Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsfreiheit eines beschäftigten Studenten
Leitsatz (redaktionell)
1. Versicherungsfreiheit einer neben einem Studium ausgeübten Erwerbstätigkeit setzt voraus, daß der Betreffende seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt.
2. Eine Erwerbstätigkeit, die während des Semesters durchschnittlich 20 Wochenstunden überschreitet, begründet regelmäßig Versicherungspflicht als Arbeitnehmer. Das gilt nicht, wenn die Gesamtdauer der Erwerbstätigkeit unter dem für ein ordnungsgemäßes Studium notwendigen Zeitaufwand liegt und die einzelnen Zeiten der Erwerbstätigkeit den Erfordernissen des Studiums angepaßt sind. Die Feststellungslast für das Vorliegen dieser Umstände trägt derjenige, der sich darauf beruft.
3. Die Erwerbstätigkeit eines Studenten während der - von Studienanforderungen freien - Semesterferien ist unabhängig vom Umfang der Tätigkeit nicht versicherungspflichtig.
Orientierungssatz
1. Nach RVO § 172 Abs 1 Nr 5, § 1228 Abs 1 Nr 3 (die bis zum 1975-09-30 geltende Fassung hatte im wesentlichen gleiche Bedeutung) sind versicherungsfrei Studenten, wenn sie während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule gegen Entgelt beschäftigt sind.
2. Bei der Beurteilung ist es nicht zulässig, eine Durchschnittsberechnung vorzunehmen, die auch Beschäftigungszeiten während der Semesterferien einbezieht. Ein Student, der während den Semesterferien, dh in einer Zeit, in der er durch Lehrveranstaltungen oder sonstige mit dem Studium zusammenhängende Anforderungen (Vorbereitung zu den einzelnen Vorlesungen) nicht belastet ist, mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeitet ist in dieser Zeit versicherungsfrei. Die Arbeiten während des Semesters und während der Semesterferien sind getrennt zu beurteilen.
3. Der 12. Senat hat in seinem Urteil vom 1978-11-30 12 RK 45/77 = Die Beiträge 1979, 124) bereits angedeutet, daß die Überschreitung der 20-Stundengrenze möglicherweise nur die Bedeutung eines - allerdings wesentlichen - Beweisanzeichens für die Frage der Versicherungspflicht eines Studenten hat. Dieser Auffassung gibt der Senat in der Tat nach nochmaliger Prüfung auch unter Berücksichtigung der für eine "starre" Grenze sprechenden Praktikabilitätsgründen den Vorzug. Jedenfalls kann die Dauer der wöchentlichen Arbeitsbelastung (-zeit) nicht allein über die Frage der Versicherungspflicht entscheiden.
4. Das Unterlassen einer Beanstandung anläßlich einer Betriebsprüfung rechtfertigt keinen Vertrauensschutz.
5. Aus einer telefonischen Falschinformation lassen sich keine im Sozialrechtsweg verfolgbaren Ansprüche herleiten. Unter Umständen entsteht lediglich ein geldlicher Schadensersatzanspruch, wenn auf Grund einer solchen falschen Auskunft Dispositionen tatsächlicher Art nicht rechtzeitig getroffen wurden oder nicht mehr die Möglichkeit besteht, die Arbeitnehmeranteile vom Lohn abzuziehen. Für einen solchen Schadensersatzanspruch in Geld sind jedoch nicht die Sozialgerichte, sondern die Zivilgerichte zuständig.
Normenkette
AFG § 169 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, Nr. 1 Fassung: 1972-08-10; RVO § 1228 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-02-23, § 172 Abs. 1 Nr. 5 Fassung 1945-03-17, Nr. 5 Fassung 1975-05-24
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 23.01.1979; Aktenzeichen I KRBf 1/78) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 23.01.1978; Aktenzeichen 8 KR 37/75) |
Fundstellen
Haufe-Index 60441 |
BSGE 50, 25-29 (LT1-3) |
BSGE, 25 |
RegNr, 8459 |
Das Beitragsrecht Meuer 423 A 5 a 23 -47/1- (ST1-5, LT1-2) |
KVRS, A-1000/10 (LT1-3) |
USK, 8053 (LT1-3) |
AP § 611 BGB Werkstudent (LT1-3), Nr 1 |
DBlR 2640a, AFG/§ 169 (LT1-3,ST4-5) |
Die Beiträge 1980, 282-287 (ST1-5, LT1-2) |
ErsK 1980, 362-363 (LT1-3) |
EzS, 130/172 |
SozR 2200 § 172, Nr 14 (LT1-3) |