Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Regelleistungsvolumina. Ausgleichzahlungen an Arztpraxen. überproportionaler Honorarverlust
Leitsatz (amtlich)
Ausgleichszahlungen an Arztpraxen, deren Gesamthonorar und Fallwert sich im Zuge der Änderungen des Vergütungsrechts zu Beginn des Jahres 2009 gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als 5% verringert haben, dürfen nicht durch eine Quotierung der Vergütung der Praxen finanziert werden, deren Honorarumsätze im Abrechnungsquartal um 5% über den Vorjahresquartalen lagen.
Normenkette
SGB 5 § 87b Abs. 3 S. 5 Fassung: 2007-03-26, Abs. 4 S. 2 Fassung: 2007-03-26, § 75 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin, die seit 2007 als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, wendet sich gegen Honorarkürzungen in den Quartalen II und III/2009 aufgrund der "Vereinbarung über Verfahrensregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten bedingt durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in 2009" (Konvergenzvereinbarung), die die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit den Krankenkassen abgeschlossen hatte.
Die Beklagte kürzte ihr Honorar für das Quartal II/2009 (Gesamthonorar 60 843,18 Euro) in Anwendung dieser Konvergenzvereinbarung um einen Betrag in Höhe von 6077,92 Euro, im Quartal III/2009 (Gesamthonorar 61 337,62 Euro) um einen Betrag in Höhe von 6653,16 Euro. In dieser Vereinbarung hieß es:
"§ 2 Konvergenz
1. Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis und das Honorar je Fall für ambulant erbrachte Leistungen der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 EBM, Kosten und Wegegebühren, Leistungen des Kapitels 35.2 EBM) um mehr als 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - erfolgt eine Ausgleichszahlung.
2. Die Ausgleichszahlung wird bis 95 % des Fallwertes, maximal jedoch bis 95 % des Honorars, jeweils bezogen auf das entsprechende Vorjahresquartal und den nach 1. definierten Leistungsbereichen, geleistet. Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung ist, dass das Regelleistungsvolumen der betroffenen Arztpraxis ausgeschöpft ist.
3. Honorarsteigerungen im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - sowie der Leistungen des Kapitels 35.2 EBM werden mit dem Ausgleichsbetrag nach 2. verrechnet. Dies gilt nicht für Leistungen aus Selektivverträgen (§§ 73b, c, 140d).
4. bis 6. …
7. Die Ausgleichszahlung nach 2. wird quartalsweise unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen durch die KVBW im Rahmen der Honorarverteilung sichergestellt:
a) Zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen nach 2. werden die Honorarumsätze derjenigen Praxen einer Quotierung zugeführt, deren Honorarumsätze für Leistungen der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 EBM, Kosten und Wegegebühren, Leistungen nach Kapitel 35.2 EBM) im aktuellen Abrechnungsquartal um 5 % über den entsprechenden Vorjahreshonorarumsätzen liegen. Verluste im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - sowie der Leistungen des Kapitels 35.2 EBM werden hierbei berücksichtigt.
b) Die Ausgleichszahlungen nach 2. werden aus dem jeweiligen Versorgungsbereich unter Verwendung sämtlicher im Rahmen der Honorarverteilung nicht ausgeschöpften Finanzmittel geleistet.
8. …"
Grundlage für die Vereinbarung war zum einen der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008, der in Teil F Ziffer 3.7 festlegte:
"Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, können die Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten, sofern die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge."
In Teil G des Beschlusses hieß es, dass von der Summe der für den Bezirk einer KÄV nach § 87a Abs 3 SGB V insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen (MGVen) Anteile für die Bildung von Rückstellungen ua zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten verwendet werden.
Diesen Beschluss ergänzte der EBewA am 15.1.2009 wie folgt:
"1. Zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen sind die im Beschlussteil F des Erweiterten Bewertungsausschusses in der 7. Sitzung vom 27./28. August 2008 beschlossenen Regelungen, insbesondere zu den Praxisbesonderheiten (Ziffer 3.6), zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten (Ziffer 3.7) und zur Modifikation von relevanten Arztgruppen (Anlage 1), anzuwenden. Sollte es nach Anwendung dieser Regelungen nachweislich weiterhin zu überproportionalen Honorarverlusten und zu Problemen der Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen kommen, können die Partner der Gesamtverträge einvernehmlich - ab dem 1. April 2009 und zeitlich begrenzt bis zum 31. Dezember 2010 - das unter den Ziffern 2. - 4. dargestellte Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Regelleistungsvolumen (Konvergenzverfahren) beschließen, sofern die Honorarverluste nicht durch von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden und durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet sind. Es ist sicherzustellen, dass bei der Bewertung der Höhe der Honorarverluste der GKV-Gesamtumsatz einer Praxis einschließlich der zu erwartenden Vergütung für Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und einschließlich der Vergütung aus Vorwegabzügen berücksichtigt wird.
2. Soweit die Gesamtvertragspartner Sonderregelungen nach 1. treffen, werden diese mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Regelleistungsvolumen an die sich aus der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Regelleistungsvolumen ausgestaltet. Hierzu legen die Partner der Gesamtverträge prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal fest. Dabei kann von der Vorgabe des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Beschluss Teil F, 3.7 zur Höhe des Honorarverlustes, abgewichen werden. Die fortlaufenden Anpassungen des EBM mit Wirkung ab 1. Januar 2008 sind versorgungsbereichs- und arztgruppenbezogen zu berücksichtigen."
Diesen Beschluss wiederum änderte der EBewA nochmals am 27.2.2009 durch folgende Regelung:
"1. Zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen können die Partner der Gesamtverträge einvernehmlich - ab dem 1. April 2009 und zeitlich begrenzt bis zum 31. Dezember 2010 - ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen (Konvergenzverfahren), beschließen, sofern diese Honorarverluste durch die Umstellung der Steuerung auf die neue Systematik begründet sind.
2. Soweit die Partner der Gesamtverträge ein Verfahren nach 1. beschließen, wird dieses mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, an die sich aus der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Vorgaben ausgestaltet."
Die Beklagte nahm für das Jahr 2009 in die mit den Krankenkassen geschlossene Honorarverteilungsvereinbarung (HVV) folgende Regelung auf:
"§ 12 Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten
1. Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis und das Honorar je Fall um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, prüft die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Arztes, inwiefern eine befristete Ausgleichszahlung an die Arztpraxis erfolgen kann. Die Ausgleichszahlung erfolgt versorgungsbereichsspezifisch aus den Rückstellungen gemäß Teil B Anlage 3. Sie wird geleistet, bis 85 % des Fallwertes des Vorjahresquartals, maximal jedoch 85 % des Gesamthonorars des Vorjahresquartals erreicht sind.
2. Voraussetzung hierfür ist, dass die Honorarminderung durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik entstanden ist oder dadurch begründet ist, dass bis zum Quartal 4/2008 vereinbarte extrabudgetäre Leistungen und Kostenerstattungen nicht fortgeführt werden."
Die Widersprüche der Klägerin gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/2009 und III/2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.2010 zurück. Das SG hat mit Urteil vom 20.12.2011 die Beklagte unter Änderung der Honorarbescheide zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Mit der Konvergenzvereinbarung hätten die Vertragspartner die bundeseinheitlich vorgegebenen Regelungen zu den Regelleistungsvolumen (RLV) faktisch ausgesetzt und die Vergütung in Orientierung an den Honorarumsätzen der Vorjahresquartale vorgenommen. Dies stelle eine praxisindividuelle Budgetierung dar, die mit den normativen Vorgaben für die Zeit ab dem 1.1.2009 nicht vereinbar gewesen sei.
Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Gesetzgeber habe in § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V die Möglichkeit eröffnet, Rückstellungen für den Ausgleich überproportionaler Honorarverluste zu bilden. Einen Ausgleich der erwarteten Honorarverluste durch Abschöpfung von Honorarzuwächsen habe er nicht vorgesehen. Auch auf die Beschlüsse des EBewA könne die Beklagte sich nicht stützen. Sie berufe sich vor allem auf den Beschluss vom 15.1.2009, der unter Ziffer 2 vorgesehen habe, dass die Vertragspartner im Zusammenhang mit der schrittweisen Anpassung der RLV auch Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festlegen dürften. Diese Regelung sei im Beschluss vom 27.2.2009 wortidentisch aufgenommen worden, mit der Ausnahme, dass die Befugnis zur Festlegung von Grenzwerten entfallen sei. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf ein Rundschreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) ausführe, mit dem Änderungsbeschluss vom 27.2.2009 seien nur die methodischen Vorgaben des vorangegangenen Beschlusses gestrichen worden, finde diese Auffassung im Wortlaut des Beschlusses keine Grundlage. Der EBewA habe vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Bildung der Rückstellungen zum Zwecke der Vermeidung von Unterdeckungen die finanziellen Auswirkungen der Regelungen über Ausgleichszahlungen zu berücksichtigen seien. Die Finanzierungsregelung der Konvergenzvereinbarung widerspreche zudem der Honorarverteilungs- und Vergütungsvereinbarung, die in § 12 Abs 1 ausdrücklich vorsehe, dass die Ausgleichszahlungen für überproportionale Honorarverluste versorgungsbereichsspezifisch aus den Rückstellungen erfolgen sollten. Weder der HVV noch der Konvergenzvereinbarung sei zu entnehmen, dass Ausgleichszahlungen zunächst über die Abschöpfung der Umsatzsteigerung zu finanzieren seien und erst ergänzend auf Rückstellungen zurückzugreifen sein solle. Nach den Angaben der Beklagten seien die Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt ca 67 Mio Euro durch Gewinnabschöpfungen in Höhe von 55 Mio Euro und aus Rückstellungen in Höhe von 12 Mio Euro finanziert worden. Die Finanzierung der Ausgleichszahlungen im Wege von Rückstellungen treffe alle Vertragsärzte in gleicher Weise und entspreche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die Honorarkürzungen nach der Konvergenzvereinbarung im Fall der Klägerin habe dazu geführt, dass das errechnete RLV für die Klägerin nicht vollständig gewährt worden sei. Selbst eine Anhebung des der Klägerin zugewiesenen RLV hätte keine Auswirkung auf das verbleibende Gesamthonorar gehabt, weil eine Erhöhung des Honorars durch die Differenzbildung komplett abgeschöpft worden wäre. Die Konvergenzregelung verstoße auch deshalb gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil sie die Finanzierungslast in weitem Umfang den Praxen mit geringerem Umsatzvolumen aufbürde.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Entgegen der Auffassung des LSG ergebe sich eine Rechtsgrundlage für die Konvergenzvereinbarung aus dem Beschluss des EBewA vom 15.1.2009. Dass dieser Beschluss eine Regelung zur Finanzierung der Honorarverluste durch Abschöpfung von Umsatzzuwächsen bei den Gewinnerpraxen enthalte, folge schon aus dem Wortlaut, nämlich den in Ziffer 2 verwendeten Pluralformulierungen, wonach "die Vertragspartner Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festlegen" oder "die Anwendung der Beschränkung der Umsatzveränderungen der einzelnen Arztpraxen auf die mit den Grenzwerten festgelegte Höhe unter den folgenden Bedingungen erfolgt …". Zweifelsfrei ergebe sich dies aber auch aus der im Beschluss veröffentlichten Protokollnotiz zu Ziffer 2 des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband). Diese laute:
"a) Für den Zeitraum 1. April 2009 bis 31. Dezember 2009 betragen die Grenzwerte gemäß Ziffer 2 80 % bzw 120 % des Umsatzes der Arztpraxis bzw des Arztes im jeweiligen Basisquartal 2008.
b) Für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 betragen die Grenzwerte gemäß Ziffer 2 70 % bzw 130 % des Umsatzes der Arztpraxis bzw des Arztes im jeweiligen Basisquartal 2008."
Durch die Angabe der jeweiligen zweiten Prozentzahl stehe eindeutig fest, dass nach dem Willen der Vertragspartner die Finanzierung des Ausgleichs der Honorarverluste über die Begrenzung der Honorarzuwächse erfolge und allenfalls subsidiär auf Rückstellungen zurückzugreifen sei. Der Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 habe sich nur bezüglich der methodischen Vorgaben von dem Beschluss vom 15.1.2009 abgegrenzt mit der Folge, dass die Grundaussage dieses Beschlusses etwa zur Finanzierungsmöglichkeit der Honorarverluste durch Abzüge bei Gewinnerpraxen weiterhin Gültigkeit behalten habe. Nach einem Rundschreiben der KÄBV vom 2.3.2009 sei bei der Überarbeitung des Beschlusses insbesondere dem Wunsch verschiedener KÄVen nach der Ermöglichung einer größtmöglichen regionalen Flexibilität bei der Umsetzung Rechnung getragen worden. Dementsprechend seien die im bisherigen Beschluss enthaltenen methodischen Vorgaben weitestgehend gestrichen worden. Daraus könne nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Heranziehung der Gewinnerpraxen nicht mehr möglich sein sollte. Diese Ansicht entspreche offenbar auch der Auffassung des BSG, das in seinem Urteil vom 18.8.2010 (B 6 KA 16/09 R) ausgeführt habe, dass sich die dortige Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Ausgleichsregelung nicht auf den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 berufen könne, weil die Regelung allein für die Zeit ab Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen Geltung beanspruchen könne. Die erheblichen Honorarverluste von teilweise über 50 % durch die Umstellung des Vergütungssystems hätten nicht ohne Rückgriff auf die Gewinner allein durch Rückstellungen finanziert werden können. Eine Finanzierung allein aus Rückstellungen hätte dazu geführt, dass die ohnehin schon niedrigen Fallwerte im RLV noch weiter hätten abgesenkt werden müssen. Schließlich hätten die Vertragspartner die Konvergenzphase zeitlich auf einen kurzen Zeitraum von nur sechs Quartalen, nämlich vom 1.1.2009 bis zum 30.6.2010, befristet. Die Vereinbarung stelle sich als ein Verfahren der schrittweisen Anpassung an die Vorgaben des EBewA dar. Sie habe sich auch bewährt. So seien im Quartal I/2009 noch 22 % der Praxen zur Finanzierung der Honorarverluste herangezogen worden, im Quartal I/2010 nur noch 17 % und ab dem Quartal III/2010 habe auf eine Konvergenz ganz verzichtet werden können. Auch eine Unvereinbarkeit der Konvergenzvereinbarung mit der HVV sei nicht gegeben. § 12 HVV enthalte eine allgemeine Härtefallregelung für den Einzelfall entsprechend Teil F Ziffer 3.7 des Beschlusses des EBewA. Er regele also den Ausgleich solcher überproportionaler Honorarverluste, die nicht von der Konvergenzvereinbarung erfasst würden. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vor, denn eine systematische Schlechterstellung ertragsschwächerer Praxen sei nicht erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.10.2012 sowie des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das SG und das LSG haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die Beklagte erneut über den Honoraranspruch der Klägerin zu entscheiden hat. Die Honorarbescheide der Beklagten sind rechtswidrig, weil die ihnen zugrunde liegenden Bestimmungen der Konvergenzvereinbarung unwirksam sind.
1. Die Bestimmung des § 2 Abs 7 Buchst a Konvergenzvereinbarung, wonach zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen an Arztpraxen, deren Gesamthonorar und Fallwert sich gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als 5 % verringert hat, die Honorarumsätze derjenigen Praxen einer Quotierung zugeführt werden, deren Honorarumsätze im Abrechnungsquartal um 5 % über den Vorjahreshonorarumsätzen lagen, entsprach weder den gesetzlichen Vorgaben noch den Beschlüssen des EBewA.
a) Nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V (idF des GKV-WSG vom 26.3.2007 - BGBl I 378) konnten Anteile der Summe der MGVen für die Bildung von Rückstellungen ua zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten verwendet werden. Der Gesetzgeber ermöglichte damit, auf problematische Auswirkungen der mit der Vergütungsreform zum 1.1.2009 erfolgten weit reichenden Umgestaltung des Vergütungssystems zu reagieren. Die Selbstverwaltung sollte in die Lage versetzt und in die Verantwortung genommen werden, überproportionalen Honorarverlusten zeitnah entgegenzusteuern (vgl Ausschussbericht BT-Drucks 16/4247 S 43). Bereits vom Wortlaut der Ermächtigung waren damit Ausgleichszahlungen der Praxen mit Honorarzuwächsen zugunsten von Praxen mit Honorarverlusten nicht erfasst. Das Gesetz nannte vielmehr ausdrücklich nur die Bildung von Rückstellungen als mögliches Finanzierungsinstrument für Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten. Nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V bestimmte der Bewertungsausschuss (BewA) Vorgaben zur Umsetzung von Absatz 2 Satz 3, 6 und 7 sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach Absatz 3 Satz 5.
Es kann offenbleiben, ob die gesetzliche Regelung des § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V so zu verstehen war, dass Ausgleichszahlungen ausschließlich über Rückstellungen zu finanzieren waren. Selbst wenn unterstellt wird, dass jedenfalls dem BewA ein Spielraum für die Implementierung weiterer Finanzierungsinstrumente verblieb (vgl zum Gestaltungsspielraum des BewA BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 22 f; zum Begriff der "Vorgaben" in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V vgl BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 36 mwN), kann die angegriffene Konvergenzregelung keinen Bestand haben, weil sie in den Beschlüssen des EBewA keine Grundlage findet.
Der EBewA hat in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen Beschluss zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V gefasst (DÄ 2008, A-1988). In Teil F Ziffer 3.7 ermächtigte er die Partner der Gesamtverträge zu Ausgleichszahlungen im Fall von Honorarverlusten um mehr als 15% gegenüber dem Vorjahresquartal, die durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet waren, dass extrabudgetäre Leistungen nicht fortgeführt worden waren. Mit weiteren Beschlüssen vom 15.1.2009 (DÄ 2009, A-308) und 27.2.2009 (DÄ 2009, A-574) machte der EBewA erneut Vorgaben zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste. Der Inhalt der HVV und anderer Vereinbarungen hatte sich nach den vom EBewA getroffenen vorrangigen Bestimmungen zu richten (vgl zur Normenhierarchie zwischen Regelungen des BewA und HVV BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24; SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 19). Die genannten Beschlüsse des EBewA decken die Regelungen in der Konvergenzvereinbarung der Beklagten indes nicht.
aa) Gemäß Teil A Ziffer 1 des Beschlusses vom 27.2.2009 konnten die Partner der Gesamtverträge zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen einvernehmlich - ab dem 1.4.2009 und zeitlich begrenzt bis zum 31.12.2010 - ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen RLV (Konvergenzverfahren), beschließen, sofern diese Honorarverluste durch die Umstellung der Steuerung auf die neue Systematik begründet waren. Nach Ziffer 2 des Beschlusses war, soweit die Partner der Gesamtverträge ein Verfahren nach Ziffer 1 beschlossen, dieses mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen RLV, an die sich aus der Beschlussfassung des EBewA zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Vorgaben auszugestalten. Der Beschluss verhielt sich nicht zur Finanzierung von Ausgleichsregelungen, sondern ausschließlich zu einem Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der RLV an die Vorgaben des EBewA. Das zu regelnde Verfahren betraf nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht den nachträglichen Ausgleich von Honorarverlusten, sondern die - vorausschauende - Vermeidung der Entstehung von überproportionalen Honorarverlusten. Da die Auswirkungen der Umgestaltung des Vergütungssystems aber häufig erst im Nachhinein sichtbar werden, ist nach Sinn und Zweck auch ein der Honorarabrechnung nachgehendes Ausgleichsverfahren grundsätzlich von dem Beschluss des EBewA erfasst. Insofern ist davon auszugehen, dass die späteren Beschlüsse auf dem Beschluss vom 27./28.8.2008 aufbauten, der Ausgleichszahlungen ausdrücklich vorgesehen hatte.
Der Passus aus dem Beschluss des EBewA vom 15.1.2009, nach dem die Partner der Gesamtverträge prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festlegen können, woraus die Beklagte folgert, dass sowohl auf Verluste als auch auf Gewinne Bezug genommen worden sei, fand sich im späteren Beschluss vom 27.2.2009, mit dem der Beschluss vom 15.1.2009 geändert wurde, nicht mehr. Unabhängig davon enthielt keiner der beiden Beschlüsse eine ausdrückliche oder implizite Aussage, auf die sich eine generelle Inanspruchnahme der Praxen mit einem Honorarzuwachs zur Finanzierung von Ausgleichszahlungen stützen lassen könnte. Es war vielmehr stets nur von der Vermeidung überproportionaler Honorarverluste die Rede. Die Finanzierung wurde nur insoweit angesprochen, als eine Nachschusspflicht der Krankenkassen in Teil A Ziffer 8 ausgeschlossen wurde. Bei der Bildung von Rückstellungen waren die Auswirkungen der Verfahren zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten zum Zwecke der Vermeidung von Unterdeckungen zu berücksichtigen. Statt von Ausgleichszahlungen war mithin auch hier nur die Rede von Rückstellungen.
bb) Das LSG hat zutreffend dargelegt, dass sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Ausgleichsregelung der Konvergenzvereinbarung nicht auf den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 berufen kann. Abgesehen davon, dass dieser Beschluss mit dem späteren Beschluss vom 27.2.2009 geändert wurde, hat der Senat bereits entschieden, dass die dort - in Teil A - den Partnern der Gesamtverträge eingeräumte Möglichkeit einer schrittweisen Anpassung der RLV im Rahmen eines sogenannten "Konvergenzverfahrens" inhaltlich die sich aus der gesetzlichen Umgestaltung des vertragsärztlichen Vergütungsrechts (§§ 87a ff SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zum 1.1.2009 und den hierzu ergangenen Beschlüssen des EBewA ergebenden Konsequenzen betraf und sich die Ermächtigung zu einer schrittweisen Anpassung auf die RLV bezog, nicht hingegen auf die Normierung von Ausgleichsregelungen außerhalb der Vergütung nach RLV (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 43). Dafür sprechen auch die im weiteren normierte Überprüfung der Konvergenzregelungen durch den BewA (Ziffer 5) und die damit korrespondierenden Dokumentations- und Übermittlungspflichten der KÄVen (Ziffer 6).
Soweit die Beklagte sich auf die Verwendung des Plurals in Ziffer 2 des Beschlusses vom 15.1.2009 beruft ("prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen"), weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass diese Formulierungen im systematischen Zusammenhang gelesen werden müssen. Zum einen werden alle Ärzte und Fachgruppen erfasst, zum anderen ist Gegenstand der Sonderregelungen nach Ziffer 1 allein die Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und von Problemen der Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen. Dass die Verwendung des Plurals nicht dahin zu verstehen ist, dass auch negative Umsatzveränderungen gemeint sind, verdeutlichen die in Ziffer 2a genannten Voraussetzungen für eine Beschränkung der Umsatzveränderungen. Die die Grenzwerte überschreitende Höhe der Umsatzveränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal muss danach durch nicht von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden, nicht gewollt und durch die Verteilung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet sein. Diese Kriterien sind schwerlich auf die Fälle positiver Umsatzveränderungen anwendbar. Soweit die Ziffer 2 in dem von der Beklagten vertretenen Sinn zu verstehen sein und auch die Umsatzzuwächse erfassen sollte, würde § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung daran kranken, dass die Heranziehung nicht an die besonderen Voraussetzungen der Ziffer 2a des Beschlusses vom 15.1.2009 geknüpft ist.
Die Protokollnotiz des GKV-Spitzenverbandes zu Ziffer 2 des Beschlusses, wonach im Jahr 2009 die Grenzwerte gemäß Ziffer 2 80 % bzw 120 % des Umsatzes der Arztpraxis im jeweiligen Basisquartal 2008 betragen, beinhaltet keine verbindliche Regelung. Es kommt vielmehr lediglich die Auffassung eines Vertragspartners zum Ausdruck. Auf diese Interpretation könnte die Konvergenzregelung im Übrigen schon deshalb nicht gestützt werden, weil sie erheblich abweichende Grenzwerte festlegt.
Die Auslegung des Beschlusses des EBewA vom 15.1.2009 im Rundschreiben der KÄBV vom 16.1.2009, wonach der über die Konvergenzregelungen hergestellte Ausgleich überproportionaler Honorarverluste, soweit diese nicht durch die Begrenzung überproportionaler Honorarzuwächse kompensiert werden könnten, aus den im Zusammenhang mit der Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung durch die KÄVen zu bildenden Rückstellungen zu finanzieren sei, ist ebenfalls nicht verbindlich und findet im Beschluss selbst keine Stütze. Im weiteren Rundschreiben vom 2.3.2009 ist von widersprüchlichen Regelungen im Beschluss vom 15.1.2009 die Rede, weshalb die methodischen Vorgaben im Interesse einer größtmöglichen regionalen Flexibilität im Beschluss vom 27.2.2009 aufgegeben worden seien. Angesichts der nicht vorhandenen Anknüpfungspunkte für die Ausgestaltung einer Ausgleichsregelung in den Beschlüssen des EBewA kann dem Hinweis auf die intendierte weitgehende regionale Flexibilität keine argumentative Stütze für § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung entnommen werden.
cc) Der Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008 enthält schließlich ebenfalls keine Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ausgleichsregelung. Er ermächtigt in Teil F Ziffer 3.7 lediglich zu Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten, die durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet sind, dass extrabudgetäre Leistungen nicht fortgeführt worden sind. Das Verfahren der Umsetzung bestimmen nach Satz 2 die Partner der Gesamtverträge. In Teil G findet sich auf der Grundlage des § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V der Beschluss, dass von der MGV Anteile für die Bildung von Rückstellungen ua zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten zu verwenden waren. Ebenso wie der Gesetzgeber hatte der EBewA mithin die Vorstellung, dass Ausgleichszahlungen durch Rückstellungen finanziert werden sollten. Dementsprechend haben die Partner der HVV in § 12 ihrer Vereinbarung eine Ausgleichszahlung allein aus Rückstellungen vorgesehen. Da § 12 HVV eng an die Formulierungen in Ziffer 3.7 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 angelehnt ist, ist nicht nachvollziehbar, dass es sich - wie die Beklagte vorträgt - um eine Härtefallregelung handeln soll, die dem Ausgleich solcher Honorarverluste dient, die nicht von der Konvergenzvereinbarung erfasst werden, etwa weil der betreffende Arzt sein RLV nicht ausgeschöpft hat. Das LSG hat zu Recht auch auf die Anlage 3b der HVV für das Jahr 2009 hingewiesen, wonach Rückstellungen zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten zu bilden waren unter Berücksichtigung der im Jahr 2009 zu erwartenden Änderung des Vergütungsbedarfs.
b) Selbst auf der Grundlage der Annahme, dass die Partner der Gesamtverträge dazu ermächtigt waren, Ausgleichszahlungen anders als durch Rückstellungen zu finanzieren, kann die Ausgleichsregelung nach § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung keinen Bestand haben. Der Senat hat bereits zur Rechtslage bis zum 31.12.2008 (vgl dazu zuletzt Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 13/12 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 73) entschieden, dass die mit dem System der Vergütung nach RLV ggf verbundenen Vorteile für die Vertragsärzte nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der HVV so begrenzt werden dürfen, dass anstelle der RLV faktisch praxisindividuelle Budgets - bezogen auf die von den einzelnen Praxen im Referenzquartal erreichte Vergütung - zur Anwendung kommen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 39). Eine solche Konstellation liegt hier aber vor. Zwar sah die HVV der Beklagten die Bildung praxisindividueller RLV sowie die Bewertung der innerhalb des RLV liegenden Honoraranforderungen mit einem festen Punktwert vor. Diese in Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben erlassenen Bestimmungen der HVV wurden jedoch durch die Ausgleichsregelungen nach § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung korrigiert bzw konterkariert. Danach erfolgte ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten Honorars sowie des fallbezogenen Honorars der einzelnen Praxis mit dem Honorar sowie dem Honorar je Fall im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2008. Hatte sich beides um mehr als 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal verringert, erfolgte eine Ausgleichszahlung bis maximal 95 % des Honorars des Vorjahres. Finanziert wurde dies spiegelbildlich durch Quotierung der Honorarforderungen derjenigen, die die Vorjahreshonorarumsätze um 5 % gesteigert hatten. Somit bestimmte sich die Höhe des der Arztpraxis zustehenden Honorars im Ergebnis nicht maßgeblich nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und festen Punktwerten, sondern primär nach dem im Referenzquartal erzielten Honorar und Fallwert.
Je größer das durch die Ausgleichsregelung vorgegebene Ausmaß der Honorarkürzung im Falle einer Honorarsteigerung war, desto mehr entfernte sich der Honoraranspruch der einzelnen Arztpraxis von dem nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben ermittelten Anspruch (vgl BSG aaO RdNr 42). Die Ausgleichsregelung führte im Ergebnis dazu, dass die von einer Arztpraxis abgerechneten Leistungen in einer Form vergütet wurden, die einem praxisindividuellen Individualbudget weitgehend vergleichbar war. Auch eine Praxis, deren Leistungsumfang sich innerhalb des vorgegebenen RLV hielt, erhielt diese Leistungen nur dann mit dem vorgesehenen festen Punktwert vergütet, wenn es - im Vergleich zum Referenzquartal - nicht zu einer Honorarveränderung um mehr als 5 % gekommen war. Wurde das im Referenzquartal erzielte Honorar um mehr als 5 % überschritten, wurde das - im ersten Schritt nach RLV und festem Punktwert berechnete - Honorar in einem zweiten Schritt um den übersteigenden Betrag gekürzt, mit der Folge, dass sich der "feste" Punktwert faktisch entsprechend dem Ausmaß der durch die Ausgleichsregelung bedingten Honorarkürzung verringerte. Das LSG hat zu Recht herausgestellt, dass auf diese Weise jede Honorarsteigerung der Klägerin durch die Ausgleichsregelung wieder abgeschöpft worden wäre.
c) Die Erwägung, die Kosten für die Stützung derjenigen Praxen, die infolge der Änderung der Systematik der vertragsärztlichen Vergütung zum 1.1.2009 überproportionale Honorareinbußen hinnehmen mussten, seien von den Praxen aufzubringen, die von den RLV besonders profitieren, rechtfertigt die Regelung in § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung nicht. Zwar hält der Senat die Partner der HVV grundsätzlich für berechtigt, in der HVV zumindest für eine Übergangszeit Vorkehrungen zu treffen, dass eine Umstellung der Vergütung nicht zu existenzbedrohenden Honorarminderungen für bestehende Praxen trotz unveränderten Leistungsangebots führt (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 46). Es steht außer Frage, dass eine KÄV bereits aufgrund des ihr nach § 75 Abs 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt ist, zwar nicht anstelle, jedoch ergänzend zu den RLV mit den Krankenkassenverbänden Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten (vgl BSG aaO unter Bezugnahme auf BSGE 81, 86, 102 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 98). Dem steht nicht entgegen, dass Konvergenzregelungen nach den Beschlüssen des EBewA keine Nachschusspflicht der Krankenkassen auslösen. Ob die Grenze für einen überproportionalen Honorarverlust mit dem Erfordernis einer Stützung schon bei 5 % zu ziehen ist, ist äußerst zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, weil die begünstigende Wirkung von § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist. Ebenso ist die KÄV weiterhin nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, auch im Rahmen von RLV unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie auch sogenannte "Anfänger- oder Aufbaupraxen" zu stützen (BSG aaO).
Nach der Rechtsprechung des Senats bedingt indessen eine zulässige Ausgleichsregelung bei Fallwert- und Honorarminderungen nicht zwingend die Rechtmäßigkeit der zu ihrer Finanzierung erforderlichen Regelung zur Honorarkappung bei Honorarsteigerungen. Eine Art "Schicksalsgemeinschaft" der von den RLV besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht nicht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 47). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass deutliche Honorarzuwächse einzelner Arztgruppen oder Praxen infolge der Veränderung des Vergütungssystems vom Normgeber ausdrücklich gewollt sind, zB weil bestimmte Vergütungsanreize gesetzt werden sollten oder das bisherige Honorarniveau im Vergleich zu anderen Gruppen als unzureichend angesehen wurde. Der Senat hat schon deshalb eine pauschale Inpflichtnahme aller "Gewinnerpraxen" zur Finanzierung der von den Partnern der HVV für erforderlich gehaltenen Verlustbegrenzung ausgeschlossen (BSG aaO). Sie könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn sie daran geknüpft würde, dass in Anlehnung an die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen gefordert würde, dass bestimmte unter Versorgungsaspekten nicht gewollte Honorarsteigerungen ausschließlich durch die Umstellung des Vergütungssystems bedingt sind.
Erst recht ist eine pauschale Inanspruchnahme der Gewinner ausgeschlossen, wenn - wie die niedrigen Eingreifschwellen von minus 5 % für Stützungsmaßnahmen und von plus 5 % für Honorarkürzungen nahe legen - die Regelung eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen hatte (BSG aaO RdNr 48). Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung glichen offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen RLV, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort. Dabei wurden, wie das LSG herausgestellt hat, in erheblichem Umfang umsatzschwächere Praxen zur Finanzierung umsatzstärkerer Praxen herangezogen. Die Hauptlast der Ausgleichsregelung hatten danach die Praxen mit einem Umsatz bis 30 000 Euro zu tragen. In den Umsatzklassen bis 30 000 Euro erbrachten im Quartal I/2009 1924 Praxen Leistungen, während nur 453 Praxen Ausgleichsleistungen erhielten. In allen darüberliegenden Umsatzklassen hatten jeweils mehr Praxen Stützungsbedarf als zur Finanzierung herangezogen wurden.
Die für die Stützung erforderlichen Auffüllbeträge müssen, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.8.2010 ausgeführt hat (BSG aaO RdNr 49), gegebenenfalls aus der Gesamtvergütung - also zu Lasten aller Vertragsärzte - aufgebracht werden. Die Beklagte hätte daher erforderlich werdende Ausgleichszahlungen durch entsprechende Vorab-Einbehalte bei den Gesamtvergütungen bzw durch anteilige Honorarabzüge bei allen an der Honorarverteilung teilnehmenden Vertragsärzten bzw Praxen finanzieren müssen. Hierzu wäre sie nicht zuletzt im Hinblick auf § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V auch berechtigt gewesen. Zweifellos hätte dies negative Rückwirkungen auf die Höhe der Punktwerte gehabt, es hätte aber zu einer dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entsprechenden gleichmäßigen Belastung aller Vertragsärzte geführt. Das LSG hat insofern zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber klar gewesen ist, dass im Zuge der Einführung einer neuen Vergütungssystematik regional Verluste eintreten könnten, er dies aber im Interesse einer langfristigen Angleichung in Kauf genommen hat.
d) Die strittigen Regelungen rechtfertigen sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung. Eine Regelung, die schon von ihrer Richtung oder Struktur prinzipiell systemfremd ist oder nicht mit höherrangigen Vorgaben übereinstimmt, kann auch unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung nicht hingenommen werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 107; BSGE 88, 126, 137 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157; BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31; BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 29). Nichts anderes gilt für eine Regelung, die ein untergesetzlicher Normgeber erlässt, ohne hierzu durch Gesetz ermächtigt worden zu sein.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
Fundstellen
Haufe-Index 5510028 |
ArztR 2013, 200 |
MedR 2014, 258 |
SGb 2013, 460 |
AMK 2013, 7 |
ZMGR 2013, 407 |