Beteiligte
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Kosten seines Aufenthalts in der (KBN) in B… ab 12. Oktober 1979 zu tragen.
Der 1948 geborene Kläger leidet an einer frühkindlichen Hirnschädigung mit nachfolgender Imbezillität. Seit November 1953 befindet er sich in verschiedenen Kliniken und Anstalten, seit Juli 1972 in der KBN, in der er schon von Juli 1961 bis November 1970 untergebracht war. Die Kosten der Unterbringung werden vom Sozialhilfeträger, dem Beigeladenen zu 2), getragen. Der Kläger steht unter Vormundschaft. Sein Vater, der Beigeladene zu 1), der Mitglied der Beklagten ist, hat für ihn Anspruch auf Familienkrankenhilfe.
Am 12. Oktober 1979 stellte der Vormund des Klägers bei der Beklagten den Antrag, die Kosten des Aufenthalts seines Mündels in der KBN zu übernehmen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Unterbringung im wesentlichen aus pflegerischen Gründen erfolge. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat dem von ihm eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W… vom 11. November 1981 entnommen, daß Krankenhauspflegebedürftigkeit nicht vorgelegen habe und nicht vorliege. Die KBN hatte zuvor berichtet, es bestünden eine Oligophrenie mit häufigen aggressiven Durchbrüchen und sekundär eine Polytoxikomanie (Alkohol und Tabletten), weswegen der Kläger einer intensiven pflegerischen und ärztlichen Betreuung bedürfe, die nur auf der Wachstation einer geschlossenen Anstalt möglich sei. Die von der Beklagten eingeschalteten vertrauensärztlichen Gutachter hatten einen Behandlungsfall verneint und eine Unterbringung zur Verwahrung angenommen. Dr. W… war zu dem Ergebnis gekommen, der Krankheitszustand des Klägers erfordere zwar Betreuung durch geschultes Pflegepersonal und ärztliche Betreuung, jedoch, abgesehen von etwaigen Zwischenfällen - Vergiftungserscheinungen, Anfällen -, keine ständige ärztliche Präsenz; die ärztliche Behandlung könne gleichsam ambulant durchgeführt werden. Prognostisch sei eine wesentliche Änderung nicht zu erwarten. Bei der Unterbringung handele es sich im wesentlichen um pflegerische Maßnahmen und um Maßnahmen, die verhüten sollen, daß der Kläger sich oder einem anderen einen Schaden zufügt. Es müsse die Möglichkeit der Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt sowie die Möglichkeit gegeben sein, bei aktuellen Schwierigkeiten entweder den Kläger zu verlegen oder einen Arzt hinzuzuziehen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, im Rahmen des Familienhilfeanspruchs des Beigeladenen zu 1) die Kosten des Aufenthalts des Klägers in der KBN seit den 12. Oktober 1979 zu übernehmen. Zur Begründung führt es aus: Schon der vom SG hinzugezogene ärztliche Sachverständige Dr. W… habe die Erforderlichkeit der Unterbringung des Klägers auf einer geschlossenen Abteilung betont. Solche Abteilungen gehörten zu den Mitteln psychiatrischer Krankenhäuser. Nach der Erklärung der Beklagten gebe es in Berlin und im übrigen Bundesgebiet für Männer keine geschlossenen Einrichtungen ohne Krankenhauscharakter. Ob diese Tatsache allein die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse auslöse, sei hier nicht zu entscheiden, denn im Falle des Klägers sei es mit einer sicheren Verwahrung nicht getan. Es gehe auch darum, die Krankheit zu behandeln, einer Verschlimmerung vorzubeugen und Beschwerden zu lindern. Die als Zeugin gehörte Oberärztin Dr. H… habe überzeugend den von der Klinik verfolgten individuellen Therapieplan geschildert, der die maßgebliche Beteiligung fachkundiger Ärzte voraussetze. Es würden ein heilpädagogisches Training und eine Beschäftigungstherapie durchgeführt, um dem Kläger ein Ordnungs- und Arbeitsgefühl zu geben. Es werde versucht, auf diese Weise dem Fortschreiten der Krankheitserscheinungen zu begegnen. Der Tagesplan werde vom Arzt aufgestellt und bei Bedarf geändert. Der Kläger brauche ständig Medikamente, wobei aufgrund von Änderungen in der gesundheitlichen Verfassung Medikament und Dosis variiert werden müßten. Der Zustand des Klägers sei derart, daß zeitlich unvorhersehbar ärztliche Entscheidungen zu treffen seien. Täglich finde eine Arztvisite statt, manchmal müsse der Arzt an einem Tage vier- bis siebenmal gerufen werden. Der Kläger bekomme nämlich gelegentlich ihn stark erregende Anfälle, er werde aufgrund eines ihn erheblich belastenden Angstgefühls besonders aggressiv und bedürfe dann zur Beseitigung des für ihn unerträglichen Zustandes ärztlichen Eingreifens und auf die jeweilige Situation abgestellter Behandlung (z.B. Placebogaben, Valiumspritzen). Das sei seit Jahren so. Die Unvorhersehbarkeit sofortigen ärztlichen Eingreifens begründe die Notwendigkeit des Krankenhausaufenthalts. Bedürfe der Patient im Rahmen der erforderlichen Behandlung ständiger ärztlicher Präsenz, so könne er nicht auf ambulante ärztliche Versorgung oder ein im wesentlichen auf die pflegerische Betreuung ausgerichtetes Krankenheim verwiesen werden. Die Behandlung des Klägers in einem Krankenheim wäre nicht ausreichend (§ 4 Krankenheimbetriebs- und Pflegeentgeltvereinbarung vom 1. Februar 1978, Richtlinien über Anlage, Einrichtungen und Betrieb von Krankenheimen vom 9. Mai 1977 - Berliner ABl. 1978, 296, 299 -).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten. Gerügt werden eine Verletzung des § 184 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und mehrere Verfahrensmängel. Das LSG sei mit seiner Auffassung, allein die Unvorhersehbarkeit des sofortigen ärztlichen Eingreifens begründe die Notwendigkeit des Krankenhausaufenthalts, von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen. Krankenhauspflege setze auch die Erforderlichkeit einer apparativen Mindestausstattung und einen zielstrebigen Heilplan voraus. Auf das Erfordernis einer apparativen Mindestausstattung sei das LSG nicht eingegangen. Die Unvorhersehbarkeit des sofortigen ärztlichen Eingreifens könne schon begrifflich nicht Teil eines zielstrebigen Heilplans i.S. eines geordneten Zusammenfügens von Pflegemaßnahmen und ärztlicher Behandlung sein. Der gravierendste Verfahrensmangel liege darin, daß das LSG die für seine Entscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichend getroffen habe. Dieser Verfahrensmangel sei sogar von Amts wegen zu berücksichtigen (SozR Nr. 187 zu § 162; BSG Breithaupt 1980, 405, 406). Nach der Rechtsprechung des BSG seien vor allem auch die Zeitabschnitte der Behandlungsbedürftigkeit festzustellen. Die Feststellung des LSG, reine Pflege, Anstaltspflege und reine Sicherheitsverwahrung hätten bei dem Kläger nicht vorgelegen und lägen nicht vor, beruhe auf einem Verstoß gegen §§ 103, 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zumindest hätten die Äußerungen der Klinikärzte, auf die sich das LSG beziehe, konkretisiert werden müssen. Weitere Feststellungen des LSG seien unter Verkennung der Grundlagen der Beweiswürdigung getroffen worden. Hierin liege zugleich ein Verstoß gegen Denkgesetze.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 1983 - L 9 Kr 35/82- aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 1982 - S 75 Kr 266/80 - zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger und der Beigeladene zu 1) beantragen sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Sie machen einen Bericht der Oberärztin Dr. F… von der KBN zum Gegenstand ihres Vortrages und halten der Revision entgegen: Es handele sich um einen psychiatrischen Fall, in dem ein "klassisches Krankenhaus" im herkömmlichen Sinne nicht in Frage komme. Die moderne Psychiatrie verlange andere Mittel. Es sei verfehlt, in der modernen Psychiatrie die Dinge, die bei den sogenannten Akutfällen eine Rolle spielten, ebenfalls in den Vordergrund zu stellen.
Der Beigeladene zu 2) hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz.
Das angefochtene Urteil wird von seinen Gründen nicht getragen. Die Beklagte hat die Kosten des Aufenthalts des Klägers in der KBN für die Zeit ab 12. Oktober 1979 nicht schon deshalb zu übernehmen, weil der Kläger auf einer geschlossenen Abteilung untergebracht sein muß und ärztlicher Behandlung bedarf. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Krankenhauspflege ergibt sich auch nicht ohne weiteres daraus, worauf das LSG vor allem abstellt, daß beim Kläger gelegentlich und unvorhersehbar ihn stark erregende Anfälle und aggressive Zustände auftreten, die ein sofortiges ärztliches Eingreifen erforderlich machen. Soweit das LSG im übrigen Behandlungsmaßnahmen anführt, reichen seine Tatsachenfeststellungen nicht aus, um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhauspflege als erfüllt ansehen zu können. Zudem rügt die Beklagte zu Recht eine Verletzung des § 103 Satz 1 SGG und des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG. Da die Revisionsinstanz Tatsachenfeststellungen nicht selbst treffen darf (§ 163 SGG), kann eine abschließende Entscheidung noch nicht ergehen (§ 170 Abs. 2 SGG).
Nach § 184 Abs. 1 RVO i.d.F. durch § 1 Nr. 1 des Leistungsverbesserungsgesetzes vom 19. Dezember 1973 (BGBl. I 1925) und nach Halbsatz 1 dieser Vorschrift i.d.F. durch Art. 1 Nr. 7 des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I 1578) wird Krankenhauspflege als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich ist, um die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Notwendigkeit der Krankenhausaufnahme muß sich also aus den genannten Behandlungszielen ergeben. Besteht dieser Bedingungszusammenhang nicht, so kann Krankenhauspflege selbst dann nicht beansprucht und gewährt werden, wenn für die Unterbringung im Krankenhaus krankheitsbedingte Umstände maßgebend sind. Nach der Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Krankenkasse nur medizinische Krankenbehandlung zu gewähren. So umfaßt die ambulante Krankenpflege Iediglich solche Behandlungsleistungen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst Heilung und Linderung bringen und durch die sich ein Heilerfolg erzielen läßt (§ 182 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 368 e RVO). Demgemäß setzt auch die Verpflichtung zur Krankenhauspflege voraus, daß die besonderen Mittel des Krankenhauses benötigt werden, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSGE 47, 83 = SozR 2200 § 216 Nr. 2 m.w.N.; SozR 2200 § 184 Nr. 11).
Die Unterbringung des Klägers in der KBN begründet daher nicht schon deshalb einen Anspruch auf Krankenhauspflege, weil sie wegen einer Krankheit und darauf beruhender Verhaltensstörungen erfolgt und nur in einer geschlossenen Abteilung möglich ist und in dem hier in Betracht kommenden räumlichen Gebiet allein Krankenhäuser über solche Abteilungen verfügen. Die Unterbringung und Versorgung eines Kranken in einer geschlossenen Abteilung ist für sich keine medizinische Behandlung. Ist sie nur aus Verwahrungsgründen erforderlich, so handelt es sich ebensowenig um eine Krankenhauspflege i.S. des § 184 RVO wie bei einer Unterbringung zur Pflege, die lediglich dem Zweck dient, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen (BSG a.a.O.). Nach den Unterbringungsgesetzen (UnterbrG) der deutschen Bundesländer werden Unterbringungsbedürftige in dazu geeigneten Krankenanstalten untergebracht. Unterbringungsbedürftig sind psychisch Kranke (auch Suchtkranke), die infolge ihrer Krankheit die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sich selbst oder andere ernstlich gefährden (§ 1 Berliner UnterbrG vom 5. Juni 1958; siehe z.B. auch Art. 1 bayer. UnterbrG vom 20. April 1982, § 1 baden-württembg. UnterbrG vom 11. April 1983, § 12 des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen vom 30. Mai 1978). Die Aufnahme unterbringungsbedürftiger Personen in einer Krankenanstalt bezweckt also in erster Linie, eine Gefährdung zu beseitigen. Sie setzt nicht voraus, daß auch eines der in § 184 Abs. 1 RVO genannten Behandlungsziele angestrebt wird und erreicht werden kann. Nach den UnterbrG sind zwar die verwahrten Personen auch zu behandeln (siehe z.B. Art 2 des bayer. UnterbrG , §§ 17 f. baden-württembg. UnterbrG, § 27 Nds. PsychKG). Eine Krankenhauspflege stellt eine solche Behandlung jedoch lediglich dann dar, wenn es sich um eine medizinische Behandlung handelt, die nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden kann. Läßt sich eine eventuell erforderliche medizinische Behandlung ohne eine aus anderen Gründen erfolgte Unterbringung (z.B. zur Verwahrung) ambulant oder in einem Pflegeheim durchführen, so besteht kein Anspruch auf Krankenhauspflege.
Wenn die Rechtsprechung als besondere Mittel des Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit rufbereiten Arzt herausstellt, so wird damit für den Anspruch auf Krankenhauspflege weder der notwendige Einsatz aller dieser Mittel gefordert, noch der Einsatz eines dieser Mittel stets als ausreichend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Aus diesem Grunde ist das angefochtene Urteil nicht schon deshalb fehlerhaft, weil, wie die Beklagte rügt, auf das Erfordernis einer apparativen Mindestausstattung nicht eingegangen worden sei. Vor allem bei einer psychiatrischen Behandlung, um die es im, vorliegenden Fall geht, kann allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausschließen. Andererseits genügt es nicht, daß in unvorhersehbaren Situationen sofort ein Arzt zugezogen werden muß. Ist die sofortige Zuziehung eines Arztes nur in wenigen Ausnahmesituationen veranlaßt, wird das die hier umstrittene Notwendigkeit einer zeitlich unabsehbaren Krankenhauspflege in der Regel nicht begründen. Soweit die Rechtsprechung auf die ärztliche Präsenz abstellt, ist gemeint, daß der jederzeit rufbereite Arzt im Rahmen der laufenden Behandlung benötigt wird. Machen nur gelegentliche Ausnahmesituationen die sofortige Zuziehung eines Arztes erforderlich, so wird meistens der ambulante Notfalldienst oder eine kurzfristige Krankenhauseinweisung ausreichen (Urteil des Senats vom 12. März 1985 - 3 RK 15/84 -). Auch die Notwendigkeit einer ständigen Betreuung durch psychiatrisch geschultes Personal allein macht die Krankenkasse noch nicht nach § 184 Abs. 1 RVO leistungspflichtig (Urteil des Senats vom 21. Oktober 1980 - 3 RK 33/79 - USK 80211). Zwar ist zu beachten, daß bei der psychiatrischen Behandlung nichtärztliche Therapeuten und Pflegekräfte in größerem Umfange zur Behandlung herangezogen werden. Ihre Mitwirkung ist dann aber der ärztlichen Behandlung untergeordnet (BSG SozR 2200 § 184 Nr. 11). Von einer Krankenhausbehandlung kann dagegen nicht mehr gesprochen werden, wenn die ärztliche Behandlung nur noch einen die stationäre Versorgung und die pflegerischen und pädagogischen Maßnahmen begleitenden Charakter hat.
Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es demnach darauf an, welche Behandlungsziele erreicht werden können, welche medizinischen Maßnahmen dazu erforderlich sind, ob diese Maßnahmen als solche (also unabhängig von der Unterbringung aus anderen Gründen) nur stationär erbracht werden können und ggf. für welche Zeiträume das jeweils zu gelten hat. Zur Beantwortung dieser Fragen reichen die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils nicht aus.
Soweit festgestellt wird, die Behandlung ziele darauf ab, dem Kläger ein Ordnungs- und Arbeitsgefühl zu geben und auf diese Weise dem Fortschreiten der Krankheitserscheinungen zu begegnen, lassen sich dem Urteil keine hinreichend konkreten Feststellungen dazu entnehmen, welche Krankheitserscheinungen behandlungsbedürftig und welche medizinischen Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind. Während einer Unterbringung aus Sicherheitsgründen soll der Untergebrachte mit dem Ziel behandelt werden, ihm ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl. Art. 2 bayer. UnterbrG, § 3 Nds. PsychKG). Diese Behandlung muß weder ihrer Zielsetzung noch ihrer Art nach eine medizinische Behandlung sein. Die Eingliederung in die Gesellschaft, die Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung und auch die Verhinderung einer (weiteren) Verwahrlosung sind zunächst soziale Ziele, die eventuell durch Pflege- und pädagogische Maßnahmen erreicht werden können. Wenn beim Kläger ein heilpädagogisches Training und eine Beschäftigungstherapie durchgeführt werden, so spricht das ebenfalls nicht zwingend für eine Krankenhauspflege. Es ist nicht ausgeschlossen, daß für ein heilpädagogisches Training eine ambulante ärztliche Betreuung ausreicht. Hinsichtlich der durchgeführten Beschäftigungstherapie ist zu beachten, daß allen Untergebrachten, unabhängig von ihrer medizinischen Behandlungsbedürftigkeit, Gelegenheit zur sinnvollen Beschäftigung und Arbeit gegeben werden soll (vgl. Art. 20 bayer. UnterbrG, § 17 baden-württembg. UnterbrG). Es muß sich also auch insoweit nicht unbedingt um den Bestandteil einer medizinischen Krankenhausbehandlung handeln.
Die Feststellungen des Berufungsurteils, die sich mit der medikamentösen Versorgung des Klägers befassen, lassen ebenfalls nicht den Schluß auf die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Krankenhauspflege zu. Eine medikamentöse Behandlung unter ständiger ärztlicher Aufsicht wird vor allem bei einer akuten Erkrankung oder einem akuten Krankheitsschub veranlaßt sein. Sie kann dann unter Umständen einen Krankenhausaufenthalt rechtfertigen. Bei einem Dauerleiden liegt es dagegen nicht nahe, daß eine im wesentlichen gleichartige medikamentöse Behandlung über Jahre oder, was im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehen ist, über Jahrzehnte hinweg nur stationär durchgeführt werden kann. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht schon daraus, daß beim Kläger aufgrund von Änderungen im gesundheitlichen Zustand Medikament und Dosis variiert werden müssen. Soweit diese Änderungen regelmäßig auftreten (Schwankungen des Befindens), können vorsorgliche Anweisungen des Arztes an das Pflegepersonal in vielen Fällen ausreichen, um die erforderliche Medikation sicherzustellen, Soweit es sich um außergewöhnliche Zustandsänderungen, insbesondere um akute Krankheitsanfälle handelt, kann zwar in der Regel auf die sofortige Zuziehung eines Arztes nicht verzichtet werden, aber auch daraus ergibt sich nicht ohne weiteres die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthalts.
Eine ständige ärztliche Präsenz wird im Berufungsurteil vor allem wegen der den Kläger stark erregenden Anfälle für erforderlich gehalten. Die Anfälle sollen aber nur gelegentlich auftreten. Es stellt sich daher die Frage, ob zur Behandlung dieser Anfälle nicht die ambulante ärztliche Versorgung, die einen Not- und Bereitschaftsdienst umfaßt (§ 368 Abs. 3 RVO), oder eine zeitlich begrenzte Krankenhauspflege jeweils ausreicht. Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen geben darauf keine Antwort. Die akute Gefährdung des Klägers, die aufgrund eines Medikamenten- und Alkoholmißbrauchs bestehen kann, soll bereits durch die Verwahrung in einer geschlossenen Abteilung und die Überwachung durch das Pflegepersonal beseitigt werden. Kann dennoch einmal eine Vergiftung nicht verhindert werden, so wird die dann eventuell gebotene Krankenhauspflege auf die Behebung des Vergiftungszustandes gerichtet sein und mit Erreichen dieses Behandlungsziels beendet werden können (z.B. Behandlung des Klägers im Krankenhaus am 26. und 27. Mai 1980). Ob und auf welche Weise die dem Medikamenten- und Alkoholmißbrauch zugrundeliegende Krankheit selbst behandelt werden kann, hängt von der Art der Erkrankung ab. Bei einer Suchtkrankheit hat die Krankenkasse erforderlichenfalls Krankenhauspflege zu gewähren (BSGE 46, 41 = SozR 2200 § 184 a Nr. 1). Diese Behandlung ist jedoch auf die Heilung der Suchtkrankheit und damit auch auf eine absehbare Beendigung des Krankenhausaufenthalts gerichtet. Stellt die Neigung zum Medikamenten- und Alkoholmißbrauch eine Verhaltensstörung dar, die auf einer psychischen Krankheit beruht, so wird die Verpflichtung der Krankenkasse zur Krankenhauspflege davon abhängen, ob diese Verhaltensstörung behoben oder nicht behoben werden kann. In ersterem Falle wird die Krankenhausbehandlung ebenfalls begrenzt sein, im letzteren Falle erscheint es fraglich, ob überhaupt eines der Behandlungsziele des § 184 Abs. 1 RVO erreicht werden kann oder ob man sich auf die Unterbringung und Beaufsichtigung mit einer begleitenden ärztlichen Betreuung beschränken muß.
Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung des § 128 Abs. 1 SGG, weil es das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht umfassend berücksichtigt. Das einzige Sachverständigengutachten, das in diesem Rechtsstreit eingeholt worden ist, das im Verfahren vor dem SG erstattete Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W… vom 11. November 1981, kommt zu dem Ergebnis, daß abgesehen von Zwischenfällen eine ständige ärztliche Präsenz nicht erforderlich sei, die ärztliche Behandlung gleichsam ambulant durchgeführt werden könne und lediglich für den Fall aktueller Schwierigkeiten die Möglichkeit der Verlegung oder der Hinzuziehung eines Arztes gegeben sein müsse, prognostisch eine wesentliche Änderung nicht zu erwarten sei und es sich im wesentlichen um pflegerische Maßnahmen und um Maßnahmen handele, die den Kläger hindern sollen, sich selbst oder einem anderen einen Schaden zuzufügen. Das LSG hat sich mit diesen seiner Entscheidung entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen nicht ausreichend auseinandergesetzt. Es stützt sich auf die Berichte der KBN und auf die Zeugenbekundung der in der KBN tätigen Oberärztin Dr. H… . Durch die Äußerungen der behandelnden Klinikärzte wird jedoch der entscheidungserhebliche Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt. Das angefochtene Urteil beruht daher auch auf einer Verletzung des § 103 SGG. Die Oberärztin Dr. H… kannte den Kläger bei ihrer Zeugenaussage erst vier Monate. Sie erklärte zwar, daß "nach Auskunft des Pflegepersonals und nach der Krankengeschichte" der von ihr beschriebene Zustand seit Jahren so gewesen sei. Dem stehen jedoch die von Dr. W… in seinem Gutachten auszugsweise wiedergegebenen Eintragungen in der Krankengeschichte insofern entgegen, als diese nur gelegentliche Zwischenfälle belegen und im übrigen eine in seiner körperlichen Pflege völlige Abhängigkeit des Klägers vom Personal bestätigen. Soweit sich die Zeugin auf das Pflegepersonal beruft, macht sie keine näheren Angaben über die Quellen ihrer Information. Über einen Leidenszustand und eine ärztliche Behandlung wird zuverlässig nur ein Arzt informieren können.
Die Bekundungen der Zeugin sind schließlich hinsichtlich der für die Abgrenzung einer Krankenhauspflege von einem Pflege- und Verwahrungsfall maßgebenden Kriterien nicht genau genug. Es werden Maßnahmen geschildert, die auch im Rahmen einer Pflege und Verwahrung durchgeführt werden (z.B. die Bemühungen des Pflegepersonals um Einhaltung einer Ordnung, das Fernhalten von Tabletten und Alkohol). Soweit therapeutische Maßnahmen erwähnt werden (z.B. Beschäftigungs- und Spieltherapie), wird zwar von einem vom Arzt aufgestellten Therapieplan gesprochen, aber nicht näher erläutert, inwiefern die von Sozialpädagogen, Erziehern, Pflegekräften und Beschäftigungstherapeuten durchgeführten Maßnahmen einer ärztlichen Behandlung untergeordnet sind. Die von der Zeugin gemachten Angaben schließen eine nur begleitende ärztliche Behandlung im Rahmen einer Verwahrung mit pflegerischer und pädagogischer Betreuung nicht aus. Hinsichtlich der medikamentösen Versorgung ist ebenfalls die Notwendigkeit einer ständigen ärztlichen Präsenz nicht hinreichend begründet. Vielmehr muß auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß, abgesehen von gelegentlichen akuten Anlässen, eine Dauermedikation durchgeführt wird, die nur von Zeit zu Zeit neuen Gegebenheiten anzupassen ist. Die Bekundungen der Zeugin reichen jedenfalls nicht aus, um feststellen zu können, daß beim Kläger seit dem 12. Oktober 1979 ohne Unterbrechung eine Krankenhauspflege notwendig war und durchgeführt wurde. Die Berichte der Klinik schließen die Lücke nicht. Zum Teil enthalten sie Behauptungen, die erst durch Tatsachenangaben zu belegen sind (z.B. die Behauptung, daß es sich um einen Behandlungsfall handele); zum Teil sind die Angaben zu allgemein, insbesondere bezüglich der Frage, ob die für notwendig angesehene medizinische Behandlung als solche nur stationär oder, wenn der Kläger nicht schon zur Pflege und Verwahrung untergebracht sein müßte, auch ambulant durchgeführt werden könnte. Der vom Vormund des Klägers und dem Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1) in der Revisionserwiderung mitgeteilte Bericht der ebenfalls in der KBN tätigen Oberärztin Dr. F… kann im Revisionsverfahren nicht verwertet werden, da es der Revisionsinstanz grundsätzlich verwehrt ist, neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (§ 163 SGG).
Die aus diesen Gründen der Vorinstanz zu überlassende Ergänzung der Sachaufklärung wird sich zunächst darauf zu konzentrieren haben, welche medizinischen Behandlungsmaßnahmen in dem gesamten streitbefangenen Zeitraum durchgeführt wurden, inwiefern und für weiche Zeit diese allein den Aufenthalt in einem Krankenhaus erforderlich machten, zu welchen Ergebnissen die Behandlung jeweils führte und welche weiteren Behandlungsziele noch erreicht werden können. In Anbetracht der langen Unterbringungszeit des Klägers (seit 1953 ohne Unterbrechung) drängt es sich auf, die von den Ärzten der KBN zur Notwendigkeit der Krankenhauspflege seit Oktober 1979 gemachten Angaben daraufhin zu prüfen, ob und inwiefern eine Änderung in der Behandlungsnotwendigkeit oder Behandlungsmöglichkeit eingetreten ist, die eine zielgerichtete medizinische Behandlung im Gegensatz zu früher angezeigt und erfolgversprechend erscheinen läßt. Soweit die Klinik ihre schriftlichen Aufzeichnungen nicht an das Gericht herausgibt und ein Befund- und Behandlungsbericht der Klinik die Fragen nicht erschöpfend beantwortet, wird ein Arzt der KBN als sachverständiger Zeuge zu hören sein, der über die gesamte streitbefangene Zeit Auskunft geben kann. Unter Umständen wird es notwendig sein, einen weiteren ärztlichen Sachverständigen zu hören.
Schließlich ist noch das prozessuale Begehren des Klägers zu klären. Für die zurückliegende Zeit kommt als Leistung nur eine Kostenerstattung in Betracht. Nach dem angefochtenen Urteil sind die Unterbringungskosten vom beigeladenen Sozialhilfeträger getragen worden. Ein Kostenerstattungsanspruch könnte daher nur dem Sozialhilfeträger zustehen (§§ 104, 107 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren -), der jedoch als Beigeladener den Anspruch nicht in diesem Verfahren geltend machen kann. Wenn der Kläger ein Feststellungsinteresse daran hat, daß die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem beigeladenen Sozialhilfeträger geklärt werden, so wäre für den zurückliegenden Zeitraum an eine Feststellungsklage zu denken. Gegen die vom LSG angenommene Prozeßführungsbefugnis des Klägers bestünden auch für eine solche Klage keine Bedenken.
Die Entscheidung über die Kosten dieses Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen