Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitslose hat nicht "nach der Entstehung des Anspruchs" zweimal ("erneut") Anlaß für die Entstehung einer Sperrzeit gegeben, wenn die erste Sperrzeit in die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld, die zweite in die Zeit des Bezugs von Arbeitslosenhilfe fällt.
Normenkette
AFG § 119 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25, § 134 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1969-06-25, § 104 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 26.01.1978; Aktenzeichen L 9 Al 159/76) |
SG Bayreuth (Entscheidung vom 21.09.1976; Aktenzeichen S 6 Al 142/75) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) deshalb erloschen ist, weil der Kläger während des Bezugs von Arbeitslosengeld (Alg) eine Sperrzeit von vier Wochen und während des nachfolgenden Bezugs von Alhi (Anschluß-Alhi) eine weitere Sperrzeit von vier Wochen verwirkt hat (§ 119 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -).
Der Kläger ist gelernter Fliesenleger. Ab Mitte August 1974 bewilligte ihm die Beklagte Alg. Mit Bescheid vom 13. März 1975 stellte die Beklagte für die Zeit vom 26. Oktober bis 22. November 1974 den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit fest. Gleichzeitig wies sie den Kläger darauf hin, daß der Anspruch auf Alg oder Alhi erlösche, falls er durch sein Verhalten erneut Anlaß für den Eintritt einer weiteren vierwöchigen Sperrzeit gebe. Der Bescheid wurde bindend. Auf seinen Antrag gewährte ihm die Beklagte ab Mitte Dezember 1974 für die Dauer des Restanspruchs bis zum 23. April 1975 Alg. Für die Zeit danach bewilligte die Beklagte dem Kläger auf Antrag Alhi.
Am 28. Juli 1975 bot das Arbeitsamt dem Kläger eine Stelle als Trockenputzverlegehelfer bei einer Baufirma an. Die Arbeitszeit sollte 40 Stunden und der Barlohn tarifgemäß 8,55 DM die Stunde betragen. Der Kläger lehnte trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die angebotene Arbeit ab. Das Arbeitsamt hob hierauf seine Bewilligung der Alhi mit Wirkung vom 29. Juli 1975 auf und stellte fest, daß der Anspruch auf Alhi erloschen sei, weil der Kläger durch die Ablehnung der angebotenen Arbeit erneut Anlaß für den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit gegeben habe (Bescheid vom 4. August 1975; Widerspruchsbescheid vom 29. September 1975).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. September 1976).
Mit Urteil vom 26. Januar 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt:
Dem Erlöschen des Anspruchs auf Alhi stehe nicht entgegen, daß der Kläger den ersten Anlaß für den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit während des Bezugs des Alg und den zweiten während des Bezugs der Anschluß-Alhi gegeben habe. Zwischen den Ansprüchen auf Alg und Alhi bestehe ein enger rechtlicher Zusammenhang, der es rechtfertige, im Rahmen des § 119 Abs 3 AFG beide Ansprüche als einheitlichen Anspruch aufzufassen. Alg und Alhi beruhten auf derselben Arbeitslosmeldung. Beide Ansprüche hätten eine gemeinsame Bemessungsgrundlage.
Die zweite Sperrzeit sei von der Beklagten zu Recht festgestellt worden. Der Kläger wäre für die angebotene Tätigkeit tarifgemäß bezahlt worden. Das erzielbare Entgelt hätte weit über dem gewährten Alg und der gewährten Alhi gelegen. Die Nachteile aus einer Berufsausübung wären nicht größer gewesen als die aus dem Fortbestehen der Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsangebot als Trockenputzverlegehelfer, einer berufsnahen Anlerntätigkeit, sei nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unvermeidbar gewesen, um den Kläger wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Der Kläger sei seit Mitte August 1974 arbeitslos gewesen, ohne daß eine Möglichkeit bestanden habe, ihn als Fliesenleger zu vermitteln. Im Dezember 1974 hätten im Bereich des für den Kläger zuständigen Arbeitsamtes 246 arbeitslosen Fliesenlegern keine offenen Stellen gegenübergestanden. Angesichts dieser ungünstigen Arbeitsmarktlage sei es geraten gewesen, dem Kläger die berufsnahe Anlerntätigkeit eines Trockenputzverlegehelfers anzubieten.
Der Eintritt der zweiten vierwöchigen Sperrzeit bedeute für den Kläger auch keine besondere Härte iS des § 119 Abs 2 AFG. Für ihn sei absehbar gewesen, daß er bei Beharren auf seiner Weigerung, die Arbeit aufzunehmen, seinen Anspruch auf Alhi gefährden würde. Er sei eingehend belehrt gewesen. Deshalb könne ihm ein eventueller Rechtsirrtum nicht zugute gehalten werden.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 134 Abs 2 Satz 1, 119 Abs 3 AFG und bringt hierzu insbesondere vor: Aus drei Gründen sei die Entziehung des Alhi-Anspruchs durch die Beklagte nicht rechtmäßig. Sie habe die Alg-Sperrzeit bei der Alhi-Sperrzeit nicht berücksichtigen dürfen. Er, der Kläger, habe die angebotene Tätigkeit als unzumutbar ablehnen dürfen und die Beklagte hätte unter den gegebenen Umständen die zweite Sperrzeit auf zwei Wochen herabsetzen müssen.
Zwischen Alg und Alhi beständen derart schwerwiegende Unterschiede, daß eine Summierung von Alg-Sperrzeiten mit Alhi-Sperrzeiten nicht zu rechtfertigen sei. So sei die Gewährung von Alg Sache der Beklagten, und die Leistungen würden aus Beitragsmitteln gezahlt, während die Gewährung von Alhi Sache des Bundes sei und die Leistungen aus Steuermitteln erfolgten. Alhi werde zudem nur bei Bedürftigkeit zugebilligt.
Die Beklagte habe ferner nicht beachtet, daß er, der Kläger, nicht unvermittelt in eine Hilfsarbeitertätigkeit habe vermittelt werden dürfen. Zunächst habe die Beklagte versuchen müssen, eine seinem Berufsbild und seiner sozialen Stellung entsprechende Vermittlung vorzunehmen. Unzulässig sei es, wenn schon nach kurzfristigem Leistungsbezug ein Arbeitsangebot unterbreitet werde, das sich auf der untersten Ebene der ausübbaren Beschäftigungen bewege, wenn also der soziale "Abstieg" praktisch stufenlos angesonnen werde.
Auf keinen Fall sei aber eine Sperrzeit von vier Wochen gerechtfertigt gewesen. Es falle nicht einmal einem Rechtserfahrenen leicht, die Grenzen einer zumutbaren Tätigkeit abzustecken. Wenn er, der Kläger, entgegen der Auffassung der Beklagten bei seiner Meinung geblieben sei, daß ihm die angebotene Tätigkeit nicht zumutbar sei, so sei das auch dann verständlich, wenn er sich hierbei in einem Rechtsirrtum befunden haben solle. Es sei deshalb eine besondere Härte, ihm in einem solchen Falle eine Sperrzeit von vier Wochen und nicht lediglich eine solche von zwei Wochen aufzuerlegen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. September 1976 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alhi über den 29. Juli 1975 hinaus zu gewähren,
hilfsweise,
die Sperrfrist auf zwei Wochen herabzusetzen und anschließend Alhi zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Aufgrund der vom LSG festgestellten Tatsachen läßt sich über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch noch nicht abschließend entscheiden.
Gem § 134 Abs 2 Satz 1 AFG gelten die Vorschriften des 1. Unterabschnitts des AFG über Alg entsprechend, soweit die Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen. Damit ist auch auf § 119 AFG verwiesen. Da gegen die Bestimmung des § 119 AFG über den Eintritt von Sperrzeiten keine Bedenken aus den Besonderheiten der Alhi bestehen, ist § 119 AFG innerhalb der Alhi-Bestimmungen entsprechend heranzuziehen (Urteil des Senats vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 55/77 -). Nach § 119 Abs 3 AFG erlischt der Anspruch (bei entsprechender Anwendung nach § 134 Abs 2 Satz 1 AFG: der Anspruch auf Alhi) wenn der Arbeitslose "nach der Entstehung des Anspruchs" bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben hat, hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten hat und wenn er dann erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gibt. Der § 119 Abs 3 AFG setzt somit voraus, daß "nach der Entstehung des Anspruchs", der erlöschen kann, der Arbeitslose zweimal einen Anlaß für eine Sperrzeit von vier Wochen gegeben hat. Da die Feststellung einer Sperrzeit gegen den Kläger für die Zeit von Oktober bis November 1974 bindend geworden ist (§ 77 SGG) steht die Rechtmäßigkeit des Eintritts dieser Sperrzeit nicht mehr in Frage. Die Voraussetzungen des § 119 Abs 3 AFG liegen aber dennoch nicht vor, weil für den Kläger "nach der Entstehung des Anspruchs", also des Alhi-Anspruchs, um den es im vorliegenden Falle geht, nur eine (die erste) Sperrzeit festgestellt worden ist, die im angefochtenen Bescheid bezeichnete. Der Anspruch auf Alhi kann nämlich nicht zusammen mit demjenigen auf Alg als ein Anspruch behandelt werden.
Das AFG gebraucht den Begriff des "Anspruchs" in verschiedener Bedeutung. Üblicherweise und völlig vorherrschend wird unter "Anspruch" das Recht verstanden, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (so wie die Legaldefinition des § 194 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - es ausdrückt). Der Anspruch in diesem Sinne entsteht, wenn alle Voraussetzungen vorliegen, an die das Gesetz den Anspruch knüpft. In diesem Verständnis verwendet das AFG den Begriff des "Anspruch" insbesondere in § 100 Abs 1 AFG. Diese Vorschrift nennt alle Voraussetzungen, unter denen der konkrete Anspruch auf die konkrete Leistung des Alg entsteht. Demgegenüber gehen insbesondere die §§ 125 und 135 AFG, die das Erlöschen des Anspruchs auf Alg und Alhi regeln, von einem anderen Anspruchsbegriff aus. Sie besagen nicht etwa nur, daß der konkrete Anspruch auf Leistung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erlischt, sondern daß die gesamte Anspruchsberechtigung, die gesamte rechtliche Lage untergeht, der zufolge der Arbeitnehmer durch Arbeitslosigkeit einen Anspruch erwerben kann. Das geht schon daraus hervor, daß der erste Tatbestand sowohl des § 125 wie auch des § 135 AFG die Erfüllung einer neuen Anwartschaft und damit eine die "Beitragspflicht begründende Beschäftigung" voraussetzt, also eine Situation, in der ein konkreter Anspruch auf Leistung mangels Arbeitslosigkeit ohnehin nicht bestehen kann. Wenn § 125 und § 135 AFG aussprechen, daß der Anspruch auf Alg bzw Alhi erlischt, wenn der Arbeitslose durch Erfüllung der Anwartschaftszeit einen Anspruch auf Alg erwirbt, so kann das nur besagen, daß über den konkreten Anspruch hinaus die gesamten früheren Anspruchsgrundlagen entfallen sollen.
Da das AFG somit den Begriff des "Anspruchs" in verschiedenem Sinne gebraucht, läßt sich allein aus diesem Wort noch nicht herleiten, was es im einzelnen Falle meint. Unter "Anspruch" kann es einmal den konkreten aktuellen Leistungsanspruch verstehen, also das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, zum anderen aber auch die Berechtigung, aus der heraus der Antragsteller einen aktuellen und konkreten Leistungsanspruch erwerben kann; das sind die Rechte aus der Erfüllung der "Anwartschaft", im Falle des Alg aus der Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG).
Das für den Arbeitslosen günstigste Verständnis des § 119 Abs 3 AFG wäre die Auslegung des Begriffes "Anspruch" iS der Legaldefinition des § 194 Abs 1 BGB, also in dem Sinne, in dem normalerweise stets dieses Wort gebraucht wird. Denn in diesem Falle wäre die weitere Wirkung einer bereits eingetretenen Sperrzeit jeweils dann ausgeräumt, wenn der Arbeitslose aus irgendeinem Grunde seinen konkreten Leistungsanspruch verlieren und danach einen neuen Leistungsanspruch erwerben würde, etwa nach zwischenzeitlicher Erkrankung, Abmeldung aus dem Leistungsbezug oder dergleichen. Wollte man den Begriff "Anspruch" in § 119 Abs 3 AFG aber so verstehen, so hätte das zur Folge, daß der Arbeitslose sich willkürlich den Folgen einer bereits eingetretenen Sperrzeit entziehen könnte (Urteil des Senats vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 55/77 -). Deshalb hat der Senat aus Sinn und Zweck des § 119 Abs 3 AFG geschlossen, daß mit den Worten "nach Entstehung des Anspruchs" in § 119 Abs 3 AFG gemeint ist "nach Entstehung der Anwartschaft".
Aber auch bei dieser Auslegung des § 119 Abs 3 AFG erlischt der Anspruch auf Alhi nicht, wenn die erste Sperrzeit bereits während des Bezugs von Alg, und nur die zweite während des Bezugs von Alhi eingetreten ist.
Alg und Alhi haben jeweils verschiedene Anwartschaften zur Voraussetzung. Daraus folgt, daß nicht zwei Sperrzeiten "nach der Entstehung des Anspruchs" (gemeint "Anwartschaft") eingetreten sind, wenn die erste Sperrzeit in die Zeit des Alg-Bezugs, die zweite dagegen in die Zeit des Alhi-Bezugs fällt.
Alg und Alhi setzen beide voraus, daß der Antragsteller arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Leistung beantragt hat. Beide Leistungsarten setzen weiter voraus, daß der Antragsteller in der durch das Gesetz bestimmten Weise seine nähere Beziehung zur Arbeitslosenversicherung dargetan hat. Im Falle des Alg ist diese besondere Beziehung zur Arbeitslosenversicherung dargetan, wenn der Antragsteller innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 26 Wochen in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat (§ 104 AFG). In diesem Falle hat er die "Anwartschaftszeit" erfüllt, also die "Anwartschaft" auf Alg erworben. Die Alhi setzt neben den anspruchsbegründenden Merkmalen, die sie mit dem Alg gemeinsam hat, die Bedürftigkeit voraus, sowie, daß der Betreffende keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit für das Alg (§ 104 AFG) nicht erfüllt hat (§ 134 Abs 1 AFG).
Als "Anwartschaft" kennt die Alhi dagegen mehrere Tatbestände, die einander ersetzen können. So kann Alhi derjenige beziehen, der innerhalb des Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat (§ 134 Abs 1 Nr 4b AFG). Gleichermaßen erwirbt eine Anwartschaft auf Alhi derjenige, der in dem Jahr vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG) oder der in dieser Zeit mindestens 26 Wochen eine allgemeinbildende oder berufliche Schule oder eine Hochschule besucht hat, diese Ausbildung abgeschlossen oder nicht nur vorübergehend aufgegeben und weiter innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Ausbildung 26 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat (§ 134 Abs 1 Nr 4c AFG). Die Fälle des § 134 Abs 1 Nr 4b (Zehnwochentätigkeit) und Nr 4c (26 Wochen Schulzeit) lassen deutlich erkennen, daß der Bezug von Alhi eine eigene Anwartschaft gegenüber dem Bezug von Alg fordert. Beide Anwartschaften sind von einander unabhängige Tatbestände. Aber auch die sog Anschluß-Alhi (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4a AFG), bei der vorausgesetzt wird, daß der Antragsteller innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, zu Recht (Urteil des Senats vom 5. Dezember 1978 - 7 RAr 34/78 -) Alg bezogen hat, hat mit dem Alg nicht dieselbe Anwartschaft gemein. Das geht schon daraus hervor, daß § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG gerade die Nichterfüllung der Anwartschaftszeit des Alg als Voraussetzung jeglichen Alhi-Anspruchs bestimmt und somit auch davon ausgeht, daß derjenige, der Alg nach der in § 106 AFG für ihn maßgebenden Dauer (erschöpfend) bezogen hat, deshalb keinen weiteren Alg-Anspruch mehr hat, weil seine hierfür benötigte Anwartschaft verbraucht ist.
Die vom LSG vertretene Auffassung, bei der Anschluß-Alhi sei durch die Verknüpfung von Alg und Alhi eine so enge Verbindung vorhanden, daß von einem einheitlichen Anspruch iS von § 119 Abs 3 AFG ausgegangen werden müsse, geht fehl.
In Literatur und Rechtsprechung ist diese Meinung allerdings mehrfach vertreten worden (Hennig/Kühl, Heuer, Kommentar zum AFG, § 134 Anm 4c; Hessisches LSG vom 23. Mai 1977 - L 1/Ar 978/76 -, Dienstblatt C der Bundesanstalt für Arbeit Nr 2182 a / § 119; LSG Niedersachsen vom 27. Oktober 1977 - L 7 Ar 146/77 - Dienstblatt C der Bundesanstalt für Arbeit Nr 2284 a / § 119). Der dabei aus der Verkoppelung der Ansprüche von Alg und Alhi - etwa dem sozialpolitischen Zweck der Anschluß-Alhi und der gleichartigen Berechnungsgrundlagen beider Leistungen - gezogene Schluß verkennt den Begriff des Anspruchs iS von § 119 Abs 3 AFG, wie er vom Senat entwickelt worden ist. Eine andere Begriffsbestimmung ginge über den Wortsinn jener Vorschrift hinaus und würde nicht mehr Auslegung, sondern Umdeutung jenes Begriffes sein (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1975, S. 309). Diese bedarf besonderer Voraussetzungen; sie ist insbesondere zulässig zur Ausfüllung von Gesetzeslücken. Eine solche Gesetzeslücke, die es gebietet, § 119 Abs 3 AFG dahin zu verstehen, daß der Anspruch auf Alg und der auf Anschluß-Alhi entgegen der tatsächlichen rechtlichen Ausgestaltung als ein (einheitlicher) Anspruch iS des § 119 Abs 3 AFG verstanden werden, ist jedoch vom Sinn des Gesetzes her nicht geboten. Es ist nicht erkennbar, daß das Gesetz insoweit eine Lücke enthält, also eine "planwidrige", dh dem Willen des Gesetzes widersprechende Unvollständigkeit. Dies ergibt sich inhaltlich bereits aus dem Urteil des Senats vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 55/77 -.
Da § 119 Abs 3 AFG eine Vorschrift ist, die wegen des Verhaltens des Arbeitslosen eine Sanktion gegen diesen ausspricht, beständen überdies Bedenken gegen eine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung dieser Bestimmung.
Ist somit ausgeschlossen, daß der Anspruch des Klägers auf Alhi nach § 119 Abs 3 AFG gänzlich erloschen ist, so ist festzustellen, ob der Kläger eine Sperrzeit verwirkt hat und für welchen Zeitraum.
Das LSG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die dem Kläger angebotene Tätigkeit als Trockenputzverlegehelfer eine "berufsnahe Anlerntätigkeit" war, daß der Verdienst erheblich über dem Alg- und Alhi-Satz lag und daß dem Kläger durch zwischenzeitliche Tätigkeit außerhalb seines Berufes ein beruflicher Schaden nicht drohte. An diese tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden (§ 163 SGG). Danach war die angebotene Tätigkeit dem Kläger zumutbar iS des § 103 Abs 1 AFG, auch wenn man berücksichtigt, welche Grenzen der Beklagten bei einer solchen Verweisung auf berufsfremde Tätigkeiten gesetzt sind (vgl BSGE 44, 71 = SozR 4100 § 119 Nr 3; SozR 4100 § 119 Nr 4).
Das LSG hat zu Recht auch keinen Grund für eine Herabsetzung der Sperrzeit auf zwei Wochen gesehen. Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat nach § 119 Abs 2 AFG keinen Beurteilungsspielraum, der ihr gestattet, letztverbindlich über das Vorliegen eines Härtefalles zu entscheiden (BSGE 44, 71 = SozR 4100 § 119 Nr 3). Das Vorbringen des Klägers, daß die Beurteilung dessen, was einem Arbeitslosen zumutbar sei, in rechtlicher Hinsicht umstritten gewesen und daher für den einzelnen Arbeitslosen schwierig zu beurteilen sei, trifft zwar zu, es rechtfertigt allein aber keine Herabsetzung der Sperrzeit. Daß das AFG keinen Berufsschutz gewährt, war nach allgemeiner Meinung unbestritten. Wenn der Kläger der Belehrung der Beklagten insoweit nicht vertraute, so wäre dies nur dann als unverschuldet zu behandeln, wenn er sich auf eine konkrete andere Auskunft oder sonstige Wissensquelle stützen konnte; anderenfalls handelte er bei einer Arbeitsablehnung, da er sich auf eigenes unvollkommenes Wissen verließ, bewußt auf eigene Gefahr.
Obwohl somit im vorliegenden Falle eine Sperrzeit von vier Wochen eingetreten ist, kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden.
Ob der Kläger ab Juli 1975 noch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, steht nicht fest. Das LSG hat im Tatbestand erwähnt, der Kläger habe die angebotene Arbeit mit der Begründung abgelehnt, daß er nur als Fliesenleger vermittelt werden wolle. In den Gründen ist es darauf nicht mehr zurückgekommen, so daß offen ist, ob der Kläger diese Vorstellung über seinen weiteren Berufsweg nur als Vermittlungswunsch angegeben hat oder ob er trotz Belehrung, daß eine solche Einschränkung nicht zulässig sei, hierbei verblieben ist. Im letzteren Falle hätte es bereits an seiner Verfügbarkeit iS des § 103 AFG gefehlt (vgl BSG SozR 4100 § 103 Nr 18). Hierzu wird das LSG noch Feststellungen treffen müssen.
Ferner ist ohne Ermittlungen über das weitere Versicherungsschicksal des Klägers eine Entscheidung nach seinem Antrag nicht möglich. Er hat nämlich beantragt, die Beklagte für die Zeit nach dem 29. Juli 1975 zur Zahlung von Alhi zu verurteilen. Ob von diesem Zeitpunkt an die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi noch bestehen, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Es ist gegebenenfalls ferner noch festzustellen, ob und bis wann der Alhi-Anspruch des Klägers bestanden hat.
Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1652290 |
BSGE, 109 |
Breith. 1980, 152 |