Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Rückforderung eines dem Kläger als bisherigem Waisenrentenbezieher über die Vollendung seines 25. Lebensjahres hinaus unter Vorbehalt der endgültigen Feststellung der weiteren Waisenrente als Vorschuß geleisteten Betrages von 2.198, 40 DM.
Die Beklagte gewährte dem am 27. September 1962 geborenen Kläger Halbwaisenrente bis zum 30. September 1981. Am 1. Oktober 1981 trat er als Polizeihauptwachtmeisteranwärter in den Polizeivollzugsdienst des Landes Hessen ein. Zweieinhalb Jahre lang wurde der Kläger zum Polizeihauptwachtmeister mit Erfolg ausgebildet. Anschließend leistete er Dienst bei der Bereitschaftspolizei. Nachdem der Kläger sein Dienstverhältnis bei der Polizei am 30. November 1984 beendet und im Wintersemester 1984/85 das Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Würzburg aufgenommen hatte, gewährte die Beklagte ihm erneut Halbwaisenrente vom 1. Dezember 1984 ab.
Mit formlosem Schreiben vom 27. August 1987 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß seine Rente im Hinblick auf die Vollendung seines 25. Lebensjahres zum 30. September 1987 wegfalle. Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 19. September 1987 und verlangte, die Waisenrente weiterzugewähren, weil sein Polizeivollzugsdienst von mindestens drei Jahren Dauer dem Wehrdienstgleichzustellen und als Verlängerungstatbestand zu werten sei.
Nachdem die Beklagte ihre Rentenzahlungen schon vom Oktober 1987 an eingestellt hatte, wies der Kläger sie darauf hin, daß er sich in der Examensvorbereitung befinde und nicht über genügend finanzielle Mittel verfüge. Er beantragte deshalb eine Vorschußzahlung " (unter Rückforderungsvorbehalt) bis zur endgültigen Klärung der Rentenberechtigung". Darauf gewährte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 28. Dezember 1987 einen Renten-Vorschuß von 2.198, 40 DM und fügte hinzu: "Die Zahlung geschieht unter dem Vorbehalt, daß die Berufsgenossenschaft leistungspflichtig ist. Hierüber wird der Rentenausschuß der Berufsgenossenschaft nach Abschluß des Feststellungsverfahrens befinden. Sie erhalten dann einen förmlichen Bescheid. Sollten unsere Ermittlungen ergeben, daß keine Waisenrente über das 25. Lebensjahr hinaus zu gewähren ist, wird der o a Betrag zurückgefordert. Der Vorschuß entspricht - soweit dies zur Zeit zu beurteilen ist - den voraussichtlichen Leistungen bis 31. Dezember 1987." Als die Beklagte danach die Auskunft erhielt, der Kläger habe erst "mit Antrag vom 25. Oktober 1984" die Entlassung aus dem Dienstverhältnis zum 30. November 1984 verlangt, entschied sie sich, den Polizeidienst des Klägers als Ergebnis einer freien Berufswahl mit einer einheitlichen Verpflichtung von mehr als drei Jahren zu bewerten und nicht als einen Tatbestand, der nur dazu dient, die gesetzliche Wehrpflicht auf eine bestimmte Weise zu erfüllen.
Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom 7. März 1988 forderte die Beklagte ihren Vorschuß gemäß § 42 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) wieder zurück, nachdem sie ihn hierzu mit Schreiben vom 5. Februar 1988 angehört hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1988 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers sowohl gegen die Versagung der Halbwaisenrente über den Monat September 1987 hinaus als auch wegen der Rückforderung des Vorschusses zurück.
Während der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Fulda ohne Erfolg geblieben ist (Urteil vom 3. November 1988), hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und den Rückforderungsbescheid vom 7. März 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1988 aufgehoben. Im übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26. Juni 1991). In den Entscheidungsgründen ist zum ersteren ausgeführt, die Berufung des Klägers sei nur insoweit begründet, als die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den ihm gewährten Vorschuß in Form des Bescheides vom 7. März 1988 und des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1988 zurückzufordern. Hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Halbwaisenrente ab 1. Oktober 1987 sei die Berufung unbegründet, da die Beklagte zutreffend die Rente entzogen habe (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - SGB X -). Die wesentliche Änderung gegenüber dem Bewilligungsbescheid vom 27. November 1984 i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liege in der Vollendung des 25. Lebensjahres und im Fehlen eines Verlängerungstatbestandes. Die Beklagte habe aber die 2.198, 40 DM nicht in der Weise zurückfordern können, wie sie dies in der von ihr gewählten Form getan habe. Der von ihr als Anspruchsgrundlage genannte § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I könne von ihr für die Rückforderung nicht herangezogen werden. Denn diese Vorschrift setzte voraus, daß der zurückgeforderte Vorschuß - anders als im Falle des Klägers - dem Grunde nach zu Recht gewährt worden sei. Ebensowenig könne die Beklagte ihren Rückforderungsanspruch auf den im Schreiben vom 28. Dezember 1987 enthaltenen Vorbehalt stützen. Dieses Schreiben sei ein Verwaltungsakt, da der Leistungsträger über die Gewährung eines Vorschusses durch Verwaltungsakt zu entscheiden habe und bei Vorliegen der Voraussetzung des § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I damit zugleich auch eine Entscheidung über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach treffe. Diese Entscheidung sei gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zwischen den Beteiligten bindend geworden. Ein im Rahmen des § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I in einen Bescheid aufgenommener Vorbehalt dürfe sich nur auf die Höhe der Leistung erstrecken, nicht indessen auf den Leistungsgrund.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen (Beschluß vom 24. Januar 1992).
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und eine Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 31. August 1983 in BSGE 55, 287 gerügt. Ihr Erstattungsanspruch sei aus § 42 Abs. 2 SGB I begründet.
Die Beklagte beantragt,
|
das angefochtene Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen. |
|
Der Kläger ist in dem Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als die Beklagte von dem Kläger verlangt, ihr den umstrittenen als Vorschuß gezahlten Betrag zu erstatten. Denn die endgültige Leistungsfeststellung hat nach weiterer Sachaufklärung ergeben, daß kein Verlängerungstatbestand i.S. des § 595 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 583 Abs. 3 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 1. Januar 1990 geltenden Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (RVO aF) vorgelegen hatte; dem Kläger stand deshalb die bisher zu Recht gewährte Waisenrente wegen Wegfalls am 30. September 1987 (§ 595 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 583 Abs. 2 Satz 1 RVO a.F. und § 631 RVO) in der von der einstweiligen (vorläufigen) (Vorschuß-) Regelung erfaßten Zeit nicht mehr zu. Das steht mangels einer Anschlußrevision des Klägers rechtskräftig fest.
Das LSG hat als Rechtsgrundlage für die Vorschußzahlung § 42 Abs. 1 SGB I und für den hier strittigen Rückzahlungsanspruch der Beklagten § 42 Abs. 2 SGB I angesehen.
Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28. Dezember 1987 die Vorschußzahlung nicht auf § 42 SGB I gestützt, sondern keine gesetzliche Vorschrift als Entscheidungsgrundlage angegeben.
Es kann aus den folgenden Erwägungen dahinstehen, ob Rechtsgrundlage für die Vorschußzahlung und den Rückzahlungsanspruch eine entsprechende Anwendung des § 42 SGB I gebildet (1) oder ob es sich um eine sog. Vorwegzahlung (s BSGE 62, 32, 41; 67, 104, 119) gehandelt hat (2).
1) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich eine längere Zeit erforderlich ist. Solche Vorschüsse hat er zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt (s § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Mit dem Instrument der Vorschußzahlung gibt diese Vorschrift dem zuständigen Leistungsträger die rechtliche Möglichkeit, in einem Sozialleistungsverhältnis bei laufendem Verwaltungsverfahren zur endgültigen Feststellung einer Sozialleistung (vgl. § 20 SGB X) zwischendurch eine einstweilige (vorläufige) Regelung zu treffen, ohne notwendigerweise die endgültige Entscheidung inhaltlich schon vorweg festzulegen (BSGE 67, 104, 110/111 m.w.N.). Die Bindungswirkung des Vorschußbescheides als einstweiliger Verwaltungsakt schafft zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum, nämlich bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens. Das folgt aus dem bekanntgegebenen Inhalt der in dem Bescheid getroffenen Regelung (s § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Zum bekanntgebenden Inhalt einstweiliger Verwaltungsakte wie des Vorschußbescheides gehört notwendigerweise die Erklärung, daß sie nur für eine Übergangszeit Rechtswirkungen haben sollen (BSGE 67, 104, 109). In diesem Sinne hatte der Senat schon im Jahre 1983 grundlegend entschieden, daß bezüglich der Voraussetzungen der endgültigen Leistung keine Bindungswirkung, entsteht, wenn der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in einem Bescheid ausschließlich über die Zahlung eines Vorschusses entscheidet (BSGE 55, 287, 291). Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat das LSG nicht berücksichtigt. Seiner entgegenstehenden Rechtsmeinung vermag der Senat nicht zu folgen. Der Senat hat auch bereits entschieden, daß sich der Vorschuß damit grundlegend von der endgültig festgestellten zustehenden Leistung unterscheidet (anderer Ansicht ohne eingehende Begründung Bley in SGB-SozVers-GesKomm Anm. 4d zu § 42 SGB I), denn er wird gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I nach der Bewilligung der endgültigen Leistung auf die zustehende Leistung angerechnet; er verbleibt dem Vorschußempfänger nicht als die zustehende Leistung (BSGE 55, 287, 290).
Sinn und Zweck des § 42 Abs. 1 SGB I ist es, bei längeren Bearbeitungszeiten Nachteile und Härten für den Leistungsberechtigten zu vermeiden oder zu überbrücken (Begründung SGB I BT-Drucks 7/868 S. 29 zu § 42). Hierfür erschien ein förmliches Verfahren entbehrlich. Die Verwaltung sollte in der Zwischenzeit eine eingehende, nicht unter unangemessenem Zeitdruck stehende Entscheidung treffen können (Krasney, Grundlagen der Sozialversicherung, Festschrift für Brackmann 1977, S. 311, 316). Der Sozialleistungsträger kann danach Geldleistungen schnell und unbürokratisch erbringen. Für die Vorschußzahlung ist ausreichend, daß zur Überzeugung des Sozialleistungsträgers nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen (s § 20 SGB X) ein "Anspruch auf Geldleistungen" gegeben ist (BSGE 55, 287, 290; BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4).
Eine einstweilige Regelung in Sozialleistungsverhältnissen steht indessen regelmäßig in einem Spannungsverhältnis zu den Interessen sowohl des Leistungsberechtigten als auch des Leistungsträgers, wenn man die endgültige Feststellung der Sozialleistung zum Maßstab nimmt. Der Leistungsberechtigte hat eigentlich sogleich Anspruch auf die fällige Sozialleistung in voller Höhe, während der Leistungsträger darauf bedacht sein muß, von vornherein nicht mehr zu leisten, als er endgültig schuldet. Deswegen hat der Gesetzgeber sowohl das Ermessen des zuständigen Leistungsträgers zur Vorschußgewährung als auch den Rechtsanspruch des Leistungsberechtigten darauf auf die Fälle beschränkt, in denen, wie bereits erwähnt, nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen der Anspruch dem Grunde nach gegeben und nur zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich noch längere Zeit erforderlich ist.
SG und LSG haben zutreffend erkannt, daß im vorliegenden Fall gerade die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach Schwierigkeiten bereiten und die Ermittlungen dazu voraussichtlich noch längere Zeit erforderten, während die Anspruchshöhe nicht anders sein konnte als in der Zeit bis zum 30. September 1987 und deshalb insoweit schon feststand.
Wenn damit auch die umstrittene Zahlung nicht unmittelbar nach § 42 Abs. 1 SGB I als Vorschuß zu qualifizieren ist (vgl. BSGE 62, 32, 40), so lassen es doch Sinn und Zweck dieser Vorschrift zu, sie entsprechend § 42 Abs. 1 SGB I als Vorschuß zu beurteilen. Dafür sprechen drei zugrundeliegende Merkmale. Zwischen den Beteiligten bestand schon bisher ein Leistungsverhältnis, in dem die Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach seit langem feststand. Im Hinblick darauf hatte der Kläger bis zur endgültigen Feststellung, ob ein Verlängerungstatbestand vorliege, eine Geldleistung als Vorschuß unter Rückforderungsvorbehalt beantragt, und die Beklagte war dem auf dem Wege der vorläufigen Regelung nachgekommen, indem sie ihm eine als Vorschuß unter Rückforderungsvorbehalt bezeichnete Geldsumme gewährte. Dies auch rechtlich als Vorschuß entsprechend § 42 Abs. 1 SGB I zu werten, hätte generell für die Leistungsberechtigten den Vorteil, daß der Sozialversicherungsträger entsprechend § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB I auf Antrag Vorschüsse leisten muß. Außerdem unterscheidet sich der Vorschuß seiner Rechtsnatur nach noch klarer und stärker von der endgültigen Leistung (s BSGE 55, 287, 290) als die Vorwegzahlung.
Nach den das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lagen die typischen, grundlegenden Waisenrentenanspruchsvoraussetzungen gemäß § 595 Abs. 1 RVO vor. Auch die Höhe des Anspruchs war unstreitig. Fest stand ebenfalls, daß der Kläger mit seinem Polizeidienst die Pflicht zum gesetzlichen Wehrdienst ersatzweise erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des umstrittenen Vorschußbescheides sprach nach dem damaligen Stand der Ermittlungen deshalb sehr viel dafür, dem Kläger stehe die Waisenrente auch über den 30. September 1987 hinaus zu. Die Beklagte wollte die Feststellung der Leistung selbst lediglich von der immer noch ausstehenden Auskunft des früheren Dienstherrn des Klägers abhängig machen, ob der Kläger auch von vornherein vor Ablauf der erforderlichen Mindestzeit von drei Jahren Polizeivollzugsdienst die Entlassung aus dem Polizeidienst verlangt hatte, um danach studieren zu können.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem der Entscheidung des BSG vom 11. Juni 1987, in welcher der 7. Senat eine entsprechende Anwendung des § 42 SGB I abgelehnt hat, wenn es fraglich ist, ob ein Leistungsanspruch dem Grunde nach überhaupt besteht. Der 7. Senat des BSG hat jedoch auch für diesen Fall überzeugend das Interesse des Bürgers an dem Befugnis der Verwaltung zur "Vorwegzahlung" dargelegt, da die gegenteilige Ansicht den Interessenkonflikt zwischen den Belangen des betroffenen Sozialleistungsempfängers und der Verwaltung einseitig zu Lasten des Bürgers löse (s BSGE 62, 32, 41).
Entscheidend ist, daß die Beklagte bereits seit etwa zweieinhalb Monaten die Waisenrentenzahlungen eingestellt und der Kläger ihr glaubhaft erklärt hatte, er befinde sich dadurch in einer wirtschaftlichen Notlage. Wenn unter diesen Umständen - wie im vor-liegenden Falle - hinzukommt, daß der zuständige Leistungsträger nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nahezu überzeugt ist, der Anspruch bestehe dem Grunde nach, seine endgültige Feststellung bedürfe nur noch wegen ausstehender Ermittlungsergebnisse voraussichtlich einer längeren Bearbeitungszeit, und wenn der Leistungsberechtigte einen Vorschuß ausdrücklich unter vollem Rückforderungsvorbehalt beantragt, dann kann § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I entsprechend angewandt werden. Dem stehen dann weder die Interessen des Leistungsberechtigten noch die des Leistungsträgers entgegen. Das gilt erst recht, wenn der Leistungsträger die Zahlung von der endgültigen Feststellung der Waisenrente abhängig macht. Der entsprechenden Anwendung des § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I folgt dann aber auch jedenfalls die entsprechende Anwendung des § 42 Abs. 2 SGB I.
Auf die weiteren Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 42 Abs. 3 SGB I kommt es im vorliegenden Falle nicht mehr an, da der Kläger sich von vornherein bereit erklärt hatte, nach Klärung der strittigen Rechtsfrage den vollen Vorschuß zurückzuzahlen, und er auch während des Rechtsstreits vor dem SG und dem LSG dazu nichts weiter vorgetragen hat (s BSG SozR 1200 § 42 Nr. 42, SozR 3-1300 § 45 Nr. 5).
2) Wertet man die im Schreiben vom 28. Dezember 1987 bewilligte Zahlung nicht als einen Vorschuß entsprechend § 42 Abs. 1 SGB I, sondern als "Vorwegzahlung", so führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
Ergänzend zu § 42 SGB I und von dieser Vorschrift nur ausgeschlossen, wenn nach dem Stand der Ermittlungen für die Verwaltung schon mit dem erforderlichen Grad an Gewißheit feststeht, daß der Anspruch dem Grunde nach besteht, hat der Leistungsträger außer in den spezialgesetzlich geregelten Fällen die Befugnis, durch einstweilige Regelung die beantragte Geldleistung (in vollem Umfang oder zum Teil) sogar schon dann zu bewilligen, wenn eine abschließende Entscheidung nach dem Stand der Ermittlungen im Entscheidungszeitpunkt dem Grunde nach noch nicht möglich ist (BSGE 62, 31, 41; 67, 104, 119). Voraussetzung ist ferner, daß der gesetzliche Zweck der Leistung nur erreicht werden kann, wenn sie möglichst zeitnah zur Entstehung des Bedarfs, dem sie abhelfen soll, erbracht wird, jedoch zwingende verfahrenstechnische Gründe die endgültige Gewährung oder eine Vorschußbewilligung noch unmöglich machen (BSGE a.a.O.). Dies war, wie unter 1) dargelegt, hier der Fall. Die durch die Waisenrente erstrebte wirtschaftliche Sicherung des Klägers hätte nach Abschluß seiner dem Examen unmittelbar vorangehenden restlichen Studienzeit ihren Zweck verfehlt, und die Beklagte war im Hinblick auf die noch ausstehende Auskunft des früheren Dienstherrn des Klägers rechtlich nicht in der Lage, den Anspruch schon endgültig festzustellen. Dem Kläger war als Adressaten des Schreibens vom 28. Dezember 1987 nicht nur in diesem Schreiben hinreichend verdeutlicht worden, daß es sich bei der bekannten Regelung nicht um eine abschließende Regelung handelt (s BSGE 67, 104, 120), sondern der Kläger hatte diese Leistung selbst auch nur als vorläufige Leistung mit dem Vorbehalt der Rückforderung beantragt. Aufgrund des Rückforderungsvorbehalts im Schreiben vom 28. Dezember 1987 und der rechtskräftigen Entscheidung des LSG, daß dem Kläger Waisenrente über den 30. September 1987 hinaus nicht zusteht, ist die Rückforderung der Beklagten unter Berücksichtigung der von ihr in ihrem Schreiben vom 7. Mai 1988 dargelegten Erwägungen rechtsfehlerfrei.
Das Urteil des LSG war insoweit zu ändern, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 3. November 1988 in vollem Umfang zurückzuweisen ist. Eine Kostenerstattung findet auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht statt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.2 RU 7/92
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen