Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachleistungsanspruch. Kostenerstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Ein freiwillig Weiterversicherter hat gegen die gesetzliche Krankenkasse einen Anspruch auf Kostenerstattung, den das Gesetz nicht vorsieht, nur dann, wenn ein solcher Anspruch in zulässiger Weise von der Satzung eingeräumt ist.
2. Zum Recht der gesetzlichen Krankenkasse, für freiwillig Weiterversicherte in der Satzung eine Kostenerstattung vorzusehen.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Versicherten auf ärztliche Behandlung (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a RVO) ist ein Anspruch auf Sachleistungen. Die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften lassen eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht zu; es sei denn, es läge ein Notfall (§ 368d RVO) vor oder die Krankenkasse hätte eine Sachleistung zu Unrecht verweigert.
2. Eine Krankenkasse ist allerdings nach § 321 Nr 2 RVO befugt, durch ihre Satzung für freiwillig versicherte Mitglieder, die als Angestellte entweder nach § 176a Abs 1 RVO der Versicherung freiwillig beigetreten oder nach § 313 Abs 1 RVO freiwillig wegen Ausscheidens aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze weiterversichert sind, eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Anspruch auf Sachleistung oder einem Kostenerstattungsanspruch einzuräumen.
3. Ein freiwillig bei einer Ersatzkasse Versicherter hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten im Rahmen der kassenärztlichen Honorarsätze, wenn die Krankenkasse die Kostenübernahme bereits vor Inanspruchnahme des Arztes versagte, kein Notfall für die Behandlung vorlag oder trotz notwendiger Behandlung die Sachleistung abgelehnt hatte.
Normenkette
SVAufbauV 12 Art 2 § 4 Abs 2 Fassung: 1937-04-01; RVO § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a Fassung: 1974-08-07, § 188 Fassung: 1969-07-27, § 321 Nr 2, §§ 323, 368 Abs 1; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 30.07.1979; Aktenzeichen L 5 K 4/79) |
SG Speyer (Entscheidung vom 20.11.1978; Aktenzeichen S 9 K 12/78) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die geklagte sich zu Recht weigert, dem Kläger Kosten einer ärztlichen Behandlung zu erstatten.
Der Kläger ist als Angestellter der Firma C und G AG bei der Beklagten freiwillig weiterversichert. Im Jahre 1977 erkundigte er sich, ob die Beklagte für die Kosten einer erforderlichen Untersuchung bei dem nicht zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Chefarzt der Inneren Abteilung des St V-Krankenhauses in S, Dr R (R), aufkommen werde. Obwohl die Beklagte diese Frage verneinte, ließt sich der Kläger im November 1977 von Dr R ambulant behandeln und eine Gastroskopie durchführen. Die Beklagte lehnte die Erstattung der dem Kläger dafür entstandenen Kosten in Höhe von 54,10 DM ab. Mit seinem Widerspruch und der Klage hatte der Kläger keinen Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom Sozialgericht (SG) zugelassene Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, die gesetzlichen Krankenkassen, zu denen die Beklagte gehöre, hätten ihren Mitgliedern Krankenpflege in Form der Zurverfügungstellung von ärztlichen Leistungen zu gewähren (§ 182 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO- idF des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1069 -). Damit habe das Gesetz das Sachleistungsprinzip normiert, das auch sachgerecht sei. Lediglich im Notfall sei es dem Versicherten gestattet, die Behandlung von nicht zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus könnten Ansprüche des Versicherten auf Erstattung von Behandlungskosten auch in Betracht kommen, wenn es die Kasse ausdrücklich oder schlüssig ablehnen sollte, eine notwendige ärztliche Behandlung als Sachleistung zu gewähren. Ein derartiger Sachverhalt sei beim Kläger nicht gegeben gewesen. An der Rechtslage ändere es nichts, daß der Kläger der Beklagten als freiwilliges Mitglied angehöre. Die Satzung der Beklagten enthalte keine Bestimmung, die eine Kostenerstattung für freiwillige Mitglieder vorsehe.
Der Kläger hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt und ausgeführt, hinsichtlich des Verbotes einer Kostenerstattung für selbstbeschaffte ärztliche Behandlung mache es einen Unterschied, ob jemand Pflichtmitglied sei oder der Kasse als freiwillig Versicherter angehöre. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei offen geblieben, ob auch für freiwillig versicherte Mitglieder von Ersatzkassen die Kostenerstattung unzulässig sei. Die Ersatzkassen gingen davon aus, daß zumindest hinsichtlich der freiwillig Weiterversicherten die Kostenerstattung selbstbeschaffter ärztlicher Behandlung zulässig sei. Es sei nicht einzusehen, daß diese Gruppe von Versicherten der Ersatzkassen zwischen der Sachleistung und der Kostenerstattung frei wählen könnte, während dem freiwilligen Mitglied einer Pflichtkasse dieses Recht vorenthalten werde. Hierin liege eine sachwidrige Ungleichbehandlung, die gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 30. Juli 1979,
das Urteil des SG Speyer vom 20. November 1978 sowie
den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1977 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1978
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
die durch die von Dr R am 18. November 1977 vorgenommene
ambulante Behandlung entstandenen Kosten in Höhe des
kassenärztlichen Behandlungssatzes zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das System der deutschen sozialen Krankenversicherung lasse nämlich eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht zu.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten Erstattung der Kosten für die Behandlung durch den Nichtkassenarzt Dr R nicht verlangen, und zwar weder unmittelbar aus dem Gesetz noch aufgrund einer Satzungsbestimmung. Der § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a RVO normiert für Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen (§ 225 Abs 1 RVO) einen Anspruch auf ärztliche Behandlung, dh auf Sachleistung. Daß die Vorschriften der RVO eine Kostenerstattung insoweit nicht zulassen - es sei denn, es läge ein Notfall (§ 368d Abs 1 RVO) vor oder die Krankenkasse hätte eine Sachleistung zu Unrecht verweigert -, hat der Senat wiederholt entschieden (Urteile vom 19. Dezember 1978 - 3 RK 34/78 - KVRS 2020/4; vom 24. April 1979 - r RK 32/78 - SozR 2200 § 184 RVO Nr 13; vom 11. Oktober 1979 - 3 RK 72/78 - USK 79162 für die Krankenhauspflege bei Pflichtmitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse; Urteil vom 20. Juli 1976 - 3 RK 18/76 - BSGE 42, 117, 119 für die Krankenhauspflege bei Pflichtmitgliedern einer Ersatzkasse; Urteil vom 1. Juni 1977 - 3 RK 41/75 - SozR 2200 § 508 RVO Nr 2 für die ärztliche Behandlung bei Pflichtmitgliedern einer Ersatzkasse). An dieser zum Sachleistungsprinzip bei Pflichtversicherten ergangenen Rechtsprechung hält der Senat fest.
Der Gesetzeswortlaut erlaubt auch nicht, freiwillig bei gesetzlichen Krankenkassen Versicherten einen gesetzlichen Anspruch auf Kostenerstattung zuzugestehen. Denn § 179 RVO, der den Gegenstand der Versicherung durch Aufzählung der einzelnen Leistungen beschreibt, unterscheidet nicht zwischen freiwilligen und versicherungspflichtigen Mitgliedern.
Aufgrund einer Satzungsvorschrift kann der Kläger von der Beklagten Kostenerstattung ebenfalls nicht verlangen. Deren Satzung enthält nämlich - wie das LSG bindend festgestellt hat - keine entsprechende Bestimmung.
Allerdings trifft die Auffassung der Beklagten, sie sei rechtlich daran gehindert, eine solche Bestimmung in ihre Satzung aufzunehmen, nicht zu. Nach § 321 Nr 2 RVO wäre sie befugt, eine entsprechende Regelung in ihrer Satzung zu treffen, ohne daß dem § 323 RVO entgegenstünde. Nach der erstgenannten Vorschrift muß die Satzung über Art und Umfang der Leistungen bestimmen, nach der letztgenannten darf sie nichts enthalten, was gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft oder nicht im Zwecke der Kasse liegt. Bei Mitgliedern wie dem Kläger, der als Angestellter entweder nach § 176a Abs 1 RVO (Versicherungsberechtigung eines Angestellten, der wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht versicherungspflichtig ist, während der ersten Beschäftigung) der Versicherung freiwillig beigetreten ist oder sich nach § 313 Abs 1 RVO freiwillig wegen Ausscheidens aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze (vgl dazu Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand: Januar 1981, § 313 Anm 1.2.) weiterversichert hat, stehen einer auf Satzung beruhenden Kostenerstattung die §§ 179 ff RVO nicht entgegen. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, ergibt sich jedoch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften sowie deren Regelungszweck.
Mit der Einführung des Sachleistungssystems (s dazu bereits § 6 des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 - RGBl 73 -) bezweckte der Gesetzgeber, die ärztliche Versorgung aller Krankenkassenmitglieder sicherzustellen. Die Krankenkassen wurden verpflichtet, die Dienste und Güter, deren der Versicherte bedarf und die das Gesetz ihm zubilligt, zu beschaffen. Zu diesem Zweck haben sie ua Verträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 368g RVO) und den Krankenhäusern (vgl § 371 RVO) zu schließen, so daß die ambulante und die Krankenhausbehandlung der Versicherten gewährleistet ist (s dazu BSGE 42, 117, 119). Daß allein das Sachleistungssystem für geeignet gehalten wurde, eine hinreichende ärztliche Versorgung aller Krankenkassenpatienten sicherzustellen, hatte seinen Grund in folgendem: Wenn den Mitgliedern die Beschaffung der ärztlichen Behandlung selbst überlassen wäre und die Krankenkassen lediglich die Kosten übernähmen, befürchtete man nämlich, daß Versicherte, die nicht über hinreichende finanzielle Mittel verfügten, aus diesem Grunde von der Inanspruchnahme versicherungsmäßiger Leistungen Abstand nehmen könnten (vgl dazu RVA AN 1914, 379, 380). Sinn und Zweck des gesetzlich normierten Sachleistungsprinzips ist es also, einen bestimmten bedürftigen Personenkreis möglichst vollkommen vor dem Krankheitsrisiko zu schützen. Dieses Schutzes bedürfen aber jedenfalls die freiwillig wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze weiterversicherten Angestellten nicht im selben Maße. Ausschlaggebendes Motiv für die Einführung der Weiterversicherung ist es gewesen, daß der aus der Pflichtversicherung Ausgeschiedene, der uU lange Zeit mit seinen Beiträgen die Lasten der Versichertengemeinschaft mitgetragen hat, nunmehr nicht allein auf die private Krankenversicherung angewiesen sein soll (vgl Specke/Schulte-Mimberg, Versicherungsberechtigung und Weiterversicherung, Fortbildung und Praxis, Heft 35 1968 S 10). Es steht dem Berechtigten vielmehr frei, von der Möglichkeit der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung Gebrauch zu machen. Daß diese Versicherten im übrigen an der Durchführung und Aufrechterhaltung der Versicherung eigenverantwortlich beteiligt sind, ergibt sich daraus, daß sie die Beiträge allein zu tragen haben (§ 381 Abs 3 RVO) und die Folgen eines Zahlungsverzuges, nämlich das Erlöschen der Mitgliedschaft, auch sie allein treffen (§ 314 RVO). Wenn aber der Gesetzgeber diesen Personenkreis für fähig gehalten hat, auf der Beitragsseite das Erforderliche selbst zu veranlassen, muß dies in gleicher Weise für die Leistungsseite gelten.
Die Befürchtung mangelnder ärztlicher Versorgung wegen zu hoher finanzieller Belastung des einzelnen Versicherten erscheint unter diesen Umständen bei Personen, deren Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt, nicht gerechtfertigt. Gerade letztere Erwägung war aber Grund für die Einführung des Sachleistungssystems. Ob Sinn und Zweck des Gesetzes auch bei Personen, die aus anderen Gründen als der Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze aus der Versicherung ausscheiden, eine durch Satzung eingeführte Kostenerstattung zulassen, brauchte der Senat hier nicht zu entscheiden.
Eine vergleichbare Sachlage besteht allerdings bei Versicherungsberechtigten nach § 176a Abs 1 RVO. Dies wird ersichtlich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift: Damit sollten Berufsanfänger, die ein über der Versicherungspflichtgrenze liegendes Gehalt beziehen, ua den Angestellten gleichgestellt werden, die sich nach dem Überschreiten dieser Grenze freiwillig weiterversichern können (vgl schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 27. Oktober 1970 über den Entwurf des Zweiten Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes, zu BT-Drucks VI/1297 S 2). Auch beitragsrechtlich werden sie deshalb gleich behandelt wie die freiwillig Weiterversicherten. Dazu, ob auch für die übrigen Versicherungsberechtigten nach den §§ 176, 176b sowie 176c RVO die Einführung der Kostenerstattung zulässig wäre, brauchte der Senat nicht Stellung zu nehmen.
Daß der Gesetzgeber im übrigen die freiwillig Versicherten nicht in gleichem Maße für schutzbedürftig angesehen hat wie die Pflichtversicherten, folgt aus § 215 RVO, der es erlaubt, bei freiwillig Versicherten durch Satzung die Kassenleistungen auf Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, Krankenpflege, auf Krankenhauspflege und auf sonstige Hilfen ohne Krankengeld oder auf das Krankengeld zu beschränken. Für solche Versicherten sind nach Absatz 3 der Vorschrift die Beiträge entsprechend zu ermäßigen. Damit sollten einerseits die Krankenkassen gegen eine zu hohe finanzielle Belastung infolge der freiwilligen Versicherung geschützt werden (vgl Begründung zu § 227 des Entwurfs der RVO, abgedruckt bei Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: September 1980, § 215 Anm 1 S 17/712 - 2 -). Andererseits ist ihnen dadurch die Möglichkeit eingeräumt, eine den besonderen Verhältnissen der verschiedenen Gruppen von Berechtigten angepaßte unterschiedliche Behandlung einzuführen (vgl Peters aaO § 215 Anm 3b S 17/714).
Daß eine durch Satzung begründete Kostenerstattungsregelung bei bestimmten freiwilligen Versichertengruppen im übrigen durchaus der Gesetzessystematik entspricht, zeigen ua folgende gesetzliche Vorschriften: Nach § 185 Abs 3 RVO hat die Krankenkasse die Kosten für eine selbstbeschaffte Krankenpflegeperson in angemessener Höhe zu erstatten, wenn zur häuslichen Pflege eine Pflegeperson nicht gestellt werden kann oder Grund besteht, von einer Gestellung abzusehen. In diesem Fall wandelt sich der grundsätzlich bestehende Sachleistungsanspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege in einen Kostenerstattungsanspruch um (vgl Urteil des Senats vom 26. März 1980 - 3 RK 47/79 - SozR 2200 § 185 RVO Nr 4). In gleicher Weise sieht § 185b Abs 3 RVO einen Kostenerstattungsanspruch vor, wenn als Haushaltshilfe von der Krankenkasse eine Ersatzkraft nicht gestellt werden kann. § 182 Abs 1 Buchst d iVm § 182c RVO schließlich gibt beim Zahnersatz keinen Anspruch auf Sachleistung, sondern nur auf Gewährung von Zuschüssen zu den dafür aufzuwendenden Kosten, dh einen Anspruch auf "Leistung eigener Art mit teilweiser oder völliger Kostenerstattung" (vgl BSGE 37, 74, 77 mwN). Bei diesen Vorschriften handelt es sich zwar einerseits um Ausnahmen von dem in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich herrschenden Sachleistungsprinzip (vgl dazu Meydam, SGb 1977, 92 ff), andererseits machen sie jedoch deutlich, daß das Kostenerstattungsprinzip der RVO nicht vollkommen fremd ist.
Eine solche durch Satzung vorgesehene Kostenerstattung läßt sich auch mit dem System der kassenärztlichen Versorgung vereinbaren. Zwar entrichtet nach § 368f Abs 1 RVO die Krankenkasse für die gesamte kassenärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung. Letztere verteilt die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte. Damit genügen die Krankenkassen grundsätzlich ihrer Pflicht zur kassenärztlichen Versorgung der Versicherten (vgl dazu Meydam aaO S 93). Jedoch werden mit der Gesamtvergütung nur die Leistungen abgegolten, die die Krankenkassen als Sachleistungen schulden (vgl BSGE 25, 116, 119; BSGE 37, 74, 77; Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl, Stand: Oktober 1978, § 368f Anm 5). Sofern eine Krankenkasse also Versicherten die Möglichkeit eröffnet, sich die Leistung "ärztliche Behandlung" selbst zu beschaffen, wird dies von der Gesamtvergütung nicht erfaßt. Es steht der Krankenkasse mithin frei, den Versicherten insoweit die Kosten - in bestimmter Höhe, etwa entsprechend der Vergütung, die ein Kassenarzt für die gleiche Leistung aus der Gesamtvergütung erhalten würde, uU mit einem generellen Abschlag wegen Unwirtschaftlichkeit - zu erstatten.
Eine derartige Satzungsbestimmung verstieße auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG. Zwar mag die Situation eines Arbeiters, dessen Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt, vergleichbar sein mit der eines gleich viel verdienenden Angestellten. Jedoch wurde der Arbeiter vom Gesetzgeber für so schutzbedürftig gehalten, daß er - ohne Rücksicht auf sein Einkommen - der Versicherungspflicht unterworfen wurde und damit auf die ausschließliche Inanspruchnahme von Sachleistungen beschränkt ist. Ein möglicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz könnte daher allenfalls in der unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich der Versicherungspflicht liegen. Damit brauchte sich der Senat im vorliegenden Fall aber nicht auseinanderzusetzen.
Indem der Senat eine satzungsmäßige Kostenerstattung bei bestimmten freiwilligen Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen für zulässig erachtet, setzt er sich nicht in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung über die Leistungsansprüche freiwilliger Ersatzkassenmitglieder. Ob § 508 RVO, wonach die Ersatzkasse ihren Mitgliedern nur Leistungen gewähren darf, die § 179 RVO der Art nach bei den Krankenkassen zuläßt, die den Ersatzkassen durch Art 2 § 4 Abs 2 der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1935 (Aufbau-VO) - RGBl I 1537 - idF der 15. Aufbau-VO vom 1. April 1937 (RGBl I 439) für freiwillig weiterversicherte Mitglieder eingeräumte Satzungsautonomie dahin einschränkt, daß auch diesen nur Leistungen nach dem Sachleistungs- und nicht nach dem Kostenerstattungsprinzip gewährt werden dürfen (zum Streitstand s Hillert, Die Sonderstellung der Ersatzkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Dissertation 1973, S 129 ff), hat der Senat zunächst offen gelassen (vgl Urteile vom 14. September 1966 - 3 RK 18/65 - BSGE 25, 195, 199; - 3 RK 46/66 - SozEntsch BSG III § 179 RVO Nr 2). Ein Sachleistungsanspruch wurde in diesen Fällen deshalb verneint, weil die jeweilige Satzung einen solchen nicht vorsah und das Satzungsermessen - unterstellt, § 508 iVm § 179 RVO enthielte eine solche Beschränkung auf das Sachleistungsprinzip - nicht zwangsläufig nur in Richtung der Einführung der ärztlichen Behandlung als Sachleistung für den bisher davon ausgeschlossenen Mitgliederkreis ausgeübt werden müßte. Im Urteil vom 29. Januar 1980 - 3 RK 23/79 - konnte der Senat ebenfalls offen lassen, ob ein durch Satzung eingeführter Kostenerstattungsanspruch gegen übergeordnete Normen verstoßen würde. Denn in jenem Fall sah die Satzung der betreffenden Ersatzkassen insoweit nur einen Sachleistungsanspruch vor. Ebenso lag es im Urteil vom 18. Mai 1978 - 3 RK 11/77 - (BSGE 46, 179, 181). Im Urteil vom 28. November 1979 - 3 RK 9/78 - (USK 79211) schließlich hat der Senat unter Hinweis auf BSGE 25, 195, 197 die Ersatzkasse kraft ihrer Satzungsautonomie für befugt erachtet, für freiwillig weiterversicherte Mitglieder eine Kostenerstattung vorzusehen.
Der Senat hat daher hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Satzungsregelung jedenfalls dann keine Bedenken, wenn in ihr eine Wahlmöglichkeit zwischen der Inanspruchnahme eines Krankenscheins (§ 188 RVO) oder der Kostenerstattung vorgesehen wird, so daß der Grundsatz des Sachleistungsprinzips, dem einzelnen einen möglichst vollkommenen Schutz vor dem Krankheitsrisiko zu bieten, für denjenigen erhalten bleibt, der aus seiner Sicht sich dieses Schutzes auch nicht teilweise begeben will.
Daß im Rahmen der Satzungsautonomie die Einführung der Kostenerstattung für bestimmte Versichertengruppen möglich ist, hat die Beklagte offensichtlich nicht gesehen. Dies folgt insbesondere aus ihrem Vorbringen in der Revisionsinstanz. Darin geht sie nämlich von der ausschließlichen Geltung des Sachleistungsprinzips für alle Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen aus. Insoweit hat sie bei ihrer Satzungsgestaltung sich irrigerweise durch die Vorschriften der RVO für gebunden gehalten. Gleichwohl ist der Senat gehindert, die Beklagte zur Gewährung der vom Kläger begehrten Kostenerstattung zu verurteilen. Darin läge ein unzulässiger Eingriff in die Satzungsautonomie der Krankenkasse. Solange eine entsprechende Satzungsvorschrift nicht besteht, kann der Kläger von der Beklagten eine Kostenerstattung nicht verlangen.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen