Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Durch Bescheid vom 6. August 1975 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 11. Oktober 1974 ab 3. Februar 1975 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. Am 31. Mai 1976 verfügte die Beklagte die Nachuntersuchung des Klägers zur Feststellung der Dauerrente. Unter Verwertung eines neurologischen Zusatzgutachtens des Privatdozenten … von der neurologischen Abteilung des Krankenhauses … vom 12. Juli 1976 kamen die Fachärzte für Chirurgie … und … vom Krankenhaus Bad … im Gutachten vom 6. August 1976 zu dem Ergebnis, daß der Kläger, durch Folgen des Unfalls vom 11. Oktober 1974 um 20 v.H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei. Das Gutachten ging bei der Beklagten am 9. August 1976 ein. Ohne dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu dem Gutachten äußern, stellte die Beklagte durch Bescheid vom 8. September 1976 die Dauerrente ab 1. Oktober 1976 nach einer MdE um 20 v.H. fest.
Hiergegen hat der Kläger am 29. September 1976 beim Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben und zunächst beantragt, unter Abänderung des Bescheides vom 8. September 1976 die Beklagte zu verurteilen, eine Dauerrente nach einer MdE um 30 v.H. zu zahlen. Nachdem der Facharzt für Chirurgie Dr. … in … dem auf Veranlassung des SG eingeholten Gutachten vom 26. Juli 1977 die unfallbedingte MdE auf 20 v.H. geschätzt hatte, beantragte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur noch, den Bescheid der Beklagten vom 8. September 1976 aufzuheben, weil ihm vor Erlaß des Bescheides kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Durch Urteil vom 28. September 1977 hat das SG diesem Antrag entsprochen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Bei der erstmaligen Feststellung der Dauerrente nach § 1585 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) brauche nicht nachgewiesen zu werden, daß in den für die letzte Rentenfeststellung maßgebend gewesenen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Es bestehe auch kein Streit über die Unfallfolgen, und es müsse unter Auswertung der fachärztlichen Gutachten vom 12. Juli 1976, 6. August 1976 und 26. Juli 1977 festgestellt werden, daß die durch den Arbeitsunfall vom 11. Oktober 1974 bedingte MdE des Klägers seit dem 1. Oktober 1976 nur noch 20 v.H. betrage. Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO würde der Kläger deshalb als Dauerrente nur noch eine Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente zustehen, zumal die Beklagte die Vorschrift des § 623 Abs. 2 RVO beachtet habe. Gleichwohl habe der angefochtene Bescheid aufgehoben werden müssen, weil die Beklagte entgegen § 34 Abs. 1 des Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches (SGB) den Kläger vor Erlaß des Bescheides nicht gehört habe. Die Anhörung, könne noch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG) nicht mehr nachgeholt werden. Ausnahmen, die gemäß § 34 Abs. 2 SGB eine Anhörung entbehrlich machten, lägen nicht vor. Der Tatbestand des § 34 Abs. 2 Nr. 2 SGB, der hier allein in Betracht kommen könnte, sei nicht, erfüllt. Danach könne von der Anhörung abgesehen werden, wenn durch die Anhörung die Einhaltung einer Frist in Frage gestellt werden würde. Es könne offen bleiben, ob die Feststellung der Dauerrente im Hinblick auf § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO unter § 34 Abs. 2 Nr. 2 SGB falle. Selbst wenn das bejaht werde, so hätte die Beklagte die erste Dauerrente auch dann noch vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall feststellen können, wenn sie (den Kläger zuvor zu den Gutachten im 12. Juli und 6. August 1976 gehört hätte, denn diese Gutachten seien bei der Beklagten am 13. Juli und 9. August 1976 eingegangen. Obwohl die Beklagte zunächst noch einen beratenden Arzt gehört habe, hätte sie dem Kläger vor der Entscheidung des Rentenausschusses Gelegenheit geben können, sich zu den Gutachten zu äußern, ohne daß die Frist von zwei Jahren seit dem Unfall abgelaufen wäre.
Das SG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel mit Zustimmung des Klägers eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Es sei fraglich, ob § 34 Abs. 1 SGB I hier überhaupt anzuwenden sei. Mit der Feststellung der Dauerrente werde noch nicht in feste Positionen des Verletzten eingegriffen; die vorläufige Rente habe noch keinen endgültigen Charakter gehabt. Der Schutzgedanke dieser Vorschrift komme somit kaum zum Tragen. Auf jeden Fall greife hier § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 SGB I ein. Das letzte ärztliche Gutachten sei zwar bei ihr am 9. August 1976 eingegangen, jedoch habe es noch einer Rückfrage bei dem beratenden Arzt bedurft, die sich durch dessen Urlaub verzögert habe. In der dann noch zur Verfügung stehenden Zeit sei bei normalem Ablauf der Zustellung des Anhörungsschreibens und des anschließenden Bescheides die Zweijahresfrist zwar noch einzuhalten gewesen. Erfahrungsgemäß komme es aber immer wieder zu Rückläufen von Schreiben und Bescheiden, die eine erneute Zustellung erforderlich machten. Auch im vorliegenden Fall seien entsprechende Komplikationen und damit eine Überschreitung der Zweijahresfrist nicht ausgeschlossen gewesen. Daher müßten die Fälle der Dauerrentenfeststellung ganz von der Regelung des § 34 SGB I ausgenommen und wegen der finanziellen Konsequenzen das Vorliegen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB I angenommen werden. Der Vertrauensschutz des Klägers könne gegenüber dem öffentlichen Interesse keinen Vorrang haben. Überdies könne ein Verstoß gegen § 34 Abs. 1 SGB I nicht zur Aufhebung des Bescheides führen, wenn - wie hier - bei entsprechender Durchführung der Anhörung keine anderslautende Entscheidung habe ergehen können. Auch sei im Entwurf des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - vorgesehen, daß ein Bescheid nicht allein wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben werden kann. Daran könne die Rechtsprechung heute nicht mehr vorbeigehen. Sie habe nunmehr nach Anhörung des Klägers am 7. Dezember 1977 einen bedingten Bescheid erteilt, in dem die Rente wegen wesentlicher Besserung der Unfallfolgen unter der Bedingung herabgesetzt werde, daß der Bescheid vom 8. September 1976 allein wegen eines Verstoßes gegen § 34 SGB I aufgehoben werde. Für diesen Fall ersetze der Bescheid vom 7. Dezember 1977 den ersten Bescheid im Sinne von § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Beklagte beantragt,das Urteil des SG Detmold vom 28. September 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen,hilfsweise,den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der während des Revisionsverfahrens erlassene neue Bescheid vom 7. Dezember 1977 sei nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Sprungrevision der Beklagten ist statthaft, aber nicht begründet. Das SG hat den Bescheid über die erste Feststellung der Dauerrente vom 8. September 1976 zu Recht aufgehoben.
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem nach dem am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Art. I § 34 Abs. 1 des SGB - Allgemeiner Teil - (SGB I) vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I 3015) Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte vor Erlaß des Bescheides vom 8. September 1976 nicht nachgekommen. Der Anhörung war die Beklagte nicht deshalb enthoben, weil - wie sie unter Hinweis auf § 1585 Abs. 2 RVO meint -, der Bescheid über die erste Feststellung der Dauerrente noch nicht in feste Positionen des Klägers eingegriffen habe. Wenn auch die erste Feststellung der Dauerrente nach § 1585 Abs. 2 RVO eine Änderung der Verhältnisse nicht voraussetzt, greift sie jedenfalls in die Rechte des Verletzten ein, sofern sie niedriger als die vorläufige Rente festgestellt wird. Bei einer Minderung von Sozialleistungen besteht grundsätzlich ein erhebliches Interesse des einzelnen an seiner Anhörung, bevor gegen ihn ein Verwaltungsakt erlassen wird (vgl. Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, Kommentar, § 34 Anm. 5). Dem Beteiligten muß in solchen Fällen Gelegenheit gegeben werden, sich vor allem zu den betreffenden ärztlichen Gutachten zu äußern, die der Versicherungsträger zur Klärung der Voraussetzungen für die Gewährung der Dauerrente eingeholt hat (vgl. Burdenski/Maydell/Schellhorn, Kommentar zum Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, § 34 Anm. 20). Dem Sinn und Zweck des Art I § 34 Abs. 1 SGB I würde es nicht entsprechen, etwa daraus, daß § 1585 Abs. 2 Satz 2 RVO eine gewisse Bindungsfreiheit des Versicherungsträgers bei der Feststellung der Dauerrente normiert (vgl. BSGE 5, 96, 99), die Auffassung herzuleiten, daß es dann auch nicht der Anhörung des Beteiligten bedarf. Die Regelung über die Anhörung gehört mit in den Rahmen der Vorschriften des Allgemeinen Teils des SGB, die darauf abgestellt sind, die Stellung des Bürgers zu verbessern und das Vertrauensverhältnis zwischen Sozialverwaltung und Bürger zu stärken (vgl. BT-Drucks. 7/868, S. 28). Der einzelne soll nicht nur Objekt der verwaltungsrechtlichen Entscheidungen sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluß auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. Burdenski/Maydell/Schellhorn a.a.O. § 34 Anm. 13 und die dort zitierte Rechtsprechung. des Bundesverfassungsgerichts). Der Anhörung nach Art I § 34 Abs. 1 SGB kommt daher ähnliches Gewicht zu wie dem Grundrecht des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -).
Wie der erkennende Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 28. Juli 1977 - 2 RU 31/77 - näher ausgeführt hat, darf von der Anhörung nur aus den in Art. I § 34 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 6 SGB I abschließend aufgezählten Gründen abgesehen werden. Nach Nr. 2 dieser Vorschrift kann die Anhörung unterbleiben, wenn dadurch die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde. Ob die Frist von zwei Jahren nach dem Unfall, mit deren Ablauf die Dauerrente spätestens festzustellen ist (§ 1585 Abs. 23 Satz 1 RVO), andernfalls sie kraft Gesetzes zur Dauerrente wird (§ 622 Abs. 2 Satz 1 RVO), eine für die Entscheidung maßgebliche Frist im Sinne des Art. I § 34 Abs. 2 Nr. 2 SGB I ist, braucht auch hier nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn sie eine solche Frist wäre, würde im vorliegenden Fall die Anhörung des Klägers die Einhaltung der Frist nicht in Frage gestellt haben. Um zu verhindern, daß eine Rente mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 kraft Gesetzes zur Dauerrente wird, genügt es, daß der Versicherungsträger den Bescheid über die Feststellung der Dauerrente dem Verletzten vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall zustellt (BSGE 29, 73). Da der Kläger den Unfall am 11. Oktober 1974 erlitten hatte, wäre eine Zustellung am 11. Oktober 1976 noch rechtzeitig gewesen (zur Fristberechnung vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. § 622 Anm. 4a). Das letzte für die Feststellung der Dauerrente maßgebliche medizinische Gutachten ist bei der Beklagten am 9. August 1976 eingegangen. Von diesem Zeitpunkt an wäre eine Anhörung des Klägers bereits möglich gewesen. Ob die Stellungnahme des beratenden Arztes der Beklagten für die Festsetzung der Dauerrente erforderlich war, kann dahinstehen. Denn jedenfalls lag auch diese Stellungnahme bereits am 1. September 1976 vor, und somit wäre auch danach ausreichend Zeit für die Anhörung des Klägers gewesen. Erforderlichenfalls muß der Versicherungsträger mit Rücksicht auf Art. I § 34 Abs. 1 S. 1 SGB I entsprechende Vorkehrungen treffen, damit das Anhörungsrecht des Beteiligten verwirklicht werden kann. Als der Bescheid vom 8. September 1976 erging, war das SGB I bereits seit 8 Monaten in Kraft.
Ein öffentliches Interesse, das nach Art. I § 34 Abs. 2 Nr. 1 SGB I eine Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Beteiligten zuläßt, kann die Beklagte hier nicht für sich in Anspruch nehmen. Daß sie infolge der unterbliebenen Anhörung des Klägers wegen der inzwischen abgelaufenen Zweijahresfrist (§ 622 Abs. 2 RVO) die Rente zunächst über den 30. September 1976 hinaus nach einer MdE von 30 v.H. weiterzahlen muß, belastet zwar die Gemeinschaft der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer, durch deren Beiträge die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaft aufgebracht werden ( § 723 Abs. 1 RVO). Demgegenüber ist aber unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles das Interesse des Klägers an der Verwirklichung des ihm durch Art. I § 34 Abs. 1 SGB I gewährleisteten Rechts auf Anhörung dem Zweck der Vorschrift entsprechend höher zu bewerten. Die dem Revisionsvorbringen zugrundeliegende Auffassung der Beklagten über den Umfang und die Bedeutung der Anhörungspflicht, deren Verletzung letztlich ohne rechtliche Konsequenzen bliebe, würde im Ergebnis der vom Gesetzgeber beabsichtigten Stärkung des Vertrauensverhältnissen zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung eindeutig entgegenstehen. Ob dem Recht auf Anhörung schon dadurch entsprochen wird, daß dem Betroffenen in Fällen der vorliegenden Art eine Frist von nur einer Woche zur Äußerung eingeräumt wird - wie dies vor dem Erlaß des während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheides vom 7. Dezember 1977 geschehen ist - bedarf zwar in diesem Rechtsstreit keiner Entscheidung. Jedoch wird diese Frage gegebenenfalls noch zu klären sein.
Die unterlassene Anhörung nach Art. I § 34 Abs. 1 SGB I kann im Klageverfahren nicht mehr nachgeholt werden. Sie führt zur Aufhebung des ohne vorherige Anhörung erlassenen Verwaltungsaktes. Der erkennende Senat hat sich im Urteil vom 28. Juli 1977 (a.a.O.) eingehend mit der andersartigen Regelung in § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I 1253) auseinandergesetzt. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Sie kann für das Verwaltungsverfahren der Sozialleistungsträger nicht analog angewendet werden, weil der Gesetzgeber im SGB I dem Gebot der Anhörung eine stärkere Bedeutung beigemessen hat als im VwVfG. Zwar sieht - worauf die Beklagte hinweist - auch der Referentenentwurf eines Zehnten Buches des SGB - Verwaltungsverfahren - eine dem § 46 VwVfG entsprechende Regelung vor. Da jedoch bereits gegenüber dem Regierungsentwurf des SGB I die Anhörungspflicht vom Gesetzgeber wesentlich verstärkt (vgl. BT-Drucks. 7/3738 S. 17 und 7/3786 S. 5) und damit bewußt von der Regelung des VwVfG abgewichen worden ist, sind bisher jedenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß der Gesetzgeber dem Referentenentwurf insoweit zumindest mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit folgen wird. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 28. Juli 1977 (a.a.O.) auch erörtert, ob eine auf Art. 1 § 34 Abs. 1 SGB I gestützte Klage u.a. voraussetzt, daß zumindest die Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei einer vorherigen Anhörung des Beteiligten besteht. Er hat diese Frage offengelassen, da in der entschiedenen Sache - Entziehung der Dauerrente wegen wesentlicher Besserung - die Möglichkeit einer anderen Entscheidung nicht auszuschließen war. Dies ist auch hier der Fall. Zwar hat nach den Ausführungen des SG kein Streit über die Unfallfolgen bestanden, jedoch hat der Kläger den Grad der dadurch bedingten MdE höher als die Beklagte bewertet. Die kontroversen Standpunkte hatten das SG zu einer Beweisaufnahme veranlaßt, deren Ergebnis es dahin gewürdigt hat, daß die durch den Arbeitsunfall bedingte Erwerbsminderung des Klägers seit dem 1. Oktober 1976 nur noch 20 v.H. betrage. Die Möglichkeit einer anderen Entscheidung war somit nicht ausgeschlossen.
Der während des Revisionsverfahrens von der Beklagten erlassene Bescheid vom 7. Dezember 1977 ist entgegen der in der Rechtsbehelfsbelehrung dieses Bescheides zum Ausdruck gekommenen Ansicht der Beklagten nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Nach § 171 Abs. 2 SGG gilt ein während des Revisionsverfahrens erlassener neuer Verwaltungsakt, der den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt, als mit der Klage beim SG angefochten, es sei denn, daß der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird. Es kann dahinstehen, ob der Baucheid vom 7. Dezember 1977 den Bescheid vom 8. September 1977 abändert oder ersetzt. Ist das der Fall, dann gilt er als mit der Klage beim SG angefochten; ändert oder ersetzt er dagegen den ersten Bescheid nicht, müßte der Kläger den Bescheid vom 7. Dezember 1977 beim SG durch eine Klage anfechten, sofern er mit ihm nicht einverstanden ist. Eine Einbeziehung des Bescheides in das Revisionsverfahren ist grundsätzlich ausgeschlossen, da dem Kläger damit die Möglichkeit der Tatsachennachprüfung abgeschnitten wäre (vgl. BSGE 8, 164,166; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl. S. 254) Sie ist nur dann als zulässig anzusehen, wenn der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid den streitigen Bescheid aufhebt, aber die gleiche Rechtsfolge nur mit einer neuen Begründung ausspricht (BSGE 15, 105, 107). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Bescheid vom 7. Dezember 1977 hebt den Bescheid vom 8. September 1976 gerade nicht auf; er hat auch - zeitlich - eine andere Regelung zum Inhalt als der Bescheid vom 8. September 1976.
Da dieser Bescheid, über den allein hier zu entscheiden war, vom SG zu Recht aufgehoben worden ist, mußte die Revision der Beklagten zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung. folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518698 |
BSGE, 57 |