Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung – Heranziehung eines MDK-Gutachtens als Entscheidungsgrundlage im Gerichtsverfahren – Pflegebedürftigkeit – Auftreten von Krankheitsschüben
Leitsatz (amtlich)
1. Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung können in Rechtsstreitigkeiten über die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe auch im gerichtlichen Verfahren als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.
2. Pflegebedürftigkeit iS des SGB 11 setzt voraus, daß zumindest einmal täglich Hilfe im Bereich der Grundpflege erforderlich ist. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Versicherte aufgrund häufig auftretender Krankheitsschübe an mehreren Tagen der Woche in erheblichem Maße fremder Hilfe bedarf.
Stand: 5. März 2001
Normenkette
SGB XI § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1, 3, 6, § 15 Abs. 3 Nr. 1; SGG § 118 Abs. 1; ZPO § 415; SGG § 128 Abs. 1
Beteiligte
Barmer Ersatzkasse –Pflegekasse– |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung erfüllt.
Der 1958 geborene Kläger leidet vor allem an den Auswirkungen einer genetisch bedingten seltenen Blutsystemerkrankung, die anfallweise zu erheblichen Schwellungen im Bereich des Kopfes, der inneren Organe oder der Extremitäten führt.
Der Kläger hatte bereits 1990 die Gewährung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit (nach den §§ 53 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch aF ≪SGB V≫) ohne Erfolg beantragt (Bescheide vom 13. März 1991 und 13. Mai 1993, Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1994). Im Juni 1994 beantragte er Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 4. April 1996 ab, nachdem sie zuvor Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 15. Juni 1995 und 15. März 1996 eingeholt hatte. Hierin kamen die Ärzte Dres. D. und M. zu dem Ergebnis, daß beim Kläger nur während der anfallartig auftretenden Krankheitsschübe ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege bestehe. Dies sei nicht täglich der Fall, sondern nach den Angaben des Hausarztes nur vier- bis fünfmal in der Woche; dies aber auch nicht in jeder Woche. Außerhalb der Krankheitsschübe könne der Kläger sowohl die Verrichtungen der Grundpflege als auch die hauswirtschaftliche Versorgung eigenständig vornehmen. Auf den Widerspruch des Klägers legte die Beklagte dem MDK Tagebucheintragungen des Klägers bzw der ihn pflegenden Ehefrau aus der Zeit vom 10. August bis 24. August 1995 und vom 2. Januar bis 15. Januar 1996 zur Auswertung vor. Auch hieraus ergab sich nach dem erneuten Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 1996 keine abweichende Beurteilung des Pflegebedarfs. Den erneuten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte ebenso wie den früheren durch Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1997 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte abgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1999). Die Berufung blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 11. Januar 2000). Es fehle an dem nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) erforderlichen täglichen Hilfebedarf. Der Kläger habe selbst angegeben, in der Regel nur drei- bis viermal in der Woche unter Krankheitsschüben zu leiden, die Pflegebedürftigkeit verursachten. Der Vortrag des Klägers stimme im wesentlichen mit den Gutachten des MDK überein.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe seinen Vortrag nicht zutreffend aufgenommen. Die Krankheitsschübe träten drei- bis viermal wöchentlich, teilweise auch vier- bis fünfmal wöchentlich auf und dauerten jeweils mindestens 12 Stunden. Zwischen den einzelnen Schüben bestehe nur verhältnismäßig kurze Zeit keine Hilfsbedürftigkeit. Der für die Annahme von Pflegebedürftigkeit erforderliche Dauerzustand liege bei ihm vor, wenn auch mit kleinen Unterbrechungen. Die Zeiten, in denen Beschwerdefreiheit und keine besondere Hilfsbedürftigkeit bestehe, seien deutlich geringer als die Zeiten der Hilfsbedürftigkeit. Jede Hilfsbedürftigkeit unterliege gewissen Schwankungen. Entscheidend sei, welches Bild vorherrsche. Bei ihm bestehe überwiegend eine erhebliche Pflegebedürftigkeit. Das LSG habe zudem gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen, weil es ihn, den Kläger, nicht nochmals durch einen neutralen Sachverständigen habe begutachten lassen. Dr. D. vom MDK habe den medizinischen Sachverhalt nicht selbst ermittelt, sondern sich auf Angaben des Hausarztes bezogen. Das LSG habe außerdem ein weiteres Gutachten des MDK herangezogen, das von engen Mitarbeitern des Dr. D. erstellt worden sei, bei denen die Befürchtung der Befangenheit nahegelegen habe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Januar 2000 und des Sozialgerichts Aurich vom 24. Juni 1999 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 4. April 1996 und 17. Oktober 1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Januar 2000 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Pflegeleistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nicht zu, weil er die Mindestvoraussetzungen für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zumindest zur Pflegestufe I nicht erfüllt. Auch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Pflegegeld setzt gemäß § 37 Abs 1 SGB XI voraus, daß Pflegebedürftigkeit iS der §§ 14 und 15 SGB XI vorliegt. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind pflegebedürftig iS des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist mithin ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Abs 4 der Vorschrift in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege) sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt. Nach § 15 Abs 1 Nr 1 SGB XI in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014), der durch das 1. SGB XI-ÄndG vom 14. Juni 1996 (BGBl I 830) zu § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI geworden ist, setzt die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) voraus, daß er bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität (Verrichtungen der sogenannten Grundpflege) für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt werden. Dabei gehören zum Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- und Blasenentleerung, zum Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung und zum Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs 1 Nrn 1 bis 3 SGB XI).
Beim Kläger liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI nicht vor. Diese Vorschrift setzt für die Zuordnung zur Pflegestufe I zwingend voraus, daß mindestens einmal täglich bei wenigstens zwei Verrichtungen aus dem Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf besteht. Hieran fehlt es nach den Feststellungen des LSG beim Kläger. Das Revisionsgericht ist gemäß § 163 SGG an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, soweit nicht durchgreifende Rügen dagegen erhoben werden. Die vom Kläger gegen die Tatsachenfeststellungen des LSG vorgebrachten Verfahrensrügen sind im Ergebnis nicht relevant. Der Kläger geht zu Unrecht davon aus, der Verwertung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. D. vom MDK stehe entgegen, daß dieser bezüglich der Vorgeschichte des beim Kläger bestehenden Leidens auf Befunde und andere Unterlagen der behandelnden Ärzte zurückgegriffen habe. § 18 Abs 3 SGB XI verpflichtet den Gutachter des MDK gerade, die behandelnden Ärzte des Versicherten, insbesondere die Hausärzte, in die Begutachtung einzubeziehen und ärztliche Auskünfte und Unterlagen über die für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit wichtigen Vorerkrankungen einzuholen. Das LSG war auch nicht, wie der Kläger annimmt, deshalb zur Einholung eines „neutralen” Sachverständigengutachtens verpflichtet, weil im Verwaltungsverfahren ein weiteres Gutachten, das dasjenige des Dr. D. im Ergebnis bestätigte, von „engen Mitarbeitern” des Dr. D. erstellt worden ist. § 18 Abs 1 SGB XI weist dem MDK bei der Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit eine maßgebende Stellung zu. Zwar trifft die Entscheidung über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit allein die Pflegekasse; ihr muß jedoch zwingend eine Prüfung durch den MDK vorausgehen (§ 18 Abs 1 SGB XI). Die Regelung geht damit erheblich über die allgemein bestehende Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB XI) hinaus. Der MDK ist nicht in die Verwaltungsorganisation der Pflegekassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt. Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs 1 SGB V). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs 5 SGB V ausdrücklich klar, daß die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Die Zusammensetzung des MDK im Hinblick auf die Begutachtung von Pflegebedürftigkeit ist in § 18 Abs 6 SGB XI im einzelnen geregelt. Die Einschaltung außenstehender Ärzte oder Pflegefachkräfte bei der Begutachtung, wie sie der Kläger fordert, ist danach nur in Ausnahmefällen, von denen hier keiner vorliegt, vorgesehen. Das Vorgehen des MDK gab hier deshalb keine Veranlassung, gemäß § 17 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Befangenheit anzunehmen.
Die Vorinstanzen waren nicht gehindert, die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Ergeben sich weder aus anderen medizinischen Äußerungen, noch aus dem Vorbringen der Beteiligten Zweifel an der Schlüssigkeit derartiger Gutachten, so besteht für das Tatsachengericht keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl BSG SozR Nr 3 zu § 118 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫; Urteil vom 8. Dezember 1988, 2/9b RU 66/87 = HV-INFO 1989, 410; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, Kap III, RdNrn 49 f). Die im Berufungsverfahren geltend gemachten Einwände des Klägers gegen die Gutachten des MDK hinsichtlich der Häufigkeit der Anfälle, nämlich anstatt drei- bis viermal wöchentlich teilweise auch vier- bis fünfmal, sind vom LSG zwar nicht ausdrücklich behandelt und möglicherweise unberücksichtigt geblieben, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) bedeuten könnte. Dieser Verfahrensfehler wäre indessen im Ergebnis irrelevant, weil die für die Entscheidung der Vorinstanz maßgebende Wertung, daß beim Kläger nicht täglich Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege besteht, davon nicht berührt wird.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die beim Kläger auftretenden krankheitsbedingten Schübe nur an den betroffenen Tagen einen Hilfebedarf begründen, nicht aber, wie es nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (§ 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI) erforderlich ist, jeden Tag. Hierbei kommt es im Ergebnis nicht auf die Dauer des einzelnen Krankheitsschubes an. Der Kläger macht zwar geltend, die Vorinstanzen seien insoweit unzutreffend aufgrund der MDK-Gutachten von einer Dauer der einzelnen Krankheitsschübe von nur wenigen Stunden ausgegangen, während die Krankheitsschübe tatsächlich mindestens 12 Stunden andauerten. Er stellt aber auch hier nicht in Abrede, daß die einen Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege auslösenden Krankheitsschübe nicht an jedem Tag der Woche auftreten.
Dem Kläger ist zuzugestehen, daß die bei ihm bestehende Krankheit im Hinblick auf die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit atypisch ist. Sie führt einerseits an mehreren Tagen der Woche zu weitgehender Hilflosigkeit. Andererseits läßt sie an anderen Tagen, an denen es nicht zu einem Krankheitsschub kommt, eine selbständige Vornahme der Verrichtungen der Grundpflege zu. Die Konzeption der Mindestvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung läßt nicht erkennen, daß auch Betroffene mit derart wechselvollem Hilfebedarf erfaßt werden sollten. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber bewußt nur den auf Dauer bestehenden Pflegebedarf bei den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens erfassen und hierdurch sowie unter anderem auch mit dem Erfordernis des täglichen Hilfebedarfs zugleich klarstellen wollte, daß geringfügige, nur gelegentlich anfallende oder kurzfristige Hilfe Leistungen der Pflegeversicherung nicht auslösen soll (BT-Drucks 12/5262, S 97 ff). Ob der Hilfebedarf des Klägers in diesem Sinn als geringfügig oder gelegentlich anfallend angesehen werden kann, mag zweifelhaft erscheinen. Denn er fällt nur nicht in der vom Gesetz vorausgesetzten Kontinuität an, sondern aufgrund der in Schüben auftretenden Krankheitssymptome geballt und konzentriert. Bei einer Addition des innerhalb einer Woche anfallenden Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege ergäbe sich unter Umständen im Tagesdurchschnitt ein Wert, der zumindest den Anforderungen, die § 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI an den zeitlichen Pflegeaufwand stellt, gerecht würde. Eine derartige Durchschnittsbetrachtung läßt § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI jedoch nicht zu. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, daß allein die Tatsache, daß der Hilfebedarf die zeitlichen Mindestvoraussetzungen des § 15 Abs 3 SGB XI erfüllt, nicht dazu führen kann, auf das Vorliegen der in § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Art und Weise des Hilfebedarfs zu verzichten (BSG SozR 3–3300 § 15 Nr 7). Das Gesetz bietet für den Fall, daß Hilfe im Bereich der Grundpflege nicht täglich erforderlich ist, keine Grundlage für die vom Kläger angestrebte Auslegung, bei wechselndem Hilfebedarf sei für die Annahme von Pflegebedürftigkeit iS der §§ 14, 15 SGB XI maßgebend, ob die Zeiten erheblicher Pflegebedürftigkeit überwiegen oder nicht bzw ob sie den Lebensrhythmus des Betroffenen prägen oder nicht. Eine entsprechende Durchschnittsbetrachtung kann erst einsetzen, wenn die Hilfebedürftigkeit zwar schubweise vermehrt auftritt, aber jeden Tag ein Hilfebedarf bei zumindest zwei Verrichtungen der Grundpflege besteht.
Der Ausschluß der hier betroffenen Fallgruppe von Pflegebedürftigen aus der Absicherung durch die Pflegeversicherung beruht weder auf einem Versehen des Gesetzgebers, noch ist er verfassungsrechtlich unzulässig. Zwar ist ein schubweise auftretender Hilfebedarf für die Gebrechlichkeitspflege, die bei der Konzeption der Pflegeversicherung im Vordergrund stand, nicht typisch. Doch entsprechen Schwankungen der Intensität und des Umfangs des Hilfebedarfs auch hier der Lebenserfahrung. Dem Gesetzgeber kann auch nicht entgangen sein, daß schubweise auftretender Hilfebedarf in größerer Zahl auch aufgrund anderer, relativ häufig auftretender Grunderkrankungen anfällt. Eine durchaus vergleichbare Konzentration des Hilfebedarfs kann etwa bei einer dialysepflichtigen Nierenerkrankung bestehen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß derart häufig auftretende Erscheinungen im Gesetzgebungsverfahren außer Acht gelassen wurden. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die Notwendigkeit des täglichen Hilfebedarfs bewußt als Mindestgrenze gewählt wurde, von der auch bei besonderen Fallgestaltungen keine Ausnahmen zugelassen werden sollten. Ein Verfassungsverstoß kann hierin schon deshalb nicht gesehen werden, weil die Pflegeversicherung vom Gesetzgeber nicht auf die lückenlose Erfassung jeglichen Pflegebedarfs ausgerichtet worden ist, worauf der Senat bereits mehrfach hingewiesen hat (vgl BSGE 82, 27, 34 ff = SozR 3–3300 § 14 Nr 2; SozR 3–3300 § 14 Nr 8; BSGE 85, 278, 284 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gleichheitssatz (vgl dazu Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl 2000, Art 3 RdNr 16 mwN) genügt es, wenn der Gesetzgeber für eine unterschiedliche Behandlung auf einen „Differenzierungsgrund” verweisen kann, wozu wegen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit jede „vernünftige Erwägung” ausreicht. Es liegt im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, bei typisierender Betrachtungsweise eine nicht tägliche Pflegebedürftigkeit als weniger belastend anzusehen. Auch für die hier betroffene Gruppe von Pflegebedürftigen kommt gegebenenfalls die Hilfe zur Pflege nach den §§ 68 ff Bundessozialhilfegesetz in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
NJW 2001, 3431 |
FA 2001, 192 |
FEVS 2001, 337 |
SozR 3-3300 § 15, Nr. 11 |
SozSi 2001, 364 |