Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Schlussrechnung mit ins Auge springendem Korrekturbedarf. kein Eintritt der Verwirkung. Prüftiefe der Krankenhausabrechnung. Nichtigkeit der Zahlungsregelung des § 11 Abs 2 KHBV. Verjährung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt das Krankenhaus der Krankenkasse eine Schlussrechnung mit ins Auge springendem Korrekturbedarf, hindert dies den Eintritt der Verwirkung.
2. Die von der Krankenkasse gewählte Prüftiefe der Krankenhausabrechnung bestimmt, welche Erkenntnisquellen dafür maßgeblich sind, ob ein ins Auge springender Korrekturbedarf der Schlussrechnung besteht.
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsregelung des § 11 Abs 2 KHBV ist nichtig.
2. Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung (vgl zB BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 26/14 R = BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3).
Normenkette
SGB I § 45; SGB V § 69 Abs. 1 S. 3, § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 275 Abs. 1c S. 2, Abs. 5; BGB §§ 139, 242; KHBV § 11 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3184,75 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten L (im Folgenden: Versicherter) stationär vom 26. bis 28.4.2009 wegen einer chronischen Infektion der Herzschrittmachertasche. Sie kodierte ua die Prozeduren nach dem 2009 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-378.26 (Entfernung, Wechsel und Korrektur eines Herzschrittmachers und Defibrillators, Aggregat- und Sondenentfernung, Defibrillator mit biventrikulärer Stimulation) und 5-378.a0 (Einsatz eines Excimer-Lasers) und berechnete hierfür einschließlich Zu- und Abschlägen 5001,43 Euro (Fallpauschale - Diagnosis Related Group 2009 ≪DRG≫ F18A - Revision eines Herzschrittmachers oder Kardioverters/Defibrillators ≪AICD≫ ohne Aggregatwechsel, Alter ≪ 16 Jahre oder mit äußerst schweren CC, mit komplexem Eingriff - iHv 8933,13 Euro; Verlegungsabschlag iHv 4164 Euro; Schlussrechnung vom 11.5.2009). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Klärung der Frage: "War die präoperative Aufnahme medizinisch begründet?" Der MDK verneinte dies. Die Beklagte zahlte daraufhin lediglich 4654,41 Euro. Sie teilte der Klägerin auf ihren Widerspruch mit, sie verbleibe bei ihrer Auffassung (8.6.2010). Die Klägerin erteilte eine neue Schlussrechnung (13.11.2013), mit der sie die Verweildauer um einen Tag kürzte, aber erfolglos ein Zusatzentgelt (ZE) für den Einsatz eines Excimer-Lasers forderte (3190 Euro; insgesamt einschließlich Zu- und Abschlägen 7839,16 Euro; Verlegungsabschlag iHv 4511 Euro). Das SG hat die Klage auf Zahlung weiterer 3184,75 Euro abgewiesen: Die weder im laufenden noch im nachfolgenden vollen Haushaltsjahr geltend gemachte Nachforderung sei verwirkt (Urteil vom 10.4.2017). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Eine KK dürfe auch dann darauf vertrauen, dass das Krankenhaus keine weiteren Nachforderungen erheben werde, wenn sie - wie hier - den MDK mit der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Schlussrechnung beauftragt habe (Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62). Die fehlende Kodierung eines ZE für den Einsatz eines Excimer-Lasers stelle auch keinen offensichtlichen und ins Auge springenden Fehler dar. Ein solcher müsse sich aus der Rechnung selbst ohne Weiteres und auf augenfällige Art und Weise ergeben und nicht erst durch einen Abgleich mit anderen übermittelten Daten (Urteil vom 24.1.2019).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision sinngemäß die Verletzung von § 242 BGB. Die Schlussrechnung sei offensichtlich unschlüssig gewesen. Sie habe in der Entlassungsanzeige die Prozeduren 5-378.26 und 5-378.a0 (Einsatz eines Excimer-Lasers) nach dem 2009 geltenden OPS kodiert. Zudem habe es sich um eine neue Behandlungsmethode gehandelt. Die fehlende Berechnung des ZE hätte der Beklagten daher ins Auge springen müssen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Januar 2019 und des Sozialgerichts Hamburg vom 10. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 3184,75 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozent ab dem 4. Dezember 2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (§ 54 Abs 5 SGG; vgl zB BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 7; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 3184,75 Euro nebst Zinsen. Streitgegenstand ist allein die Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen auf der Grundlage einer um einen Tag gekürzten Verweildauer aber unter Einbeziehung eines ZE für den Einsatz eines Excimer-Lasers gemäß der korrigierten Schlussrechnung vom 13.11.2013. Dieser streitgegenständliche weitere Vergütungsanspruch ist verwirkt. Ein Zinsanspruch ist mangels einer durchsetzbaren Hauptforderung nicht gegeben.
1. Der erkennende Senat muss nicht darüber entscheiden, ob die Beklagte verpflichtet war, für die Krankenhausbehandlung des Versicherten im Zeitraum vom 26. bis zum 28.4.2009 über das bereits Geleistete hinaus ein ZE zu vergüten. Auch wenn die Klägerin aufgrund des Einsatzes eines Excimer-Lasers zunächst einen Anspruch auf Zahlung weiterer 3184,75 Euro gehabt haben sollte, war er jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2010 verwirkt. Die Klägerin war zwar weder durch landesvertragliche Regelungen nach Ablauf von sechs Wochen nach der Erstellung der Schlussrechnung (dazu a) noch wegen Eintritts der Verjährung (dazu b) von der Geltendmachung ihres Restzahlungsanspruchs gegenüber der Beklagten ausgeschlossen. Sie war jedoch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, einen nach Begleichung der Schlussrechnung vom 11.5.2009 verbliebenen zusätzlichen Zahlungsanspruch erst im November 2013 geltend zu machen. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Verwirkung (dazu c) waren im Jahr 2013 trotz der von der Beklagten eingeleiteten Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1, Abs 1c SGB V erfüllt (dazu d).
a) § 11 Abs 2 des Vertrages "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" (§ 112 Abs 1 SGB V zu § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft eV (HKG) und verschiedenen KKn und Landesverbänden von KKn (im Folgenden: KHBV) (zur Verbindlichkeit des Vertrages auch für nicht am Vertragsschluss beteiligte Krankenhäuser und KKn vgl § 112 Abs 2 Satz 2 SGB V sowie BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 RdNr 20) steht der Korrektur der Schlussrechnung nicht entgegen. Die Zahlungsregelung des § 11 Abs 2 KHBV ist nämlich nichtig. Nach dieser Regelung können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung (nur) innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden (Satz 1). Die gleiche, von der Klägerin nicht eingehaltene Frist von sechs Monaten gilt auch für Nachforderungen der Krankenhäuser (Satz 2). Nach der Rspr des erkennenden Senats, die sich zeitlich auf die 2013 eingeklagte Forderung erstreckt, verbietet das Wirtschaftlichkeitsgebot, Überprüfungsmöglichkeiten der KKn gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser über die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben hinaus einzuschränken (BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 35 ff; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 45; zum Ausschluss von Erstattungsansprüchen BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 10 RdNr 20). Um eine solche, die Überprüfungsmöglichkeit der KKn zeitlich einschränkende materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt es sich, wenn Einwendungen rechnerischer und sachlicher Art (auch nach Bezahlung der Rechnung) nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht werden können. Denn KKn sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 2 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 275 Nr 20), ohne dass dem § 275 Abs 1c SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr 185 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378, mWv 1.4.2007) entgegensteht. Der ungenutzte Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V bewirkt schon vom rechtlichen Ansatz her keinen Einwendungsausschluss (BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 39 mwN; BSGE 121, 101 = SozR 4-2500 § 109 Nr 57, RdNr 21). Das Überprüfungsrecht der KKn auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht zudem unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung (BSGE 119, 141 = SozR 4-2500 § 108 Nr 4, RdNr 24 f mwN; vgl zum Ganzen BSGE 121, 101 = SozR 4-2500 § 109 Nr 57, RdNr 10 f).
Die Teilnichtigkeit des § 11 Abs 2 Satz 1 KHBV hat nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB die Gesamtnichtigkeit der Regelung und damit auch die Nichtigkeit des § 11 Abs 2 Satz 2 KHBV zur Folge (vgl hierzu im Einzelnen BSGE 121, 101 = SozR 4-2500 § 109 Nr 57, RdNr 12).
b) Die Nachforderung von Krankenhausvergütung war nach den gesetzlich vorgesehenen Fristen 2013 nicht verjährt. Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung (stRspr; vgl zB BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3, RdNr 44 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 9.4.2019 - B 1 KR 5/19 R - juris RdNr 37, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Dies gilt grundsätzlich auch für eine Nachforderung, die das Krankenhaus geltend macht (BSGE 121, 101 = SozR 4-2500 § 109 Nr 57, RdNr 13). Die Verjährung beginnt entsprechend § 45 Abs 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, und war bei Klageerhebung am 23.12.2013 noch nicht abgelaufen.
c) Innerhalb der Verjährungsfrist richtet sich die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses wegen Behandlung eines Versicherten gemäß dem über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 1e Buchst a Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-OrgWG≫ vom 15.12.2008, BGBl I 2426, mWv 18.12.2008) auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und KKn einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 BGB nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr; vgl zB BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14, RdNr 36; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37; BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3, RdNr 46; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62 RdNr 9 jeweils mwN; vgl auch Hauck, Vertrauensschutz in der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, in Brand/Lembke ≪Hrsg≫, Der CGZP-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, 2012, S 147, 167 f).
Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (stRspr; vgl zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN; BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3, RdNr 45). Als ein Verwirkungsverhalten wertet der erkennende Senat regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entsteht in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der KK geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die KK regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt. Hieran richtet sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nimmt, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und - im Kontext sonstiger streitiger Forderungen - dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 20 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62 RdNr 10 jeweils mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 120 Nr 5 RdNr 33 ff). Ist die Schlussrechnung des Krankenhauses dagegen - in seltenen Ausnahmefällen - offensichtlich unschlüssig, kann eine Rechnungskorrektur auch nach Ablauf eines ganzen folgenden Haushaltsjahres noch nicht verwirkt sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf zugunsten des Krankenhauses besteht, der der KK Anlass gibt, von sich aus hierauf hinzuweisen (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 19; vgl hierzu sogleich II 1 d aa).
Der erkennende Senat berücksichtigt bei dieser Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze der Verwirkung, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten. Weil die KKn auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen sind, müssen sie sich grundsätzlich auf die "Schlussrechnung" eines Krankenhauses schon in ihrem laufenden Haushaltsjahr ("KKn-Haushaltsjahr"; vom Senat auch als Synonyme verwendet: Rechnungsjahr, Geschäftsjahr) verlassen können, in dem die Rechnung gestellt wird. Dies versetzt sie in die Lage, die dem geltenden Haushaltsplan (vgl §§ 67 ff SGB IV) zugrunde liegenden Ausgaben- und Einnahmenerwartungen mit den tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen verlässlich abzugleichen und etwaige auf das folgende Haushaltsjahr zu übertragende Über- oder Unterdeckungen zu erkennen (zu den von den KKn im Rahmen der Umlagefinanzierung zu bildenden Rücklagen vgl § 261 SGB V und BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 1 A 2/19 R - juris, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Das Haushaltsjahr der KKn ist kraft gesetzlicher Anordnung das Kalenderjahr (vgl § 67 Abs 1 SGB IV). Die Krankenhäuser verfügen für die Erteilung einer ordnungsgemäßen, verlässlichen Abrechnung - anders als die KKn - umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten betreffen. Die erforderlichen Informationen betreffen die rechtlichen Vorgaben für die Abrechnung und die tatsächlich erbrachten Leistungen, die abzurechnen sind. Deswegen dürfen die KKn grundsätzlich davon ausgehen, dass einmal gestellte, nicht beanstandete Schlussrechnungen nicht von den Krankenhäusern zu einem Zeitpunkt nachträglich korrigiert und Nachforderungen erhoben werden, der ihre Kalkulationsgrundlagen beeinträchtigt.
Zudem bezieht der erkennende Senat das anzuerkennende Interesse der Krankenhäuser ein, hinsichtlich aller in einem laufenden Haushaltsjahr übermittelten Schlussrechnungen noch effektiv Nachprüfungen in einem angemessenen zeitlichen Rahmen vornehmen zu können. Würde man ausschließlich auf das laufende Haushaltsjahr abstellen, hätte dies zur Folge, dass die Krankenhäuser je später im Jahr Schlussrechnungen erfolgen desto weniger Zeit zur Korrektur hätten. Der vom erkennenden Senat regelmäßig zugrunde gelegte Zeitraum des gerade laufenden und noch des nachfolgenden vollen Haushaltsjahres der KK trägt im Sinne einer praktischen Konkordanz den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen der Beteiligten Rechnung (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 16 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 13 f; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 22 ff).
d) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Klägerin nach Erteilung der Schlussrechnung vom 11.5.2009 mit ihrer Nachforderung vom 13.11.2013 - fast drei Jahre nach Ablauf des auf das laufende Haushaltsjahr 2009 nachfolgenden Haushaltsjahres 2010 - nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Dass sie in der ersten Schlussrechnung einen ausdrücklichen oder auch nur sinngemäßen Vorbehalt erklärt hatte, hat das LSG nicht festgestellt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Bei der fehlenden Kodierung des ZE für den Einsatz eines Excimer-Lasers handelte es sich auch unter Berücksichtigung der gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten (dazu aa) nicht um die Korrektur eines offensichtlichen, ins Auge springenden Fehlers (dazu bb). Die Beklagte durfte auch trotz der Einleitung eines Prüfungsverfahrens darauf vertrauen, dass die Klägerin keine weiteren Nachforderungen erheben würde (dazu cc).
aa) Wie dargelegt können sich die KKn nach der Rspr des erkennenden Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 19) nicht ausnahmslos gegenüber Nachforderungen des Krankenhauses nach Erteilung einer Schlussrechnung auf das Fehlen eines Vorbehalts des Krankenhauses in der Rechnung berufen. Vielmehr gehört es auch zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach Treu und Glauben, dass KKn je nach der Art des Fehlers, etwa bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf zugunsten des Krankenhauses, bereit sein müssen, die Fehler durch das Krankenhaus korrigieren zu lassen. Beispielhaft hat der erkennende Senat den Fall benannt, dass durch einen Dateneingabefehler der Rechnungsbetrag des Krankenhauses sich zB anstelle von (richtig) 15 000 Euro auf lediglich (unrichtig) 150 Euro beläuft. In einem solchen Fall wird das Krankenhaus sogar umgekehrt einen entsprechenden Hinweis des Rechnungsempfängers aus eigenem Antrieb erwarten dürfen (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 19; in der Zielrichtung ähnlich BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 39 ff mwN). Die frühere Rspr des 3. Senats des BSG, nach der weitergehende Einschränkungen einer nachträglichen Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus bestanden (vgl BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20 LS 1 und 2), hat der erkennende 1. Senat dagegen ausdrücklich aufgegeben (vgl BSGE 121, 101 = SozR 4-2500 § 109 Nr 57, LS und RdNr 19).
Die Rspr des erkennenden 1. Senats darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass es Aufgabe der die Krankenhausrechnung prüfenden KK ist, systematisch zugunsten des Krankenhauses ein Medizincontrolling vorzunehmen. Es bleibt der KK im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben überlassen, welche Abrechnung sie in welcher Prüftiefe kontrolliert. Die Abrechnungsprüfung der KK dient dem sparsamen Umgang mit den Mitteln der Beitragszahler: Die KK darf nur berechtigte Forderungen begleichen. Weder das Recht des Krankenhauses, eine Schlussrechnung zu erstellen noch seine Pflicht, der KK die Abrechnungsdaten zu übermitteln (vgl § 301 SGB V), begründen eine Pflicht der KK zu einer Abrechnungsprüfung im Interesse des Krankenhauses. Die von der KK gewählte Prüftiefe der Krankenhausabrechnung bestimmt, welche Erkenntnisquellen für die Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob für die KK ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf der Abrechnung besteht. Prüft die KK lediglich die Schlussrechnung, ohne sie mit den übermittelten Abrechnungsdaten (vgl § 301 SGB V) näher abzugleichen, kann sich ein ins Auge springender Korrekturbedarf nur allein aus der Schlussrechnung ergeben. Bezieht die KK in die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit die übermittelten Abrechnungsdaten (vgl § 301 SGB V) ein, kann sich der Korrekturbedarf aus der Gesamtschau der Rechnung und der Abrechnungsdaten ergeben. Beauftragt die KK den MDK mit der Überprüfung einer Auffälligkeit und informiert der MDK die KK über einen ins Auge springenden Korrekturbedarf, muss die KK diese Information einbeziehen. Der prüfende MDK-Arzt ist berechtigt, solche Erkenntnisse der KK mitzuteilen. Die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (vgl § 275 Abs 5 SGB V). Sie sind damit aber nicht verpflichtet, als Medizincontroller des Krankenhauses tätig zu sein.
Ist der Fehler der Abrechnung für die KK dagegen auch unter Berücksichtigung der übermittelten Daten nicht erkennbar (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 21 - Leistung an verschiedenen Tagen; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 21 - Gabe von Blutkonserven/Plasmapräparaten; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62 RdNr 13 - Kodierung einer neuen Nebendiagnose), scheidet eine Korrektur der Rechnung nach Ablauf des nachfolgenden vollen Haushaltsjahres von vorneherein wegen Verwirkung aus. Die KK verhält sich nicht selbst treuwidrig.
bb) An einem offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf zugunsten der Klägerin fehlt es. Allein die Kodierung des OPS 5-378.a0 für den Einsatz eines Excimer-Lasers ohne Kodierung eines ZE in der Entlassungsanzeige führte nicht dazu, dass die Schlussrechnung vom 11.5.2009 offensichtlich unschlüssig war. Weder hat das LSG festgestellt, dass ein automatischer Datenabgleich zu einer Fehlermeldung geführt hat. Die dahingehende Behauptung der Klägerin im Revisionsverfahren erfüllt schon im Ansatz nicht die Voraussetzungen einer Verfahrensrüge (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Noch stellte eine Divergenz zwischen Rechnung und den nach § 301 SGB V übermittelten Daten einen offensichtlichen Fehler dar, sondern nur ein Aufgreifkriterium für eine weitergehende Prüfung, zu der die Beklagte nicht verpflichtet war. Nicht jede Diskrepanz zwischen Abrechnung und den hierzu übermittelten Daten bewirkt einen Wegfall des Vertrauenstatbestandes. Der Korrekturbedarf muss vielmehr so offensichtlich sein ("ins Auge springen"), dass er auch bei flüchtigem Lesen wahrgenommen wird und keine weitergehenden Überlegungen zu dem Abrechnungsvorgang voraussetzt. Der erkennende Senat berücksichtigt hierbei, dass die den von den Krankenhäusern den KKn zu übermittelnden Daten (§ 301 SGB V) der standardisierten Abrechnung von Krankenhausvergütung als Massenphänomen dienen (vgl BSGE 125, 91 = SozR 4-1500 § 120 Nr 3, RdNr 17). Die übermittelten Informationen - etwa ICD-10-GM-Diagnosen und Prozeduren nach dem OPS - bilden regelmäßig den Behandlungsfall nicht in seinen konkreten Einzelheiten unmittelbar ab oder geben den medizinischen Sachverhalt vollständig wieder. Maßgebliche nach § 301 SGB V zu übermittelnde Behandlungsdaten sind keine Fakten, sondern Ergebnisse rechtlicher Subsumtion. Die verschlüsselten Angaben lassen aus sich heraus vielfach nicht erkennen, welchen konkreten Sachverhalt das Krankenhaus seiner Subsumtion zugrunde gelegt hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 8 RdNr 19). Können die KKn einen Korrekturbedarf nur mithilfe weiterer, über die in der Abrechnung und Datenübermittlung enthaltenen Angaben hinausgehender Kenntnisse oder Informationen erkennen, fehlt es regelmäßig an einer offensichtlich unschlüssigen Rechnung. So liegt es hier. Es bedurfte, um den Abrechnungsfehler der Klägerin zu erkennen, zusätzlicher Kenntnisse, dass zu einer kodierten Prozedur - OPS 5-378.a0 für den Einsatz eines Excimer-Lasers - eine krankenhausindividuelle Vereinbarung eines ZE vorliegt für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB; vgl § 11, § 6 Abs 2 Krankenhausentgeltgesetz iVm § 18 Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz). Es liegt nichts dafür vor, dass der Korrekturbedarf den mit der Prüfung bei der Beklagten Befassten wegen solch spezifischer Kenntnisse ins Auge sprang. Die MDK-Prüfung hat bei der Klägerin selbst denn auch keine Rechnungskorrektur ausgelöst, wie es bei einem offensichtlichen Fehler zu erwarten gewesen wäre, sondern lediglich einen Widerspruch gegen die Abrechnungskürzung um einen Tag. Die KK ist aber nicht verpflichtet, nur möglichen, aber nicht offensichtlichen Fehlern im Interesse des Krankenhauses weiter nachzugehen.
cc) Die Beklagte durfte auch darauf vertrauen, dass die Klägerin keine weiteren Nachforderungen erheben würde, obwohl die Beklagte den MDK mit der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Schlussrechnung vom 11.5.2009 beauftragte, die Aufnahme des Versicherten bereits am 26.4.2009 für unwirtschaftlich hielt und Teilerstattung forderte. Die Beklagte zog damit nicht die Richtigkeit der Kodierung in Zweifel, sondern machte ein wirtschaftliches Alternativverhalten, eine kürzere Behandlungszeit geltend. Leitet eine KK eine Auffälligkeitsprüfung ein (vgl § 275 Abs 1 Nr 1, Abs 1c SGB V) und kürzt sie eine Schlussrechnung wegen wirtschaftlichen Alternativverhaltens, ohne die Richtigkeit der Kodierung anzuzweifeln, erschüttert sie nicht die Grundlage ihres Vertrauens auf die sachlich-rechnerische Richtigkeit und Vollständigkeit der Schlussrechnung. Sie legt bei diesem Verhalten gerade die Richtigkeit der Schlussrechnung zugrunde (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62 RdNr 14).
Anders läge es, wenn Krankenhaus und KK über die Richtigkeit der Kodierung stritten. Streitet ein Krankenhaus über die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Vergütung und legt es hierbei den vollständigen Behandlungsablauf offen, kann es nicht gehindert sein, im Laufe des Rechtsstreits zur Begründung seiner Forderung eine nach dem tatsächlichen Ablauf unzutreffende Kodierung gegen eine zutreffende Kodierung auszutauschen, soweit nicht - anders als hier - gesetzeskonformes Vertragsrecht entgegensteht (vgl BSG SozR 4-5560 § 17b Nr 6 RdNr 21). Hierauf bezieht sich die Rspr des erkennenden Senats, wonach die KKn grundsätzlich davon ausgehen dürfen, dass einmal gestellte, nicht beanstandete Schlussrechnungen nicht von den Krankenhäusern zu einem Zeitpunkt nachträglich korrigiert und Nachforderungen erhoben werden, der ihre Kalkulationsgrundlagen beeinträchtigt (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62 RdNr 15). Die Beteiligten stellten vorliegend die Richtigkeit der Kodierung nicht in Frage, sondern stritten bis November 2013 über die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsdauer.
Die Beklagte erteilte den Prüfauftrag allein mit dem Ziel einer Abrechnungsminderung wegen Unwirtschaftlichkeit. Sie zog die korrekte Kodierung insbesondere der Prozeduren nicht in Zweifel. Ihr ging es - ausgehend von der abgerechneten DRG F18A sowie den kodierten Diagnosen und Prozeduren OPS 5-378.26 und 5-378.a0 und diese als korrekt unterstellend - um die Klärung, ob die präoperative Aufnahme des Versicherten medizinisch begründet war. Dies folgt aus den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG zum Prüfauftrag.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 13597926 |
KrV 2020, 82 |
NZS 2020, 508 |
SGb 2020, 96 |
KRS 2020, 149 |