Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 01.12.1980) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 1. Dezember 1980 wird zurückzugewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Der Kläger ist am 15. Februar 1920 geboren und hat am 26. März 1934 erstmals eine Erwerbstätigkeit (Lehre als Spengler und Installateur) aufgenommen. Bis zu seinem Rentenantrag am 10. Dezember 1979 ist er, abgesehen von Zeiten des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft (Oktober 1939 bis November 1945), insgesamt 235 Monate bei Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen, seit dem 1. Januar 1950 aber nur während der Zeit von November 1967 bis Dezember 1979 (= 146 Monate); vorher – von September 1947 bis Oktober 1967 – hatte er sich als Selbständiger privat versichert. Seit Mai 1980 bezieht er als Schwerbehinderter ein vorgezogenes Altersruhegeld aus der Arbeiterrentenversicherung in Höhe von ursprünglich 1.128,– DM.
Seine Meldung zur KVdR hat die beklagte Betriebskrankenkasse (BKK), bei der er bis April 1980 als Einrichter der Firma Siemens pflichtversichert war, mit Bescheid vom 29. April 1980 und Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1980 abgelehnt, weil er seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, frühestens seit dem 1. Januar 1950 nicht mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der Reichsversicherungsordnung –RVO– i.d.F. des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes –KVKG– vom 27. Juni 1977). Daraufhin hat der Kläger sich bei der Beklagten freiwillig weiterversichert; zu dieser Versicherung erhält er einen Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers.
Das Sozialgericht (SG) hat seine Klage, mit der er beantragt, die genannten Bescheide der Beklagten aufzuheben und diese zu verurteilen, ihn beitragsfrei als krankenversicherungspflichtigen Rentner aufzunehmen, als unbegründet abgewiesen. Es hat – ebenso wie die Beklagte – die in § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO geforderte Vorversicherungszeit nicht für erfüllt gehalten; statt 15 Jahren sei der Kläger seit 1950 nur 12 Jahre und 2 Monate bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen. Die genannte Vorschrift sei auch nicht verfassungswidrig: Sie verstoße weder gegen das Sozialstaatsprinzip noch enthalte sie eine unzulässige (unechte) Rückwirkung; der Kläger habe angesichts der seit 1941 „höchst unterschiedlich geregelten” KVdR nicht darauf vertrauen können, daß die erst seit 1970 geltende beitragsfreie Versicherung der Rentner bis zur Stellung seines Rentenantrages fortbestehen würde. Es sei auch nicht willkürlich, wenn das KVKG Personen wegen Nichterfüllung der Vorversicherungszeit von der KVdR ausschließe, die, wie der Kläger, bei Hinzurechnung ihrer Kriegsdienstzeit und Kriegsgefangenschaft für mehr als die Hälfte ihres Erwerbslebens Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichtet hätten; im Einzelfall auftretende Härten müßten hingenommen werden, die im Gesetzgebungsverfahren für die Nichtanrechnung der vor 1950 zurückgelegten Zeiten angeführten Gründe (Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität) seien allerdings nicht überzeugend. Schließlich werde durch den Ausschluß des Klägers von der KVdR kein nach Art. 14 des Grundgesetzes (GG) geschütztes Eigentumsrecht des Klägers verletzt; der Kläger habe keine eigenen Geldmittel für die KVdR aufgewendet und vor der Neuregelung nur „sehr Ungewisse Aussichten” auf eine kostenfreie Krankenversicherung als Rentner gehabt. Die durch das Rentenreformgesetz von 1972 geschaffenen Versicherungsmöglichkeiten hätten für ihn keine Bedeutung gehabt (Urteil vom 1. Dezember 1980).
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er hält die Neuregelung der KVdR durch das KVKG aus mehreren Gründen für verfassungswidrig: Der vom Gesetzgeber gewählte Anfangstermin für die Berechnung der Vorversicherungszeiten (1. Januar 1950) sei willkürlich festgesetzt; dadurch würden besonders Kriegsteilnehmer wie er ohne sachlich einleuchtenden Grund benachteiligt; Schwierigkeiten beim Nachweis von früheren Versicherungszeiten, die für die Wahl des genannten Termins angeführt worden seien, ließen sich überwinden, mindestens hätte eine Übergangslösung für Härtefälle getroffen werden müssen. Unbegründet sei es auch, Personen wie ihn wegen nicht ausreichender Beteiligung am Solidarausgleich der Krankenversicherung von der KVdR auszuschließen; er habe durch seine Beiträge zur Rentenversicherung zu diesem Ausgleich beigetragen. Die Neuregelung verstoße ferner gegen das Gebot der Rechtssicherheit, das für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeute; insoweit habe er im Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung „ganz erhebliche Eigenleistungen in Form von Sozialversicherungsbeiträgen” erbracht. Durch den Ausschluß aus der KVdR werde sein Alterseinkommen gemindert. Dieser Ausschluß verletze auch eine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) als Eigentum geschützte Rechtsposition, nämlich seinen Anspruch auf kostenlose Krankenversicherung als Rentner, den er durch Beitragsleistungen zur Rentenversicherung „erkauft” habe und der ihm unter Nichtbeachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genommen worden sei.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt die Zurückweisung der Revision.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, daß er nach seinem Ausscheiden aus der Versicherungspflichtigen Beschäftigung Ende April 1980 nicht aufgrund des Rentenantrags vom 10. Dezember 1979 bei der beklagten Krankenkasse Mitglied der KVdR geworden ist.
Nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO i.d.F. des KVKG, die seit dem 1. Juli 1977 gilt, sind kraft Gesetzes krankenversichert:
Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter
oder der Rentenversicherung der Angestellten erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn
- sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1. Januar 1950 bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung waren oder mit einem Mitglied verheiratet und nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig waren oder
- sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, zu den in § 1 oder § 17 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes Genannten gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Rentenantragstellung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt haben.
Von diesen Vorschriften kommt für den Kläger nur die in Buchst. a in Betracht und von ihr nur der Fall, daß der Rentenantragsteller selbst „seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1. Januar 1950 bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung” war. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht; denn er war während des für ihn maßgebenden Zeitraums (1. Januar 1950 bis zum Rentenantrag am 10. Dezember 1979) nicht mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung. Wie das SG unangefochten festgestellt hat, war er in der fraglichen Zeitspanne von fast 30 Jahren nur von November 1967 bis Ende 1979, d.h. 12 Jahre und 2 Monate, bei einer gesetzlichen Krankenkasse oder Ersatzkasse versichert.
Auch die Übergangsvorschrift in Art. 2 § 1 Abs. 1 des KVKG ist auf ihn nicht anwendbar. Danach „gilt” als versichert nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO, wer wegen des Inkrafttretens des KVKG nicht mehr nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO versichert ist oder wer bis zum 30. Juni 1978 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt, solange er die Rente bezieht. „Nicht mehr” nach der genannten Vorschrift versichert ist wegen des Inkrafttretens des KVKG nur derjenige, der bis zum Inkrafttreten des KVKG am 1. Juli 1977 als Rentner krankenversichert war und es seitdem nicht mehr ist, was für den Kläger nicht zutrifft. Auch der zweite Fall der Übergangsvorschrift – Rentenantrag bis zum 30. Juni 1978 – liegt bei ihm nicht vor.
Die hiernach im Falle des Klägers anzuwendende, in ihren Voraussetzungen von ihm aber nicht erfüllte Vorschrift in § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO n.F. ist entgegen seiner Ansicht auch verfassungsmäßig. Sie verstößt weder gegen das Willkürverbot des Gleichheitssatzes in Art. 3 GG noch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG; sie verletzt auch keine Grundsätze des Rechts- und des Sozialstaats.
Daß nach der genannten Vorschrift der Zeitraum, innerhalb dessen mindestens zur Hälfte eine Mitgliedschaft (Versicherung) bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden haben muß, „frühestens” seit dem 1. Januar 1950 gerechnet wird, so daß davor liegende Zeiten einer Erwerbstätigkeit und einer Versicherung außer Betracht bleiben, ist mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) vereinbar, stellt insbesondere keine willkürlich ungleiche Regelung wesentlich gleicher Sachverhalte dar. Der Regierungsentwurf des KVKG (BT-Drucks 8/166) hatte den Beginn der genannten Rahmenfrist stets vom 1. Januar 1950 an berechnen wollen, die Möglichkeit einer Berechnung von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an also noch nicht vorgesehen, und in jedem Falle eine mindestens 20jährige Versicherungszeit gefordert (a.a.O. S 4, 24). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist dann – einer Anregung des Bundesrates folgend – „grundsätzlich” die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum maßgebenden Zeitpunkt bestimmt worden; „aus verwaltungs- und beweistechnischen Gründen werden vor 1950 liegende Zeiten der Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt” (BT-Drucks 8/338, S 60, zu Art. 1 § 1 Nr. 1). Damit sind die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der KVdR gegenüber dem Regierungsentwurf wesentlich gemildert worden; insbesondere braucht der Rentenantragsteller nicht mehr mindestens 20 Jahre Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung nachzuweisen. Es genügt vielmehr auch eine kürzere, u.U. sogar eine sehr kurze Versicherungszeit, sofern sie nur die Hälfte der Zeit seit Aufnahme der ersten Erwerbstätigkeit ausmacht.
Was die Begrenzung der Rahmenfrist auf („frühestens”) den 1. Januar 1950 und die entsprechende Beschränkung der anrechenbaren Versicherungszeiten auf die seit 1950 zurückgelegten betrifft, so wirkt sich diese Regelung nur noch für eine Übergangszeit aus, solange nämlich Rentenantragsteller bereits vor 1950 erwerbstätig und versichert gewesen sind. Daß diese weit zurückliegenden Zeiten nicht berücksichtigt werden, ist nach den genannten Gesetzesmaterialien „aus verwaltungs- und beweistechnischen Gründen” bestimmt worden. Eine nähere Erläuterung dieser Gründe fehlt. Die fragliche Ausnahme erscheint jedoch gerechtfertigt, wenn man bedenkt, daß eine Mitgliedschaft bei einem Träger der Krankenversicherung häufig nur aus dessen Unterlagen festgestellt werden kann, daß aber solche Unterlagen aus der Kriegs- und Vorkriegszeit, u.U. auch aus den ersten Nachkriegsjahren, aus zeitbedingten Gründen oft nicht mehr vorhanden sein werden. Die Möglichkeit der Wiederherstellung eines Versicherungsverlaufs für diese Zeiten würde daher nicht selten vom Zufall abhängen und einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern. Ähnliches gilt für den Nachweis einer Erwerbstätigkeit aus den Unterlagen von Arbeitgebern. Die Regelung des Gesetzes, Tätigkeits- und. Versicherungszeiten vor dem Jahre 1950 unberücksichtigt zu lassen, kann deshalb nicht als willkürlich angesehen werden, so daß aus diesem Grunde eine Verletzung des Gleichheitssatzes entfällt.
Die Neuregelung der KVdR durch das KVKG hat auch kein nach Art. 14 GG geschütztes Eigentumsrecht des Klägers verletzt. Ob er bei Inkrafttreten des KVKG am 1. Juli 1977 eine „Anwartschaft” auf eine beitragsfreie Mitgliedschaft in der KVdR besaß, läßt der Senat offen. Den Feststellungen des SG ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger schon damals mit den für ihn entrichteten Beiträgen die Wartezeiten für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder für ein Altersruhegeld zurückgelegt hatte; jedenfalls nach Erfüllung dieser Wartezeiten hätte er, da die Gewährung einer der genannten Renten dann nur noch vom Eintritt des Versicherungsfalles abhing, eine Anwartschaft auf eine Rente besessen (zu dem inzwischen auch in die Gesetzessprache eingegangenen Begriff der „Rentenanwartschaften” vgl §§ 1304 ff RVO = §§ 83 ff AVG, ferner § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–, wo der Begriff sogar auf „Anwartschaften” vor Erfüllung der Wartezeit ausgedehnt ist, § 1587 a Abs. 7 Satz 1 BGB; zur Rechtsqualität von sozialen Anwartschaften vgl auch Stober in: Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz sozialer Rechtspositionen, 2. Sozialrechtslehrertagung Bielefeld 1982, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes Bd. XXIII, S 26 ff, und Rüfner ebenda S 180 ff). Entsprechende Anwartschaften könnte der Kläger auf sonstige Leistungen der Rentenversicherung gehabt haben, zu denen nach § 12 AVG u.a. Beiträge für die KVdR gehören. Dies legt es nahe, auch seine Aussicht, Mitglied der KVdR zu werden – die Mitgliedschaft erforderte nach früherem Recht (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO i.d.F. des Finanzänderungsgesetzes vom 21. Dezember 1967) lediglich die Erfüllung der Voraussetzungen für den Bezug einer Rente und deren Beantragung – als ein Anwartschaftsrecht im weiteren Sinne anzusehen, sobald alle Rentenbezugsvoraussetzungen, abgesehen vom Eintritt des Versicherungsfalls, erfüllt waren. Die Frage braucht hier indessen nicht abschließend entschieden zu werden, weil auch bei Annahme eines solchen Anwartschaftsrechts dessen Aufhebung bzw Umgestaltung durch das KVKG nicht verfassungswidrig war.
Durch die neuere Rechtsprechung des BVerfG ist geklärt, daß das nach Art. 14 GG gewährleistete „Eigentum” nicht nur private Rechte und Rechtsstellungen, sondern auch im öffentlichen Recht wurzelnde Rechtspositionen umfaßt, sofern sie ihrer Funktion nach dem privaten Eigentum entsprechen; dabei sind Rechtspositionen aus dem Recht der Sozialversicherung nicht ausgenommen (für Renten und Rentenanwartschaften vgl BVerfGE 53, 257, 289 ff; 55, 114, 131; 58, 81, 109 f). Bei der inhaltlichen Ausgestaltung oder nachträglichen Umgestaltung von solchen öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen hat der Gesetzgeber allerdings einen erheblichen Entscheidungsspielraum (BVerfG a.a.O.). Das gilt besonders dann, wenn die Rechtspositionen ganz oder teilweise nicht auf eigener Leistung (auf persönlichem Arbeits- und/oder Kapitaleinsatz) beruhen, sondern den Berechtigten aus Gründen staatlicher Fürsorge gewährt worden sind. Jedenfalls in diesen Fällen muß es dem Gesetzgeber erlaubt sein, wenn und soweit es das öffentliche Interesse, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Regelungssystems erfordert, eine unter anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen gewährte Vergünstigung wieder einzuschränken oder zurückzunehmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Dabei ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und sind die Interessen der bisher begünstigt gewesenen Bürger, vor allem ihr Vertrauen auf den Fortbestand von ihnen verliehenen Rechtspositionen, gebührend zu berücksichtigen, was namentlich durch schonende Übergangsregelungen geschehen kann. Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl dazu auch Stober und Rüfner a.a.O. S 24 ff und 169 ff, ferner Stolleis und Papier ebenda S 104 ff und 193 ff), hält der Senat die Neuregelung der KVdR durch das KVKG, soweit sie den Kläger betrifft, für unbedenklich.
Eine „Anwartschaft” auf eine von eigener Beitragsleistung freie Krankenversicherung als Rentner, wie sie der Kläger bis zum Inkrafttreten des KVKG am 1. Juli 1977 möglicherweise besaß, konnte für ihn erst durch das Finanzänderungsgesetz 1967 vom 21. Dezember 1967 entstehen; vorher, d.h. unter der Geltung des Gesetzes über KVdR vom 12. Juni 1956, waren nur solche Rentner (Rentenantragsteller) kraft Gesetzes beitragsfrei, die in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Rentenantrags mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen waren (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO i.d.F. des genannten Gesetzes; für Hinterbliebene galt eine im wesentlichen entsprechende Regelung, § 165 Abs. 1 Nr. 4 RVO). Während der Geltung dieser Vorschriften hatte der – erst seit November 1967 bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte – Kläger keine Aussicht gehabt, bei Eintritt eines Rentenversicherungsfalls zugleich mit der Beantragung einer Rente beitragsfrei Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu werden. Andererseits wäre ihm aber schon nach diesem Recht ein – allerdings anders (pauschal) berechneter – Beitragszuschuß gewährt worden (§ 381 Abs. 4 RVO i.d.F. des genannten Gesetzes); ein Recht zum freiwilligen Beitritt zu einer gesetzlichen Krankenkasse hätte er nur gehabt, wenn sein Gesamteinkommen eine bestimmte Höhe nicht überschritten hätte (§ 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO i.d.F. des genannten Gesetzes).
Erst durch das Finanzänderungsgesetz 1967 sind mit Wirkung vom 1. Januar 1968 sämtliche Rentner (Rentenantragsteller) ohne Rücksicht darauf, ob und wie lange sie vorher Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen waren, in die KVdR einbezogen worden (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO i.d.F. von Art. 1 Nr. 1 des Finanzänderungsgesetzes 1967). Bis zum Jahre 1969 hatten sie allerdings als eigenen Beitragsanteil 2 v.H. des Zahlbetrags ihrer Rente selbst zu tragen (§ 381 Abs. 2 Satz 2 RVO i.d.F. von Art. 1 Nr. 14 des Finanzänderungsgesetzes 1967; für Empfänger eines Beitragszuschusses galt eine entsprechende Regelung, § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO; beide Vorschriften wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1970 durch das Gesetz vom 14. April 1970, BGBl. I 337, wieder gestrichen).
Über die Gründe für die Einbeziehung aller Rentner in die – für sie zunächst teilweise, ab 1970 gänzlich beitragsfreie – KVdR geben die Gesetzesmaterialien, abgesehen von einem Hinweis, daß damit ein Vorschlag der Sozialenquete-Kommission verwirklicht werde, wenig Aufschluß (vgl zu BT-Drucks V/2341, S 3, Besonderer Teil, zu Art. 1 § 1 Nr. 01; der Bericht der Sozialenquete-Kommission ist veröffentlicht unter dem Titel: Soziale Sicherung – Sozialenquete – in der Bundesrepublik Deutschland, hier vgl S 244 ff). Wesentlich mitgesprochen hat offenbar die Absicht, Familienangehörige von krankenversicherten Rentnern, die bisher wegen Nichterfüllung der Vorversicherungszeit beitragsfrei mitversichert gewesen waren, zu beitragspflichtigen Mitgliedern der Krankenkassen zu machen, der Krankenversicherung also weitere Beitragszahler zuzuführen (vgl die genannte BT-Drucks a.a.O. und S 7, zu Nr. 6 Buchst. a). Dieses Ziel war mit der Neuregelung der KVdR allerdings nur erreichbar, soweit tatsächlich an die Stelle von bisher beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen selbstversicherte und deshalb beitragszahlende Rentner traten (wobei die Aufteilung der Beitragslast zwischen den Rentnern und den Rentenversicherungsträgern die Krankenkassen nicht berührte). Im übrigen, d.h. soweit bisher nicht mitversichert gewesene Rentner in die KVdR einbezogen wurden, erwuchsen den Krankenkassen damit nur neue Lasten, für die alle anderen Mitglieder der Krankenkassen (Nichtrentner) mit aufkommen mußten, und zwar mit einer vom Gesetzgeber des Jahres 1967 zunächst auf 20 v.H. begrenzten „Interessenquote” (vgl die genannte BT-Drucks S 6 zu Nrn 4 a bis 10 sowie § 393 a RVO i.d.F. von Art. 1 Nr. 16 des Finanzänderungsgesetzes 1967).
Als diese Interessenquote in der Folgezeit – mitbedingt durch die Anfang der 70er Jahre einsetzende, bei den Rentnern anscheinend überproportional hohe Kostenexpansion der Versicherungsleistungen – auf 25 bis 30 v.H. der Leistungsaufwendungen für die Rentner anstieg, obwohl die (nach § 385 Abs. 2 RVO berechneten und schneller als die Renten wachsenden) Beiträge der Rentenversicherungsträger ihren in § 393 a RVO vorgesehenen Anteil an der Rentengesamtsumme von 10,98 vH erheblich überschritten (vgl die Tabelle in BT-Drucks 8/166, S 40; die Überzahlungen der Rentenversicherungsträger sind den Krankenkassen später belassen worden, Art. 2 § 13 KVKG), sah sich der Gesetzgeber im KVKG genötigt, zum Zwecke einer Entlastung der Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger diejenigen Rentner, die während ihres Berufslebens nicht in angemessenem Umfang durch eigene Krankenversicherungsbeiträge zur Deckung des KVdR-Defizits beigetragen hatten, wieder aus der KVdR auszuschließen (vgl BT-Drucks 8/166, S 22 f, Allgemeiner Teil; S 24, Besonderer Teil, zu Art. 1 § 1 Nr. 1). Als eine für die Einbeziehung in die KVdR „angemessene” Versicherungszeit wurde dabei – unter Zusammenfassung mehrerer während des Gesetzgebungsverfahrens gemachter Vorschläge – die Hälfte der Zeit seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angesehen, wobei, wie ausgeführt, aus verwaltungs- und beweistechnischen Gründen Zeiten vor dem 1. Januar 1950 außer Betracht bleiben sollten (BT-Drucks 8/338, S 60, zu Art. 1 § 1 Nr. 1).
Mit dieser Neuabgrenzung des von der KVdR erfaßten Personenkreises wurde im Grundsatz die frühere, vor dem 1. Januar 1968 bestehende Regelung wiederhergestellt, diese jedoch insofern noch erheblich verschärft, als nunmehr nicht schon eine Versicherungszeit von 52 Wochen während der letzten fünf Jahre vor dem Rentenantrag, sondern erst die „Halbdeckung” mit Versicherungszeiten während des gesamten Berufslebens (frühestens ab 1. Januar 1950 gerechnet) ausreicht. Durch eine gleichzeitige Änderung des § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO wurde die beitragsfreie Mitversicherung auf Familienangehörige mit einem bestimmten niedrigen Gesamteinkommen beschränkt; nur solche Personen konnten deshalb nach einem Ausschluß aus der KVdR wieder – wie vor 1968 – als mitversicherte Angehörige von Kassenmitgliedern die Krankenkassen belasten.
Diese Neuregelung der KVdR hält sich nach Ansicht des Senats noch im Rahmen des Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der Bestimmung – auch der Neubestimmung – von Inhalt und Schranken öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen zugestanden werden muß. Entscheidend ist dabei für den Senat die Erwägung, daß das Finanzänderungsgesetz 1967, soweit es Rentner in die KVdR einbezogen hatte, die bisher nicht oder weniger als 52 Wochen in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Rentenantrags bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen waren, ihnen den für sie beitragsfreien KVdR-Schutz ohne ausreichende eigene Vorleistungen – als eine von ihnen nicht „verdiente” Vergünstigung des Gesetzgebers – gewährt hatte. Andererseits lagen nach Ansicht des Senats für die Rücknahme dieser Vergünstigung durch das KVKG hinreichende Gründe vor, insbesondere eine gegenüber dem Jahre 1968 wesentlich verschlechterte Finanzlage der Krankenkassen, die bei einer Fortdauer jener Vergünstigung zu einer in dieser Höhe niemals beabsichtigt gewesenen Mitbelastung der Krankenkassenmitglieder mit den Defiziten der KVdR geführt hätte, ohne daß dies durch einen eigenen früheren Solidarbeitrag der begünstigten Rentner gerechtfertigt gewesen wäre.
Der Senat hat bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, daß den seit dem KVKG aus der KVdR ausgeschlossenen Rentnern wieder – wie früher vor dem 1. Januar 1968 – ein Anspruch auf einen Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers zusteht, der allerdings seit dem 1. Juli 1977 nicht mehr pauschal (in Höhe der durchschnittlich von den Rentenversicherungsträgern für die pflichtversicherten Rentner gezahlten Beiträge), sondern individuell berechnet wird (11 v.H. des jeweiligen Rentenzahlbetrags, § 1304 e RVO = § 83 e AVG i.d.F. des KVKG). Damit fließt den Empfängern eines solchen Beitragszuschusses eine Leistung zu, die sie selbst durch Zahlung von eigenen früheren Rentenversicherungsbeiträgen insofern „vorfinanziert” haben, als der Rentenversicherungsträger früher aus ihren Beiträgen ebenfalls Beiträge zur KVdR und Beitragszuschüsse an andere geleistet hatte. Je größer der dafür abgezweigte (je nach Dauer und Höhe der eigenen Beitragsleistung verschieden hohe) Betrag insgesamt gewesen ist, um so höher ist in der Regel auch ihr späterer eigener Anspruch auf einen Beitragszuschuß. In diesem Sinne hat der Empfänger eines Beitragszuschusses den Anspruch darauf durch eigene Vorleistungen erworben. Das gleiche gilt bei den der KVdR angehörenden Rentnern für den Finanzierungsanteil, der von den Rentenversicherungsträgern an die Krankenkassen abzuführen ist und der seiner Höhe nach dem Beitragszuschuß entspricht. Dieser Anteil ist auch den durch das KVKG aus der KVdR ausgeschlossenen Rentnern in Gestalt eines Anspruchs auf Beitragszuschuß verblieben. Nicht erhalten geblieben ist ihnen allerdings der von der Krankenversicherung zu tragende Finanzierungsanteil der KVdR (die „Interessenquote” der Krankenkassen). Für diesen Anteil haben sie indessen während ihres Berufslebens selbst keine ausreichenden Vorleistungen erbracht, da Krankenversicherungsbeiträge von ihnen entweder überhaupt nicht oder nicht in dem seit dem KVKG geforderten Umfang entrichtet worden sind.
Im übrigen hat der Gesetzgeber den Übergang von der früheren Regelung der KVdR auf die neuen Bestimmungen des KVKG dadurch gemildert, daß er in der schon erwähnten Übergangsvorschrift Rentenantragsteller, die noch bis Juni 1978 eine Rente beantragt hatten, dem alten Recht unterstellt hat. Daß er dabei den Geltungsbereich der Übergangsvorschrift auf ein Jahr beschränkt hat, hält der Senat den Umständen nach für vertretbar. Eine weitere Ausdehnung der Übergangszeit hätte die vom Gesetzgeber mit der Neuregelung der KVdR bezweckte, dringend notwendige Kostenentlastung der Krankenkassen erst nach längerer Zeit wirksam werden lassen.
Der Gesetzgeber des KVKG hat schließlich den nach der Neuregelung der KVdR nicht mehr pflichtversicherten Rentnern unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zum freiwilligen Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung eingeräumt (§ 176 Abs. 1 Nr. 9 RVO i.d.F. des KVKG). Wenn er dabei den Beitritt nur solchen Rentnern gestattet hat, deren Gesamteinkommen unterhalb einer bestimmten Grenze liegt (die der Kläger anscheinend nicht überschreitet), so sind dafür offenbar sozialpolitische Erwägungen maßgebend gewesen (vgl BT-Drucks 8/166, S 24, zu § 1 Nr. 3, wo auf die vor 1968 geltende Regelung und damit auf § 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO a.F. hingewiesen worden ist). Eine Erstreckung dieser – „fürsorglich” gewährten – Vergünstigung auf alle seit dem KVKG nicht mehr der KVdR angehörenden Rentner wäre nicht nur mit dem systematischen Grundgedanken des § 176 RVO, der die Versicherungsberechtigung allgemein von einer Einkommensgrenze abhängig macht, unvereinbar gewesen, sondern hätte auch zu einer die Krankenkassen benachteiligenden negativen Risikoauslese führen können, da von der Beitrittsberechtigung eher die schlechten Risiken Gebrauch gemacht hätten, insbesondere Rentner mit familienhilfeberechtigten Angehörigen, was wiederum die beabsichtigte Kostenentlastung der Krankenkassen gefährdet hätte. Dieser Nachteil wäre für die Krankenkassen auch dadurch nicht oder mindestens nicht voll ausgeglichen worden, daß sie von den freiwillig beigetretenen Rentnern Beiträge auch von den neben der Rente bezogenen „sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt” erheben können (§ 180 Abs. 4 RVO i.d.F. des KVKG, für die Zeit ab 1. Januar 1983 ersetzt durch die Vorschriften in § 180 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 und 6 RVO i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 vom 1. Dezember 1981, BGBl. I 1205).
Hat somit die vom Kläger beanstandete Neuregelung der KVdR durch das KVKG und der dadurch für ihn bewirkte Ausschluß aus der (z.Z. noch beitragsfreien) KVdR kein nach Art. 14 GG geschütztes, weil durch eigene Leistung erworbenes Anwartschaftsrecht des Klägers verletzt, so gilt das gleiche auch, soweit es sich um eine Verletzung des Rechtsstaats- und des Sozialstaatsprinzips handelt.
Soweit das Rechtsstaatsprinzip und die daraus zu entnehmende Einschränkung für eine „unechte” Rückwirkung von Gesetzen bei Eingriffen des Gesetzgebers in bestehende Rechte und Anwartschaften überhaupt als Prüfungsmaßstab neben Art. 14 GG heranzuziehen ist (vgl dazu BVerfGE 58, 81, 120 f), sind die verfassungsrechtlichen Grenzen gewahrt. Das muß jedenfalls für Fälle wie den des Klägers gelten, der nicht erst aufgrund des Rentenreformgesetzes von 1972 Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hat, um damit einen späteren kostenlosen Krankenversicherungsschutz zu erwerben. Allein eine Erwartung des Klägers, daß die ihn begünstigende Regelung der KVdR durch das Finanzänderungsgesetz 1967 auch unter veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen bestehen bleiben werde, begründete für ihn keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand.
Schließlich war der Gesetzgeber auch durch den Sozialstaatsgrundsatz nicht gehindert, die fragliche Regelung zu treffen. Dieser Grundsatz ließ es nicht nur zulässig, sondern sogar geboten erscheinen, daß zu der 1977 notwendig gewordenen Entlastung der Krankenkassen von ihren Aufwendungen für die KVdR in erster Linie diejenigen herangezogen wurden, die – wie der Kläger – selbst nie oder in nicht ausreichendem Umfange zur Deckung dieser Aufwendungen beigetragen hatten.
Im Falle des Klägers ist im übrigen zu berücksichtigen, daß er durch den Ausschluß aus der KVdR wirtschaftlich im Ergebnis nur insofern betroffen ist, als sein Beitrag zur freiwilligen (Weiter-)Versicherung bei der beklagten Krankenkasse durch den ihm vom Rentenversicherungsträger gezahlten Beitragszuschuß nicht gedeckt wird. Eine Deckungslücke könnte dabei insbesondere dadurch entstanden sein, daß sein Beitragszuschuß nur in Höhe von 11 vH der Rente gezahlt wird, sein Krankenversicherungsbeitrag dagegen nicht nur aus der von ihm bezogenen Rente, sondern auch aus ihm etwa daneben zufließenden sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt berechnet wird (§ 180 Abs. 4 RVO; für die Zeit ab 1. Januar 1983 vgl § 180 Abs. 7 RVO i.d.F. des Gesetzes vom 1. Dezember 1981). Solche sonstigen Einnahmen sind indessen, sofern die Voraussetzungen des § 180 Abs. 5 i.d.F. des genannten Gesetzes vorliegen, seit dem 1. Januar 1983 auch bei den in der KVdR versicherten Rentnern beitragspflichtig, allerdings nur mit dem halben Beitragssatz (§ 385 Abs. 2 a RVO i.d.F. des genannten Gesetzes).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 1523034 |
BSGE, 293 |