Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Arbeitslosenhilfenachzahlung für Vormonate. Zuflussprinzip. laufende Einnahme. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die Arbeitslosenhilfe zählt nicht zu den "Leistungen nach diesem Buch" iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, die von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen sind. Sie ist auch nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung als eine privilegierte Leistung iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu behandeln. Aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB iVm Art 20 Abs 3 GG) besteht ebenfalls keine Notwendigkeit den § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 erweiternd dahingehend auszulegen. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zugunsten des Arbeitslosengeld II verstößt auch für ältere Arbeitslose, die eine Erklärung nach § 428 SGB 3 abgegeben haben, nicht gegen höheres Recht.
2. Eine im Januar 2005 zugeflossene Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe für die Monate November und Dezember 2004 ist - auch wenn es sich um die Abschlusszahlung handelt - als laufende Einnahme gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 2 Abs 2 S 1 AlgIIV idF vom 20.10.2004 im Zuflussmonat zu berücksichtigen. § 2 Abs 2 AlgIIV idF vom 20.10.2004 ist ermächtigungskonform (vgl BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 4/08 R = ZFSH/SGB 2009, 740) und eine Berücksichtigung der laufenden Einnahme kann mangels Rechtsgrundlage auch nicht unter dem Gesichtpunkt einer besonderen Härte außer Betracht bleiben. Die Vorschrift des § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV idF vom 22.8.2005 regelt ausschließlich die Verteilung einmaliger Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum (Verteilzeitraum) und trat erst ab 1.10.2005 in Kraft, so dass offen bleiben kann, ob sie überhaupt eine Ausnahmeregelung für Härtefälle normiert.
Normenkette
SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 1; SGB 2 § 13 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2003-12-24; AlgIIV § 2 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2004-10-20; AlgIIV § 2 Abs. 3 S. 3 Fassung: 2005-08-22; SGB 3 § 190; SGB 3 § 428; BGB § 242; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Monat Januar 2005.
Der im Jahre 1974 geborene Kläger lebt mit einer im Jahre 1977 geborenen Frau in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Die Partnerin des Klägers erzielt ein Arbeitsentgelt in Höhe von monatlich 849 Euro brutto. In der Bedarfsgemeinschaft lebt zudem die im Jahre 2001 geborene gemeinsame Tochter J.
Der Kläger bezog bis Oktober 2003 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), danach stand er in Bezug von Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die Bundesagentur für Arbeit (BA) zahlte ihm die für die Monate November und Dezember 2004 in Höhe von insgesamt 1.371,28 Euro zustehende Alhi erst am 28. Januar 2005 aus. Zu Beginn des Monats Januar 2005 hatte der Kläger bereits Leistungen nach dem SGB II beantragt. Durch Bescheid vom 31. März 2005 bewilligte die Beklagte sodann für den Zeitraum vom 1. Februar 2005 bis 30. Juni 2005 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Partnerin und ihre gemeinsame Tochter in Höhe von 827,05 Euro monatlich. Für den Monat Januar 2005 berücksichtigte die Beklagte neben dem bereinigten Einkommen der Partnerin auch die Nachzahlung der Alhi als Einkommen. Hieraus folge, dass der Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen im Januar 2005 nicht hilfebedürftig gewesen seien. Der Kläger hat gegen die Nichtgewährung von Alg II im Januar 2005 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte durch Bescheid vom 14. Oktober 2005 zurückgewiesen hat. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Koblenz vom 20. April 2006; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 3. April 2007). Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, nach der Regelung des § 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) habe sich der Normgeber für das Zuflussprinzip entschieden. Ausgangspunkt dabei sei, dass das Geld, das in einem Monat als Einkommen zufließe, auch für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehe. Da es lediglich auf den tatsächlichen Zufluss ankomme, könne dahinstehen, auf Grund welcher Umstände es für den Kläger zu einer Nachzahlung von Alhi erst im Januar 2005 gekommen sei. Wie das SG bereits ausgeführt habe, sei nicht ersichtlich, dass eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke in dem Sinne vorliege, dass bei nachgezahlter Alhi diese nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Auch liege der Fall einer unzulässigen unechten Rückwirkung nicht vor. Der Gesetzgeber habe den Rechtsanspruch hinsichtlich des Anspruchs auf Alhi für die Vergangenheit nicht vollständig entwertet. Der Gesetzgeber habe eine Regelung, dass Nachzahlungen von Alhi nach dem 1. Januar 2005 nicht auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet werden sollen, gerade nicht geschaffen. Auch insofern liege eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke nicht vor, weil der Gesetzgeber davon ausgehen konnte, dass eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten über Leistungen der Alhi bei den Sozialgerichten anhängig seien und zu Nachzahlungen nach dem 1. Januar 2005 führen würden. Gleichwohl habe er eine entsprechende Regelung nicht aufgenommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, des Weiteren von § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und Art 20 Abs 1 GG. Im vorliegenden Falle sei eine analoge Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II geboten. Hiernach würden als Einkommen nicht gelten "Leistungen nach diesem Buch". Die nachgezahlte Alhi stelle insofern eine Leistung nach diesem Buch iS des § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II dar. Insofern liege eine planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber habe es unterlassen, § 65 Abs 1 SGB II eine entsprechende Überleitungsvorschrift mitzuregeln. Auch seien die Sachverhalte vergleichbar gewesen. Die Hilfebedürftigkeit in den Monaten November und Dezember 2004 und Januar 2005 habe unstreitig bestanden. Die Berücksichtigung der Nachzahlung als Einkommen führe zu einem realen Leistungsentzug, der vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein könne. Gerade die Hinweise der BA zu § 11 SGB II unterstützten das Gebot der analogen Anwendung. Dort heiße es in eindeutiger Abkehr vom Zuflussprinzip unter Nr 11.51, dass die Alhi, die für Dezember 2004 Ende des Jahres ausgezahlt werde, nicht auf einen Anspruch auf Alg II im Januar 2005 angerechnet werden könne. Unstreitig hätten der BA bereits im Oktober 2004 alle Unterlagen vorgelegen. Es sei daher unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht nachvollziehbar, wenn die verspätete Auszahlung von Alhi ohne Konsequenzen bleiben würde. Insofern handele es sich bei der Arbeitsgemeinschaft um den Rechtsnachfolger der Behörde, die für die Auszahlung von Alhi (die BA) zuständig gewesen sei. Schließlich handele es sich bei der Berücksichtigung der Anschluss-Alhi als Einkommen im Januar 2005 um eine echte Rückwirkung (Rückwirkung von Rechtsfolgen). Dieses sei nach Verfassungsrecht grundsätzlich unzulässig. Hätte es keine Gesetzesänderung vom SGB III-Alt zum SGB II gegeben, wäre jeweils eine Anrechnung unterblieben. Hätte auch im Januar 2005 weiterhin ein Anspruch auf Alhi nach dem SGB III-Alt bestanden, so wäre eine Anrechnung jeder Nachzahlung im Zahlmonat nach der damaligen Rechtslage unterblieben. Insofern hätte es einer Übergangsvorschrift für nachgezahlte Alhi bedurft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. April 2007 sowie das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 20. April 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass dem Kläger für den Monat Januar 2005 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II zustand. Es kann von daher dahinstehen, inwieweit die Partnerin des Klägers und die gemeinsame Tochter noch im Wege der Auslegung auf Grund des sog Meistbegünstigungsgrundsatzes als Kläger in den Rechtsstreit einzubeziehen gewesen wären. Offensichtlich hat das LSG eine entsprechende Klageerweiterung in subjektiver Hinsicht unterlassen, weil es davon ausgegangen ist, dass das Begehren ohnehin ohne Erfolg ist.
Dem Kläger steht für den Monat Januar 2005 kein Alg II zu. Es fehlt ihm an der Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9 ff SGB II (idF vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954). Gemäß § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Ausweislich der angefochtenen Bescheide und des Inhalts der Akten bestand bei der - unstreitig bestehenden - Bedarfsgemeinschaft ein Gesamtbedarf in Höhe von monatlich 1.444,18 Euro (Regelleistungen des Klägers in Höhe von 311 Euro, seiner Partnerin in Höhe von 311 Euro sowie des gemeinsamen Kindes in Höhe von 207 Euro; Kosten der Unterkunft in Höhe von 615,18 Euro). Dem standen monatliche Einnahmen der Partnerin des Klägers in Höhe von bereinigt 600,94 Euro gegenüber. Unter Berücksichtigung des Kindergeldes von 154 Euro ergibt sich mithin, dass bei einer Berücksichtigung der Nachzahlung von Alhi im Januar 2005 in Höhe von 1.371,28 Euro (abzüglich der Pauschale von 30 Euro) für diesen Monat der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft durch Einkommen gedeckt war und mithin keine Hilfebedürftigkeit bestand.
Die Nachzahlung von Alhi, die dem Kläger am 28. Januar 2005 zufloss, stellt zu berücksichtigendes Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II dar. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers trifft auf die Alhi die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht zu. Hiernach sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der "Leistungen nach diesem Buch". Bei der Alhi handelt es sich nicht um eine Leistung nach dem SGB II. Die Alhi wurde zunächst, rein formal betrachtet, auf der Rechtsgrundlage der §§ 190 ff SGB III gewährt, mithin stellte sie eine Leistung nach dem SGB III und gerade nicht nach dem SGB II dar. Aber auch über diesen formalen Gesichtspunkt hinaus handelt es sich bei dem neuen Institut des Alg II materiell-inhaltlich nicht um eine einfache Fortsetzung bzw Nachfolgeregelung zur früheren Alhi. Dies zeigt schon ein Blick auf einige wesentliche Systemunterschiede zwischen der Alhi nach den §§ 190 ff SGB III und dem Alg II nach den §§ 19 ff SGB II (vgl hierzu instruktiv Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, Einführung E 010, RdNr 40 ff, Stand III/08; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 20 RdNr 7). Während die Alhi als sog Entgeltersatzleistung gemäß § 116 Nr 6 SGB III (aF) in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes (in Höhe von 57 bzw 53 vH) bezogen auf das Leistungsentgelt und damit letztlich auf den zuletzt erzielten Verdienst gezahlt wurde (vgl § 195 SGB III aF), wird das Alg II gemäß §§ 19 ff SGB II in Höhe der Regelleistung des § 20 Abs 2 SGB II für alle Empfänger in gleicher Höhe und pauschaliert gewährt. Anders als bei der Alhi (vgl die Leistungssätze des § 194 SGB III aF) wird beim Alg II das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft geprüft und danach für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gesondert Alg II als Einzelanspruch gewährt, während der Anspruch auf Alhi im Prinzip grundsätzlich von der Größe der Familie bzw Bedarfsgemeinschaft unabhängig war. Insofern stellt der 1. Januar 2005 eine auch vom Gesetzgeber so beabsichtigte rechtliche und tatsächliche Zäsur dar, die es nicht erlaubt, das Alg II als nahtlose Fortsetzung der früheren Alhi nach dem SGB III zu betrachten (hierzu Spellbrink, verdikt 2/2003, 7).
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es nicht geboten, die (Nachzahlung von) Alhi im Wege einer verfassungskonformen Auslegung als eine zu privilegierende "Leistung nach diesem Buch" (SGB II) iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu behandeln. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung die zum 1. Januar 2005 weitgehend übergangslos erfolgte Zäsur zwischen der Alhi nach dem SGB III und dem Alg II nach dem SGB II gebilligt. Die Frage, ob die Abschaffung der Alhi und ihre Ersetzung durch einen Anspruch auf Alg II nach §§ 19 ff SGB II in Höhe einer für alle Empfänger gleich hohen und pauschalierten Regelleistung die Grundrechte bisheriger Bezieher einer höheren Alhi verletzt hat (vgl hierzu etwa O' Sullivan, SGb 2005, 369), hat das BSG mehrfach verneint (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 41 ff; BSG, Urteil vom 10. Mai 2007, B 7a AL 48/06 R). Das BSG hat dabei auch klargestellt, dass der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz des Vertrauensschutzes, auf den sich der Kläger hier ebenfalls beruft, durch die Abschaffung der Alhi nicht berührt worden ist. Der Gesetzgeber hat bei der Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe wichtige Gemeinwohlinteressen verfolgt. Die Diskussion über eine Zusammenlegung der Systeme ist bereits seit Jahren öffentlich geführt worden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat beispielsweise auch die zeitliche Anspruchsbegrenzung der originären Alhi ab 1. April 1994 (BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2) und die beschleunigte Anhebung der Altersgrenzen für die Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen (BVerfG SozR 4-2600 § 237a Nr 1) gebilligt. Zudem steht dem Gesetzgeber im Rahmen der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 GG ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
Ebenso hat es das BSG abgelehnt, aus der Tatsache, dass ein Empfänger von Alhi eine Erklärung gemäß § 428 SGB III abgegeben hatte, aus dieser Erklärung einen Rechtsanspruch auf Weiterzahlung der Alhi in der bisher gezahlten Höhe bis zum Renteneintritt abzuleiten (so aber O' Sullivan, SGb 2005, 369, 376 und Mayer, NZS 2005, 568, 572). Das BSG hat hierzu klargestellt, dass die Abschaffung der Alhi auch für ältere Arbeitslose, die eine Erklärung gemäß § 428 SGB III abgegeben hatten, nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3; vom 21. März 2007, B 11a AL 43/06 R; vom 29. März 2007, B 7b AS 2/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 4, und vom 10. Mai 2007, B 7a AL 48/06 R). In diesen Urteilen hat sich das BSG auch eingehend damit befasst, dass eine entsprechende Übergangsvorschrift bzw Überleitungsklausel der Ansprüche aus dem SGB III in das SGB II nicht geboten gewesen sei. Ebenso liegen die Verhältnisse hier. Der Gesetzgeber wollte zum 1. Januar 2005 eine Zäsur setzen, mit der die bisherige Alhi endgültig abgeschafft werden sollte. Sowohl hinsichtlich der Trägerschaft (vgl §§ 6 ff SGB II) als auch hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen und Leistungshöhe wurde eine neue Sozialleistung (das Alg II) geschaffen, die nicht als bloße Fortsetzung der Alhi angesehen werden kann. Diese Rechtsänderung bzw Änderung im Charakter der Alhi durfte der Gesetzgeber - was das BSG bereits mehrfach entschieden hat - auch weitgehend ohne Abfederung durch Übergangsvorschriften durchführen.
Auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB iVm dem Rechtsstaatsprinzip) besteht keine Notwendigkeit, § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II über seinen Wortlaut hinausgehend erweiternd dahingehend auszulegen, dass die bisherige Alhi als Leistung nach dem SGB II zu betrachten sei. Zu Recht verweist das LSG insofern auch darauf, dass andernfalls etwa auch Nachzahlungen von Alhi für vergangene Zeiträume, die vor den Sozialgerichten im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten nach dem SGB III im Jahre 2005 und später erstritten wurden, im SGB II zu privilegieren gewesen wären.
Die Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Einnahmen gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Gestalt der Nachzahlung von Alhi für den Monat Januar 2005 folgt aus § 2 Abs 2 Satz 1 Alg II-V (in der ursprünglichen Fassung vom 20. Oktober 2004, BGBl I 2622). Nach dieser Vorschrift sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Hierunter fällt auch die im Januar 2005 ausgezahlte Alhi für die Monate November und Dezember 2004 (vgl insbesondere Urteil des Senats vom 7. Mai 2009, B 14 AS 4/08 R, RdNr 21 ff). Laufende Einnahmen sind solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 16). Bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung (vgl BSGE 43, 143, 135 = SozR 4100 § 34 Nr 6; vgl zur Abgrenzung auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 27 ff und BSG vom 7. Mai 2009, aaO). Dabei ändert sich die Qualifizierung als laufende Einnahme nicht dadurch, dass es sich bei der Zahlung von Alhi hier um die letzte Auszahlung einer typischerweise regelmäßig erfolgenden Leistung handelte.
Eine Berücksichtigung der Zahlung von Alhi hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Härte außer Betracht zu bleiben. Zum maßgeblichen Zeitpunkt - Januar 2005 - fehlte noch eine § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V (idF der Verordnung vom 22. August 2005, BGBl I 2499, in Kraft ab 1. Oktober 2005) entsprechende Regelung für den Fall des Zuflusses laufender Sozialleistungen. Es kann daher offen bleiben, ob § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V überhaupt eine Ausnahmeregelung für Härtefälle normiert (vgl hierzu Urteil des 4. Senats vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 70/07 R, RdNr 30). Die Vorschrift regelt ausschließlich die Verteilung einmaliger Einnahmen ggf auch über den Monat des Zuflusses hinaus. Die Leistungen sollen auf einen bestimmten Zeitraum (sog Verteilzeitraum) umgelegt werden, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist. Eine solche Sonder- bzw Härtefallregelung ist in der Alg II-V für den Fall der laufenden Einnahmen nach § 2 Abs 2 Satz 1 Alg II nicht vorgesehen. Mithin ist eine Rechtsnorm, nach der im konkreten Fall des Klägers ein Härtefall angenommen bzw begründet werden könnte, nicht ersichtlich. Allerdings werden in den fachlichen Hinweisen der BA Hinweise für das Vorliegen eines Härtefalls nach § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II gegeben. Unter Punkt 11.16 zu § 11 SGB II wird davon ausgegangen, dass ein Härtefall dann vorliegen könne, wenn die Sozialleistung für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des SGB II nachgezahlt wird. Dieser Gesichtspunkt kann hier jedoch nicht fruchtbar gemacht werden, weil es sich insofern bei der Alhi eben gerade nicht um eine einmalige Zahlung handelt. Es ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass die Berücksichtigung der ihm nachgezahlten Alhi als Einkommen im Monat Januar 2005 zu einer gewissen Härte führt, die daraus resultiert, dass diese Zahlung bei ihm im Januar 2005 als "bereite Mittel" berücksichtigt werden. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dieses Ergebnis nicht so grob unbillig ist, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten wäre, für Fälle wie den vorliegenden eine besondere Härtefallklausel in der Alg II-V einzufordern bzw durch ergänzende Auslegung in die Alg II-V hineinzulesen (vgl zum Erfordernis einer Härtefallklausel in der damaligen AlhiV BSGE 91, 94 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1 mzwN).
Die Vorschrift des § 2 Abs 2 Alg II-V (in der Fassung vom 20. Oktober 2004, aaO) ist auch ermächtigungskonform, was der Senat bereits eingehend begründet hat (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 4/08 R - RdNr 23 f; zur Ermächtigungskonformität der Alg II-V vgl auch Urteil des Senats vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 55/08 R).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 2290905 |
ZfF 2011, 44 |