Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsförderungsrecht. Rücknahme einer Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit. Bedürftigkeit. Verwertung von Vermögen. Sparguthaben. Kontoinhaberschaft. Verdecktes Treuhandvermögen. Amtsermittlungsgrundsatz. Materielle Beweislast
Leitsatz (redaktionell)
- Es ist nicht schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen, bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe ein auf den Namen des Versicherten bzw. seiner Ehefrau geführtes Sparguthaben anderen Personen zuzuordnen. Für den Rechtsgrundsatz, der Arbeitslose müsse sich am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen, gibt es keine tragfähige Grundlage. Weder dem Gesetz noch der Arbeitslosenhilfeverordnung kann entnommen werden, auch nicht vorhandenes, also fiktives Vermögen sei im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Es ist daher aufzuklären, ob und mit welchem Inhalt eine stille Zession vereinbart worden ist (so BSG, Urteil v. 24.5.2006, B 11a AL 7/05 R). Entsprechend ist auch die Vereinbarung eines verdeckten Treuhandverhältnisses aufzuklären.
- Auch der Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Drittwiderspruchsklage lässt sich kein Rechtsgrundsatz entnehmen, der Arbeitslose müsse sich am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen. Die Publizität eines Treuhandkontos ist keine notwendige Voraussetzung für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO.
- Im Rahmen der Prüfung, ob ein verdecktes Treuhandverhältnis vereinbart wurde, trifft die Agentur für Arbeit, will sie eine Arbeitslosenbewilligung rückwirkend aufheben, zwar grundsätzlich die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides; eine nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten verbleibende Unaufklärbarkeit von Vorgängen, die der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnen sind, geht jedoch zu dessen Lasten.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 137 Abs. 2; SGB III §§ 190, 193; Alhi-V § 6 Abs. 1; SGB X § 45 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2006 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 31. März 1995 bis 31. Mai 1999 in Höhe von 38.746,87 €.
Der 1963 in der Türkei geborene Kläger, der seit März 1999 deutscher Staatsangehöriger ist, arbeitete bis 31. März 1994 bei der K… GmbH in K… als Schweißer. Der Kläger bezog ab 1. April 1994 bis zur Erschöpfung des Anspruchs Arbeitslosengeld, im Anschluss daran ab 31. März 1995 Alhi. Bei seinen Anträgen auf Bewilligung bzw Fortzahlung von Alhi verneinte er jeweils die Fragen nach dem Vorhandensein von Vermögen. Auf Vorhalt der Beklagten, dass für ihn ein Freistellungsantrag für Kapitalerträge gespeichert worden sei, gab der Kläger unter dem 5. März 1998 an, seit dem 1. August 1992 einen Kapitallebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 14.668, 00 DM und einer bisher eingezahlten Summe von 6.800,00 DM zu besitzen. Ab 1. Juni 1999 meldete sich der Kläger wegen der Aufnahme einer Arbeit aus dem Leistungsbezug ab.
Im April 2003 wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger am 4. August 1994 53.000,00 DM und am 9. August 1996 103.000,00 DM auf unter seinem Namen geführte Konten bei der in A… ansässigen T… C… M… B… (TCMB) eingezahlt hatte. Hierzu gab der Kläger an, das Geld habe nicht ihm, sondern seinem in der Türkei lebenden Schwager, Musa B… gehört. Sein Vater und seine Schwester hätten das Geld in bar nach Deutschland gebracht, damit er es zu Gunsten des Herrn B… über die D… Bank auf das auf seinen Namen eingerichtete Konto bei der TCMB transferiere. Hintergrund sei, dass die TCMB ihren im Ausland ansässigen türkischen Anlegern höhere Zinsen gewähre. Am 5. September 2003 habe sein Schwager das Geld von ihm in bar zurück erhalten. Zwischen ihm und seinem Schwager habe ein echtes fremdnütziges Treuhandverhältnis bestanden.
Mit Bescheid vom 4. März 2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab dem 31. März 1995 auf und verlangte die Erstattung von 38.746,87 € (überzahlte Alhi: 30.930,81 €; Krankenversicherungsbeiträge: 7.102,60 €, Pflegeversicherungsbeiträge: 713,46 €). Zur Begründung führte die Beklagte ua aus, der Kläger habe zu Beginn seines Leistungsbezugs über Vermögenswerte in der Türkei in Höhe von mindestens 53.000,00 DM verfügt. Nach Abzug eines Freibetrags von 16.000,00 DM verblieben 37.000,00 DM, sodass der Kläger 58 Wochen nicht bedürftig gewesen sei. Das Widerspruchsverfahren verlief erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. April 2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. August 2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24. Februar 2006). Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei bereits zu Beginn seines Alhi-Bezuges nicht bedürftig gewesen, da er über verwertbares Vermögen verfügt habe. Die behauptete fremdnützige Treuhand hinsichtlich des Bankguthabens bei der TCMB sei weder bei Einzahlung der Gelder noch bei der Errichtung der Konten vom Kläger offengelegt worden. Er habe die alleinige Verfügungsgewalt über das auf diesen Konten befindliche Geldvermögen gehabt. Ein solches verdecktes Treuhandkonto sei als reines Privatkonto des gegenüber der Bank auftretenden Kontoinhabers zu behandeln. Der Kläger berufe sich auf das Vorliegen eines zivilrechtlich zulässigen und in verschiedenen Formen möglichen Treuhandverhältnisses, das er allerdings gegenüber der Bank nicht offengelegt habe. Bei der arbeitsförderungsrechtlichen Beurteilung komme es nicht ausschlaggebend auf Einzelheiten der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum insolvenzrechtlichen Aussonderungsrecht oder zur Drittwiderspruchsklage an. Entscheidend sei, dass eine etwaige (echte) Treuhand die alleinige Kontoinhaberschaft und damit die Gläubigerstellung des Klägers gegenüber der TCMB nicht in Frage stelle. Die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses könne aber insofern von Bedeutung sein, als mit ihr gegebenenfalls eine stille und antizipierte Abtretung verbunden sei und weil auf Grund der Treuhandvereinbarung ein Rückübertragungsanspruch des Treugebers bestehen würde. In beider Hinsicht sei dem Kläger jedoch gegenüber der Beklagten die Berufung auf ein angeblich verdecktes Treuhandkonto verwehrt. Es gehe um die Gewährung bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen im Rahmen eines auf gegenseitigem Vertrauen beruhenden und von wechselseitigen Obliegenheiten geprägten Sozialrechtsverhältnisses und nicht bloß um eine vollstreckungsrechtliche Rechtsbeziehung unter Privaten. Der erkennende Senat folge deshalb in Fortführung und Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung und der insoweit einhelligen Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte, wonach für das Recht der Arbeitslosenversicherung bzw die Berücksichtigung von Vermögen bei der Bewilligung von Alhi derjenige, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeuge, sich daran gegenüber der Beklagten im Rahmen der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung festhalten lassen müsse. Ob die vom Kläger behaupteten Vereinbarungen tatsächlich getroffen worden seien oder ob es sich dabei um die nachträgliche Vortäuschung eines Rechtsverhältnisses handele, könne daher offen bleiben. Da sich ein Zeitraum von 58 Wochen der Nichtbedürftigkeit des Klägers ergebe und somit länger als ein Jahr ein Alhi-Anspruch nicht bestanden habe, sei der Anspruch nach § 135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erloschen. Die Bewilligung sei gemäß § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch (SGB III) für den gesamten Zeitraum mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 134 Abs 1 Satz 1 AFG iVm § 137 Abs 2 AFG und § 6 der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV). Das LSG habe sich bei der Entscheidung der Streitfrage, ob verdeckte Treuhandverhältnisse anzuerkennen seien, darauf beschränkt, formelhafte Erkenntnisse aus zahlreichen Urteilen anderer Landessozialgerichte zu zitieren. Dabei verweise es darauf, dass seine Entscheidung billig sei, ohne dass erkennbar werde, dass hier auch nur irgend eine Abwägung zulässig sei und stattgefunden habe, und der Rechtssystematik entspräche, ohne dass auch nur angedeutet werde, welche Systematik das sein solle. Den Widerspruch zwischen dem angefochtenen Urteil und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Wirksamkeit von verdeckten Treuhandverhältnissen und den Widerspruch zum Strafrecht im Hinblick auf § 266 Strafgesetzbuch löse das LSG, indem es ebenfalls auf eine angebliche Rechtssystematik und die Billigkeit verweise. Tatsächlich gebe es keine rechtliche Grundlage dafür, dass der Kläger sich am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen müsse und die Tatsache, dass er die auf dem Konto befindlichen Guthaben nur treuhänderisch gehalten habe, unbeachtlich sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2006 und des Sozialgerichts Kiel vom 22. August 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der vom Kläger gesetzte Rechtsschein spreche für seine Vermögensinhaberschaft. Das Bestehen eines Treuhandverhältnisses sei nach dem vom LSG ermittelten Sachverhalt mehr als zweifelhaft. Anzumerken sei, dass die Beklagte als Folge des Urteils des Senats vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 7/05 R – die Gefahr sehe, dass durch willkürliche Nichtoffenbarung verdeckten Treuhandvermögens der Bezug von Sozialleistungen optimiert werde und der Sachvortrag, es handele sich um treuhänderisch verwaltetes Vermögen, nur als Schutzbehauptung vorgebracht werde.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Das LSG hat zwar anhand der einschlägigen Vorschriften zu Recht geprüft, ob die Beklagte die ursprünglichen Alhi-Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 31. März 1995 bis 31. Mai 1999 zurücknehmen durfte (dazu nachfolgend unter 1.). Entgegen der Ansicht des LSG ist es bei der Bedürftigkeitsprüfung jedoch nicht schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen, auf den Namen des Klägers geführte Kontoguthaben anderen Personen zuzuordnen. Für einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass sich der Arbeitslose im Rahmen des bestehenden Sozialrechtsverhältnisses am von ihm gesetzten Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen müsse und demzufolge die Vereinbarung einer verdeckten Treuhand mit einem Dritten unbeachtlich sei, gibt es keine tragfähige rechtliche Grundlage (dazu im Folgenden unter 2.). Da mithin nicht offen bleiben kann, ob und mit welchem Inhalt die behaupteten Vereinbarungen tatsächlich getroffen worden sind, wird das LSG hierzu noch Feststellungen zu treffen haben (dazu unter 3.). Soweit sich danach die ursprünglichen Alhi-Bewilligungen als rechtswidrig erweisen sollten, bedarf es Feststellungen zur Frage, ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers einer Rücknahme entgegensteht (dazu 4.).
1. Gegenstand der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist der Bescheid vom 4. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2004, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alhi für den Zeitraum 31. März 1995 bis 31. Mai 1999 auf der Grundlage des § 45 SGB X zurückgenommen und überzahlte Leistungen sowie Beiträge gemäß § 50 SGB X bzw § 335 SGB III zurückgefordert hat. Ob der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen ist, hängt zunächst davon ab, ob die Alhi-Bewilligungs- bzw Änderungsbescheide bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum rechtswidrig waren (§ 45 Abs 1 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III). Maßgebend für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist weiter, dass nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist und dass sich der Begünstigte nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Frage der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides sowie daran anschließend der Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung gemäß § 45 SGB X ist auch vorgreiflich für die Beantwortung der Fragen nach der Berechtigung der Beklagten zur Rückforderung der erbrachten Leistungen (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X) und Beiträge (vgl § 335 Abs 1 Satz 1 und Abs 5 SGB III).
Ob die Alhi-Gewährung für den gesamten streitigen Zeitraum rechtswidrig war, beurteilt sich danach, ob der Kläger für einen Zeitraum von 58 Wochen bedürftig gewesen ist oder nicht. Denn war der Kläger beginnend ab 31. März 1995 für den genannten Zeitraum nicht bedürftig, war die Bewilligung von Alhi insoweit von Anfang an rechtswidrig und ist der nachfolgende Anspruch wegen des Überschreitens der Jahresfrist des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG erloschen. Das LSG hat hierbei – anders als bei der Anwendung der vorwiegend verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X und des SGB III zur Zeit des Erlasses des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides im Jahre 2004 – bei der Prüfung des Anspruchs auf Alhi zu Recht auf die zu Beginn des Aufhebungszeitraums (1995) geltenden Vorschriften des AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) und der AlhiV vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) – jeweils mit späteren Änderungen – abgestellt.
Wesentlich ist danach, dass die Bedürftigkeit zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zählt (§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG) und dass ua nach § 137 Abs 2 AFG der Arbeitslose nicht bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG ist, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder zB das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Hierzu enthält die auf der Grundlage des § 137 Abs 3 AFG ergangene AlhiV in ihren §§ 6 bis 9 nähere Regelungen. Vermögen ist danach zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000 DM übersteigt (vgl § 6 Abs 1 AlhiV). Da der Kläger geltend macht, die ihm im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zugerechneten Kontoguthaben seien wegen eines mit seinem Schwager vereinbarten verdeckten Treuhandverhältnisses nicht zu berücksichtigen, ist vorrangig zu prüfen, ob das zu Beginn des Leistungszeitraums vorhandene Kontoguthaben dem Kläger als Vermögen zuzurechnen ist und welche Bedeutung insoweit dem behaupteten Treuhandverhältnis zukommt.
2. Entgegen den Ausführungen des LSG kann nicht offen bleiben, ob und ggf mit welchem Inhalt danach mit Geltung für den hier streitigen Bewilligungs- bzw Aufhebungszeitraum vom 31. März 1995 bis 31. Mai 1999 Treuhandvereinbarungen des Klägers mit seinem Schwager hinsichtlich der auf den Namen des Klägers laufenden Kapitalanlagen bei der TCMB getroffen worden sind. Denn für den von der Vorinstanz angewendeten Rechtsgrundsatz, dass die Vermögensinhaberschaft im Rahmen des bestehenden Sozialrechtsverhältnisses von dem vom Arbeitslosen gesetzten Rechtsschein abhängt, gibt es keine Rechtsgrundlage. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2006 (B 11a AL 7/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR) anhand einer – behaupteten – stillen Zession des Anspruchs auf ein Sparguthaben verdeutlicht und diese Rechtsprechung in einer Parallelentscheidung vom 24. Mai 2006 (B 11a AL 49/05 R) im Falle eines – ebenfalls behaupteten – verdeckten Treuhandverhältnisses hinsichtlich eines Sparguthabens fortgeschrieben. Ein Treuhandvertrag ist – unbeschadet der vielfältig möglichen Erscheinungsformen im Rechtsleben – anders als eine Abtretung dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – veröffentlicht in juris, im Anschluss an BFHE 188, 254). Während der abtretende Arbeitslose mithin einen Anspruch verliert, erwirbt der arbeitslose Treuhänder (je nach Ausgestaltung bis hin zum Vollrecht, vgl Bassenge in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫, Komm, 65. Aufl, § 903 RdNr 33) ein Vermögensrecht hinzu. Er ist aber zugleich mit einer schuldrechtlichen (Herausgabe-) Verpflichtung belastet, die, wenn sie nicht unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lastet (BSGE 84, 48 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7; BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 9), grundsätzlich erst bei der Frage der Verwertbarkeit oder Zumutbarkeit Berücksichtigung finden kann (BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr 8; BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 9; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12).
Diese Unterschiede ändern aber nichts daran, dass im Rahmen der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung das Vermögen des Arbeitslosen in seiner Gesamtheit angesprochen ist. Dazu gehört auch der Anspruch auf ein Sparguthaben (BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 5), was nicht ausschließt, dass das jeweilige Recht an einem Sparguthaben abgetreten werden oder Gegenstand treuhänderischer Vereinbarungen sein kann. Ob der Arbeitslose einen als Vermögen zu berücksichtigenden Anspruch hat oder einer berücksichtigungsfähigen Verpflichtung ausgesetzt ist, beurteilt sich jedoch allein nach bürgerlichem Recht. Dort ist die Publizität des Treuhandkontos für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 Zivilprozessordnung keine notwendige Voraussetzung (BGH NJW 1993, 2622 und NJW 1996, 1543). Für einen davon abweichenden Rechtsschein der Kontoinhaberschaft im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung findet sich weder im Gesetz noch in der AlhiV ein Anhalt. Das Hessische LSG (Urteil vom 9. Mai 2001 – L 6 AL 432/00 – veröffentlicht in juris), auf das sich die von der Vorinstanz zitierte “insoweit einhellige Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte” wesentlich zurückführen lässt, hat auf den Grundsatz der Unbeachtlichkeit einer verdeckten Treuhand beispielsweise erst nach bzw in Verbindung mit einer eingehenden Prüfung der Umstände des Einzelfalls zurückgegriffen. Ebenso wenig hat die verwaltungs- und finanzgerichtliche Rechtsprechung einen allgemeinen Grundsatz der Unbeachtlichkeit verdeckter Treuhandverhältnisse aufgestellt. Entsprechend verlangt der Bundesfinanzhof (BFH) eine strenge Prüfung des Treuhandverhältnisses (BFHE 183, 518 unter Bezug auf die Beweisregel des § 159 Abs 1 Abgabenordnung ≪AO≫). Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen sind zudem nur anzuerkennen, wenn der Vertrag als solcher und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten dem zwischen Dritten Üblichen entsprechen (BFH, Beschluss vom 25. Juni 2002 – X B 30/01 – veröffentlicht in juris). Dies hat der Senat in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2006 (B 11a AL 7/05 R, mwN) im Einzelnen ausführlich begründet, worauf zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
3. Das LSG wird deshalb anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln haben (§ 103 SGG), ob und ggf mit welchem Inhalt die vom Kläger behauptete Treuhandvereinbarung überhaupt getätigt worden ist oder ob es sich – wovon offenbar das SG ausgegangen ist – um Schutzbehauptungen des Klägers handelt. Des Weiteren wird dann zu prüfen sein, ob es sich hierbei um ein Scheingeschäft iS des § 117 BGB handelt, mit dem Ziel, nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorzurufen, nicht aber die damit verbundenen Rechtsfolgen eintreten lassen zu wollen (BGH NJW 1980, 1572). Da es sich um Angelegenheiten in der Sphäre des Klägers handelt, ist es nahe liegend, ihn zur Vorlage der näheren Unterlagen heranzuziehen (ua Kontoauszüge, Nachweise über Kontobewegungen und Herkunft der Geldbeträge).
Sollten sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) entscheidungserhebliche Tatsachen nicht feststellen lassen, kommt es auf die objektive Beweislast an, die im Rahmen des § 45 SGB X grundsätzlich die Beklagte für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligungsbescheide trägt (vgl BSG SozR 4100 § 132 Nr 1, S 11). Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2006 (B 11a AL 7/05 R) im Einzelnen dargelegt und begründet, dass eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt sein kann, wenn in der Sphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind. Auf der besonderen Beweisnähe des Treuhänders beruht beispielsweise im Steuerrecht die Regelung, dass das Treugut regelmäßig dem Treuhänder zuzurechnen ist, wenn er die Rechtsinhaberschaft auf Verlangen nicht nachweisen kann (§ 159 Abs 1 Satz 1 AO, vgl Tipke/Kruse, AO, Komm, § 159 RdNr 2). Hiervon ausgehend kann sich eine dem Kläger anzulastende Beweisnähe zB daraus ergeben, dass er durch seine (unterbliebenen) Angaben im Zusammenhang mit den Antragstellungen eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hat (vgl auch Senatsurteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 49/05 R).
4. Soweit die Revision das Urteil des LSG auch unter dem Gesichtspunkt angreift, dem Kläger sei keine grobe Fahrlässigkeit iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X vorzuhalten und er könne sich deshalb auf schutzwürdiges Vertrauen iS des § 45 Abs 2 SGB X berufen, wird das LSG hierüber auf der Grundlage der noch zu treffenden Feststellungen erneut zu entscheiden haben. Dabei teilt der Senat grundsätzlich die Rechtsansicht des LSG, wonach der Kläger – unabhängig von seiner eigenen Einschätzung der Rechtslage – schon bei den Angaben im Antragsformular auf das Vorhandensein von auf seinen Namen geführten Konten hinweisen bzw ggf bei der Beklagten nachfragen musste.
5. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens abschließend zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1672606 |
SGb 2006, 667 |