Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Richtigstellung zu Unrecht abgerechneter Leistungen. Berechnung des Umfangs einer Honorarrückforderung. Ausgehen vom ursprünglichen Abrechnungsvolumen, auch bei bereits zuvor erfolgter Honorarkürzung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen
Leitsatz (amtlich)
Für die Berechnung des Umfangs einer Honorarrückforderung aufgrund einer Richtigstellung zu Unrecht abgerechneter Leistungen ist vom ursprünglichen Abrechnungsvolumen auszugehen, auch wenn bereits zuvor eine Honorarkürzung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen erfolgte (Fortentwicklung von BSG vom 11.3.2009 - B 6 KA 62/07 R = BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7).
Normenkette
SGB V § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9, § 101 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4-5, § 106a Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Fassung: 2003-11-14, S. 5 Fassung: 2003-11-14, S. 6 Fassung: 2007-03-26; SGB X § 50 Abs. 1 S. 1; ÄBedarfsplRL §§ 23a, § 23aff
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Berechnung einer Regressforderung aufgrund einer sachlich-rechnerischer Richtigstellung ihrer Honorarbescheide für die Quartale 1/2007 bis 4/2008 sowie 2/2009.
In der Praxis der Klägerin, einer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Anästhesistin, war ab 1.8.2004 bis 30.9.2009 (und erneut ab 1.10.2010) ein Facharzt für Anästhesie als Jobsharing-Partner angestellt. Mit der Genehmigung dieser Anstellung war die Festsetzung quartalsbezogener Gesamtpunktzahlen verbunden, die bei der Abrechnung als Leistungsobergrenze maßgeblich sein sollten. Wegen Überschreitens der festgelegten Punktzahlobergrenzen (sog Jobsharing-Obergrenzen) erfolgten für die Quartale 1/2007 bis 4/2008 sowie 2/2009 entsprechende (bestandskräftige) Honorarrückforderungen in Höhe von insgesamt 52 055,06 Euro.
Weiterhin leitete die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) eine Plausibilitätsprüfung aufgrund auffälliger Tagesarbeitszeiten ein. Wegen fehlerhafter Abrechnung bei den Gebührenordnungspositionen (GOP) 05230, 05310, 31502 bis 31507 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) und wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14.6.2011 eine sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars für die Quartale 1/2007 bis 2/2010 vor und forderte Honorar in Höhe von 101 816,65 Euro zurück. Dabei wurde der prozentuale Anteil der auf der Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze beruhenden Rückforderung am Gesamthonorar ermittelt und dieser Anteil bei der jeweiligen Gebührenposition als Abschlag berücksichtigt, so dass sich in den Quartalen, in denen das Honorar der Klägerin bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen gekürzt worden war (Quartale 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009), die Honorarrückforderung entsprechend anteilig verringerte.
Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend gemacht hat, dass die bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze erfolgten Abzüge vollständig mindernd auf die Regressforderung angerechnet werden müssten, so dass sich lediglich ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 65 327,64 Euro ergebe, ist erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013). Das SG hat die Beklagte verurteilt, über den Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Urteil vom 23.7.2014). Um eine Doppelbelastung zu vermeiden, sei bei der Saldierung (Jobsharing-Obergrenze) eine Bereinigung des Gesamtpunktzahlvolumens in der Weise vorzunehmen, dass dieses um die Kürzung aus der Plausibilitätsprüfung zu verändern sei. Für die Entscheidung der Beklagten, den prozentualen Anteil der Jobsharing-Rückforderung am Gesamthonorar zu ermitteln und diesen Anteil bei der jeweiligen GOP als Abschlag anzurechnen, gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine Berücksichtigung sei allenfalls im Rahmen des der Beklagten zustehenden Schätzungsermessens vorstellbar.
Das LSG hat die Verpflichtung zur Neubescheidung aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen (Urteil vom 14.9.2016). Die Berechnung des Rückforderungsbetrages durch die Beklagte sei im Rahmen des weiten Schätzungsermessens ohne Ermessensfehlgebrauch erfolgt. Das Vorgehen, jeweils anteilig bezogen auf die einzelnen GOP den Betrag anzurechnen, der wegen der Jobsharing-Obergrenzen bereits zurückgefordert worden sei, sei logisch nachvollziehbar und führe zu praktikablen Ergebnissen. Eine doppelte Belastung entstehe nicht, weil die Rückforderung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze bezogen auf die jeweilige GOP anteilig berücksichtigt worden sei. Die Jobsharing-Obergrenze stelle kein Mindesthonorar des Vertragsarztes dar, welches nicht unterschritten werden dürfe.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 106a Abs 1 S 6 iVm § 101 Abs 1 Nr 4 SGB V und § 50 Abs 1 SGB X. Das der Beklagten zuzubilligende Ermessen beziehe sich auf die Feststellung des Umfangs der notwendigen Honorarberichtigung in der Abrechnungsprüfung, bestehe aber nicht bei der Berechnung und Festsetzung des Rückforderungsbetrages. Die einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Honorarbescheiden sei zwar grundsätzlich § 106a Abs 2 S 1 SGB V. Diese Regelung beinhalte jedoch nur eine Vorgabe für die Ermittlung des Berichtigungsvolumens in der Abrechnungsprüfung. Für die Berechnung der Rückforderung des überzahlten Honorars sei dagegen allein § 50 Abs 1 SGB X maßgeblich. Diese Regelung begrenze den Rückforderungsanspruch auf die maximale Höhe des ursprünglich "Erlangten". Bei der Jobsharing-Obergrenze handele es sich zudem um eine Leistungsbegrenzung in Form einer absoluten Vergütungsobergrenze. Dies stelle einen entscheidenden Unterschied zu Praxis- oder Zusatzbudgets nach dem EBM-Ä dar. Bei den Praxisbudgets werde nicht die Leistungsmenge, sondern nur die Vergütung begrenzt. Bei dem Jobsharing dürften demgegenüber die über die Punktzahlobergrenzen hinausgehenden Leistungen schon nicht mehr erbracht werden und blieben deshalb unvergütet. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung müssten daher die bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze erfolgten Abzüge bei der Berechnung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vollständig angerechnet werden. Auch bei zwei "parallelen" Rückforderungen - hier Überschreiten der Jobsharing-Obergrenze und sachlich-rechnerische Richtigstellung - könne in der Summe nicht mehr verlangt werden, als ursprünglich ausbezahlt worden sei. Damit ergebe sich lediglich ein Rückzahlungsbetrag von 65 327,64 Euro.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 14.9.2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 23.7.2014 zurückzuweisen, soweit die Quartale 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009 betroffen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die als rechtswidrig gerügte Doppelbelastung liege nicht vor. Bei Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung seien die Neufestsetzung des Honorars und die Rückforderung des Differenzbetrages im Rahmen des weiten Ermessens regelmäßig im Wege pauschalierter Schätzungen vorzunehmen. Dessen ungeachtet habe sie - die Beklagte - die Honorarabrechnung vorliegend im Rahmen einer praxisbezogenen Schätzung berechnet. Im Hinblick auf den bei Jobsharing-Abrechnungen zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei berücksichtigt, dass der Klägerin gewisse Honoraranteile aufgrund der Anwendung der Jobsharing-Obergrenze nicht vergütet worden seien. Für alle Honorarkürzungen gelte gleichermaßen, dass bei der Bemessung des Richtigstellungsbetrages an das ursprünglich angeforderte Volumen anzuknüpfen und dieses auch der Ausgangspunkt für die Berechnung des Betrages der Honorarkorrektur sei. Vorliegend seien die jeweiligen jobsharingbedingten Kürzungen bezogen auf die Quartale 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009 bei Berechnung der Honorarrückforderung aufgrund der sachlich-rechnerischen Richtigstellung hinreichend beachtet worden, indem ein Abschlag in Höhe des prozentualen Anteils der Jobsharing-Rückforderung am Gesamthonorar bei der jeweiligen Gebührenposition berücksichtigt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des LSG vom 14.9.2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14.6.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2013 nur insoweit, als die Quartale 1/2007 bis 4/2008 sowie 2/2009 betroffen sind. Nur in diesen Quartalen ist das Honorar der Klägerin sowohl wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen wie auch im Zuge von sachlich-rechnerischen Berichtigungen gekürzt worden, und allein gegen die Berechnung der Höhe der Rückforderungen für diesen Fall der "kombinierten" Kürzung richtet sich die Revision. Die vorgenommenen Richtigstellungen bei den einzelnen GOP ficht die Klägerin ausdrücklich nicht an. Gegen die nachgehende Richtigstellung wendet sich die Klägerin zutreffend mit einer reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG - siehe BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 15).
2. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheid vom 14.6.2011 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2013, welche für die sozialgerichtliche Überprüfung maßgeblich ist (§ 95 SGG), rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht (§ 54 Abs 2 SGG).
a) Rechtsgrundlage für die nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung ist § 106a Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V (in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2190≫ aF; nunmehr inhaltsgleich § 106d Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16.7.2015, BGBl I 1211) iVm § 50 Abs 1 S 1 SGB X; ergänzende Regelungen enthalten bzw enthielten zu dem für die Rückforderung maßgeblichen Zeitpunkt § 45 BMV-Ä und § 34 EKV-Ä. Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs 2 S 1 SGB V aF). Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (stRspr, zB BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 19 mwN).
Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 S 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen (dazu näher BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 34/17 R - RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs 1 S 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (stRspr, zB BSG Urteil vom 24.1.2018 - B 6 KA 48/16 R - RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11).
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorarbescheids für die (noch) streitbefangenen Quartale lagen vor. Wegen der - von der Klägerin in der Sache eingeräumten - Falschabrechnungen war die Beklagte berechtigt, diese zu korrigieren und überzahltes Honorar zurückzufordern.
c) Die Beklagte hat die Kürzungen in den Quartalen, in denen die Honorarrückforderung der Klägerin sowohl wegen der Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze als auch wegen Falschabrechnungen zu vermindern waren, auch zutreffend berechnet. Eine weitergehende bzw vollständige Berücksichtigung der bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen erfolgten Abzüge bei der wertmäßigen Berechnung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, wie sie von der Klägerin unter Bezugnahme auf die Urteile des Hessischen LSG (Urteil vom 27.8.2014 - L 4 KA 11/13 - Juris) und des SG Marburg (Urteil vom 30.1.2013 - S 12 KA 170/11 - Juris) gefordert wird, kommt wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen der Honorarkürzungen und der Vorgabe des § 106a Abs 2 S 5 - ab 1.4.2007: S 6 - SGB V aF (jetzt § 106d Abs 2 S 6 SGB V) nicht in Betracht.
aa) Ausgangspunkt der Berechnung des Umfangs einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs 2 S 6 SGB V aF. Danach ist bei den "Prüfungen" von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen.
Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V aF hat der Senat bereits entschieden, dass die Honorarbegrenzung durch das Praxisbudget und der daraus folgende praxisindividuelle Punktwert im Falle einer Honorarkürzung nicht neu zu berechnen sind, dass vielmehr auf der Grundlage derjenigen Festlegungen, die anhand des zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumens erfolgten, auch die Honorarkürzung und -rückforderung bestimmt werden (BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 30/00 R - SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 184 f; BSG Urteil vom 5.11.2003 - B 6 KA 55/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 4 RdNr 9; vgl auch BSG Urteil vom 9.4.2008 - B 6 KA 34/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 29). Dies hat der Gesetzgeber mit Einfügung des S 3 in § 106a Abs 2 SGB V aF aufgegriffen, indem er klargestellt hat, dass für Wirtschaftlichkeitsprüfungen das "zur Abrechnung vorgelegte Leistungsvolumen" maßgeblich ist und "honorarwirksame Begrenzungsregelungen … keinen Einfluss auf die Prüfungen" haben (Einfügungen durch das GMG aaO zum 1.1.2004, vgl dazu BT-Drucks 15/1525 S 114 - zu Doppelbuchstabe cc: "wird klargestellt").
Zeitgleich und in gleicher Weise hat der Gesetzgeber in § 106a Abs 2 S 5 - später S 6 - SGB V aF (nunmehr § 106d Abs 2 S 6 SGB V) vorgegeben, dass auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen von dem "durch den Vertragsarzt angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen" ist. Bereits aus dem Wortlaut der Regelung folgt daher, dass im Rahmen der Prüfungen wegen sachlich-rechnerischer Richtigstellung grundsätzlich auf das jeweils angeforderte Punktzahlvolumen abzustellen ist. Ob und inwieweit das "angeforderte Punktzahlvolumen" tatsächlich vergütet wird, ist zunächst ohne Bedeutung.
Diese Grundsätze, nach denen kein Raum für eine Neufestlegung der Anerkennungsquote anhand des durch sachlich-rechnerische Korrektur verminderten Abrechnungsvolumens ist, gelten für alle Arten sachlich-rechnerischer Richtigstellungen (BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 18). Demnach ist gleichermaßen bei Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit und bei nachträglichen - wie vorliegend - sowie vorgängigen (sog quartalsgleichen) Honorarkorrekturen aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellungen bei der Bemessung des Richtigstellungsbetrages an das ursprünglich angeforderte Punktzahlvolumen anzuknüpfen. Den Arzt an seiner Honoraranforderung festzuhalten, ist auch deshalb folgerichtig, weil er mit der sog Abrechnungssammelerklärung, die er seiner Honoraranforderung beifügt, die von ihm eingereichte Honoraranforderung ausdrücklich für zutreffend erklärt.
bb) Auch die Jobsharing-Obergrenze ist eine "honorarwirksame Begrenzungsregelung" in diesem Sinne, die bei der Berechnung von Kürzungen als Folge unrichtiger Abrechnung grundsätzlich außer Betracht bleiben muss. Dementsprechend kann der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht nur die Honorarforderung der Klägerin zugrunde gelegt werden, die dieser nach Umsetzung der Honorarminderung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze tatsächlich zusteht.
Die Jobsharing-Obergrenze begrenzt zwar nicht die Berechtigung des Arztes, gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Leistungen zu erbringen, aber sie beschränkt den Umfang der Leistungen, die gegenüber der KÄV abrechnungsfähig sind (BSG Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 36/12 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 15 RdNr 23). Die Obergrenze regelt nicht das "Außenverhältnis" zum Patienten, sondern das "Abrechnungsverhalten" gegenüber der KÄV. In diesem Sinne definiert auch die Bedarfsplanungs-Richtlinie in der hier noch maßgebenden Fassung vom 15.2.2007 (BAnz 2007, 3491; im Folgenden: BedarfsplRL aF) in § 23c Abs 1 S 1 (jetzt inhaltsgleich in § 42 Abs 1 S 1 BedarfsplRL) die Abrechnungsobergrenze als "Gesamtpunktzahlvolumina …, welche bei der Abrechnung … als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze)".
Grundlage der Leistungsbeschränkung für Jobsharing-Praxen ist § 92 Abs 1 S 2 Nr 9, § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V iVm §§ 23a ff BedarfsplRL aF. Mit der Genehmigung der Anstellung eines weiteren Arztes erfolgt eine förmliche Zuerkennung der Teilnahmeberechtigung im Sinne der statusrechtlichen Rechtsprechung des Senats; damit steht fest, dass der angestellte Arzt zur Teilnahme an der Versorgung berechtigt ist. Der im Rahmen des Jobsharings angestellte Arzt (wie auch der zugelassene Partner) darf vertragsärztlich tätig werden und muss die Leistungsbeschränkungen nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 und 5 SGB V beachten. Auch bei Überschreitungen der Grenzen bleiben die Behandlungen der Versicherten jedoch vertragsärztliche Leistungen, für die allerdings nur begrenztes Honorar gewährt wird. Eine im Rahmen des Jobsharings erteilte, mit der Festsetzung von Abrechnungsobergrenzen verbundene Anstellungsgenehmigung (oder Zulassung) hat nicht zur Folge, dass der betroffene Arzt nur über eine entsprechend begrenzte Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verfügt. Vielmehr ist er auch dann (weiterhin) zur Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten berechtigt, wenn er mit weiteren Behandlungen seine Abrechnungsobergrenze überschreiten würde.
Für eine Beschränkung der "Leistungsbegrenzung" auf einen Abrechnungsausschluss spricht auch deren Zweck. Die durch Art 1 Nr 35 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG vom 23.6.1997, BGBl I 1520) eingeführten Regelungen in § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 und 5 SGB V dienen der Flexibilisierung, "ohne mit diesen Regelungen die Gefahr einer Leistungsausweitung auszulösen" (vgl Ausschussbericht zum 2. GKV-NOG, BT-Drucks 13/7264 S 65). Die zusätzliche Zulassung eines Jobsharing-Arztes (bzw die entsprechende Genehmigung der Anstellung) sollte weitgehend kostenneutral gestaltet werden (Zeller/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand August 2010, § 101 SGB V RdNr 12). Im Fokus stand damit die finanzielle Stabilität der GKV; für diese ist es aber - grundsätzlich - ohne Bedeutung, ob bestimmte Leistungen erbracht werden, wenn damit keine (zusätzliche) Vergütung verbunden ist.
Da es sich bei der Leistungsbegrenzung im Rahmen der Jobsharing-Regelungen nicht um ein aus der Überschreitung einer Abrechnungsgrenze resultierendes Leistungserbringungsverbot handelt, werden auch bei Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze alle abgerechneten Leistungen bis zum abrechenbaren Gesamtpunktzahlvolumen gemäß § 23c/§ 23k BedarfsplRL 2007 (jetzt § 60 BedarfsplRL vom 20.12.2012) mit einer punktemäßigen Anerkennungsquote wie beim seinerzeitigen honorarbegrenzenden Praxisbudget (abrechenbare begrenzte Gesamtpunktzahl gem Teil B Nr 1 EBM-Ä 1996) vergütet.
cc) Jobsharing-Obergrenzen und Richtigstellungen wegen fehlerhafter Abrechnungen haben auch unterschiedliche Zielrichtungen. Die Jobsharing-Obergrenze dient dazu, weiteren Ärzten den Zugang zum System der vertragsärztlichen Versorgung zu ermöglichen und andererseits dazu, eine Leistungsausweitung durch das Hinzutreten eines Leistungserbringers in der Jobsharing-Praxis zu verhindern (BSG Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 36/12 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 15 RdNr 22; BSG Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 26/14 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 18 RdNr 33). Demgegenüber dient die klassische Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs 1 SGB V aF (heute § 106d SGB V) der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Die Abrechnungskorrekturen - hier infolge einer zulässig eingeleiteten Plausibilitätsprüfung - stellen nach der Intention des Gesetzgebers ein Verfahren dar, aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen im Ergebnis die Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen aufzudecken. Die unterschiedlichen Ansätze von Jobsharing-Obergrenzen und Abrechnungsprüfungen und die ihnen zugrunde liegenden Zielrichtungen lassen erkennen, dass das Bestehen von Jobsharing-Obergrenzen eine Abrechnungsprüfung wegen Falschabrechnungen nicht obsolet macht. Angesichts der unterschiedlichen Zielrichtungen können beide Begrenzungsmaßnahmen vielmehr nebeneinander stehen. Eine Abrechnungsprüfung könnte ansonsten entgegen der Zielsetzung des Gesetzgebers gänzlich ins Leere laufen, wenn die Honorarkürzung wegen Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze voll auf die Honorarrückforderung nach Richtigstellung angerechnet werden würde (vgl auch BSG Urteil vom 5.11.2003 - B 6 KA 55/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 4 RdNr 9).
dd) Eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin durch eine "doppelte" Rückforderung liegt nicht vor. Allerdings darf bei der Berechnung der Kürzung der Honorarforderungen der Klägerin wegen der Falschabrechnungen nicht unberücksichtigt bleiben, dass ihr Honorar schon aufgrund Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze vermindert worden ist. Dem trägt das Vorgehen der Beklagten jedoch angemessen Rechnung. Eine etwaige unverhältnismäßige Belastung der Klägerin durch eine "doppelte" Rückforderung hinsichtlich einzelner GOP hat die Beklagte dadurch vermieden, dass sie einen an der Honorarkürzung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen orientierten prozentualen Abschlag auf die Rückforderung berücksichtigt hat. Die Beklagte hat für jedes betroffene Quartal berechnet, um welchen Vom-Hundert-Satz das angeforderte Honorar wegen Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze vermindert worden ist. Dabei haben sich Werte zwischen 3,41 % (3/2007) und 16,6 % (2/2009) ergeben. Diesen Prozentsatz hat die Beklagte bei Ermittlung der jeweiligen Überschreitungen wegen fehlerhafter Abrechnungen bei den einzelnen Leistungspositionen oder Leistungskomplexen in Form eines Abschlags berücksichtigt. Den Rückforderungsbetrag hat sie damit auf der Basis eines Mischpunktwertes berechnet. Dementsprechend hat sie sichergestellt, dass sich die wertmäßige Höhe der Kürzung wegen fehlerhafter Abrechnung von GOP des EBM-Ä auch danach richtet, inwieweit das angeforderte Honorar schon im Zuge der Anwendung der Jobsharing-Obergrenze vermindert war.
Das trägt sowohl dem Verbot einer doppelten Kürzung als auch der Vorgabe des § 106a Abs 2 S 5 - später S 6 - SGB V aF (heute § 106d Abs 2 S 6 SGB V) Rechnung; diese Norm zielt darauf ab, dass sich Kürzungen wegen fehlerhafter Abrechnungen auch dann tatsächlich auswirken, wenn das Honorar schon durch Maßnahmen der Honorarverteilung - also der Begrenzung der Honorarforderung für tatsächlich korrekt erbrachte Leistungen - vermindert worden ist oder werden muss (zur Forderung eines stets realen Honorarabzuges BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 17; Clemens in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 106d RdNr 71). Dadurch sollen die Validität der Prüfungsergebnisse und die Transparenz der Leistungsabrechnung gewährleistet und die Voraussetzungen für die Vergleichbarkeit der Leistungsabrechnung und der Prüfungsergebnisse in den verschiedenen Regionen geschaffen werden (BT-Drucks 15/1525 S 118).
d) Eine andere Berechnungsweise ist vorliegend auch nicht aufgrund eines Ausnahmefalles zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit oder "zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung" vorzunehmen. Der Senat hat bereits in früheren Urteilen Bestimmungen über Vergütungsausschlüsse im Grundsatz als rechtmäßig angesehen, in bestimmten Fallgestaltungen aber deren Anwendung im Einzelfall als unverhältnismäßig beanstandet. Ein unverhältnismäßiger Eingriff ist zB anzunehmen, wenn die vom Arzt eingereichte Honoraranforderung von vornherein erkennbar unzutreffend war, dh sich der KÄV sofort die Fehlerhaftigkeit aufdrängen musste (BSG Urteil vom 29.8.2007 - B 6 KA 29/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 37 RdNr 14; siehe auch BSG Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 45/07 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 39) .
Entsprechend diesen Grundsätzen ist nach der Rechtsprechung des Senats die Anerkennungsquote ausnahmsweise dann anhand des nach Streichung der fehlerhaften Leistungsansätze verminderten Abrechnungsvolumens neu zu berechnen, wenn für die KÄV von vornherein, dh ohne dass es dafür weiterer Ermittlungen bedarf, erkennbar ist, dass Fehler vorliegen, die erfahrungsgemäß auf einem Versehen beruhen (BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7). In solchen Fällen sind die fehlerhaften Ansätze vorab aus der Honoraranforderung zu streichen - bzw ggf an deren Stelle die zutreffenden Gebührenordnungsnummern anzusetzen - und anhand des so verminderten Abrechnungsvolumens ist gemäß dessen Verhältnis zum Umfang des honorarbegrenzenden Budgets die Anerkennungsquote festzulegen. Eine solche Neuberechnung war aber im Falle der Klägerin nicht veranlasst. Hier lag erkennbar nicht die Konstellation eines Abrechnungsfehlers vor, der für die Beklagte ohne zusätzliche Informationen erkennbar war und von dem erfahrungsgemäß angenommen werden konnte, dass er auf einem Versehen beruhte.
Nach alledem sind die teilweise Aufhebung der Honorarbewilligung und die Festsetzung der von der Klägerin gemäß § 50 Abs 1 S 1 SGB X zu leistenden Rückzahlung (siehe hierzu BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11 iVm RdNr 38; BSG Urteil vom 29.11.2006 - B 6 KA 39/05 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 18) auch der Höhe nach zutreffend.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
Fundstellen
Haufe-Index 13022645 |
ArztR 2019, 246 |
KrV 2019, 117 |
NZS 2019, 837 |
SGb 2019, 281 |
SGb 2020, 303 |
Breith. 2020, 110 |