Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Bauchspeicheldrüsentransplantation. Kodierung eines Versagens oder einer Abstoßung des Transplantats. Krankenkasse. Befragung des Versicherten über stationäre Behandlung. Offenlegung der Rechnungsstellung durch Krankenhaus bei zweifelhafter und umstrittener Kodierung
Leitsatz (amtlich)
1. Transplantiert ein Krankenhaus eine Bauchspeicheldrüse, die nur vorübergehend in ihrer Funktion gestört ist und zunächst den - noch vor dem Ende der stationären Behandlung ausgeräumten - Verdacht einer Abstoßung erweckt, rechtfertigt dies nicht, ein Versagen oder eine Abstoßung des Transplantats zu kodieren.
2. Die Krankenkasse darf ihren Versicherten über eine stationäre Behandlung befragen und die erteilten Auskünfte für die Prüfung der Abrechnung verwerten.
3. Rechnet ein Krankenhaus aufgrund einer zweifelhaften oder umstrittenen Kodierung ab, hat es den zu kodierenden Sachverhalt schon bei der Rechnungsstellung offenzulegen.
Normenkette
SGB V § 12 Abs. 1, §§ 39, 109 Abs. 4 S. 3 Fassung: 2002-04-23, § 275 Abs. 1 Nr. 1, § 275c Abs. 1 S. 1, § 275 Abs. 1c Sätze 1-2, § 276 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1 Hs. 2, § 284 Abs. 1 S. 1 Nr. 8, Abs. 3 S. 1, § 301 Abs. 1, 2 S. 2; SGB X § 67a Abs. 2 S. 1, § 67b Abs. 1 S. 1, Abs. 2; KHEntgG § 7 Fassung: 2004-12-15, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KHG § 17b Abs. 1 Fassung: 2007-03-26, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2007-03-26; KFPVbg § 1 Abs. 6 S. 1; KFPVbg 2007 § 1 Abs. 6 S. 1; KFPVbg Anl 1 Nr. A02A; KFPVbg 2007 Anl 1 Nr. A02A; KFPVbg Anl 1 Nr. A02B; KFPVbg 2007 Anl 1 Nr. A02B; SGB V § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. August 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 23 711,50 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten.
Der Kläger, ein Universitätsklinikum, nahm den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten W. (im Folgenden: Versicherter) am 30.4.2007 wegen einer simultanen Nieren- und Bauchspeicheldrüsentransplantation stationär auf und operierte ihn am nächsten Tag. Der Versicherte war sofort dialysefrei, bedurfte alsbald jedoch einer Insulintherapie und erhielt wegen des Verdachts einer Abstoßung des Bauchspeicheldrüsentransplantats auch eine Cortisonstoßtherapie. Danach war der sonografische Befund regelrecht. Auch das organgerecht arbeitende Nierentransplantat zeigte keine Abstoßungsreaktion. Fünf Tage vor der Entlassung (28.5.2007) war der Versicherte insulinfrei. Der Kläger berechnete der Beklagten für die Behandlung des Versicherten nach der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG A02A (Transplantation von Niere und Pankreas mit Transplantatabstoßung) einschließlich weiterer Leistungen und Zuschläge insgesamt 57 996,37 Euro (Rechnung vom 14.6.2007). Die Beklagte ging nach Befragung des Versicherten von der niedriger bewerteten DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung) aus. Die Abrechnung des Klägers beruhe auf einer Fehlkodierung. Das Pankreastransplantat habe weder versagt noch sei es abgestoßen worden. Sie machte dies gegenüber dem Kläger geltend und zahlte lediglich 34 284,87 Euro. Das SG hat die Klage auf Zahlung weiterer 23 711,50 Euro abgewiesen (Urteil vom 13.10.2009). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe kein weitergehender Anspruch zu, weil eine verzögerte Funktionsaufnahme des Transplantats kein Versagen darstelle. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beklagte mit ihrem Vorbringen nicht gemäß § 275 Abs 1c S 2 SGB V ausgeschlossen. Die Regelung finde auf Fragen der richtigen Kodierung bei unstreitigem Sachverhalt keine Anwendung. Der Anspruch des Klägers könne auch nicht aus § 19 des auf § 112 Abs 2 S 1 SGB V beruhenden Landesvertrages (LV) hergeleitet werden (Urteil vom 12.8.2011).
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung des § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm der auf Bundesebene getroffenen Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2007 und ihrer Anlage 1 (Fallpauschalen-Katalog), des § 19 LV sowie des § 275 Abs 1 und Abs 1c S 2 SGB V. Die Vergütungsforderung bestehe zu Recht. ICD-10 T86.82 sei auch bei einer verzögerten Funktionsaufnahme des Transplantats und bei einem Abstoßungsverdacht zu kodieren. Die Beklagte sei im Übrigen nach § 275 Abs 1c S 2 SGB V und § 19 Abs 2 LV mit ihrem Vorbringen ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. August 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die stationäre Behandlung des Versicherten W. vom 30. April bis 28. Mai 2007 weitere 23 711,50 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass das klagende Krankenhaus gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 23 711,50 Euro hat.
Die vom Kläger im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10 mwN; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 23 711,50 Euro Vergütung. Weder hat er diesen Anspruch aufgrund der von ihm für den Versicherten erbrachten Leistungen erworben (dazu 1.) noch ist die Beklagte mit dem Vorbringen der fehlerhaft kodierten ICD-10-Diagnose gegen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ausgeschlossen. Die Beklagte war berechtigt, die Auskunft des Versicherten, der die Funktionsfähigkeit seiner Transplantate bestätigte, zu verwerten. Die vom Kläger in das gerichtliche Verfahren eingeführte Epikrise vom 28.5.2007 unterliegt keinem Verwertungsverbot (dazu 2.).
1. Der Kläger hat der Beklagten 23 711,50 Euro Krankenhausvergütung zu viel in Rechnung gestellt. Der Kläger hat zwar gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch für die Behandlung ihres Versicherten erworben (dazu a). Der Anspruch ist aber nicht höher als die von der Beklagten bereits gezahlten 34 284,87 Euro. Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich aus der niedriger vergüteten DRG A02B und nicht aus der vom Kläger in Rechnung gestellten DRG A02A (dazu b). Weitere vom Kläger abgerechnete und von der Beklagten bezahlte Vergütungsbestandteile sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits (allgemein zu weiteren Vergütungsbestandteilen vgl § 7 S 1 Nr 2 - 8 Krankenhausentgeltgesetz ≪KHEntgG≫; idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften ≪Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz - 2. FPÄndG≫ vom 15.12.2004, BGBl I 3429). Streitig ist allein die zu vergütende DRG.
a) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Beklagte ist - was sie auch nicht bestreitet - verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten im Universitätsklinikum des Klägers vom 30.4. bis 28.5.2007 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl BSGE 70, 20, 22 = SozR 3-2500 § 39 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 19; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13). Die Vorinstanzen sind zu Recht hiervon ausgegangen und haben festgestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.
Die vom Kläger geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser ≪Fallpauschalengesetz - FPG≫ vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch Art 18 Nr 4 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Im vorliegenden Fall sind die am 19.9.2006 getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007 (Fallpauschalenvereinbarung 2007 - FPV 2007) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a) ≪Bewertungsrelationen bei Versorgung durch Hauptabteilungen≫ Fallpauschalen-Katalog 2007) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene am 19.9.2006 getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2007 (Ergänzungsvereinbarung 2007 zur Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2002 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG, zuletzt geändert durch die Ergänzungsvereinbarung 2006 ≪DKR 2007≫) maßgebend (zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 FPV 2007 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2007 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S 6919, in Kraft getreten am 1.1.2007 ≪ICD-10-GM 2007≫) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2007 einschließlich Erweiterungskatalog vom 25.10.2006 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S 6920, in Kraft getreten am 1.1.2007 ≪OPS 2007≫). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - RdNr 12 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN).
b) Der Kläger durfte die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten - ausgehend von den dargelegten generellen Vorgaben - nicht nach DRG A02A (Transplantation von Niere und Pankreas mit Transplantatabstoßung), sondern nur nach der niedriger vergüteten DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung) abrechnen. Die Behandlung des Versicherten erfüllt die Voraussetzungen des ICD-10-GM 2007 T86.82 (Versagen und Abstoßung sonstiger transplantierter Organe und Gewebe - Pankreastransplantat), der DRG A02B ansteuert (dazu aa), im vorliegenden Fall nicht (dazu bb).
aa) Nach der Entscheidungslogik des Groupierungsvorgangs (vgl dazu BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 29) führt die Hauptdiagnose ICD-10-GM 2007 N18.0 (Terminale Niereninsuffizienz) zur Hauptdiagnosegruppe 11 "Krankheiten und Störungen der Harnorgane" (Major Diagnostic Category 11 ≪MDC 11≫). Im vorliegenden Fall bewirken jedoch die zu kodierenden OPS eine Zuweisung zu einer Prä-MDC. OPS 2007 5-528.2 (Transplantation des Pankreas ≪gesamtes Organ≫) und 5-555.1 (Nierentransplantation - Allogen, Leichenniere) steuern ADRG A02 (Transplantation von Niere und Pankreas) an, die ihrerseits Bestandteil der Prä-MDC ist. Aus der ADRG A02 ist wie folgt die endgültige DRG zu ermitteln (vgl zum Ganzen G-DRG-Version 2007, Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 49 und 53):
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A02A |
Ja |
Transplantation von Niere und Pankreas |
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Transplantat- Abstoßung |
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Nein |
A02B |
Die hier allein in Betracht kommende Diagnose ICD-10-GM 2007 T86.82 (Versagen und Abstoßung sonstiger transplantierter Organe und Gewebe - Pankreastransplantat) vermag A02A anzusteuern.
bb) Die Voraussetzungen des ICD-10-GM 2007 T86.82 lagen hier nicht vor. Weder versagte das Pankreastransplantat des Versicherten noch wurde es abgestoßen.
Der Wortlaut der Diagnose ICD-10-GM 2007 T86.82 benennt das Versagen und die Abstoßung als alternative Transplantationsergebnisse. Dies folgt schon daraus, dass ICD-10-GM 2007 eingangs zu T86.- (Versagen und Abstoßung von transplantierten Organen und Geweben) folgenden Hinweis gibt: "Das Versagen der abgestoßenen Organe und Gewebe (z.B. ein akutes Nierenversagen bei Abstoßung eines Nierentransplantates) ist in der Schlüsselnummer enthalten und daher nicht gesondert zu kodieren." Danach kann eine akute oder perakute Abstoßungsreaktion das sofortige Versagen des Transplantats einschließen. Hingegen muss nicht jedes Versagen eines Transplantats auf einer Abstoßungsreaktion beruhen. Auch kann bei einer chronisch verlaufenden Abstoßungsreaktion das Versagen des Transplantats das Ergebnis eines längeren, progredienten Prozesses sein. Hingegen bedeutet Versagen nach seinem Wortlaut den Verlust der physiologischen Funktionen des transplantierten Organs als Dauerzustand. Ein vorübergehender Funktionsausfall ist hingegen nur eine Funktionsstörung.
Maßgeblich gestützt wird diese Wortlautauslegung durch die Binnensystematik des Titels "Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert (T80-T88)". So unterscheidet die vierstellige Ebene zB beim Nierentransplantat (ICD-10-GM 2007 T86.1- Funktionsstörung, Versagen und Abstoßung eines Nierentransplantates) zwischen verzögerter Aufnahme der Transplantatfunktion, akuter und chronischer Funktionsverschlechterung, akuter und chronischer Abstoßung sowie sonstiger und nicht näher bezeichneter Funktionsstörung, Versagen und Abstoßung. Eine ähnliche Differenzierung umschreibt unterschiedliche Komplikationen bei Lebertransplantaten (ICD-10-GM 2007 T86.4- Funktionsstörung, Versagen und Abstoßung eines Lebertransplantates). Dergleichen findet sich beim Pankreastransplantat (ICD-10-GM 2007 T86.82) nicht. Diese Regelung ist einer erweiternden Auslegung oder gar Analogiebildung im Sinne der Gleichstellung der Funktionsstörung mit dem Versagen des Transplantats nicht zugänglich.
Nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) versagte die transplantierte Bauchspeicheldrüse während des stationären Aufenthalts in diesem Sinne nicht. Sie funktionierte nur zeitweise nicht oder in nicht hinreichendem Maße. Hingegen erhielt der Versicherte bei Entlassung aus der stationären Behandlung bereits seit fünf Tagen keine Insulingaben mehr. Ebensowenig kam es zu einer Abstoßung. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe der Verdacht einer Abstoßungsreaktion bestanden. Zwar erhielt der Versicherte tatsächlich wegen des Verdachts einer Abstoßungsreaktion eine Cortisonstoßtherapie. Dies erfüllte aber nicht die Voraussetzungen einer Verdachtsdiagnose im Rechtssinne. Die vom Kläger angeführte Kodierregel D008b der DKR 2007 bestimmt nämlich, dass Verdachtsdiagnosen nur solche Diagnosen sind, die am Ende eines stationären Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen sind. Verdachtsdiagnosen sind nur unter dieser Voraussetzung kodierfähig. Der Verdacht einer Abstoßung bestand beim Versicherten im Zeitpunkt der Entlassung aber gerade nicht mehr. Infolgedessen kommt es auch nicht auf die weitere Frage an, ob ICD-10-GM 2007 T86.82 als Nebendiagnose kodierfähig ist.
Soweit der Kläger vorbringt, es sei falsch, davon auszugehen, dass der medizinische Sachverhalt geklärt sei, wendet er sich letztlich nicht gegen die Feststellung, dass der Versicherte mit einer funktionierenden, nicht abgestoßenen Bauchspeicheldrüse aus der stationären Behandlung entlassen worden ist. Er verwahrt sich vielmehr gegen die Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen, dass eine Hinzuziehung des MDK zur Klärung des konkreten Krankheitsverlaufs während der stationären Behandlung nicht erforderlich gewesen sei. Hiermit rügt der Kläger nicht einen Verstoß des LSG gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 103 SGG), sondern greift lediglich die zutreffende Rechtsauffassung des LSG zur Auslegung des ICD-10-GM 2007 T86.82 und der Anwendbarkeit des § 275 Abs 1c S 2 SGB V an (zu letzterem sogleich unter 2. b).
2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer 23 711,50 Euro ergibt sich auch weder aus den Vorschriften des Landesvertrags (Vertrag nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - geschlossen zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft einerseits und der Beklagten und den übrigen Krankenkassenverbänden im Land Baden-Württemberg andererseits mit dem durch die Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.9.2005 festgesetzten Inhalt, im Folgenden: LV; dazu a) noch infolge von Beweisverwertungsverboten auf gesetzlicher Grundlage, die Einwendungen gegen die Abrechnung ausschließen (dazu b).
a) § 19 Abs 1 S 1 LV gibt für den Kläger nichts her. Die Norm bestimmt lediglich, dass die KK die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu bezahlen hat. Hierbei handelt es sich um eine bloße Fälligkeitsvorschrift, wie das LSG zutreffend festgestellt hat. Es kann offenbleiben, ob es sich bei dem LV um revisibles Recht handelt (§ 162 SGG), da der erkennende Senat in diesem Falle zu keiner anderen Auslegung kommt als das LSG.
§ 19 Abs 2 S 2 LV regelt unter anderem, dass Einwendungen gegen die Art der Abrechnung nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht werden können. Hieraus kann der Kläger indes nichts für den von ihm geltend gemachten Anspruch ableiten. Die Regelung verstößt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und ist nichtig (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - RdNr 35 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
b) Der Beklagten ist es nicht aufgrund von § 275 Abs 1c S 2 SGB V verwehrt, die in der Abrechnung des Klägers erlöswirksam berücksichtigte Diagnose ICD-10-GM 2007 T86.82 - zu Recht wie unter 1. b) dargestellt - aufgrund der Auskunft des Versicherten und der vom Kläger im Berufungsverfahren übersandten Epikrise als falsch kodiert anzusehen und deswegen unberücksichtigt zu lassen. Der Kläger kann dieses Vorbringen der Beklagten gegen die Abrechnung weder wegen eines Verstoßes gegen das prüfrechtliche (dazu aa) noch gegen das kompensatorische Beschleunigungsgebot (dazu bb) abwehren. Ein Verwertungsverbot der beim Versicherten eingeholten Auskunft ergibt sich auch nicht aus datenschutzrechtlichen Vorschriften. Ein daraus abzuleitendes Verwertungsverbot der vom Kläger in das gerichtliche Verfahren eingeführten Epikrise besteht nicht (dazu cc).
aa) Der erkennende 1. Senat des BSG sieht in Übereinstimmung mit dem 3. Senat des BSG in § 275 Abs 1c SGB V ein prüfrechtliches Beschleunigungsgebot. § 275 Abs 1c S 1 SGB V ordnet in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V an, dass eine Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in § 275 Abs 1c S 2 SGB V für den ersten Prüfabschnitt dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 10; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen). Leitet die KK die Prüfung nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei ihr ein und zeigt der MDK die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs 1c S 2 SGB V an, bewirkt dies ein sich auch auf Gerichtsverfahren erstreckendes Beweisverwertungsverbot (vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 30, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen). Das Beweisverwertungsverbot des § 275 Abs 1c S 2 SGB V knüpft an die Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens mit dem Ziel einer Abrechnungsminderung an (zum Regelungszusammenhang vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 15), das auch zum Gegenstand hat, dass das Krankenhaus im Rahmen einer Einzelfallprüfung Sozialdaten des nach § 39 SGB V behandelten Versicherten dem MDK zur Verfügung stellt. Die Beklagte hat dem MDK keinen Prüfauftrag erteilt (dazu unter (1)). Die Beklagte muss sich auch nicht entgegenhalten lassen, sie hätte dem MDK zur rechtmäßigen Informationsbeschaffung einen Prüfauftrag erteilen müssen. Die Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens zu diesem Zweck setzt voraus, dass das Krankenhaus überhaupt seine primären Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllt hat und danach noch Ungewissheiten im Tatsächlichen verbleiben, die nicht durch die zulässige Erhebung von Daten bei Dritten beseitigt werden können. Hier erfüllte der Kläger seine Informationspflichten erst im Berufungsverfahren. Danach war der Sachverhalt geklärt (dazu unter (2)).
(1) Wie der erkennende 1. Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21) und der 3. Senat des BSG bereits mehrfach entschieden hat (vgl nur BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 18 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 12/11 R - Juris RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 275 Nr 5 vorgesehen), bestehen im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, KKn und dem MDK Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen: Auf der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung hat das Krankenhaus zunächst alle Angaben nach § 301 Abs 1 SGB V zu machen, und zwar zutreffend und vollständig. Erschließen sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den - medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten - Mitarbeitern der KK aufgrund der gebotenen Angaben nach § 301 SGB V oder eines etwaigen Kurzberichts nicht selbst, ist auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V einzuleiten. Danach ist beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, wenn die vom Krankenhaus erteilten und ansonsten zur Verfügung stehenden Informationen zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenhausbehandlung nicht ausreichen. Dazu hat die KK dem MDK gemäß § 276 Abs 1 S 1 SGB V alle in ihrem Verfügungsbereich befindlichen und zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Im Rahmen einer nach diesen Voraussetzungen ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfung hat das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung - wenn sich also unter Auswertung der auf der ersten und zweiten Stufe verfügbaren Sozialdaten kein abschließendes Ergebnis finden lässt - nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V dem MDK auch über die Daten nach § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht hinaus alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der KK benötigt werden. MDK-Prüfungen nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V, die sich auf von den Krankenhäusern zur Verfügung gestellte Sozialdaten der Versicherten stützen sollen, betreffen nur diese dritte Stufe (zur Möglichkeit der gezielten Abrechnungsprüfung durch den MDK wegen Auffälligkeiten vgl BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - RdNr 18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Die Beklagte hat hier schon die erste Stufe nicht überschritten. Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagte sich selbst beim Versicherten nach dessen Gesundheitszustand erkundigte. Auch Schritte der KK, die im Vorfeld bloß abklären sollen, ob überhaupt ein Prüfverfahren iS von § 275 Abs 1c S 1 SGB V einzuleiten ist, rechnen noch zur ersten Stufe. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Informationsbeschaffung ohne Mithilfe des MDK - wie hier - datenschutzrechtlich zulässig (dazu unter 2 b cc) und die Auswertung der gewonnenen Informationen ohne Hilfe des MDK möglich ist. Dies ist hier der Fall. Der Beklagten kam es ausgehend von ihrer zutreffenden Auslegung des ICD-10-GM 2007 T86.82 nur darauf an, in Erfahrung zu bringen, dass die Transplantate weder abgestoßen wurden noch versagt haben.
(2) Der 1. Senat des BSG sieht wie der 3. Senat des BSG die ordnungsgemäße Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen als verfahrensrechtliches Gegenstück an zur Verantwortung der KKn für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der Krankenhausrechnungen. Eine ordnungsgemäße Information der KK ist unverzichtbare Grundlage und Bestandteil einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein. Die Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V beginnt nicht zu laufen (vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 32 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen). In Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften - wie hier - offenkundig zweifelhaft (oder gar offen umstritten) ist, gebietet § 301 Abs 1 SGB V dem Krankenhaus, der KK die entsprechenden Sachverhalte nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so wird das Krankenhaus seinen Informationspflichten gerecht und schafft damit die unerlässliche Basis dafür, dass die KK der Abrechnung vertrauen kann.
Der Kläger erfüllte diese Informationspflichten jedenfalls mit der Einführung der Epikrise vom 28.5.2007 in das Berufungsverfahren. Hiermit bestätigte er die beim Versicherten eingeholte Information, dass das Pankreastransplantat bei Entlassung aus der stationären Behandlung organgerecht funktionierte und es keine Hinweise auf eine Abstoßung im dargelegten Rechtssinne gab.
Mit ihrer Vorgehensweise umging die Beklagte nicht etwa den mit § 275 Abs 1c SGB V verfolgten Regelungszweck, sondern entsprach ihm gerade in besonderer Weise. Sie darf sich auf die vom Versicherten erlangte Kenntnis berufen. § 275 Abs 1c SGB V soll das Krankenhaus nur vor einem unangemessenen Mehraufwand durch MDK-Prüfungen schützen (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 23 f; BSG Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - RdNr 32 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Es widerspräche hingegen dem Sinn der Vorschrift und dem Regelungssystem, wenn die KK gezwungen wäre, auch in solchen Fällen den MDK zur Datenerhebung beim Krankenhaus einzuschalten, in denen das Krankenhaus seinen primären Informationspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist und die KK das Krankenhaus sogar durch anderweit in datenschutzrechtlich zulässiger Weise eingeholte Sozialdaten auf diesen Missstand hingewiesen hat, wie dies hier durch die Bezugnahme auf die beim Versicherten eingeholten Auskünfte geschehen ist.
bb) Auch das kompensatorische Beschleunigungsgebot, das die Vorleistungspflicht der Krankenhäuser durch kurze Zahlungsfristen für KKn ohne Beweislastumkehr ausgleicht (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - RdNr 27 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), begründet kein Verwertungsverbot. Fehlt es an einer der notwendigen Angaben nach § 301 SGB V, so wird - wie dargelegt - die abgerechnete Forderung bereits mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung nicht fällig. Das kompensatorische Beschleunigungsgebot hindert KKn lediglich daran, Abschlagszahlungen mit dem bloßen Argument zu verweigern, es sei nicht auszuschließen, dass eine - noch nicht abgeschlossene - Prüfung künftig ergeben könnte, die erbrachte Leistung sei nicht erforderlich gewesen.
cc) Die vom Versicherten erlangten Sozialdaten sind auch datenschutzrechtlich eine zulässige und geeignete Grundlage dafür, die ordnungsgemäße Erfüllung der Informationspflichten nach § 301 SGB V zu überprüfen. Die Epikrise vom 28.5.2007, die der Kläger - zu Recht - wegen der Angaben des Versicherten in das gerichtliche Verfahren eingeführt hat, unterliegt keinem Verwertungsverbot, das an Auskunftsregelungen für Versicherte anknüpft. Ein solches Verwertungsverbot ergibt sich nämlich aus datenschutzrechtlichen Vorschriften nicht. Datenschutzrechtlich war es der Beklagten erlaubt, sich bei ihrem Versicherten nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen und von ihm Sozialdaten zu erheben. Das Gesetz lässt diese Form der Datenerhebung zu. So verlangt § 67a Abs 2 S 1 SGB X, dass Sozialdaten beim Betroffenen zu erheben sind. § 276 Abs 1 S 2 SGB V setzt mittelbar voraus, dass ein Versicherter über seine Mitwirkungspflicht nach den §§ 60, 65 SGB I hinaus seiner KK freiwillig (medizinische) Unterlagen überlassen darf. Dies erfasst auch eine - wie hier - telefonisch erteilte Auskunft. Die Befugnis zur Erhebung und Speicherung als solche ist durch § 67b Abs 1 S 1 SGB X iVm § 284 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V gedeckt. Hiernach dürfen die KKn Sozialdaten erheben und speichern, soweit diese für die Abrechnung mit den Leistungserbringern einschließlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung erforderlich sind. Die Beklagte durfte auf dieser Grundlage die Angaben des Versicherten über das Ergebnis der Transplantation erheben und die erhobenen Daten gemäß § 284 Abs 3 S 1 SGB V auch verarbeiten und nutzen (zu den Begriffen vgl § 67 Abs 6 und 7 SGB X), indem sie die erhobenen Daten auswertete und dem Kläger zum Zwecke der Rechnungsminderung übermittelte. Die Beklagte handelte nämlich, um ihre Aufgaben nach § 284 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V zu erfüllen. Lediglich die Weitergabe an den hier (auch nicht auf der zweiten Stufe) beauftragten MDK hätte gemäß § 276 Abs 1 S 3 SGB V der wirksamen, grundsätzlich Schriftform erfordernden Einwilligung nach § 67b Abs 2 SGB X bedurft.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 und 2 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 3633011 |
WzS 2013, 87 |
SGb 2013, 27 |