Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht. Arbeitsunfall. ehemalige DDR. Bestandskraft des Anerkennungsbescheides. keine Fiktion. Anwendbarkeit der Ausschlussregelung. Kenntnis des zuständigen Unfallversicherungsträgers nach der Stichtagsregelung. zeitlich begrenzter Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
Die Ausschlußregelung des § 1150 Abs 2 S 2 Nr 1 RVO findet auch auf dem Unfallversicherungsträger erst nach dem 31.12.1993 bekannt gewordene Unfälle Anwendung, die bereits in der ehemaligen DDR als Arbeitsunfälle anerkannt waren.
Stand: 12. Februar 2001
Normenkette
RVO § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, S. 1, § 548 Abs. 1 S. 1; AGB DDR § 220; EinigungsV Art. 19 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Mai 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 20. Januar 1998 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Unfalls, den der Kläger in der ehemaligen DDR erlitten hat.
Der Kläger war als Kraftfahrer bei der Zwischenbetrieblichen Bauorganisation (ZBO) „Aufbau” beschäftigt. Am 24. Januar 1978 unterbrach er mit Erlaubnis seines Einsatzleiters seine berufliche Tätigkeit, um mit seinem privaten Pkw beim Kreisgericht (KrG) die Rechtsberatung aufzusuchen, weil er von der Konfliktkommission (KK) wegen eines Verkehrsunfalls aus dem Jahre 1977, an dem er im Rahmen seiner Beschäftigung als Führer eines Lkw beteiligt war, verurteilt werden sollte. Auf der Rückfahrt verunglückte er und zog sich dabei Verletzungen zu. Der Unfall wurde am 30. Mai 1978 von der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) seines Betriebes als Arbeitsunfall anerkannt. Ein Rentenantrag wurde nicht gestellt, Rente nicht gewährt.
Mit Schreiben vom 30. März 1994, das zunächst bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg am 30. Mai 1994 und nach Weiterleitung bei der Beklagten am 24. Juni 1994 einging, wies der Kläger auf seinen Unfall aus dem Jahre 1978 und den ihm seiner Ansicht nach seither zustehenden Unfallrentenanspruch hin. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab (Bescheid vom 14. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1996). Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Da der Kläger den Antrag auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erst im Jahre 1994 gestellt habe, sei trotz der Anerkennung als Arbeitsunfall durch die BGL über das Unfallereignis gemäß § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nach den Vorschriften der RVO zu entscheiden. Da arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eigenwirtschaftlich seien, habe der Kläger bei dem am 24. Januar 1978 zurückgelegten Weg zur Rechtsberatung nicht nach § 548 RVO unter Versicherungsschutz gestanden.
Das Sozialgericht Schwerin (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente aus Anlaß des Unfalls vom 24. Januar 1978 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vH ab 1. Mai 1994 zu gewähren (Urteil vom 20. Januar 1998). Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 20. Mai 1999). Ein vor dem 1. Januar 1992 eingetretener Arbeitsunfall sei nach dem in § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO normierten Versicherungsfallprinzip nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht zu beurteilen. Zwar gelte diese Regelung nach § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO nicht für Unfälle, die einem ab dem 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt würden und nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Eine Überprüfung, ob ein Unfall auch nach der RVO als Arbeitsunfall zu bewerten sei, sei allerdings ausgeschlossen, wenn der Unfall bereits bindend als Arbeitsunfall anerkannt worden sei. Der dem Kläger von der BGL erteilte Bescheid sei als Verwaltungsakt der DDR nach Art 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EinigVtr) über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und iS des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zwischen dem Kläger und der Beklagten als der nach dem EinigVtr zuständigen „Rechtsnachfolgerin” bindend geblieben. Art 19 Satz 1 EinigVtr einerseits und Art 19 Satz 2 und 3 EinigVtr andererseits stünden nach der Rechtsprechung des BSG in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Die Wirksamkeit von Verwaltungsakten der DDR sei mithin die Regel, die Möglichkeit der Aufhebung die Ausnahme. Diese Festlegung werde durch die Übergangsregelung des § 1150 Abs 2 RVO weder aufgehoben noch derogiert. Deren Zweck sei es ausschließlich, das für die rechtliche Beurteilung eines Unfalls maßgebende Recht zu bestimmen, nicht aber eine Entscheidung über den Bestand von Verwaltungsakten der ehemaligen DDR zu treffen. Eine derartige Intention hätte im Wortlaut deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Ohne eine Aufhebung des einer Neubeurteilung entgegenstehenden Verwaltungsaktes sei die Beklagte aber nicht befugt, eine unfallversicherungsrechtliche Neubewertung des Unfalls vorzunehmen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit unfallbedingt um 25 vH vermindert.
Mit ihrer – vom BSG zugelassenen – Revision macht die Beklagte geltend, die Frage, ob eine Überprüfung eines (früher anerkannten) Unfalls daraufhin, ob er auch nach den Vorschriften des Dritten Buches der RVO als Arbeitsunfall zu bewerten sei, auch dann ausgeschlossen sei, wenn dieser Unfall dem zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekanntgeworden sei, sei von grundsätzlicher Bedeutung. Der Beschluß des BSG vom 27. Mai 1997 – 2 BU 69/97 –, in dem diese Frage beantwortet werde, sei entgegen der Auffassung des LSG nicht ohne Prüfung des Art 19 Satz 1 EinigVtr ergangen. Von dieser Entscheidung des BSG sei das LSG abgewichen; darauf beruhe das angefochtene Berufungsurteil. Das LSG hätte den Anerkennungsbescheid nicht als weiterhin bindend ansehen dürfen, sondern prüfen müssen, ob der Kläger einen Arbeitsunfall nach den Vorschriften des Dritten Buches der RVO erlitten habe. Da der Kläger seine Arbeit wegen einer eigenwirtschaftlichen Arbeit unterbrochen habe, wäre dies zu verneinen gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Mai 1999 sowie das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 20. Januar 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, auch nach den Vorschriften der RVO habe es sich bei seinem Unfall vom 24. Januar 1978 um einen Arbeitsunfall gehandelt. Seine damalige Fahrt zur Einholung von Rechtsrat habe ausnahmslos mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun gehabt, da er den Unfall, für dessen schuldhafte Verursachung er bestraft werden sollte, in seiner Eigenschaft als Berufskraftfahrer verursacht gehabt habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aufgrund der Folgen des in der ehemaligen DDR erlittenen Unfalls, weil es sich dabei nicht um einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall handelte. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) geltenden Vorschriften, da der geltend gemachte Unfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten war (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫, §§ 212 ff SGB VII).
Verletztenrente wird nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO (als Teilrente) gewährt, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge eines Arbeitsunfalls gemindert ist. Einen Arbeitsunfall im Sinne dieser Vorschrift hat der Kläger jedoch nicht erlitten. Sein Unfall hat sich nach den gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG am 24. Januar 1978 in der ehemaligen DDR ereignet. Nach § 215 Abs 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der ehemaligen DDR) eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 hinaus, anzuwenden.
Nach § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten iS des Dritten Buches (der RVO). Dies gilt nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekanntwerden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO). Der Unfall des Klägers ist zwar vor dem 1. Januar 1992 eingetreten. Da er jedoch der Beklagten als einem ab dem 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Juni 1994, also nach dem 31. Dezember 1993, durch das Schreiben des Klägers vom 30. März 1994 bekanntgeworden ist, gilt nicht die Fiktion des § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO, sondern es kommt nach Satz 2 aaO darauf an, ob der Unfall nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre. Auf die Frage, ob § 16 Abs 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach ein Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt gilt, in dem er bei einem unzuständigen Leistungsträger zugeht, auch für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des zuständigen Trägers der Unfallversicherung iS des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO Geltung hat (so LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 30. Juni 1999 – L 6 U 43/97 – = HVBG-Info 2000, 1174 und offenbar auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13. Februar 1997 – L 7 U 1127/96 – = HVBG-Info 1997, 1949), kommt es hier nicht an, da das Schreiben des Klägers vom 30. März 1997 bei der unzuständigen Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg auch erst nach dem betreffenden Stichtag einging.
Entgegen der Ansicht des LSG findet § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO auch auf Unfälle Anwendung, die bereits in der ehemaligen DDR als Arbeitsunfälle anerkannt waren, so daß hierdurch bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Rechtsnorm eine Überprüfung daraufhin, ob sie nach den Vorschriften des Dritten Buches der RVO als Arbeitsunfälle zu entschädigen wären, nicht ausgeschlossen ist. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 27. Mai 1997 – 2 BU 69/97 – (= HVBG-Info 1997, 1952) entschieden hat, gilt die Fiktion des § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekanntwerden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären; irgendwelche Einschränkungen – etwa hinsichtlich einer Ausnahme für bereits in der DDR anerkannte Arbeitsunfälle – sind dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Die Würdigung des Wortlauts einer Vorschrift ist die Grundlage jeder Auslegung; ist der Wortlaut einer Vorschrift eindeutig und nach ihm sprachlich und begrifflich das klar zum Ausdruck gebracht, was dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn der Vorschrift entspricht, so ist grundsätzlich hiernach auszulegen. Die Auslegung einer Rechtsnorm gegen ihren Wortlaut ist nur dann angezeigt, wenn sie Fälle umfaßt oder Folgen herbeiführt, die vom Gesetzgeber überhaupt nicht erkannt oder bedacht sind und die er, falls er sie erkannt oder bedacht hätte, vernünftigerweise nicht so geregelt hätte. Dabei sind im Interesse der Rechtssicherheit besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Es muß klar erkennbar sein, daß der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommende Gedanke dem wirklichen Sinn und Zweck des Gesetzes nicht entspricht (vgl BSG Urteil vom 13. Juni 1989 – 2 RU 49/88 – = HV-Info 1989, 1873 mwN).
Offensichtlich sind Einschränkungen, wie sie das LSG der betreffenden Rechtsvorschrift trotz des dergleichen nicht umfassenden Wortlauts entnimmt, auch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Dementsprechend heißt es in der Amtlichen Begründung zum Renten-Überleitungsgesetz (RÜG), durch dessen Art 8 Nr 14 ua die hier strittige Vorschrift des § 1150 RVO in die RVO eingefügt worden ist, zu § 1150 RVO: „Absatz 2 gewährleistet die Übernahme aller bereits eingetretenen Unfälle und Krankheiten, die nach dem Sozialversicherungsrecht des Beitrittsgebiets versichert waren, in die gesetzliche Unfallversicherung nach dem Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn es sich nach der Reichsversicherungsordnung nicht um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gehandelt hätte. Die Regelung gewährleistet den erforderlichen Vertrauensschutz … Ist der Versicherungsfall zwar vor dem 1. Januar 1992 eingetreten, wird er dem Versicherungsträger aber erst später bekannt – zB bei Berufskrankheiten –, soll ein Vertrauensschutz nur noch bis zum 31. September 1993 gelten (Abs 2 Satz 2 Nr 1)” (BT-Drucks 12/405, S 154). Daraus werden Sinn und Zweck der Vorschrift deutlich, Versicherten aus dem Beitrittsgebiet für eine Übergangszeit umfassenden Vertrauensschutz hinsichtlich der Anerkennung von nach dem Recht der ehemaligen DDR als Arbeitsunfälle bzw Berufskrankheiten geltenden Unfällen bzw Krankheiten zu gewähren, diesen Vertrauensschutz aber an dem genannten Stichtag enden zu lassen und nunmehr im Interesse der Gleichbehandlung und Rechtseinheit nur noch das Recht der RVO unterschieds- und ausnahmslos anzuwenden (vgl Sächsisches LSG Urteil vom 27. Oktober 1999 – L 2 U 96/97 – = HVBG-Info 2000, 967, rechtskräftig nach Verwerfung der Revision durch BSG Beschluß vom 28. November 2000 – B 2 U 5/00 R –). Die Zulassung von Ausnahmen von dieser Stichtagsregelung – etwa für in der DDR anerkannte Arbeitsunfälle – würde demnach Sinn und Zweck dieser Regelung widersprechen.
Der Ansicht des LSG, der die Anerkennung als Arbeitsunfall aussprechende Verwaltungsakt der DDR sei nach Art 19 Satz 1 EinigVtr über den 2. Oktober 1990 hinaus (zeitlich unbegrenzt) wirksam geblieben und könne demnach nur aufgehoben werden, wenn er mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVtr unvereinbar wäre, woran § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO mangels einer ausdrücklichen Bestimmung über die Aufhebung solcher Verwaltungsakte nichts geändert habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie übersieht, daß die Geltendmachung von Rechten aus Verwaltungsakten auch durch gesetzliche Regelungen ausgeschlossen werden kann. Bei der Regelung des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO handelt es sich nicht um eine Vorschrift, durch die etwa bindende Verwaltungsakte aufgehoben würden, sondern – wie der Senat bereits entschieden hat – um eine Ausschlußfrist (BSG Urteil vom 26. Oktober 1998 – B 2 U 26/97 R – = HVBG-Info 1998, 3381). Dies bedeutet hier, daß Ansprüche aus nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfälle geltenden Unfällen nach ihrem Ablauf nicht mehr bzw nur noch unter der Voraussetzung ihrer Entschädigungsfähigkeit nach dem Dritten Buch der RVO geltend gemacht werden können, unabhängig davon, ob diese durch Verwaltungsakt anerkannt sind oder nicht. Hätte der Gesetzgeber eine Ausnahme für durch Verwaltungsakte der ehemaligen DDR anerkannte Arbeitsunfälle vorsehen wollen, hätte er dies deutlich zum Ausdruck gebracht.
Der Unfall des Klägers wäre nicht als Arbeitsunfall nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen. Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Im Rahmen dieser Wertung kommt der Handlungstendenz des Versicherten maßgebliche Bedeutung zu. Im Falle eines Beschäftigungsverhältnisses muß das den Unfall herbeiführende Verhalten dazu bestimmt sein, den Zwecken des Unternehmens zu dienen (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 22 mwN); entgegen der Ansicht des Klägers reicht es nicht aus, daß das Verhalten mit der beruflichen Tätigkeit „zu tun hat”.
Der Kläger gehörte zwar aufgrund seiner Beschäftigung als Kraftfahrer gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 RVO zu den gegen Unfall versicherten Personen. Der Unfall ereignete sich indes nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG nicht bei einer mit dieser Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Verrichtung, sondern im allgemeinen Straßenverkehr während einer im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten des Klägers vorgenommenen Unterbrechung dieser Tätigkeit zum Aufsuchen der Rechtsberatung im KrG. Unterbricht der Versicherte die versicherte Tätigkeit durch eine private Verrichtung, so besteht während der Dauer der Unterbrechung kein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zu einem Unfall führenden Verrichtung und damit kein Unfallversicherungsschutz (BSG SozR 2200 § 548 Nr 15; Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 53; Keller in Hauck, SGB VII, § 8 RdNr 37 mwN). Bei dem Aufsuchen der Rechtsberatung handelte es sich entgegen der Ansicht des Klägers um eine solche private Verrichtung, weil sie nicht dazu bestimmt war, dem Unternehmen – der ZBO „Aufbau” – zu dienen. Nach den bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen wollte sich der Kläger gegen seine bevorstehende „Aburteilung” durch die KK wegen der Verursachung eines Verkehrsunfalls wenden, den er – wie er selbst vorträgt – nach Auffassung der Betriebsleitung verschuldet hatte. Indem sich der Kläger gegen diese nach Ansicht des durch die Betriebsleitung repräsentierten Unternehmens gerechtfertigte Maßnahme wenden wollte, verfolgte er gerade keinen Zweck, von dem er ausgehen konnte, daß er dem Unternehmen dienlich wäre, sondern lediglich eigene Angelegenheiten und stand daher während der gesamten Unterbrechung einschließlich des Hin- und Rückweges nicht unter Unfallversicherungsschutz.
Nach alledem ist die Revision der Beklagten begründet, waren die Urteile des SG und des LSG mithin aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 547546 |
NJ 2001, 447 |
SozR 3-2200 § 1150, Nr. 4 |