Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt – Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis – Limited-Care-Dialyse – bundesmantelvertragliche Vereinbarung – Unwirksamkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Vertragsärzte, die Leistungen der Limited-Care-Dialyse nicht nur in ihrer Praxis, sondern parallel auch in einer örtlich getrennten Betriebsstätte anbieten wollen, bedürfen der Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis.
2. Soweit bundesmantelvertragliche Vereinbarungen dem Vertragsarzt gestatten, LC-Dialysen in Betriebsstätten zu erbringen, die außerhalb des Planungsbereichs gelegen sind, in dem der Arzt zugelassen ist und seine Praxis unterhält, sind sie wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam.
Stand: 1. März 2002
Normenkette
SGB V § 75 Abs. 1, § 82 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9; ÄBedarfsplRL; SGB V § 101 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, § 103 Abs. 1-2, § 135 Abs. 2; Ärzte-ZV § 12 Abs. 3, § 16b Abs. 1 S. 3; ÄBerufsO § 17 Abs. 1; ÄBerufsO BW § 17 Abs. 1 J:1998; ÄBerufsO § 17 Abs. 2; ÄBerufsO BW § 17 Abs. 2 J:1998; ÄBerufsO § 18 Abs. 1; ÄBerufsO BW § 18 Abs. 1 J:1998; ÄBerufsO § 18 Abs. 2 S. 1; ÄBerufsO BW § 18 Abs. 2 S. 1 J:1998
Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Südwürttemberg |
Verfahrensgang
SG Reutlingen (Urteil vom 19.07.2000; Aktenzeichen S 1 KA 183/00) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Revisionsverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Kläger sind als Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Nephrologie in einer Gemeinschaftspraxis in R. (Kreis R., Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung ≪KÄV≫ Südwürttemberg) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, verfügen über die Genehmigung zur Durchführung von Dialysen und bieten diese in ihrer Praxis sowie in einer Betriebsstätte in B. U. (Kreis R.) an. Zur Führung dieser Betriebsstätte ist dem Kläger zu 3. eine Sonderbedarfszulassung erteilt worden.
Im April 1999 beantragten die Kläger bei der beklagten KÄV die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Leistungen der zentralen Heimdialyse („Limited-Care-Dialyse”, iF: LC-Dialyse) für die Betriebsstätte R. in F. (Kreis E., Bezirk der KÄV Nord-Württemberg). Zur Begründung gaben sie an, sie hätten mit der nephrologischen Gemeinschaftspraxis Dres. K. und N. in S. eine Kooperation vereinbart und beabsichtigten, mit den Ärzten dieser Gemeinschaftspraxis von der Betriebsstätte F. aus eine Region mit ca 100.000 Einwohnern mit Dialyseleistungen zu versorgen.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die von der Praxis „örtlich getrennte Betriebsstätte” iS des § 2 der Vereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren (Dialysevereinbarung) unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten als Zweigpraxis zu beurteilen sei. Die zur Genehmigung einer Zweigpraxis erforderliche Bedarfsprüfung seitens der für F. zuständigen KÄV Nord-Württemberg habe ergeben, daß die Dialyseversorgung Nord-Württemberg im Raum F. gewährleistet sei.
Ihren Widerspruch stützten die Kläger darauf, sie hätten alle Voraussetzungen für die Durchführung und Abrechnung von Dialyseleistungen in F. erfüllt. Die Einrichtung dort sei eine ausgelagerte Betriebsstätte ihrer Praxis, wie sie in der Dialysevereinbarung ausdrücklich zugelassen sei. Es handele sich nicht um eine Zweigpraxis, weil sie – die Kläger – dort keine Sprechstunden abhielten und außer Dialysen keine ärztlichen Leistungen anböten.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Sozialgerichts (SG) hat sich die Beklagte zu Recht geweigert, den Klägern die Ausführung und Abrechnung von Dialysen in der Form der „LC-Dialyse” in F. zu genehmigen. Die Kläger dürften diese Leistungen dort nicht erbringen, weil sie keine ausgelagerten Praxisräume unterhalten, sondern eine genehmigungspflichtige Zweigpraxis betreiben wollten, für die eine Genehmigung mangels Bedarfs nicht erteilt werden könne. Nach § 18 Abs 2 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 14. Januar 1998 (BO) dürften Ärztinnen und Ärzte in räumlicher Nähe zum Ort ihrer Niederlassung Untersuchungs- und Behandlungsräume ausschließlich für spezielle Untersuchungs- oder Behandlungszwecke unterhalten, in denen sie ihre Patientinnen und Patienten nach Aufsuchen ihrer Praxis versorgten (ausgelagerte Praxisräume). Die Kläger wollten in F. eine zweite Behandlungseinrichtung für Heimdialyse neben ihrer Praxis in R. schaffen und nicht die Dialysen aus ihrer Praxis in R. auslagern. Allenfalls letzteres sei nach § 18 Abs 2 BO ohne besondere Genehmigung statthaft. Aus der Dialysevereinbarung ergebe sich nichts anderes. Danach dürften im Dialysebereich ausgelagerte Praxisräume unterhalten werden. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Behandlungseinrichtung als Zweigpraxis oder als ausgelagerter Praxisraum anzusehen sei, sei allein das jeweilige ärztliche Berufsrecht maßgeblich (Urteil vom 19. Juli 2000).
Mit ihrer Sprungrevision rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 2 und 5 der Dialysevereinbarung sowie der §§ 17 und 18 BO. Die Vorschriften der BO stimmten inhaltlich bewußt und gewollt mit den entsprechenden Normen der BOen anderer Landesärztekammern, zB in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz überein, weil die Ärztekammern der Empfehlung der Bundesärztekammer in der Muster-Berufsordnung 1997 (Muster-BO) gefolgt seien. Das SG habe verkannt, daß Räumlichkeiten, in denen ausschließlich LC-Dialysen erbracht werden, selbst dann als ausgelagerte Praxisräume und nicht als Zweigpraxis zu bewerten seien, wenn auch am Niederlassungsort Dialysen vorgenommen würden.
Die Betriebsstätte in F. erfülle alle Voraussetzungen des § 18 Abs 2 BO für ausgelagerte Praxisräume. Aus dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, daß als ausgelagerte Praxisräume nur solche bezeichnet werden könnten, in denen ausschließlich andere Leistungen als am Ort der Niederlassung erbracht würden. Sinn und Zweck des § 18 Abs 2 Satz 1 BO sei es, die Gründung von Apparate- und Raumgemeinschaften zu ermöglichen, um dort ausschließlich spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen anbieten zu können, die jedenfalls in diesem Umfang nicht auch in der Praxis am Ort der Niederlassung ausgeführt werden könnten. In einer Zweigpraxis müßten dagegen reguläre Sprechstunden angeboten und grundsätzlich alle Leistungen, die auch am Hauptsitz der Praxis vorgehalten würden, den Patienten zur Verfügung gestellt werden können. Der Erstkontakt müsse sowohl in der Zweigpraxis als auch am Hauptsitz möglich sein. Das sei generell bei ausgelagerten Praxisräumen und konkret bei den von ihnen in Kooperation mit einer S. Gemeinschaftspraxis unterhaltenen Räumlichkeiten in F. gerade nicht der Fall. Für diesen Standort würden weder ärztliche Leistungen angekündigt noch finde dort ein Erstkontakt mit den Patienten statt. Es würden lediglich Patienten, die bereits in der Sprechstunde am Niederlassungsort in R. – angenommen worden seien, mit Dialyseleistungen versorgt. Die wöchentliche Visite gemäß § 5 Abs 8 Dialysevereinbarung dürfe in den ausgelagerten Praxisräumen durchgeführt werden, ohne daß diese dadurch zur Zweigpraxis würden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juli 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialysebehandlungen als „zentralisierte Heimdialyse” in der ausgelagerten Betriebsstätte in F. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil die von den Klägern in F. betriebene LC-Dialysestation eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Zweigpraxis sei. Nach § 17 Abs 2 BO dürften Ärzte ihren Beruf nicht im Umherziehen ausüben. Der ärztliche Beruf sei vielmehr ortsgebunden und solle nur an einem Ort ausgeübt werden. § 18 Abs 2 BO sei deshalb so auszulegen, daß ausgelagerte Praxisräume iS dieser Vorschrift nur vorlägen, wenn diese ausschließlich für spezielle Untersuchungs- oder Behandlungszwecke in räumlicher Nähe zum Ort der Niederlassung unterhalten und Patienten dort erst nach Aufsuchen der Erstpraxis versorgt würden. Es müsse einen sachlichen Grund dafür geben, daß die außerhalb der Praxis angebotenen ärztlichen Leistungen nicht in der Praxis selbst erbracht werden könnten, etwa weil der Arzt bestimmte Einrichtungen in seinen eigentlichen Praxisräumen nicht unterbringen oder weil er bestimmte kostspielige Geräte oder besondere Einrichtungen nur gemeinsam mit anderen Ärzten betreiben könne. In ausgelagerten Praxisräumen dürften deshalb nur Leistungen erbracht werden, die nicht auch in der Praxis selbst angeboten werden könnten. Schon daran scheitere der Anspruch der Kläger, denn diese führten LC-Dialysen bereits in ihrer Praxis in R. sowie in der Betriebsstätte B. U. durch.
Die Ermittlungen im sozialgerichtlichen Verfahren hätten darüber hinaus gezeigt, daß es den Klägern nicht darum gehe, Leistungen aus ihrer Praxis in R. aus medizinisch-technischen Gründen an einem anderen Ort anzubieten, sondern darum, solchen Dialysepatienten entgegenzukommen, die sich in der Nähe der Betriebstätte F. gewöhnlich aufhielten. Von den 87 Dialysepatienten, die die Kläger im Quartal I/1999, also vor Eröffnung der Betriebsstätte in F. behandelt hatten, stamme lediglich eine Patientin aus der F. region. Das zwinge zu dem Schluß, daß die Kläger die LC-Dialyse nicht aus ihrer Praxis verlagern, sondern in der F. region neue Patienten gewinnen wollten. Im übrigen sei zweifelsfrei, daß die Kläger schon aus Rechtsgründen gehalten seien, in der Betriebsstätte F. auch Sprechstunden anzubieten. Nach § 5 Abs 8a der Dialysevereinbarung müsse jeder dialysepflichtige Patient einmal pro Woche ärztlich beraten und beurteilt werden. Es sei lebensfremd anzunehmen, daß die Kläger gerade bei der Versorgung von Patienten aus der Region F. sich darauf beschränken würden, dort lediglich die vorgesehene wöchentliche Beratung durchzuführen, und nicht auch andere Untersuchungs- und Beratungsleistungen vorhielten. Die Homepage der von den Klägern betriebenen „Dialyse F.” im Internet bestätige diese Vermutung nachhaltig.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG entschieden, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Klägern die Genehmigung zu erteilen, in F. Leistungen der LC-Dialyse anzubieten.
Rechtsgrundlage der von den Klägern begehrten Genehmigung ist § 2 der Vereinbarung von Qualifikationsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs 2 SGB V zur Ausführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren (iF: Dialysevereinbarung) vom 16. Juni 1997 (Deutsches Ärzteblatt 1997, C-1721). Nach § 2 Satz 1 Dialysevereinbarung ist die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Dialyse im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Dialyseeinrichtungen erst nach Erteilung der Genehmigung durch die KÄV zulässig. Zu den genehmigungsbedürftigen Dialysebehandlungen gehört nach § 1 Satz 2 der Dialysevereinbarung auch die in diesem Rechtsstreit allein betroffene „zentralisierte Heimdialyse” (Limited-Care). Diese kommt nach § 5 Abs 8 der Dialysevereinbarung gegenüber Patienten zum Einsatz, welche aufgrund ihres Krankheitsbildes der „Zentrumsdialyse” nicht bedürfen, aber aus personalen, sozialen oder organisatorischen Gründen nicht in der Lage sind, die „Heimdialyse” durchzuführen. Die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialyseleistungen ist nach § 2 Satz 3 der Dialysevereinbarung zu erteilen, wenn der Arzt die nachstehenden Voraussetzungen der fachlichen Befähigung, Organisation und apparativen Ausstattung erfüllt. Gemäß § 2 Satz 2 sind insbesondere für örtlich getrennte Betriebsstätten (ausgelagerte Praxisräume) die berufsrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Als solche kommen hier die Vorschriften der §§ 17 und 18 BO in Betracht.
Die Anwendung der genannten Regelungen der BO ist einer Überprüfung durch den Senat zugänglich, obwohl es sich bei ihnen um Landesrecht in Form einer Satzung der Landesärztekammer handelt. Denn sie stellen sich als revisibles Recht iS des § 162 SGG dar. Dabei kann offen bleiben, ob sie einen bundeseinheitlichen Bezug schon dadurch erhalten, daß sie in bundesrechtlichen Bestimmungen, hier § 2 der Dialysevereinbarung, in Bezug genommen worden sind. Unabhängig davon ist nämlich eine für ein einzelnes Bundesland geltende Rechtsvorschrift ausnahmsweise revisibel, wenn für andere Bundesländer inhaltlich übereinstimmende Vorschriften geschaffen worden sind und dies bewußt und gewollt um der Rechtseinheit willen geschehen ist (BSGE 53, 175, 176 f = SozR 3870 § 3 Nr 15 S 39; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 36, mwN). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Vorschriften der §§ 17, 18 der BO stimmen mit den entsprechenden Bestimmungen der vom Deutschen Ärztetag verabschiedeten Muster-BO überein. An diese wiederum schließen die Berufsordnungen der Landesärztekammern bewußt und um der Rechtseinheit willen an. Die Revision hat auch auf Vorschriften anderer Berufsordnungen hingewiesen, die den §§ 17, 18 BO entsprechen (zu diesem Darlegungserfordernis s BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30; aaO Nr 9 S 36).
Die danach heranzuziehenden Bestimmungen der §§ 17, 18 BO betreffen die Niederlassung des Arztes und die Ausübung der Praxis. Nach § 17 Abs 1 BO ist die Ausübung des ärztlichen Berufs außerhalb von Krankenhäusern an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen. Nach § 17 Abs 2 BO ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit im Umherziehen berufswidrig. § 18 Abs 1 BO untersagt es dem Arzt, an mehreren Stellen Sprechstunden abzuhalten. Die Ärztekammer kann, soweit es die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung erfordert, die Genehmigung für eine Zweigpraxis (Sprechstunde) erteilen. Nach § 18 Abs 2 BO darf der Arzt in räumlicher Nähe zum Ort seiner Niederlassung Untersuchungs- und Behandlungsräume ausschließlich für spezielle Untersuchungs- oder Behandlungszwecke (zB Operationen, medizinisch-technische Leistungen) unterhalten, in denen er seine Patienten nach Aufsuchen seiner Praxis versorgt (ausgelagerte Praxisräume).
Mit der Verweisung des § 2 Satz 2 der Dialysevereinbarung auf den Begriff der ausgelagerten Praxisräume, der in § 18 Abs 2 der Muster-BO sowie in § 18 Abs 2 BO definiert ist, nimmt das Vertragsarztrecht auf einen dem landesrechtlichen Berufsrecht entstammenden Tatbestand Bezug. Obwohl die Unterhaltung von ausgelagerten Praxisräumen nach § 18 Abs 2 BO für sich genommen keiner Genehmigung bedarf (VGH Mannheim, Urteil vom 16. Mai 2000, MedR 2000, 439, 441 – zu § 18 Abs 2 BO der Landesärztekammer Baden-Württemberg), ist zumindest im Fall der genehmigungsbedürftigen LC-Dialyse die Frage, an welchem Ort Vertragsärzte Dialyseleistungen erbringen dürfen, Gegenstand der Genehmigung gemäß § 2 Satz 3 der Dialysevereinbarung durch die KÄV. Inzident ist in diesem Genehmigungsverfahren zu klären, ob die Leistungserbringung an dem von den Vertragsärzten bezeichneten Ort außerhalb ihrer Praxis der Betrieb einer – zusätzlich – genehmigungsbedürftigen Zweigpraxis nach § 18 Abs 1 Satz 2 BO oder eine berufsrechtlich genehmigungsfrei erlaubte Leistungserbringung in ausgelagerten Praxisräumen darstellt. Ein Bedürfnis nach Klärung dieser Frage besteht insbesondere deshalb, weil Vertragsärzten für Leistungen, die sie in Räumen erbracht haben, die sie selbst für ausgelagerte Praxisräume halten, die aber in Wirklichkeit eine Zweigpraxis darstellen, eine Vergütung zu versagen sein könnte (vgl LSG Rheinland-Pfalz – Urteil vom 26. Februar 1998 – L 5 Ka 12/96 – betr ambulante Operationen – für den Fall, daß keine gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen die Leistungserbringung außerhalb der Praxis erlauben).
Nach den dargestellten berufsrechtlichen Maßstäben und ohne Einbeziehung der Bestimmungen in § 5 der Dialysevereinbarung ist die Betriebsstätte, die die Kläger in F. zusammen mit der Gemeinschaftspraxis der Dres. K. und N. aus S. betreiben wollen, als – genehmigungspflichtige – Zweigpraxis iS des § 18 Abs 1 Satz 2 BO und nicht als „ausgelagerter Praxisraum” iS des § 18 Abs 2 BO zu beurteilen. Die Voraussetzungen, unter denen Vertragsärzten die Führung einer Zweigpraxis zu genehmigen ist (vgl BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7), hat die Beklagte unter Hinweis auf die Ermittlungen zur Versorgungslage seitens der für F. zuständigen KÄV Nord-Württemberg verneint. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob eine KÄV überhaupt berechtigt wäre, eine Zweigpraxis im Bezirk einer anderen KÄV zu genehmigen. Die Bedenken gegen eine entsprechende Befugnis könnten allenfalls in Fällen zurückgestellt werden, in denen Versorgungsdefizite im Grenzbereich mehrerer KÄVen bestehen und soweit sich die für den betroffenen Ort zuständige KÄV ausdrücklich für außer Stande erklärt, die vertragsärztliche Versorgung dort durch ihre Mitglieder zu gewährleisten.
Die Abgrenzung von Zweigpraxis und ausgelagerten Praxisräumen ist nach dem Wortlaut des § 18 BO zunächst danach vorzunehmen, ob der Arzt in den Räumen außerhalb seiner Praxis Sprechstunden anbietet oder nicht. Der Begriff der Sprechstunden ist als definierender Klammerzusatz zum Begriff der „Zweigpraxis” in § 18 Abs 1 Satz 2 BO enthalten und wird vielfach als einzig relevanter Abgrenzungsbegriff zu den ausgelagerten Praxisräumen benutzt. Entsprechend ist in einem Schreiben der gemeinsamen Rechtsabteilung von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Bundesärztekammer vom 13. Mai 1987 formuliert, der Begriff der Zweigpraxis sei durch die Ankündigung von Sprechstunden in einer zweiten Praxisstelle geprägt. Der Arzt müsse, wenn es sich um eine Zweigpraxis handele, auch an dieser zweiten Praxisstelle seine Leistungsbereitschaft gegenüber dem hilfesuchenden Publikum ankündigen. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, wenn die Ankündigung der Sprechstunde ausschließlich von einer Praxisstelle aus erfolge und die Patienten erst, nachdem sie diese Praxis des Arztes aufgesucht hätten, zur Durchführung bestimmter Leistungen in eine ausgelagerte Einrichtung derselben Praxis eingewiesen würden. Soweit diese Rechtsauffassung dahin zu verstehen sein sollte, daß immer dann, wenn außerhalb der Praxis keine Sprechstunden angeboten werden, der Tatbestand einer Zweigpraxis nicht erfüllt sein kann, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
§ 18 Abs 2 BO gestattet dem Arzt, in räumlicher Nähe zum Ort seiner Niederlassung Untersuchungs- und Behandlungsräume ausschließlich für spezielle Untersuchungs- oder Behandlungszwecke zu betreiben. Dieser Vorschrift liegt die Vorstellung des Satzungsgebers zugrunde, ein Arzt werde seine Niederlassung in aller Regel in Praxisräumen wahrnehmen, die eine Einheit bilden, daß aber die Umstände in bestimmten Situationen zu einer Aufteilung der Praxis auf getrennte Räumlichkeiten nötigen können. Auch bei einer Aufteilung der Praxis auf Räumlichkeiten an mehreren Orten muß es sich in den Augen des Publikums jedoch organisatorisch um eine einheitliche Praxis handeln (VGH Mannheim, MedR 2000, 439, 440; OVG Münster, Urteil vom 2. Dezember 1998, DVBl 1999, 1056, 1057). Die Modifikation des Gebotes der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an einem bestimmten Ort setzt, wie insbesondere die Anwendungsbeispiele in der Klammerdefinition des § 18 Abs 2 Satz 1 BO zeigen, voraus, daß der Erbringung der gesamten ärztlichen Behandlungsleistung am Ort der Niederlassung, also in der vertragsärztlichen Praxis, ein sachlicher Grund medizinischer und organisatorischer Art entgegensteht. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Arzt ambulante Operationen nicht in den Praxisräumen selbst durchführen kann oder er eine Laborgemeinschaft zusammen mit anderen Ärzten betreibt. Ein weiterer Anwendungsfall ist der Einsatz medizinisch-technischer Großgeräte, die vielfach nicht in vertragsärztlichen Praxen untergebracht, sondern nur an anderen Standorten betrieben werden können (VGH Mannheim, MedR 2000, 439, 441). Deshalb ist auch der Betrieb eines Herzkatheter-Meßplatzes durch einen niedergelassenen Kardiologen in größerer räumlicher Entfernung von seiner Praxis berufsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 = BVerwGE 105, 362, 368, das von der berufsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Gestaltung ausgeht).
Die Anforderungen an den „sachlichen Grund” für die Auslagerung spezieller ärztlicher Leistungen aus der Praxis dürfen zwar nicht überspannt werden. So wird vom Arzt nicht verlangt werden können, seine Praxis komplett umzubauen, um in einem Praxisraum die Anforderungen an die Durchführung ambulanter Operationen gewährleisten zu können, wenn es für ihn wirtschaftlicher ist, in geeigneten Räumen außerhalb des Hauses seiner Praxis mit anderen Ärzten zusammen eine den Anforderungen genügende Operationseinheit zu betreiben. Auch Gesichtspunkte der Erreichbarkeit der besonderen Behandlungseinrichtung für die Patienten – etwa soweit eine Liegendanfahrt erforderlich ist – können zu berücksichtigen sein. Schon vom Wortlaut des Tatbestandsmerkmals „ausgelagerte” Praxisräume ist aber vorgegeben, daß der Arzt Leistungen von seiner Praxis räumlich an eine andere Stelle verlagert. Das schließt es aus, Räumlichkeiten, in denen zumindest teilweise dasselbe Leistungsangebot wie in der eigentlichen Praxis zur Verfügung gestellt wird, als „ausgelagerte Praxisräume” zu bewerten (VGH Mannheim, MedR 2000, 439, 442). Leistungen, die der Arzt in identischer Form in der Vergangenheit in seiner Praxis angeboten hat und auch in der Zukunft weiter durchführen will, darf er nur dann zugleich in einer von seiner Praxis getrennten Betriebsstätte erbringen, wenn ihm die Genehmigung zur Führung einer Zweigpraxis erteilt ist. Sollen identische Leistungen an mehreren Orten angeboten werden, kommt es nicht darauf an, ob an der zweiten Betriebsstätte im klassischen Sinne Sprechstunden abgehalten werden und das Publikum darauf zB durch ein Praxisschild hingewiesen wird. Im Hinblick auf das Gebot der Konzentration der vertragsärztlichen wie der ärztlichen Tätigkeit überhaupt auf den Ort der Niederlassung ist jedenfalls dem Arzt nicht gestattet, ohne Genehmigung dieselben Leistungen an mehreren Orten parallel anzubieten. Aspekte der Bedarfsplanung könnten vollständig unterlaufen werden, wenn Ärzte wichtige Teile ihres Leistungsangebotes ohne Prüfung eines entsprechenden Bedarfs an mehreren Orten den Patienten zugänglich machen und lediglich formal darauf hinwiesen, Sprechstunden fänden allein am Hauptsitz ihrer Praxen statt.
Die danach geforderte Bindung der ärztlichen Tätigkeit an den Praxissitz steht in Einklang mit weiteren Regelungen des ärztlichen Berufsrechts. Nach § 22 der Muster-BO und – in deren Folge – der BOen zahlreicher Ärztekammern (vgl hier § 22 BO der Landesärztekammer Baden-Württemberg) sind zur gemeinsamen Berufsausübung von Ärzten die in Kapitel D Nr 7 bis 11 geregelten Berufsausübungsgemeinschaften von Ärzten (Gemeinschaftspraxis, Ärztepartnerschaft), Organisationsgemeinschaften unter Ärzten (zB Praxisgemeinschaften, Apparategemeinschaften) und die medizinischen Kooperationsgemeinschaften sowie der Praxisverbund zugelassen. Nach Kapitel D Nr 8 Abs 2 Satz 1 Muster-BO (ebenso Nr 8 Abs 2 Satz 1 BO) ist die Berufsausübungsgemeinschaft nur an einem gemeinsamen Praxissitz zulässig. Satz 2 aaO läßt begrenzt Ausnahmen nur für die Ärzte zu, die ihrem typischen Fachgebietsinhalt nach regelmäßig nicht unmittelbar patientenbezogen tätig sind. Daraus ist abzuleiten, daß jedenfalls bezogen auf die unmittelbar patientenbezogene Tätigkeit auch die neueren ärztlichen Kooperationsformen nach wie vor an den Praxissitz als Ort der Behandlung gebunden sind. Die aus dem Dienstleistungsbereich bekannten Filialstrukturen haben damit keinen Eingang in das ärztliche Berufsrecht gefunden. Auch unter dem Gesichtspunkt sinnvoller beruflicher Kooperation von Ärzten bleibt es dabei, daß jeder Arzt bzw jede ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft an einen Praxissitz gebunden ist. Davon kann nur nach Maßgabe des § 18 Abs 1 Satz 2 Muster-BO (Zweigpraxis) unter den dort genannten Voraussetzungen eines Versorgungsbedarfs eine Befreiung erteilt werden.
In Anwendung der aufgezeigten Grundsätze handelt es sich bei der Betriebsstätte der Kläger in F. nicht um ausgelagerte Praxisräume iS des § 18 Abs 2 Satz 1 BO; denn sie wollen dort dasselbe Angebot von LC-Dialysen wie in ihrer Praxis in R. und der Betriebsstätte in B. U. vorhalten. Sie lagern damit Dialyseleistungen, die den Schwerpunkt ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit bilden ≪die Kläger firmieren nach dem Inhalt der Verwaltungsakte als „Dialyse – Dres. L., W., H.”≫, nicht nach F. aus, sondern stellen vielmehr das Angebot an technischen und persönlichen Leistungen, mit dem sie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, in ähnlicher Weise wie an ihrem Praxissitz in R. und der Betriebsstätte in B. U. auch in F. den Patienten zur Verfügung. Eben darin liegt das prägende Merkmal einer Zweigpraxis. Ob ein Patient, der in F. dialysiert wird, vor Beginn der Dialyse mit einem der Kläger in R. ein Gespräch führt, entzieht sich der Nachprüfbarkeit durch Dritte und ist rechtlich nicht von entscheidender Bedeutung. Zudem haben die Kläger selbst vorgetragen, neue Patienten aus der F.-Region betreuen und nicht etwa Patienten, die sie bereits in R. dialysieren, nunmehr aus Gründen der besseren Erreichbarkeit in F. versorgen zu wollen. Ob die Betriebsstätte in F. auch deshalb nicht als „ausgelagerter Praxisraum” iS des § 18 Abs 2 BO angesehen werden kann, weil die räumliche Nähe zur Praxis in R. fehlt, kann auf sich beruhen.
Das Begehren der Kläger könnte danach nur dann Erfolg haben, wenn die berufsrechtlich vorgegebene Abgrenzung von Zweigpraxis und ausgelagerten Praxisräumen iS des § 18 BO durch Bestimmungen der Dialysevereinbarung derogiert wäre mit der Folge, daß im Dialysebereich in sehr viel größerem Umfang als sonst die Leistungserbringung außerhalb der Praxis zumindest vertragsarztrechtlich zulässig wäre. Das ist indessen – zumindest, soweit der Senat darüber in diesem Verfahren zu entscheiden hat – zu verneinen.
Nach den Vorschriften der Dialysevereinbarung liegt die Annahme eines Widerspruchs zu den berufsrechtlichen Vorgaben zur Auslagerung von Praxisräumen nahe, wie die Beklagte zutreffend geltend macht. § 2 Satz 2 der Dialysevereinbarung bestimmt, daß insbesondere für örtlich getrennte Betriebsstätten (ausgelagerte Praxisräume) die berufsrechtlichen Bestimmungen zu beachten sind. Schon die Klammerdefinition der „örtlich getrennten Betriebsstätte” durch den berufsrechtlich fest umrissenen Begriff der „ausgelagerten Praxisräume” ist irreführend. Behandlungsräume, die alle Merkmale einer Zweigpraxis erfüllen, können ohne weiteres als eine örtlich von der Praxis getrennte Betriebsstätte bezeichnet werden, ohne daß auch nur einzelne Merkmale des Begriffs der „ausgelagerten Praxisräume” iS des § 18 Abs 2 Satz 1 BO (getrenntes Leistungsangebot, räumliche Nähe, spezielle technische Leistungen etc) vorliegen müssen.
Außerhalb der Klammerdefinition in § 2 Satz 2 verwenden die Vertragspartner der Dialysevereinbarung stets nur den Begriff der „örtlich getrennten Betriebsstätte”, ohne daß den Vorschriften mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen wäre, daß immer alle Merkmale ausgelagerter Praxisräume iS des § 18 Abs 2 Satz 1 BO erfüllt sein müssen. So gelten nach § 5 Abs 7 Buchst d) der Dialysevereinbarung die unter den Buchst a) bis c) aaO genannten Anforderungen für jede „örtlich getrennte Betriebsstätte”, soweit Zentrumsdialysen an mehreren Betriebstätten der Dialysepraxis oder Dialyseeinrichtung durchgeführt werden. Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht dafür, daß eine Dialysepraxis mehrere Betriebsstätten vorhalten darf, an denen Zentrumsdialysen angeboten werden. Das schließt die Möglichkeit ein, daß an einer oder mehreren von der Dialysepraxis örtlich getrennten Betriebsstätten identische Dialyseleistungen angeboten werden, was zur Folge hätte, daß berufsrechtlich unter Zugrundelegung der oben dargestellten Abgrenzungskriterien Zweigpraxen betrieben würden.
Eine vergleichbare Regelung enthält für den hier einschlägigen Bereich der „zentralisierten Heimdialyse” § 5 Abs 8 Buchst b) der Dialysevereinbarung. Danach dürfen Dialysebehandlungen als „zentralisierte Heimdialyse” durch die Dialysepraxis auch in einer örtlich getrennten Betriebsstätte nur durchgeführt werden, wenn in der Dialysepraxis mindestens zwei Ärzte tätig sind, welche die fachlichen Voraussetzungen gemäß § 4 dieser Vereinbarung erfüllen und nachweisen. Jede weitere örtlich getrennte Betriebsstätte zur „zentralisierten Heimdialyse” erfordert den Nachweis der Tätigkeit eines weiteren gemäß § 4 aaO oder des nach § 5 Abs 7 Buchst c) Nr 2 aaO qualifizierten Arztes. Auch dieser Norm liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, daß eine Dialysepraxis mehrere örtlich getrennte Betriebsstätten führen kann, in denen LC-Dialysen angeboten werden. In jeder Einrichtung zur „zentralisierten Heimdialyse” hat der Dialysearzt eine Visite dergestalt durchzuführen, daß er jeden Patient mindestens einmal pro Woche persönlich berät und beurteilt (§ 5 Abs 8 Buchst a Satz 1 der Dialysevereinbarung).
Da ein Dialysepatient typischerweise in einer Dialysepraxis außer der regelmäßigen Dialyse und der wöchentlichen Visite nach § 5 Abs 8 Buchst a) Satz 1 der Dialysevereinbarung keine Leistungen in Anspruch nimmt, kann er in der Regel genauso in der Praxis am Vertragsarztsitz wie in der örtlich getrennten Betriebsstätte vollständig versorgt werden. Das ist bei Dauerbehandlungen – im Gegensatz etwa zu einer einmaligen kernspintomographischen Untersuchung – die für die Behandlung in einer Zweigpraxis typische Situation. Das wiederum führt zu der Schlußfolgerung, daß die in der Dialysevereinbarung erkennbar vorausgesetzte und zumindest inzident für zulässig gehaltene Filialstruktur von Dialysepraxen mit einem qualifizierten Arzt pro Betriebsstätte mit § 18 BO in Widerspruch steht. Auf diesem Hintergrund wird verständlich, daß in der Literatur ohne nähere Begründung die Ansicht vertreten wird, bei der Betreuung einer LC-Station durch niedergelassene Ärzte handele es sich nicht um den Betrieb einer Zweigpraxis (Uhlenbruck in: Laufs/Uhlenbruck ≪Hrsg≫, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl 1999, § 18 RdNr 15).
Der Senat läßt offen, in welchem Umfang die Partner der Bundesmantelverträge aus spezifisch vertragsärztlichen Gründen Regelungen treffen können, die vom ärztlichen Berufsrecht abweichen. Eine nähere Erörterung dieser Frage ist nicht angezeigt, weil nicht feststeht und vom Senat in diesem Revisionsverfahren nicht geklärt werden kann, ob die Vertragspartner der Dialysevereinbarung bewußt durch die – zumindest inzidente – Zulassung einer Filialstruktur bei der LC-Dialyse vom Berufsrecht abweichen wollten. Es ist Sache der Vertragspartner, auf dem Hintergrund der oben dargestellten berufsrechtlichen Abgrenzung von ausgelagerten Praxisräumen und Zweigpraxis klar festzulegen, ob und ggf mit welchen Einschränkungen von einer Dialysepraxis räumlich getrennte Behandlungseinrichtungen zugelassen werden sollen, auch wenn diese sich berufsrechtlich als Zweigpraxen darstellen. Erst wenn die nach § 135 Abs 2 Satz 1 SGB V unter Qualitätssicherungsaspekten und nach § 82 Abs 1 SGB V im Hinblick auf ihre Gesamtverantwortung für die vertragsärztliche Versorgung zuständigen Vertragspartner auf Bundesebene eindeutig entschieden haben, daß und weshalb eine qualitativ hochstehende und flächendeckende Versorgung mit Dialyseleistungen im Rahmen des allgemeinen Berufsrechts nicht sinnvoll gewährleistet werden kann oder soll, vermag der Senat abschließend zu beurteilen, ob und ggf inwieweit berufsrechtliche Vorgaben verdrängt werden dürfen.
Zur Entscheidung über die Revision der Kläger bedarf es der Klärung dieser Fragen nicht. Diese kann nämlich auch dann keinen Erfolg haben, wenn aus dem Gesamtzusammenhang der §§ 2 und 5 der Dialysevereinbarung zu entnehmen sein sollte, daß das vollständige Angebot von LC-Dialysen in örtlich getrennten Betriebsstätten ungeachtet der in § 18 Abs 2 Satz 1 BO enthaltenen Beschränkungen vertragsarztrechtlich zugelassen werden sollte. Soweit damit auch der Betrieb von Dialyseeinrichtungen außerhalb des Planungsbereichs, in dem die Ärzte zugelassen sind, gestattet werden sollte, sind die genannten Vorschriften der Dialysevereinbarung insoweit unwirksam. Sie stehen in diesem Umfang nicht mit den im SGB V, in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) sowie insbesondere in den Bedarfsplanungs-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen niedergelegten Grundsätzen der Bedarfsplanung in Einklang. Denn sie würden dazu führen, die Steuerungsfunktion der Bedarfsplanung zu unterlaufen und Beschränkungen, die sich aus einer Überversorgung ergeben, zu umgehen.
Nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9, § 101 SGB V sowie § 12 Abs 3 Ärzte-ZV regeln die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen die vertragsärztliche Bedarfsplanung, insbesondere den Inhalt der Feststellungen in den Bedarfsplänen und die Abgrenzung der Planungsbereiche; sie haben weiterhin Regelungen über Maßstäbe, Grundlagen und Verfahren zur Feststellung des allgemeinen Versorgungscharakters und von Überversorgung in den einzelnen Arztgruppen zu treffen (§ 101 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 101 Abs 2, § 103 Abs 1 SGB V; § 16b Abs 1 Satz 3 Ärzte-ZV) sowie Maßstäbe für qualitätsbezogene Sonderbedarfsfeststellungen als Voraussetzungen für die Ausnahmen bei Zulassungsbeschränkung vorzugeben (§ 101 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V). Nach § 101 Abs 1 Satz 5 SGB V sollen die regionalen Planungsbereiche den Stadt- und Landkreisen entsprechen (vgl dazu BSGE 86, 242, 246 = SozR 3-2500 § 101 Nr 5 S 29). Entsprechend bestimmt Nr 5 der Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie der Maßstäbe zur Festsetzung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte – ≪zuletzt geändert durch Bekanntmachungen vom 11. Dezember 2000, BAnz 2001 Nr 57 S 4770 und vom 23. August 2001 BAnz 2001 Nr 217 S 23736≫), daß räumliche Grundlage für die Ermittlungen zum allgemeinen Stand der vertragsärztlichen Versorgung und zum jeweiligen örtlichen Stand der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Feststellung zur Überversorgung und Unterversorgung die kreisfreie Stadt, der Landkreis oder die Kreisregion in der Zuordnung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung ist (Planungsbereiche). Nach Nr 7 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte werden allgemeine Verhältniszahlen als Grundlage der Bestimmung von Überversorgung ua für die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Internisten festgesetzt. Zu dieser Arztgruppe gehören auch die Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Nephrologie, die nach § 4 Abs 2 Satz 1 der Dialysevereinbarung in erster Linie für die Erbringung von Dialysen in Betracht kommen. Da weder die gesetzlichen Vorschriften noch die Ärzte-ZV bzw die Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte Regelungen enthalten, wonach internistisch-nephrologische Praxen, die schwerpunktmäßig oder ausschließlich Dialysen anbieten, von den Vorgaben der Bedarfsplanung befreit sind, gelten auch für diese Praxen die Vorschriften über Bedarfsermittlung und Überversorgung. Bedarfsermittlung und Feststellung von Überversorgung beziehen sich auf den jeweiligen Planungsbereich.
Für ihn ist zu ermitteln, ob eine Überversorgung iS des § 101 Abs 1 Satz 2 SGB X gegeben ist. Hat der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen für einen Planungsbereich bezogen auf bestimmte Arztgruppen eine Überversorgung festgestellt, ist für diesen eine Zulassungsbeschränkung anzuordnen (§ 103 Abs 1 und Abs 2 SGB V). Damit ist das Versorgungsangebot zumindest derjenigen Gruppen von Ärzten, die unmittelbar patientenbezogen tätig und in die Bedarfsplanung einbezogen sind, auf den Planungsbereich ausgerichtet, in dem sie zugelassen sind. Das Recht der Versicherten auf freie Arztwahl (§ 76 Abs 1 SGB V) führt zwar dazu, daß sie Vertragsärzte und auch Dialysepraxen unabhängig davon aufsuchen können, ob diese sich an ihrem Wohnort befinden oder ob Wohnort der Versicherten und Vertragsarztsitz im selben Planungsbereich gelegen sind. Das ändert jedoch nichts daran, daß die Tätigkeit jedenfalls von Arztgruppen, die unmittelbar patientenbezogen tätig sind, nur innerhalb des jeweiligen Planungsbereiches ausgeübt werden kann. Wäre es Vertragsärzten bzw Gemeinschaftspraxen möglich, ohne Genehmigung der zuständigen KÄV ihr Leistungsangebot durch Behandlungseinrichtungen über die Grenzen des Planungsbereichs hinaus auszuweiten, wäre eine sinnvolle Bedarfsplanung nicht mehr möglich. Eine große Gemeinschaftspraxis könnte dann in benachbarten Planungsbereichen örtliche Betriebstätten anbieten, die faktisch die Versorgung der Versicherten zB mit Dialyseleistungen auch dort sicherstellen würden. Gleichwohl müßten, soweit nicht schon Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, weitere Ärzte in diesen Planungsbereichen zugelassen werden, weil sich rechtlich der Versorgungsgrad nur als Verhältniswert von Einwohnern zu zugelassenen Ärzten im jeweiligen Planungsbereich ermitteln läßt. Die Einbeziehung der Versorgungslage in benachbarten Versorgungsbereichen ist im Rahmen der Erteilung von Ermächtigungen zulässig (BSG SozR 3-2500 § 97 Nr 2 S 7; vgl auch BSGE 86, 242, 251 = SozR 3-2500 § 101 Nr 5 S 34 f), kommt aber im Hinblick auf die notwendig schematische Errechnung des Versorgungsgrades bei Zulassungen nicht in Betracht.
Trotz faktisch ausreichender Versorgung durch örtlich getrennte Betriebsstätten einer Praxis aus einem anderen Planungsbereich könnte sogar rechtlich ein Zustand der Unterversorgung eintreten, soweit im Planungsbereich bestimmte Leistungen wie etwa zentralisierte Heimdialysen überhaupt nicht durch im Planungsbereich zugelassene Ärzte angeboten werden. Umgekehrt müßten trotz möglicherweise mehr als ausreichender Versorgung durch Filialen einer Praxis aus einem anderen Planungsbereich weitere Ärzte so lange zugelassen werden, bis der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad iS des § 101 Abs 1 Satz 2 SGB V nicht um mehr als 10% überschritten ist. Weil diese Folgerungen im Widerspruch zu den Regelungen der Bedarfsplanung stehen, könnte die Dialysevereinbarung, die als Anlage zum BMV-Ä dessen Rechtsqualität teilt und damit nur im Rahmen der höherrangigen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (vgl Hess in KassKomm, § 82 SGB V RdNr 2) Wirksamkeit zu entfalten vermag, die berufsrechtlichen Vorgaben des § 18 Abs 2 BO allenfalls hinsichtlich des Betriebs örtlich von der Hauptpraxis getrennter Betriebsstätten im jeweiligen Planungsbereich verdrängen. Außerhalb des Planungsbereichs, in dem ein Vertragsarzt zugelassen ist, könnte er eine Betriebsstätte, die sich nach allgemeinen berufsrechtlichen Vorschriften als Zweigpraxis darstellt, allenfalls mit einer Genehmigung seiner KÄV bei Vorliegen eines konkreten Bedarfs betreiben. Im Ergebnis hat deshalb die Beklagte den Klägern die begehrte Genehmigung zu Recht versagt, denn die Kläger wollen in F. LC-Dialysen anbieten, und dieser Ort liegt sowohl außerhalb des Planungsbereiches, in dem sie zugelassen sind, als auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der beklagten KÄV, deren Mitglieder sie sind. Da es sich bei der Genehmigung nach § 2 Satz 3 der Dialysevereinbarung um eine gebundene Entscheidung handelt, wird die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt, daß in der Begründung der ablehnenden Entscheidung nicht ausdrücklich auf den vom Senat für entscheidend gehaltenen Gesichtspunkt des Betriebs der Dialyseeinrichtung außerhalb des Planungsbereichs abgestellt worden ist (vgl BSGE 87, 8, 11 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9 S 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 679325 |
ArztR 2002, 243 |
MedR 2002, 365 |
NZS 2002, 443 |
SozR 3-2500 § 135, Nr. 20 |