift verfassungswidrig wäre. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) oder das in Art 20 GG verankerte Vertrauensschutzprinzip (vgl insoweit auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – B 8 KN 3/00 R – mwN).
Zunächst läßt sich insoweit kein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG feststellen. Nach dieser Verfassungsnorm wird ua das Eigentum gewährleistet. Auch Rentenanwartschaften und -ansprüche der Versicherten gehören zu ihrem Schutzbereich (vgl BVerfGE 53, 257, 289 f; 58, 81, 109; 69, 272, 298; 75, 78, 96 ff); geschützt wird jedoch allein die Rechtsposition, wie sie im Zeitpunkt der gesetzgeberischen Maßnahme bestanden hat (vgl zB BVerfGE 68, 193, 222; 70, 191, 201). Der Kläger hat zwar durch seine versicherungspflichtige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland seit 1971 eine durch Art 14 Abs 1 GG geschützte Rentenanwartschaft erworben. Ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG scheidet hier aber schon deshalb aus, weil die streitige Neuvergabe der VNr keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Leistungsfall hat. Die Altersvoraussetzungen sind vielmehr bei der Gewährung von Rentenleistungen eigenständig zu prüfen, jedenfalls soweit zuvor keine wirksame Vormerkung oder sonstige für den Leistungsfall verbindliche Feststellung des Geburtsdatums erfolgt ist, was bei der bloßen Vergabe einer VNr mit darin enthaltenem Geburtsdatum nicht anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 12. April 1995 – 5 RJ 48/94 – HVBG-INFO 1995, 1750; Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R). Da im vorliegenden Fall weder ein Anspruch des Versicherten auf Rentenleistungen noch eine entsprechende leistungsbezogene Feststellung betroffen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Einfügung des § 33a SGB I in eine durch Art 14 GG geschützte streitbefangene Rechtsposition des Klägers eingegriffen hat.
Ferner verstößt die Neuregelung des § 33a SGB I nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Aus dem darin enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich für den Gesetzgeber je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb des so umschriebenen Bereichs läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang gleich oder verschieden zu behandeln. Die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot (vgl BVerfGE 97, 271, 290 f = SozR 3-2940 § 58 Nr 1), wobei auch allgemeine Verfassungsgrundsätze wie das Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) zu berücksichtigen sind (vgl zB BVerfGE 17, 210, 216 ff; 99, 367, 395).
Marokkanische Staatsangehörige erhalten durch § 33a SGB I keine andere Rechtsstellung als Deutsche und Staatsangehörige anderer Staaten. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, ob das Personenstandswesen in Marokko nicht in dem gleichen Maße zuverlässig ist wie etwa das deutsche, so daß dort ggf Falscheintragungen des Geburtsdatums häufiger möglich sind. Selbst wenn dies in Marokko so wäre, wie zB in der Türkei (vgl dazu den Senatsbeschluß vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R), und der Kläger deshalb durch die Regelung des § 33a SGB I hinsichtlich der Richtigkeit des Geburtsdatums in seiner VNr gegenüber deutschen Versicherten benachteiligt wäre, erschiene dies angesichts der Ziele und Wirkungen der Gesetzesänderung als gerechtfertigt (vgl BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 2); denn der Gesetzgeber konnte sich bei der Einführung des § 33a SGB I auf gewichtige Gründe des öffentlichen Interesses berufen. Sinn und Zweck bzw Ziel der Neuregelung durch § 33a SGB I war es, die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Fällen zu vermeiden, in denen aufgrund einer Änderung von Geburtsdaten ein längerer Bezug von Sozialleistungen bzw ein früherer Bezug derselben (zB der Rente wegen Alters) beantragt wird, und zugleich für die Verwaltung eine vereinfachte Prüfung sicherzustellen (BT-Drucks 13/8994 S 67).
Ebensowenig kann sich der Kläger mit Erfolg auf Rechtsstaats- und Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art 20 Abs 3 GG; vgl BVerfGE 58, 81, 120 f; 76, 220, 244; vgl auch BVerfGE 97, 378 ff = SozR 3-2500 § 48 Nr 7) berufen. Die Neuregelung des § 33a SGB I knüpft zwar an Angaben des Klägers (Tatsachen) an, die in der Vergangenheit, dh vor Erlaß der gesetzlichen Neuregelung, gemacht worden sind; doch liegt die Wirkung dieser Bestimmung in der Zukunft (vgl näher Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –, Umdr S 18). Eine solche unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung (vgl BVerfGE 95, 64, 86) ist in der Regel zulässig, soweit nicht das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen. Hierzu ist eine Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich; auch darf der – rückanknüpfende – Eingriff nicht unverhältnismäßig sein (BVerfGE 97, 271, 289; 97, 378 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; BVerfGE 72, 141, 154; 63, 152, 175; 24, 220, 230).
Die vorliegend vom Gesetzgeber herbeigeführte sogenannte unechte Rückwirkung genügt den grundgesetzlichen Anforderungen des Vertrauensschutzprinzips. Jedenfalls beruht die Regelung des § 33a SGB I, soweit es die streitige Verwendung des Geburtsdatums in der VNr anbelangt, auf einer nicht zu beanstandenden Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den schützwürdigen Interessen des betroffenen Personenkreises an einem unveränderten Fortbestand der alten Rechtslage. Gerade bezogen auf die VNr durfte der Gesetzgeber von einer Übergangsregelung absehen und dem öffentlichen Interesse an einer sachgerechten Lösung der wiederholt auftretenden Geburtsdaten-Problematik den Vorzug geben vor dem Interesse der Versicherten an einer Aufrechterhaltung der vor dem 1. Januar 1998 geltenden Regelung, zumal durch diese für die Versicherten keine schützenswerte Rechtsposition geschaffen worden war.
Die Rechtsposition des Klägers in bezug auf eine Berichtigung des Geburtsdatums in der VNr war bis zur Einfügung des § 33a SGB I wenig gefestigt. Schon vor dem 1. Januar 1998 ging die Rechtsprechung davon aus, daß die deutschen Sozialversicherungsträger und Gerichte nicht an solche ausländischen Urteile gebunden sind wie das vom Kläger vorgelegte; vielmehr waren zur Sachaufklärung grundsätzlich – ggf unter Beachtung eines Vorranges der gültigen Personenstandsunterlagen des Versicherten (vgl EuGHE I 1997, 6761 = SozR 3-7670 § 66 Nr 1 ≪„Dafeki”≫) – alle Beweismittel auszuschöpfen. Bei Nichterweislichkeit einer Tatsache galt der Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl BSGE 77, 140, 141 ff = SozR 3-2200 § 1248 Nr 12; Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –, Umdr S 10). Somit konnte sich schon vor Inkrafttreten des § 33a SGB I ein im Ausland – wie hier in Marokko – geborener Versicherter nicht ohne weiteres darauf verlassen, daß in der deutschen Sozialversicherung ein im ausländischen Personenstandsregister geändertes Geburtsdatum zugrunde gelegt würde, sondern nur damit rechnen, daß der Nachweis einer Unrichtigkeit des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums grundsätzlich zulässig war (vgl auch Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –, Umdr S 16). Die Rechtsposition des Klägers war somit hinsichtlich des hier geltend gemachten Anspruchs auf Neuvergabe einer VNr auch damals nicht gesichert, da selbst im Falle des Vorhandenseins von Beweismitteln eine allgemeine Beweiswürdigung stattzufinden hatte, deren Ausgang ungewiß war. Der Gesetzgeber konnte im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfGE 53, 157, 293) auch berücksichtigen, daß nach altem Recht eine Überprüfung in den wenigsten Fällen zu einem für den Antragsteller günstigen Ergebnis geführt hatte (vgl Semperowitsch, MittLVA Oberfr 1989, 164, 166 f).
Es sind auch sonst in bezug auf das Geburtsdatum in der VNr keinerlei Dispositionen oder vertrauensgeschützte Positionen des Klägers erkennbar, auf die der Gesetzgeber hätte Rücksicht nehmen müssen. Vielmehr hat der Kläger seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland über mehrere Jahrzehnte das Geburtsjahr 1947 selbst geführt, ohne – soweit ersichtlich – jemals einen Hinweis auf dessen mögliche Unrichtigkeit vorgebracht zu haben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Aufnahme des Geburtsjahres 1947 in die VNr auf den eigenen Angaben des Klägers beruhte, ohne daß ersichtlich wäre, warum dieser nicht schon wesentlich früher das seiner Ansicht nach richtige Geburtsjahr 1942 geltend gemacht hat. Demgegenüber fehlen Anhaltspunkte dafür, daß dem Kläger nach altem Recht der Nachweis eines Geburtsjahres 1942 hätte gelingen können.
Die Regelung des § 33a SGB I erscheint jedenfalls insoweit verhältnismäßig, als sie sich auf das Geburtsdatum in der VNr bezieht. Die Bedeutung der Neuvergabe einer VNr wegen Änderung seines amtlich festgestellten Geburtsdatums ist für den Kläger relativ gering, da das in der VNr enthaltene Datum für den Leistungsfall keine Verbindlichkeit hat. Folglich stellt die Einführung des § 33a SGB I insoweit keinen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre des Klägers dar. Dagegen ist diese Vorschrift insbesondere geeignet, das angestrebte Ziel der Vermeidung von Mißbrauch und hohem Verwaltungsaufwand (vgl BT-Drucks 13/8994 S 67) zu erreichen. Dies geschieht durch eine Einengung der Möglichkeiten des Nachweises einer Unrichtigkeit des Geburtsdatums. Ein gleich wirksames Mittel, das weniger Einschränkungen mit sich gebracht hätte, ist nicht ersichtlich.
Auch durch das Fehlen von Übergangsvorschriften werden Versicherte, die – wie der Kläger – bereits länger in Deutschland weilen, nicht übermäßig belastet, zumal eine Berücksichtigung von geänderten Geburtsdateneintragungen nicht vollständig ausgeschlossen ist, sondern lediglich erschwert wurde. Nach wie vor verbleiben den Versicherten Berichtigungsmöglichkeiten in bestimmten Fällen (Schreibfehler, ältere Urkunden), in denen Mißbrauch weitgehend ausgeschlossen erscheint und Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie einer Korrektur des in der VNr enthaltenen Geburtsjahres nicht entgegenstehen.
Der Gesetzgeber war ferner verfassungsrechtlich nicht gehalten, von der Anwendung des § 33a SGB I diejenigen Versicherten auszunehmen, die – wie der Kläger – bereits vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Neuvergabe der VNr wegen Änderung des amtlich festgestellten Geburtsjahres gestellt hatten. Ein solcher Antrag vermittelte diesen Betroffenen – wie dargelegt – nach dem früheren Recht jedenfalls solange keine besonders schutzwürdige Rechtsposition (vgl auch BVerfGE 58, 81, 120 f; 76, 220, 244), als ihm noch nicht entsprochen worden war.
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, daß das Berufungsurteil ohne die während des Revisionsverfahrens erfolgte Einfügung des § 33a SGB I hätte aufgehoben und die Sache zu weiteren Ermittlungen an das LSG hätte zurückverwiesen werden müssen.
Fundstellen