Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse. Notwendigkeit der Bezeichnung einer Auffälligkeit zur Einleitung der Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK. Verwirkung des Erstattungsanspruchs einer Krankenkasse bereits vor Ablauf der Verjährung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Einleitung der Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK im Einzelfall ist die Bezeichnung einer Auffälligkeit erforderlich; die Krankenkasse muss also einen konkreten Anfangsverdacht haben, dass die Abrechnung in einem oder mehreren Punkten nicht zutreffend ist (Fortführung von BSG vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 13).
2. Nach dem aus den Grundsätzen von Treu und Glauben entwickelten und daher auch schon vor Einführung des § 275 Abs 1c SGB V geltenden Beschleunigungsgebot kann der Erstattungsanspruch einer Krankenkasse unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bereits vor Ablauf der vierjährigen Verjährung verwirkt sein (Aufgabe von BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R = BSGE 98, 142-151 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1).
3. Zu den Voraussetzungen einer Verwirkung im Einzelfall (hier: Prüfverfahren der Krankenkasse erst dreieinhalb Jahre nach Rechnungslegung).
Leitsatz (redaktionell)
1. In Abgrenzung zur routinemäßigen Stichprobenprüfung nach § 17c KHG von der konkreten Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V liegt eine Auffälligkeit nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht.
2. Ein Krankenhaus ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Korrektur einer fehlerhaften Abrechnung gehindert, wenn dies nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht spätestens bis zum Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres, erfolgt und dafür keine besondere Rechtfertigung besteht.
Normenkette
SGB 5 § 275 Abs. 1 Nr. 1, § 276 Abs. 2 S. 1 Hs. 2, § 275 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 Fassung: 2002-04-23, § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2, § 301 Abs 1, § 69 S 3 Fassung: 2003-11-14; KHG § 17c Abs 4 Fassung: 2002-04-23; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. April 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird für alle Instanzen auf 6597,88 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Krankenkasse nimmt den beklagten Krankenhausträger im Wege der Stufenklage zunächst auf Herausgabe verschiedener Patientenunterlagen an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD BEV) zur Prüfung der angegebenen Hauptdiagnose und des Aufnahmeanlasses und auf der zweiten Stufe entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung ggf auf Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge nebst Zinsen in Anspruch.
Die bei der Klägerin krankenversicherte Patientin M. wurde in der geriatrischen Fachabteilung des von der beklagten Trägergesellschaft betriebenen Krankenhauses in der Zeit vom 2. bis 18.8.2006 vollstationär behandelt. Den hierfür am 22.8.2006 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 6597,88 Euro beglich die Klägerin vollständig. Fast 3½ Jahre später - am 10.2.2010 - beauftragte sie den MD BEV mit einer Rechnungsprüfung im Hinblick auf die Plausibilität der angegebenen Hauptdiagnose und den Aufnahmeanlass. Dieser bat die Beklagte mit Schreiben vom selbigen Tag um kurzfristige Überlassung des Krankenhausentlassungsberichts, der Pflegedokumentation, der Patientenkurve und der Komplexbehandlungsunterlagen. Da die Beklagte hierauf nicht reagierte, wiederholte die Klägerin die Aufforderung, die medizinischen Unterlagen an den MD BEV zu übersenden, und wies ergänzend darauf hin, dass die sechswöchige Ausschlussfrist nach § 275 Abs 1c SGB V erst mit Wirkung vom 1.4.2007 an gelte und die Landesverträge nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V keine Ausschlussfrist vorsähen; daher gelte die vierjährige Verjährungsfrist.
Die Beklagte lehnte die Herausgabe der medizinischen Unterlagen unter Hinweis auf das von der Rechtsprechung des BSG aufgestellte Beschleunigungsgebot ab. Danach müsse die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zeitnah vorgenommen werden. Im nachfolgenden Klageverfahren entgegnete die Klägerin, sie habe im Rahmen einer nachträglichen Rechnungsprüfung Kodierauffälligkeiten festgestellt und sei innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich zur Überprüfung des Leistungsfalls berechtigt.
Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die dagegen erhobene Berufung zurückgewiesen (Gerichtsbescheid des SG vom 10.2.2011, Urteil des LSG vom 18.4.2012): Ein im Wege der Stufenklage erhobener Herausgabeanspruch sei ausgeschlossen, wenn der dadurch zu sichernde Zahlungsanspruch nicht begründet sein könne. Dies sei hier der Fall, denn die Klägerin könne wegen Verletzung ihrer Pflicht zur beschleunigten Behandlung von Abrechnungsfällen keine Einwendungen mehr gegen die Abrechnung der Beklagten vom 22.8.2006 geltend machen. Das Beschleunigungsgebot werde aus dem Treu und Glauben entsprechenden Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme abgeleitet und gelte nicht erst seit der Einfügung des § 275 Abs 1c SGB V im April 2007.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere von § 275 Abs 1 SGB V sowie die fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB iVm dem Beschleunigungsgebot. Da es um die Überprüfung der Plausibilität einer Hauptdiagnose und des Aufnahmeanlasses und damit um die Frage gehe, ob die von der Beklagten festgelegte Diagnose zutreffend kodiert worden sei, könne die Prüfung auch noch geraume Zeit nach Abschluss der stationären Behandlung aufgrund vorliegender Unterlagen und Dokumentationen erfolgen. Die Gefahr einer Verschlechterung der Beweislage des Krankenhausträgers bestehe nicht, wenn es um die Prüfung der korrekten Kodierung gehe. Die Leistungserbringer könnten eine Schlussrechnung nach der Rechtsprechung des BSG noch korrigieren, wenn die Nachforderung den Betrag der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V oder mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes erreiche. Dies müsse nach dem Prinzip der Waffengleichheit auch für die Krankenkassen gelten. Ob diese Werte erreicht würden, könne erst nach Prüfung durch den MD BEV festgestellt werden; hiervon sei aber im Falle einer Korrektur auszugehen. Da es keine landesvertraglichen Ausschlussfristen gebe, sei kein Zeitpunkt erkennbar, ab welchem die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, dass sie - die Klägerin - die Rechnung nicht mehr überprüfe. Ein solches Vertrauen könne sich nicht auf die vorbehaltlose und unverzügliche Zahlung einer Krankenhausabrechnung stützen, da die Krankenkassen hierzu verpflichtet seien. Für eine Rückwirkung der am 1.4.2007 in Kraft getretenen Regelung des § 275 Abs 1c SGB V gebe es keine Anhaltspunkte. Sie habe daher nicht gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme verstoßen und sei nicht mit Einwendungen ausgeschlossen.
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Die Klägerin beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. April 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 10. Februar 2011 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, |
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1. |
den Krankenhausentlassungsbericht, die Pflegedokumentation und die Patientenkurve aus dem stationären Aufenthalt der Patientin M., geboren 1920 , im Zeitraum vom 2. bis 18. August 2006 an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens, Karl-Marx-Allee 90a, 10243 Berlin, herauszugeben sowie |
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2. |
den sich aus dem Ergebnis der Prüfung der unter dem Antrag zu 1. näher bezeichneten Unterlagen durch den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens ergebenden Rückforderungsbetrag nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen. |
Die Beklagte hält die instanzgerichtlichen Entscheidungen für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet, denn sie kann keinen Erstattungsanspruch mehr geltend machen und hat deshalb auch keinen Anspruch auf die Herausgabe von Patientenunterlagen.
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
a) Die Klägerin macht ihr Begehren auf Herausgabe von medizinischen Unterlagen an den MD BEV sowie auf Begleichung etwaiger und sich aus der Begutachtung ergebender Rückforderungsansprüche gegen das beklagte Krankenhaus zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend (stRspr, zur Anwendung des § 54 Abs 5 SGG im Gleichordnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus vgl zB BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 8 mwN).
b) Ebenfalls zutreffend ist der gewählte Weg zur Verfolgung der Ansprüche über die auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO zulässige Stufenklage (so bereits BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12 ff; jetzt auch BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE 112, 141 und SozR 4-2500 § 275 Nr 8 vorgesehen, RdNr 11 f). Soweit die Klägerin noch eine Erstattungsforderung gegenüber der Beklagten geltend machen könnte, ist deren Höhe für sie erst nach Herausgabe der medizinischen Unterlagen des Behandlungsfalls und anschließender Begutachtung durch den MD BEV absehbar. Der als zweite Stufe der Klage bisher unbeziffert gestellte Antrag auf Erstattung einer etwaigen Überzahlung setzt eine Entscheidung über das Herausgabeverlangen voraus und steht daher mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang. Abweichend von § 92 Abs 1 S 1 SGG, wonach die Klage einen bestimmten Antrag enthalten soll, darf in diesem Fall der in seiner Höhe noch nicht feststehende Rückzahlungsanspruch bis zur Entscheidung über den Herausgabeanspruch unbeziffert bleiben. Die Stufenklage ist auch dann zulässig, wenn der Anspruch - wie hier - nicht nur der Höhe, sondern bereits dem Grunde nach ungewiss ist, sofern diese Ungewissheit durch die Tatsachen geklärt werden kann, auf die der Auskunftsanspruch gerichtet ist (vgl BSG Urteil vom 13.11.2012 aaO).
c) Die Klägerin - nicht der MD BEV - ist für die Herausgabeklage zur Prozessführung befugt, weil sie insoweit ein eigenes Recht verfolgt. Ein der Tatsachenermittlung für einen Zahlungsanspruch dienender Herausgabeanspruch stellt, ebenso wie entsprechende Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche nach §§ 259 ff BGB, lediglich einen Hilfsanspruch für den zu sichernden Zahlungsanspruch dar (vgl Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl 2013, § 259 RdNr 7). Er kann daher grundsätzlich nur demjenigen zustehen, der Gläubiger des auf der zweiten Stufe erhobenen Zahlungsanspruchs ist. Dem widerspricht die Regelung des § 276 Abs 2 S 1 SGB V (hier idF durch Art 3 Nr 7 Buchst b Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs über den Schutz der Sozialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften ≪Zweites Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs≫ vom 13.6.1994, BGBl I 1229) nicht, weil dort nur normiert ist, wie der Anspruch zu erfüllen ist, nicht aber, wem der Anspruch materiell-rechtlich zusteht und wie er prozessual geltend zu machen ist (vgl BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 14). Die Vorschrift berechtigt die Krankenkassen, von den Leistungserbringern die direkte Übermittlung von Daten an den MDK zu verlangen, ohne diesem eine "Verfahrensherrschaft" zuzuweisen.
2. Materiell-rechtlich hat die Revision der Klägerin keinen Erfolg, weil der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V nur zweckgebunden zur Prüfung der Abrechnung geltend gemacht werden kann (dazu a) und der von der Klägerin dem MD BEV erteilte Prüfauftrag weder unter inhaltlichen Gesichtspunkten den gesetzlichen Vorgaben genügte (dazu b) noch unter zeitlichen Gesichtspunkten dem sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben entwickelten Beschleunigungsgrundsatz gerecht wurde (dazu c).
a) Nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V sind die Leistungserbringer auf entsprechende Anforderung des MDK verpflichtet, Sozialdaten unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die durch die Krankenkassen nach § 275 Abs 1 bis 3 SGB V veranlasste gutachterliche Stellungnahme oder Prüfung erforderlich ist. Aus der Wendung "soweit … erforderlich" folgt, dass die Anforderung des MDK ausreichend begründet sein muss, damit der Leistungserbringer - hier das Krankenhaus - seine Herausgabepflichten im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht zutreffend einschätzen kann. Die "Übermittlung der Sozialdaten" in diesem Sinne geschieht sodann in der Regel durch die vorübergehende Überlassung von Behandlungsunterlagen. Grundlage der Herausgabepflicht ist die Verpflichtung der Krankenkassen gemäß § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V in der insoweit bis heute unveränderten Fassung des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz - FPG) vom 23.4.2002 (BGBl I 1412), bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen, wenn dies nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist.
b) Voraussetzung des Herausgabeanspruchs nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V ist die Erteilung eines von den Vorgaben des § 275 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 SGB V gedeckten Prüfauftrags an den MDK; ein solcher liegt hier nicht vor.
Zu den wechselseitigen Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MDK hat der erkennende Senat ein dreistufiges Prüfschema entwickelt, das inzwischen Gegenstand der ständigen Rechtsprechung ist (BSG Urteil vom 22.4.2009 - B 3 KR 24/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 18; vgl zuletzt BSG Urteil vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R - für SozR 4 vorgesehen): Danach sind zwingend auf der ersten Stufe der Sachverhaltsermittlung zunächst Angaben nach § 301 Abs 1 SGB V zu machen. Hiernach ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung von Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind. Erschließen sich aufgrund dieser Angaben oder eines evtl landesvertraglich vorgesehenen Kurzberichts die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht, hat diese auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V einzuleiten und beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, die auf der Grundlage der der Krankenkasse zur Verfügung stehenden Unterlagen - also insbesondere den Angaben nach § 301 SGB V - sowie ggf vom Versicherten überlassenen medizinischen Befunden zu erstellen ist (§ 276 Abs 1 S 2 SGB V). Lässt sich auch unter Auswertung dieser Sozialdaten ein abschließendes Ergebnis nicht finden, bestehen also weiterhin Zweifel an Notwendigkeit/Dauer der Krankenhausbehandlung oder liegen Auffälligkeiten in Bezug auf eine ordnungsgemäße Abrechnung vor, so hat das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung dem MDK gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, soweit sie im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden. Auf dieser Grundlage ist der MDK ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten beim Krankenhaus anzufordern (vgl BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 12 Nr 3); das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, weil in einem solchen Fall allein durch die Angaben gemäß § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder anderer Fragen der Abrechnung nicht möglich ist.
Diese Mitwirkungspflicht des Krankenhauses entfällt indes, wenn die Krankenkasse die Vorgaben zur Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V (idF des Art 1 Nr 6b FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) nicht eingehalten hat. In dieser Vorschrift sind zwei eigenständige Prüftatbestände miteinander verbunden - nach Halbsatz 1 die Prüfung bei der Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von deren Voraussetzungen, Art und Umfang (vor allem primäre und sekundäre Fehlbelegung), und nach Halbsatz 2 die Abrechnungsprüfung, also die Prüfung einer vom Krankenhaus bereits erteilten Zwischen- oder Schlussrechnung. Dieser letztere Prüftatbestand fehlte in der Ursprungsfassung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V und ist erst durch das FPG mit Wirkung zum 1.1.2003 eingefügt worden. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 14/7862) heißt es dazu, dass das Verfahren ausdrücklich auf Fälle begrenzt wird, in denen die Krankenkassen einen Anfangsverdacht haben. Der erkennende Senat hat daraus seinerzeit gefolgert, dass durch das Tatbestandsmerkmal der "Auffälligkeiten" eine Abgrenzung der routinemäßigen Stichprobenprüfung nach § 17c KHG (hier anwendbar ebenfalls idF des FPG vom 23.4.2002) von der konkreten Einzelfallprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V erfolgt ist und eine Auffälligkeit nur dann vorliegt, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN). Der 1. Senat des BSG ist dem gefolgt und hat das Bestehen von Auffälligkeiten immer dann angenommen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen konkrete Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht bewerten kann (vgl Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE 112, 141 und SozR 4-2500 § 275 Nr 8 vorgesehen, RdNr 18). Der 3. Senat hat dies dahingehend konkretisiert, dass der Anwendungsbereich der Einzelfallprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 SGB V - soweit also die Rechnungsprüfung in Rede steht - auf solche Anlässe beschränkt ist, die durch "Auffälligkeiten" gekennzeichnet sind; diese hat die Krankenkasse im Zweifelsfall zu belegen (Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 275 Nr 9 vorgesehen, RdNr 23). Liegt keine Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne vor, kann und muss der MDK bei einem solchen, auf bloß vermeintliche Auffälligkeiten gestützten Auftrag die Krankenkasse hierauf verweisen und den Auftrag ggf ablehnen. Das Krankenhaus darf die Herausgabe von dennoch angeforderten Krankenbehandlungsunterlagen, die über das für die Abrechnung Erforderliche (vgl § 301 SGB V) hinausgehen, unter Hinweis auf das Fehlen von Auffälligkeiten verweigern.
Auch wenn § 17c KHG durch Art 5c des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013 (BGBl I 2423) mit Wirkung zum 1.8.2013 eine andere Ausgestaltung erhalten hat, ergeben sich gleichwohl aus der früheren Abgrenzung zur - routinemäßigen - Stichprobenprüfung nach § 17c KHG aF weiterhin gerade die Anforderungen, die an das Merkmal der Einzelfallauffälligkeit zu stellen sind. Denn die für Stichprobenprüfungen früher vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands - beispielsweise das pauschalierte Ausgleichsverfahren, das die Vertragsparteien nach § 18 Abs 2 KHG vereinbaren sollen, wenn bei einer Stichprobe Fehlabrechnungen festgestellt werden, um eine Erstattung oder Nachzahlung in jedem Einzelfall zu vermeiden (§ 17c Abs 3 S 3 KHG aF) oder die Anrufung eines Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs 4 KHG aF - dürfen nicht durch die Ausweitung von Einzelfallprüfungen nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V ausgehebelt werden. Überprüfungen von Stichproben bezogen sich nach § 17c Abs 2 S 3 KHG aF auf bestimmte Organisationseinheiten sowie bestimmte Diagnosen, Prozeduren und Entgelte. Daraus folgt bereits, dass regelmäßig zB eine bestimmte Diagnose oder Prozedur allein noch keine Auffälligkeit zur Einzelfallprüfung bietet, die die Krankenkasse zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung durch den MDK im Einzelfall berechtigt und verpflichtet. Hinzukommen muss weiterhin, dass beispielsweise aufgrund der Diagnose die Dauer der Krankenhausbehandlung Fragen aufwirft oder sich die Frage nach einer ambulanten Behandlungsmöglichkeit stellt. Das BSG ist in der Vergangenheit von einer Auffälligkeit iS des § 275 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 SGB V dann ausgegangen, wenn ein Versicherter an einem Montagmorgen entlassen wurde (BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 32 f; SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 21), wenn die Kodierung der Hauptdiagnose (anhand der anderen Angaben nach § 301 SGB V) unschlüssig erschien (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 14 f) oder wenn der Versicherte am Tag nach seiner Entlassung innerhalb der oberen Grenzverweildauer erneut stationär aufgenommen werden musste (Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE 112, 141 und SozR 4-2500 § 275 Nr 8 vorgesehen, RdNr 21). Ebenso wurde die Durchführung einer Koronarangiographie als "auffällig" angesehen, wenn dies auch ambulant hätte geschehen können - vorausgesetzt, die Krankenkasse hatte sich zuvor ärztlich beraten lassen (BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 31). Eine Auffälligkeit wurde hingegen als fernliegend angesehen, wenn die Rechnungsprüfung nur mit der Schwere der Erkrankung und einem latent suizidalen Zustand begründet wird (BSG Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 275 Nr 9 vorgesehen, RdNr 23). Zudem hat der Senat erst kürzlich noch darauf hingewiesen, dass eine Krankenhausbehandlung nicht allein deshalb "auffällig" ist, weil sie sich zeitlich innerhalb der Grenzverweildauer hält (BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - für BSGE und SozR 4 vorgesehen).
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Diesen spezifischen Anforderungen genügt der Prüfauftrag der Klägerin an den MD BEV nicht. Weder die Klägerin selbst noch der MD BEV haben eine konkrete Frage zur Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes aufgestellt. Die Abrechnung der Beklagten weist aus sich heraus keine "Auffälligkeiten" in dem oben genannten Sinn auf. Weitere verwertbare Informationen standen der Klägerin nicht zur Verfügung und liegen bis heute nicht vor. Die Beklagte hatte die DRG-FP B44A (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems mit schwerer motorischer Funktionseinschränkung) auf der Basis folgender erhobener Diagnosen abgerechnet: |
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F01.3 |
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Gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz |
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F13.2 |
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Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika: Abhängigkeitssyndrom |
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F32.2 |
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Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome |
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K59.0 |
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Obstipation |
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M62.30 |
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Immobilitätssyndrom (paraplegisch): Mehrere Lokalisationen |
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M81.98 |
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Osteoporose, nicht näher bezeichnet: … |
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U50.40 |
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Schwere motorische Funktionseinschränkung: Barthel-Index: 20-35 Punkte. |
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Das ist zunächst in sich schlüssig und birgt keine Auffälligkeiten. Gleichwohl stellte die Klägerin ohne Angabe von Gründen die Plausibilität der angegebenen Hauptdiagnose und des Aufnahmeanlasses in Frage und beauftragte den MD BEV mit einer entsprechenden Fragestellung. Sie hat selbst hierzu lediglich pauschal angegeben, sie vermute eine Fehlkodierung wegen eines Verstoßes gegen die Kodiervorgaben, ohne darzulegen, worauf sie diese Vermutung stützt. Der weitere Hinweis der Klägerin, Anlass für die nochmalige Betrachtung verschiedener Abrechnungsfälle sei eine Kassenprüfung durch das Bundesversicherungsamt im Jahr 2006 gewesen, das ihr besondere Schwächen beim Erkennen von Kodierauffälligkeiten nachgewiesen habe, könnte sogar darauf hinweisen, dass bei grundsätzlichen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der hier angegebenen Hauptdiagnose eine Stichprobenprüfung nach § 17c KHG aF hätte durchgeführt werden sollen. Jedenfalls bestand - ohne dass weitere Umstände hinzugetreten wären - kein Anlass für eine Einzelfallprüfung iS von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V.
c) Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V an den MD BEV scheitert darüber hinaus daran, dass die Prüfung entgegen dem sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergebenden Beschleunigungsgrundsatz erst etwa 3½ Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem Rechnungsausgleich eingeleitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin einen möglichen Erstattungsanspruch wegen überzahlter Krankenhausvergütung bereits verwirkt, sodass die zum Zweck der Einzelfallprüfung iS von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V geforderte Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MD BEV nicht mehr verlangt werden kann.
aa) Wie das LSG festgestellt hat, bestanden im Jahre 2006 zwar weder gesetzlich noch zwischen den Beteiligten vertraglich festgesetzte Fristen zur Überprüfung einer Abrechnung. Insbesondere sehen die Landesverträge nach § 112 Abs 1, 2 Nr 1 SGB V keine Ausschlussfrist vor. Allerdings haben die Krankenkassen nach § 14 Abs 4 des saarländischen Vertrages über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - KBV" vom 10.12.1996 die Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können aber nach § 14 Abs 3 KBV auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden; eine Ausschlussfrist enthält die Vorschrift nicht.
bb) Ebenso wenig sind der von der Klägerin mit der Stufenklage auf der zweiten Stufe geltend gemachte Erstattungsanspruch oder der Herausgabeanspruch selbst verjährt. Nach stRspr des BSG (vgl nur BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25 und SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 18) unterliegen die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und spiegelbildlich dazu auch die auf einer Überzahlung beruhenden Erstattungsansprüche einer Krankenkasse der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährungsfrist von vier Jahren. Für den damit im Zusammenhang stehenden Hilfsanspruch auf Übermittlung von Sozialdaten an den MDK (MD BEV) kann nichts anderes gelten (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 26). Der Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MD BEV ist ebenso wie ein möglicher Erstattungsanspruch der Klägerin mit Eintritt einer ggf erfolgten Überzahlung in der zweiten Jahreshälfte 2006 entstanden, sodass die Verjährungsfrist am 31.12.2006 begann und ihr Ablauf durch die Klageerhebung am 2.11.2010 gehemmt wurde.
cc) Die Korrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse steht jedoch nach stRspr (vgl BSGE 89, 104, 110 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10, 16 - "Berliner Fälle", sowie zB SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 12) unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der über § 69 SGB V (hier § 69 S 3 idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190) auch für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten gilt. Danach ist eine Krankenkasse jedenfalls dann mit Einwendungen gegen eine Schlussrechnung ausgeschlossen, wenn sie die Rechnung zeitnah und vorbehaltlos gezahlt hat, das Prüfverfahren beim MDK ohne nachvollziehbaren Grund aber erst etwa 3½ Jahre nach Rechnungslegung einleitet.
Zu den oa "Berliner Fällen" hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass eine Krankenkasse nach Treu und Glauben mit Einwendungen ausgeschlossen sein kann, wenn sie das zu deren Klärung vorgesehene Verfahren nicht rechtzeitig einleitet (vgl BSGE 89, 104, 110 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10, 16). In der Folgezeit hat der 1. Senat des BSG entschieden, dass ein Krankenhaus nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Korrektur einer fehlerhaften Abrechnung gehindert ist, wenn dies nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht "innerhalb des laufenden Haushaltsjahres" der Krankenkasse, sondern mehr als zwei Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung erfolgt und dafür keine besondere Rechtfertigung besteht (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19). Zur Begründung ist darauf verwiesen worden, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten und ihnen die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig sind; in diesem Rahmen sei von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (BSG aaO RdNr 16). Der erkennende 3. Senat hat eine Rechnungskorrektur durch ein Krankenhaus außerhalb von sechs Wochen nach Erteilung der Schlussrechnung - abgesehen von offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern - nach Treu und Glauben immer dann für zulässig erachtet, wenn die Nachforderung über 100 Euro (ab 25.3.2009: 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5% des Ausgangsrechnungswertes erreicht (BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20). Beide Senate haben ihre Rechtsprechung in den Entscheidungen vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 27 ≪vorgesehen≫) und vom 22.11.2012 (B 3 KR 1/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 28 ≪vorgesehen≫) fortgeführt, wobei der 1. Senat nunmehr auf das Überschreiten eines "vollen Geschäftsjahres" abgestellt hat: Fordert ein Krankenhaus nach Ablauf von mehr als einem vollen Geschäftsjahr wegen Unvollständigkeit seiner plausiblen Schlussrechnung von der Krankenkasse für die Behandlung eines Versicherten eine weitere Vergütung, verstößt dies regelmäßig gegen Treu und Glauben (Leitsatz B 1 KR 6/12 R). Der 3. Senat hat im Urteil vom 22.11.2012 (aaO RdNr 17 ff) die gemeinsame Linie beider Senate ausführlich dargestellt und konkretisiert: Danach ist eine Nachberechnung seitens des Krankenhauses in den Grenzen "100 Euro (ab 25.3.2009: 300 Euro) und zudem mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes" auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt zwar prinzipiell bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist denkbar (zB bei offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern), allerdings darf das Vorgehen des Krankenhauses dabei nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Dies wäre zB der Fall bei einer regelmäßigen, systematischen Rechnungsoptimierung (zB mehr als 10 % des Erlösbudgets) oder wenn dem Anspruch des Krankenhauses das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegensteht. Vom Grundsatz her hat sich der erkennende Senat also dem 1. Senat des BSG angeschlossen, wobei der zeitliche Rahmen für zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle nicht anhand des laufenden Haushalts- oder Geschäftsjahres bestimmt, sondern generell das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres als äußerster Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten festgelegt wird. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel - also von begründeten Ausnahmefällen abgesehen - nach Treu und Glauben verwirkt. Den Krankenhäusern ist zuzumuten, die Kontrollen der abgerechneten Behandlungsfälle innerhalb dieser Frist durchzuführen, und die Krankenkassen müssen sich darauf verlassen können, dass alle abgerechneten Behandlungsfälle nach dem Ende des jeweiligen Folgejahres nicht wieder aufgerollt werden - soweit es nicht um offensichtliche Schreib- und Rechenfehler oder um Schlussrechnungen mit zulässigem Nachforderungsvorbehalt geht (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 19; vgl aber auch BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 21 aE ).
Die aufgezeigten Zeitgrenzen gelten nicht nur für Nachforderungen der Krankenhäuser, sondern auch für mögliche Erstattungsverlangen der Krankenkassen. Wenn die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt, so muss das naturgemäß auch für nachträglich geltend gemachte Ansprüche der Krankenkassen gelten ("Prinzip der Waffengleichheit"). Das vom Senat immer wieder betonte Beschleunigungsgebot in Abrechnungsverfahren gilt nicht erst seit Inkrafttreten des § 275 Abs 1c SGB V zum 1.4.2007; mit dieser Vorschrift ist lediglich eine Präzisierung für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch den MDK vorgenommen worden. Der Gesetzgeber hat auch schon zuvor dem Interesse der Krankenhäuser nach möglichst zügiger Entlohnung für erbrachte Leistungen Rechnung getragen, indem er ihnen zB bei längerem Krankenhausaufenthalt eines Versicherten das Recht auf eine Abschlagszahlung (§ 8 Abs 7 S 2 KHEntgG) eingeräumt hat. Zudem ist die Pflicht zur beschleunigten Rechnungsbegleichung allen landesvertraglichen Abrechnungsbestimmungen immanent. So ist nach dem hier maßgeblichen saarländischen Landesvertrag der Rechnungssatz in der Regel einmal pro Kalenderwoche an die Krankenkasse oder die von der Krankenkasse benannte Stelle zu übermitteln (§ 14 Abs 1 KBV); entsprechendes gilt für den Zahlungssatz der Krankenkasse oder der von ihr benannten Stelle (§ 14 Abs 2 KBV). Vor allem hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen (§ 14 Abs 4 KBV).
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Um die Verwirkung eines Rechts anzunehmen, bedarf es dreier Voraussetzungen (stRspr, zuletzt BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE 112, 141 und SozR 4-2500 § 275 Nr 8 vorgesehen, RdNr 37 ff mwN; vgl auch Palandt-Grüneberg, aaO, § 242 RdNr 93 ff mwN): |
Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin die Abrechnung des Krankenhauses schon im Jahre 2006 überprüfen können, alle dafür erforderlichen Informationen lagen ihr vor. In Anbetracht der vierjährigen Verjährungsfrist und der Pflicht zur Beschleunigung aller Abrechnungsverfahren ist ein Abwarten von ca 3½ Jahren deutlich zu lang. |
Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat sich darauf eingestellt, der Berechtigte werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt, weil in der Regel zu erwarten ist, dass Krankenkassen - wie Krankenhäuser - ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Krankenhausabrechnung folgenden Kalenderjahres wahrgenommen haben. Hinweise für einen Ausnahmefall sind weder vorgetragen noch ersichtlich. |
Untätigkeit: Die Klägerin ist in der Tat 3½ Jahre bezüglich der Geltendmachung ihrer Rechte untätig geblieben. |
Damit steht fest, dass das beklagte Krankenhaus im Jahr 2010 nicht mehr mit einer Korrektur der Rechnung vom 22.8.2006 rechnen musste. Sowohl einem potentiellen Erstattungsanspruch als auch dem Herausgabeverlangen stehen mithin der Einwand der Verwirkung entgegen. Die Entscheidung des erkennenden Senats vom 28.2.2007 (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1) zur Frage, in welchem zeitlichen Rahmen die Krankenkasse ein Überprüfungsverfahren einleiten darf und ob ausschließlich auf die vierjährige Verjährung abzustellen ist, ist durch die neuere BSG-Rechtsprechung inzwischen überholt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und § 44 GKG. Bei Stufenklagen der vorliegenden Art ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Vorliegend steht neben dem Herausgabeanspruch auch der Zahlungsanspruch weiter im Streit, über den lediglich wegen der abweisenden Entscheidungen über den Herausgabeanspruch nicht mehr zu entscheiden war. Der von der Klägerin geltend gemachte Rückerstattungsanspruch kann maximal die Höhe der von ihr für die Krankenhausbehandlung entrichteten Vergütung von 6597,88 Euro erreichen, sodass der Streitwert in dieser Höhe festzusetzen ist. Die Korrektur der Streitwertfestsetzung der Instanzgerichte beruht auf § 63 Abs 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 5510025 |
DB 2014, 6 |