Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger, seit Oktober 1975 freiwilliges Bitglied der Beklagten, wendet sieh gegen seine Beitragseinstufung. Die Satzung der Beklagten sieht für freiwillig Versicherte höhere Beitragssätze vor, wenn sie mit Anspruch auf (volles oder eingeschränktes) Krankengeld versichert sind und/oder familienhilfeberechtigte Angehörige haben. Anfangs war der Kläger in eine Beitragsklasse ohne solche Angehörigen eingestuft, solange nämlich seine Ehefrau mit dem gemeinsamen Kind selbst in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war (bis 20. Juni 1979). Nachdem ihre Versicherung geendet hatte, stufte die Beklagte den Kläger für die Folgezeit in eine Beitragsklasse mit Familienangehörigen ein, und zwar bis Ende 1979 zugleich in eine Klasse mit eingeschränktem Krankengeldanspruch, für die Zeit danach in eine Klasse ohne Krankengeldanspruch. Dadurch erhöhte sich sein Beitragssatz von früher 9, 2 % auf 10, 4 % und (nach Wegfall des Krankengeldanspruchs ab 1. Januar 1980) auf 9,5 % (Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 1979 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1979 und Ergänzungsbescheid. vom 11. Januar 1980).
Die Klage gegen diese Bescheide blieb in den Vorinstanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 25. Juli 1980 und Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Berlin vom 11. Februar 1981). Das LSG hat die vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen, weil die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die Beiträge des Klägers aufgrund ihrer Satzung zutreffend festgesetzt habe. Nach ständiger Rechtsprechung des LSG sei die Beklagte befugt, die Beitragsgestaltung in der freiwilligen Krankenversicherung durch ihre Satzung zu regeln. Die Berechtigung hierzu folge aus § 4 des Gesetzes zur Einführung der Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung und Angleichung des Rechts der Krankenversicherung im Land Berlin vom 26. Dezember 1957 (Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetz Berlin - SKAG Berlin -, BGBl I, 1883). Diese Vorschrift ordne für den Umfang und Gegenstand der Versicherung die Fortgeltung bestimmter Regelungen des Berliner Gesetzes zur Anpassung des Rechts der Sozialversicherung in Berlin an das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht (BSVAG) vom 3. Dezember 1950 (VOBl 1, 542) an, soweit diese Regelungen von Vorschriften des die Krankenversicherung betreffenden Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO) abwichen. Zu den weitergeltenden landesrechtlichen Vorschriften gehörten auch die §§ 11 Abs. 1 und 3, 12 und 13 Abs. 1 und 2 BSVAG, in denen das Recht, auf Weiterversicherung und auf freiwillige Versicherung geregelt sei, und zwar "nach näherer Bestimmung der Satzung". Diese Verweisung auf die Satzung könne sich nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes nur auf die Beitragsgestaltung beziehen, da die materiellen und formellen Voraussetzungen des zugestandenen Rechts schon in den §§ 11 bis 13 BSVAG geregelt seien.
Die Berechtigung zur Beitragsdifferenzierung zwischen freiwillig Versicherten mit und ohne Familienhilfeberechtigung ergebe sich auch aus der Rechtsentwicklung, die die Berliner Krankenversicherung nach dem kriege durchlaufen habe. Diese sei auch der Grund dafür gewesen, daß in § 4 SKAG Berlin die Fortgeltung eines Rechtszustandes angeordnet worden sei, der sich u.a. vom Beitragsrecht der RVO erheblich unterscheide, Soweit der Bundesgesetzgeber in der Folgezeit die Weitergeltung einer dieser vom Bundesrecht abweichenden Normen habe beenden wollen, sei dies durch ausdrückliche Änderung des § 4 SKAG Berlin geschehen, wie etwa bei der Streichung des § 25 BSVAG durch das Finanzänderungsgesetz 1967.
Auf die in § 68a der Satzung der Beklagten festgelegte Beitragsdifferenzierung (zwischen Versicherten mit familienhilfeberechtigten Angehörigen und ohne solche) könne die Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) zur Unzulässigkeit einer entsprechenden Differenzierung bei freiwillig versicherten Mitgliedern von Ersatzkassen (Urteile vom 28. März 1979, 3 RK 63/77 und 15/78 BSGE 48, 134 = SozR 5428 § 4 Nr. 6 = USK 7914 = SGb 1979, 512) nicht angewandt werden. Für die Versicherten der AOK Berlin sei bereits zur Zeit des Inkrafttretens des SKAG Berlin die Familienhilfe eine Regelleistung gewesen (§ 23 BSVAG); damit habe für sie schon damals eine Situation bestanden, wie sie für die Ersatzkassen erst durch das am 1. Oktober 1974 in Kraft getretene Gesetz übe. r die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation eingetreten sei. Wenn im übrigen nach Ansicht des BSG Regelleistungen nicht beitragsdifferenzierend wirken dürften, so stehe dies unter dem Vorbehalt einer anderweitigen gesetzlichen Regelung. Eine solche sei § 4 SKAG Berlin, durch den die Beklagte allgemeine Satzungsautonomie für die Beitragsgestaltung in der freiwilligen Versicherung erhalten habe. Die streitige Beitragsdifferenzierung verstoße zudem weder gegen verfassungsrechtliche Normen noch gegen Grundsätze des Sozialversicherungsrechts. Durch sie werde zwar zum Teil das Solidarprinzip verlassen, doch sei dies - wie sich aus anderen Regelungen der RVO ergebe - "nicht so systemfremd", daß es innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Platz haben könne.
Hiergegen hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er ist der Auffassung, daß die Beklagte mit der angefochtenen Beitragsdifferenzierung gegen Bundesrecht verstoße. Durch die in § 4 SKAG Berlin angeordnete Fortgeltung der §§ 11 bis 13 BSVAG sei die Satzungsautonomie der Beklagten hinsichtlich der Beitragsgestaltung für freiwillig versicherte Mitglieder nicht schrankenlos anerkannt worden. Die unterschiedliche Heranziehung freiwillig Versicherter zur Beitragsleistung verstoße gegen das Prinzip der Solidargemeinschaft aller Versicherten. Sie sei zudem auch wegen Verstoßes gegen der Gleichheitssatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt, die urteile des LSG Berlin vom 11. Februar 1981 und des SG Berlin vom 25. Juli 1980 und den Bescheid der Beklagten vorn 20. Juli 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1979 sowie den weiteren Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 1980 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie halt die angefochtenen Urteile für zutreffend. Außerdem verweist sie darauf, daß die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten nach dem Kriege grundsätzlich anders geregelt worden sei als im Bundesgebiet. An diese historische Entwicklung habe das BSVAG bewußt anknüpfen wollen, indem es in den §§ 11 bis 13 lediglich den berechtigten Personenkreis und das Verfahren festgelegt und alles Weitere der Satzungsautonomie überlassen habe. Aus diesem Berliner Sonderrecht habe die Beklagte im Einklang mit der Rechtsprechung seit jeher die Befugnis hergeleitet, Beiträge und Leistungen im Bereich der freiwilligen Versicherung durch Satzungsbestimmungen abweichend von den sonst einschlägigen allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen festzulegen. Die Beitragsdifferenzierung bei freiwillig versicherten Mitgliedern in solche mit und ohne Familienhilfeberechtigung bestehe bereits seit dem Inkrafttreten des BSVAG am 1. Januar 1951. Auch die seither erlassenen und das Gebiet der Krankenversicherung (mit-) betreffenden landesgesetzlichen Regelungen hätten diese Beitragsdifferenzierung sanktioniert oder Jedenfalls toleriert. Hieran habe auch die grundsätzliche Übernahme des Ersten und Zweiten Buches der RVO im Land Berlin durch das SKAG Berlin nichts geändert, da gemäß dessen § 4 die §§ 11 Abs. 1 und 3, 12 sowie 13 Abs. 1 und 2 BSVAG, die die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung regelten, weitergälten, soweit sie von Vorschriften der RVO abwichen. Ein parlamentarischer Vorstoß, der im Jahre 1957 die Streichung der Berliner Sonderregelungen in den §§ 11 bis 13 BSVAG zum Ziel gehabt habe, sei von der Mehrheit des Bundestages zurückgewiesen worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide der Beklagten, die sie auf § 68a ihrer Satzung stützt und die das LSG für rechtmäßig gehalten hat, sind rechtswidrig.
In der genannten Satzungsbestimmung, in der die Beitragsberechnung für freiwillig Versicherte geregelt ist, sind für einzelne Gruppen von ihnen besondere - höhere - Beitragssätze festgesetzt.
So gelten für Versicherte, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und die ; wie eher Kläger bis Ende 1979) statt einer Versicherung ohne Krankengeldanspruch (§ 68a Abs. 2) eine Versicherung mit vollem oder eingeschränktem Krankengeldanspruch gewählt haben, höhere Beitragssätze (§ 88a Abs. 3 und 4). Ober die Berechtigung dieser Sätze hat der Senat nicht zu entscheiden, da insoweit unter den Beteiligten kein Streit besteht. Streitig ist unter ihnen nur die Berechtigung der Beklagten zur Festsetzung höherer Beitragssätze für Versicherte, "die einen oder mehrere Familienangehörige haben, für die § 35 einen Anspruch auf Leistungen vorsieht" (jeweils Buchst b der Abs. 2 bis 4 des § 68a i.d.F. des 55. und 56. Nachtrages vom 18. Dezember 1978 und 16. Februar 1979, ABl. Berlin 1979, 40 und 494). Da dies beim Kläger seit Beendigung der eigenen Versicherung seiner Ehefrau am 20. Juni 1978 der Fall ist, hat ihn die Beklagte seitdem in eine Beitragsklasse eingestuft (bis Ende 1979 Abs. 4, danach Abs. 2).
Eine solche Beitragsdifferenzierung nach dem Familienstand verstört gegen einen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung, wobei das Berliner Sonderrecht zunächst unberücksichtigt bleibt. Nach § 385 Abs. 1 Satz 1 (= früher Satz 2) RVO sind die Beiträge in Hundertsteln des Grundlohns Beitragssatz) zu erheben; die Höhe des Beitragssatzes ist in der Satzung zu bestimmen (§ 321 Nr. 3 WICH). Dieser Beitragssatz gilt, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen zuläßt oder vorschreibt, "für alle Versicherten einheitlich" (so schon die Rechtsprechung des ehemaligen Reichsversicherungsamts -RVA-, vgl. RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des RVA, Band II Krankenversicherung, 2. Aufl. 1929, § 385 Anm. 2).
Eine unterschiedliche Beitragsbelastung der einzelnen Versicherten kann sich hiernach, von besonders geregelten Ausnahmen abgesehen, allein aus der Anwendung des (einheitlichen) Beitragssatzes auf die Bemessungsgröße der Beiträge, den Grundlohn, ergeben. Nur ein verschieden hoher Grundlohn, d.h. ein unterschiedliches Einkommen der Versicherten, rechtfertigt also in der Regel eine unterschiedliche Beitragsbelastung. Damit ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten im Recht der Sozialversicherung - wie im Steuerrecht (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 1984, 1 BvL 10/80, Rentenversicherung 1984, 153; ferner Urteil des Senats vom 11. April 1984, 12 RK 55/82) - das entscheidende Kriterium für die Höhe der zu entrichtenden Beiträge. Nach anderen Merkmalen dürfen die Beiträge grundsätzlich nicht differenziert werden, vor allem nicht nach dem voraussichtlichen Leistungsbedarf, mag dieser durch den unterschiedlichen Gesundheitszustand der Versicherten bedingt sein oder aus der Mitversicherung von Familienangehörigen resultieren. Auch ein gesteigerter Leistungsbedarf, der mit dem Familienstand und der Zahl der familienhilfeberechtigten Angehörigen des Versicherten zusammenhängt, soll in der gesetzlichen Krankenversicherung - anders als in der privaten - nicht durch höhere Beiträge der betreffenden Versicherten finanziert, sondern aus Gründen der Solidarität, aller Versicherten von der Versichertengemeinschaft getragen werden (BSGE 37, 127, 129).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die pflichtversicherten, sondern auch für die freiwilligen Mitglieder der Krankenkassen. Auch bei ihnen sind deshalb Beitragsdifferenzierungen nur zulässig, soweit sie das Gesetz ausdrücklich zuläßt oder vorschreibt. Das ist u.a. in § 215 RVO für den Fall geschehen, daß die Krankenkasse in der Satzung den Umfang der zu gewährenden Kassenleistungen entweder auf Sachleistungen oder auf Krankengeld beschränkt; dann sind nach § 215 Abs. 3 RVO die Beiträge entsprechend zu ermäßigen. Eine Beitragsermäßigung für Versicherte ohne Familienangehörige (oder mit Familienangehörigen ohne Familienhilfeanspruch) sieht die RVO dagegen nicht vor, schon gar nicht einen Ausschluß von Familienhilfeleistungen in der Kassensatzung.
Eine Differenzierung nach dem Familienstand war auch nicht nach § 313a RVO a.F. zulässig, der bis Ende Juni 1977 galt und der u.a. der Krankenkasse gestattete, einen Weiterversicherten in eine höhere Beitragsklasse zu versetzen, wenn dessen Beiträge in erheblichem Mißverhältnis zu seinem Gesamteinkommen und zu den ihm im Krankheitsfalle zu gewährenden Krankenkassenleistungen standen (Abs. 1 Satz 2). Durch diese Vorschrift sollte die Krankenkasse davor geschützt werden, daß bemittelte Weiterversicherte niedrige, ihren gegenwärtigen Einkommensverhältnissen nicht entsprechende und nicht kostendeckende Beiträge zahlten und so eine besonders billige Krankenpflege auf Kosten der übrigen Versicherten, namentlich der Pflichtversicherten, erhielten (vgl. Reichstags-Drucksache Nr. 3163, I. Wahlperiode 1920/21, S. 6/7; Stenographischer Bericht von der 149. Sitzung des Reichstages vom 14. Dezember 1921, Verhandlungen des Reichstags Bd 351, S. 5207). Daß die Krankenkassen nach § 313a RVO darüber hinaus die Befugnis haben sollten, bei der Beitragseinstufung der Versicherten danach zu unterscheiden, ob die Versicherten Familienangehörige mit Anspruch auf Familienhilfe hatten oder nicht, läßt sich den Materialien nicht entnehmen. Auf die RVO konnte und kann somit die hier streitige Beitragsdifferenzierung der Beklagten nicht gestützt werden.
Die Festsetzung höherer Beitragssätze für Versicherte mit familienhilfeberechtigten Angehörigen in § 68a der Satzung der Beklagten wird auch nicht durch besonderes, nur in Berlin geltendes Krankenversicherungsrecht gedeckt, insbesondere nicht durch § SKAG Berlin und die darin genannten Vorschriften des BSVAG.
Die abweichende Ansicht des LSG, welches in den §§ 11 und 12 BSVAG eine ausreichende Ermächtigung für die streitige Satzungsbestimmung der Beklagten gesehen hat, ist vom erkennenden Senat voll nachzuprüfen. Die fraglichen Vorschriften des BSVAG sind zwar als solche irrevisibel, da sie vom Berliner Landesgesetzgeber erlassen sind und nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus gelten (§ 162 Sozialgerichtsgesetz -SGG-, BSGE 12, 273). Deshalb ist die Entscheidung des LSG über Bestehen und Inhalt der genannten Vorschriften einschließlich der Entscheidung, wie die in ihnen enthaltenen Ermächtigungen an den Satzungsgeber abzugrenzen. sind, für das Revisionsgericht an sich maßgebend (§ 562 Zivilprozeßordnung -ZPO- i.V.m. § 202 SGG). Das gilt jedoch nicht, soweit die Entscheidung des Berufungsgerichts wiederum vor der Auslegung revisiblen Rechts abhängt. Nachzuprüfen hat das Revisionsgericht insbesondere, ob älteres nicht revisibles Recht durch jüngeres revisibles ersetzt worden ist (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 42. Aufl., § 562, Erl 1; BSGE 3, 77).
Da § 3 SKAG Berlin, der am 1. Januar 1958 in Kraft getreten ist, grundsätzlich das bisherige Berliner Krankenversicherungsrecht durch die entsprechenden Vorschriften der RVO ersetzt hat, soweit das Berliner Recht nicht ausnahmsweise nach § 4 SKAG Berlin weitergilt, ist auch die fragliche Satzungsbestimmung der Beklagten (die, wie ausgeführt, dem Recht der RVO widerspricht) nur gültig, wenn sie nicht gemäß, 3 SKAG Berlin durch das Bundesrecht der RVO verdrängt, sondern nach § 11 SKAG Berlin i.V.m. den darin genannten Vorschriften des BSVAG aufrechterhalten worden ist. Soweit zur Beantwortung dieser Frage der Inhalt der in § 4 SKAG Berlin genannten Vorschriften des BSVAG, insbesondere der Inhalt und die Tragweite der Satzungsermächtigungen in den §§ 11 und 12 BSVAG geklärt werden muß, soweit also die Entscheidung über die Gültigkeit der streitigen Satzungsbestimmung davon abhängt, ob die genannten Vorschriften des BSVAG eine ausreichende Ermächtigung für sie enthalten, muß das Revisionsgericht den Inhalt der Ermächtigung selbst feststellen und die Entscheidung des LSG insoweit nachprüfen. Andernfalls könnte ein Landesgericht nicht nur über den Inhalt landesrechtlicher Normen (hier der §§ 11 und 12 BSVAG) mit bindendem Wirkung für das Revisionsgericht entscheiden, wozu es nach § 562 ZPO befugt ist; vielmehr könnte es, indem es die streitige Satzungsbestimmung der Beklagten auf eine Ermächtigung in den §§ 11 und 12 BSVAG gründet, auch maßgeblich darüber entscheiden, ob die Satzungsbestimmung mit dem Bundesrecht des SKAG Berlin vereinbar ist, was nicht in die Kompetenz eines Landesgerichts fällt. Ebensowenig wie der Berliner Landesgesetzgeber den Norminhalt der §§ 11 und 12 BSVAG nach Erlaß des SKAG Berlin noch erweitern kann - allenfalls könnte er ihn einschränken oder die Vorschriften ganz aufheben, um dadurch das Berliner Landesrecht noch näher an das Bundesrecht heranzuführen -, kann ein Berliner Landesgericht durch eine für das Revisionsgericht maßgebende, ausdehnende Auslegung der genannten Vorschriften mittelbar deren Regelungsinhalt erweitern; das gilt insbesondere für den Inhalt der darin enthaltenen Satzungsermächtigungen. Eine solche Befugnis hat hier im übrigen auch das LSG nicht für sich beansprucht. Vielmehr ist es bei der Zulassung der Revision und nach der dafür gegebenen Begründung ebenfalls davon ausgegangen, daß soweit die Gültigkeit der streitigen Satzungsbestimmung der Beklagten von der Auslegung der §§ 3 und SKAG Berlin abhängt, Fragen des Bundesrechts berührt sind, deren Entscheidung letztlich dem Revisionsgericht obliegt.
Mit dem SKAG Berlin hat der Bundesgesetzgeber das bisher im BSVAG und in der Satzung der Beklagten geregelte - mit dem BSVAG schon teilweise dem Bundesrecht angepaßte - Berliner Krankenversicherungsrecht dem Bundesrecht weiter angeglichen (vgl. die volle Bezeichnung des SKAG Berlin und die Überschrift vor dessen § 3). Demgemäß hat er - als Grundsatz - in § 3 für das Land Berlin die Geltung des Zweiten Buches der RVO, das die Krankenversicherung betrifft, angeordnet. Damit hat er zugleich die vom Bundesrecht abweichenden Vorschriften des BSVAG aufgehoben und durch die entsprechenden Vorschriften der RVO ersetzt, soweit er davon in § 4 SKAG Berlin nicht einzelne, enumerativ aufgeführte Vorschriften des BSVAG ausgenommen hat; von ihnen kommen hier nur die 11 Abs. 1 und 12 in Betracht. Entsprechend dem Ausnahmecharakter dieser Vorschriften ist ihr Anwendungsbereich eng abzugrenzen; im Zweifel hat der Grundsatz der Rechtsangleichung (3 SKAG Berlin) den Vorrang. Das gilt insbesondere für solche Regelungen des Berliner Rechts, die nicht in einer aufrechterhaltenen Vorschrift des BSVAG selbst enthalten sind, sondern auf einer Ermächtigung in einer dieser Vorschriften beruhen.
Insoweit kann schon fraglich sein, ob dem Bundesgesetzgeber bei Erlaß des SKAG Berlin sämtliche, in der umfangreichen Satzung der Beklagten getroffenen, mit dem Bundesrecht nicht übereinstimmenden Satzungsregelungen "bekannt" waren, wie das LSG gemeint hat. Selbst wenn aber eine solche Kenntnis des Bundesgesetzgebers zu unterstellen wäre, kann ein Wille zur Aufrechterhaltung einer vom Bundesrecht abweichenden Satzungsbestimmung der Beklagten jedenfalls dann nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn nicht eindeutig erkennbar ist, daß diese Bestimmung sich auf eine Vorschrift des BSVAG stützt, die in § 4 SKAG Berlin aufrechterhalten worden ist Nur wenn als Ermächtigungsgrundlage der fraglichen Satzungsbestimmung -, allein eine der aufrechterhaltenen Vorschriften des BSVAG in Frage kommt, kante aus der Aufrechterhaltung dieser Vorschrift zugleich der Schluß gezogen werden, daß auch die von ihr ermächtigte Satzungsbestimmung mit aufrechterhalten werden sollte. Kommen dagegen für eine Satzungsbestimmung mehrere Vorschriften des BSVAG als Ermächtigungsnorm in Betracht und sind nicht alle von ihnen in § 4 SKAG Berlin genannt, dann bleibt zweifelhaft, ob der Bundesgesetzgeber die betreffende Satzungsbestimmung hat mit aufrechterhalten wollen. Dies aber ist bei § 68a der Satzung der Beklagten und der darin vorgesehenen Differenzierung der Beiträge nach dem Familienstand der Fall.
Das LSG ist allerdings der Ansicht, daß als Ermächtigung für § 68a der Satzung der Beklagten nur die - in § 4 SKAG Berlin genannten - § 11 Abs. 1 und § 12 BSVAG mit ihren Verweisungen auf eine "nähere Bestimmung der Satzung" in Betracht kämen: Diese Verweisungen könnten sich nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur auf die. Beitragsgestaltung beziehen; denn die materiellen und formellen Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung seien schon in den genannten Vorschriften des BSVAG geregelt gewesen. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Das Gegenteil ergibt sich aus den §§ 11 ff. der Satzung der Beklagten, die in mehrfacher Hinsicht die Regelungen der §§ 11 und 12 BSVAG über die Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung ergänzen.
Fraglich erscheint sogar, ob sich die Ermächtigungen in den genannten, Vorschriften des BSVAG überhaupt auf die Berechnung der Beiträge für freiwillig Versicherte erstrecken. Näher liegt es, die erforderliche Ermächtigung insoweit im Abschnitt III des BSVAG (Aufbringung der Mittel) zu suchen, namentlich in § 16 Abs. 2. Nach dieser - in § 4 SKAG Berlin nicht genannten, also gemäß § 3 SKAG Berlin durch die entsprechende Regelung der RVO ersetzten - Vorschrift war der Beitrag zur Krankenversicherung in Hundertsteln des Entgelts oder Erwerbseinkommens festzusetzen. "Das Nähere regelt die Satzung; sie kann für einzelne Gruppen von Versicherten von der allgemeinen Regelung abweichende Bestimmungen treffen". Für die Annahme der Beklagten, diese Vorschrift habe - wie auch die übrigen Vorschriften im Abschnitt III BSVAG - nur für die Beiträge der Pflichtversicherten Bedeutung gehabt, fehlt ein Anhalt; in § 18 Abs. 3 B, SVAG waren die Versicherungsberechtigten vielmehr ausdrücklich erwähnt.
Kam hiernach als Satzungsermächtigung für die Regelung der Beiträge der freiwilligen Mitglieder der Beklagten bis zum Inkrafttreten des SKAG Berlin (1. Januar 1958) in erster Linie § 16 Abs. 2 BSVAG in Frage, der durch § 4 SKAG Berlin nicht aufrechterhalten worden ist, dann kann ein eindeutiger Wille des Bundesgesetzgebers, die seinerzeit in § 68a der Satzung enthalten gewesene Beitragsdifferenzierung nach dem Familienstand auch über das Jahr 1957 hinaus abweichend vom Bundesrecht weitergelten zu lassen, nicht festgestellt werden.
Die Zweifel werden noch verstärkt durch den Wortlaut des § 4 SKAG Berlin, der vom Bundesrecht abweichende Vorschriften des BSVAG nur "für den Umfang und Logenstand der Versicherung" aufrechterhalten hat. Da nach der Systematik der RVO zum "Umfang" der Versicherung die Torschriften über den Kreis der Versicherten und zum "Gegenstand" der Versicherung die Vorschriften über die zu gewährenden Leistungen gehören (vgl. die Überschriften vor den §§ 165 und 179 RVO), sind nach dem Wortlaut des § 4 SKAG Berlin die Regelungen des BSVAG über die Beitragsberechnung nicht aufrechterhalten worden. Wenn sieh dennoch unter den aufrechterhaltenen Vorschriften auch eine über die Aufbringung der Beiträge befindet (§ 18 Abs. 1 BSVAG), so hängt dies mit der Entstehungsgeschichte des SKAG Berlin zusammen. Die fragliche Vorschrift ist nämlich erst aufgrund eines Änderungsvorschlages des Bundesrates in den § 4 SKAG Berlin eingefügt worden, wobei dann offenbar der Widerspruch zu der bisherigen Fassung des Entwurfs des SKAG Berlin übersehen worden. ist (vgl. BT-Drucks. 11/3127, Anl. 2 und 3, jeweils zu § 4 des Gesetzentwurfes).
Andererseits gibt gerade die Entstehungsgeschichte des SKAG Berlin einen weiteren Hinweis darauf, daß Beitragsbestimmungen der hier streitigen Art durch § 4 SKAG Berlin nicht gedeckt sind. Den Materialien zum Entwurf des SKAG Berlin ist nämlich zu entnehmen, daß nach diesem Gesetz "nur die für den Versicherten günstigeren Bestimmungen des Landes Berlin weiter Geltung haben" sollten (Stellungnahme der Bundesregierung zu einem Änderungsvorschlag. des Bundesrates, der zunächst auch eine den Versicherten ungünstigere Bestimmung, nämlich den früheren § 29 BSVAG, hatte aufrechterhalten wollen, vgl. BT-Drucks. a.a.O., Anl. 3 zu Nr. 3). Der Auffassung der Bundesregierung hat sich später auch der Bundestag angeschlossen und den § 29 BSVAG nicht in den § 4 SKAG Berlin aufgenommen. Das legt den Schluß nahe, daß auch andere Regelungen des früheren Berliner Rechts, die - wie die streitige Satzungsbestimmung - für die Versicherten oder einen erheblichen Teil von ihnen ungünstiger als das Bundesrecht waren, nicht fortgelten sollten.
Ist nach alledem aus § 4 SKAG Berlin ein Wille des Bundesgesetzgebers nicht zweifelsfrei zu erkennen, eine (möglicherweise im früheren Berliner Recht enthalten gewesene) Satzungsermächtigung zu einer nach dem Familienstand differenzierten Bemessung der freiwilligen Beiträge und eine aufgrund einer solchen Ermächtigung erlassene Satzungsbestimmung abweichend vom Bundesrecht aufrechtzuerhalten, sprechen vielmehr umgekehrt gewichtige Gründe für einen gegenteiligen Willen des Bundesgesetzgebers, so muß der Grundsatz der Angleichung des Berliner Rechts an das Bundesrecht (§ 3 SKAG Berlin) den Vorrang haben. Daraus folgt, daß jedenfalls seit dem Inkrafttreten des SKAG Berlin am 1. Januar 1958 Satzungsbestimmungen des fraglichen Inhalts nicht mehr zulässig waren.
Die hier streitige, dem Bundesrecht widersprechende Satzungsbestimmung der Beklagten hat - entgegen ihrer Ansicht - auch keine gewohnheitsrechtliche Geltung erlangt.
Ob Gewohnheitsrecht überhaupt im Widerspruch zum geschriebenen Recht entstehen kann, braucht der Senat - wie schon in einem am 28. Februar 198 entschiedenen Rechtsstreit (12 RK 8/83) - nicht zu entscheiden (vgl. dazu die Hinweise in dem genannten Urteil). Auch wenn die Frage zu bejahen gäre, sind, wie der Senat a.a.O. ausgeführt hat, jedenfalls an den Nachweis von "gesetzesänderndem" Gewohnheitsrecht strenge Anforderungen zu stellen, sowohl was die Dauer der Übung wie die Überzeugung der Beteiligten von ihrer Rechtmäßigkeit betrifft, zumal wenn sich das Gewohnheitsrecht - wie bei einer Beitragsdifferenzierung nach dem Familienstand - zuungunsten der Versicherten oder zumindest eines Teils von ihnen durchsetzen soll. In solchen Fällen ist ein Gewohnheitsrecht nur anzunehmen, wenn aufgrund einer langdauernden, von Rechtsüberzeugung getragenen Übung alle, "die es angeht", darauf vertrauen dürfen, daß auch in Zukunft entsprechend dieser Übung verfahren werde (vgl. dazu besonders BSGE 11, 126, 128; 20, 10, 18; 21, 209, 219). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Fraglich ist schon, ob die streitige, nach den Angaben der Beklagten seit 1951 von ihr praktizierte Beitragsdifferenzierung genügend lange bestanden hat, um eine "langandauernde Übung" annehmen zu können (vgl. Hubmann, JuS 1968, 61, 63, linke Spalte unten, der sogar für einen seit 1931 rechtsirrtümlich angewendeten Rechtssatz. die Bildung von Gewohnheitsrecht verneint). Noch zweifelhafter ist, ob die Anwendung der streitigen Regelung der Beklagten von der Rechtsüberzeugung aller, "die es angeht", getragen war. Solange die Urteile des BSG vom 28. März 1979 über die Unzulässigkeit einer nach dem Familienstand differenzierenden Beitragsberechnung bei nichtversicherungspflichtigen Ersatzkassenmitgliedern (BSGE 48, 134) nicht vorlagen, hatten die von der hier fraglichen Satzungsbestimmung betroffenen Versicherten, insbesondere die von ihr benachteiligten, diese Regelung im wesentlichen hingenommen, ohne daß sich bei ihnen eine Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Regelung, namentlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht, gebildet haben dürfte und - mangels Erkennbarkeit ernstlicher Zweifel - wohl überhaupt hatte bilden können.
Ob schon dies eine für die Entstehung von Gewohnheitsrecht erforderliche Rechtsüberzeugung aller, "die es angeht", ausschließt, kann indessen letztlich offen. bleiben. Im vorliegenden Fall ist nämlich außerdem die besondere Rechtsdualität der streitigen Regelung zu berücksichtigen, auf die sich hier die Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten angewendeten Beitragsdifferenzierung allein hätte gründen können. Da diese Regelung nur in der Satzung der Beklagten enthalten war, die Satzungsautonomie der Beklagten sich aber nur innerhalb der ihr vom staatlichen Gesetzgeber gezogenen Grenzen entfalten kann, muß der Satzungsgeber, der seinen Normsetzungsauftrag irrtümlich überschritten oder falsch ausgelegt hat, seine Normsetzung für die Zukunft ändern können, zumal wenn sich die rechtswidrige Satzungsbestimmung auch zuungunsten von Normadressaten auswirkt. Anderenfalls würde autonomes Recht trotz seines Widerspruchs zu höherrangigem staatlichen Recht weiter angewendet werden, was mit dem Nachrang des autonomen Rechts im Verhältnis zum staatlichen Recht unvereinbar wäre (so schon das angeführte Urteil des Senats vom 28. Februar 1981). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Satzungsgeber den Rechtsirrtum selbst erkannt und dann daraus die entsprechenden Folgerungen gezogen hat (so der Sachverhalt in dem früheren Urteil des Senats) oder ob der Irrtum, wie im vorliegenden Fall, erst im gerichtlichen Verfahren aufgedeckt wird. In beiden Fällen muß eine Korrektur vier gesetzwidrigen Satzungsbestimmung mit Wirkung für die Zukunft möglich sein und darf nicht an einem angeblich entgegenstehenden Gewohnheitsrecht scheitern (vgl. auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., S. 271; danach können partikuläre Gewohnheitsrechte keine größere Kraft haben als die Landesgesetze; sie sind daher ausgeschlossen, wenn sie einem Bundesrechtssatz widerstreiten).
Fehlt sonach der fraglichen Satzungsbestimmung der Beklagten die rechtliche Grundlage, so ist die auf diese Bestimmung gestützte Beitragsforderung gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Die angefochtenen Bescheide waren daher mit den Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. In welcher Höhe der Kläger nunmehr der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet ist, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Dafür bedarf es zunächst einer Neuregelung der Beiträge durch die Beklagte, die sich im Rahmen der ihr erteilten gesetzlichen Ermächtigung hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen