Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattung bei Aufenthalt im Frauenhaus. Prozessführungsbefugnis der Arbeitsgemeinschaften. Erstattung von Kosten für die Erstausstattung einer neuen Wohnung nach Verlassen des Frauenhauses. Erstattungsanspruch bei noch bestehendem Aufenthalt im Frauenhaus zum Zeitpunkt der Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erstattungspflicht bei Aufenthalt in einem Frauenhaus umfasst alle während der Zeit des Aufenthalts dort erbrachten Leistungen, für die der erstattungsberechtigte Träger wegen der Zuflucht ins Frauenhaus örtlich zuständig geworden ist.
2. Für den Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers aus dem Aufenthalt der Leistungsberechtigten bei Antragstellung, nicht aus dem Ort der Wohnung.
Orientierungssatz
Zwar handelt es sich bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB 2 im Ausgangspunkt um ein Recht der Kommune, das mit ihrer Trägerschaft für die Leistungen korrespondiert, für die Erstattung verlangt werden kann. Die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB 2 aF sind gleichwohl prozessführungsbefugt, wenn ihnen der jeweilige kommunale Träger die Wahrnehmungszuständigkeit für die Erbringung der Leistungen, für die Erstattung verlangt wird, gem § 44b Abs 3 SGB 2 aF übertragen hat.
Normenkette
SGB 2 § 36a Fassung: 2006-07-20, § 44b Abs. 3 Fassung: 2006-07-20, § 44b Fassung: 2010-08-03, § 36 S. 2 Fassung: 2004-07-30, S. 3 Fassung: 2006-07-20, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 2006-07-20, § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2004-07-30
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 2011 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. Juni 2010 zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Das klagende Jobcenter begehrt vom beklagten Jobcenter die Erstattung von Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung.
Die 1984 geborene erwerbsfähige und hilfebedürftige K und ihre beiden Kinder lebten bis zum 13.2.2007 in einer Gemeinde, die im örtlichen Zuständigkeitsbereich des beklagten Jobcenters gelegen ist. Nach der Trennung von dem Lebensgefährten und Vater suchten sie am gleichen Tag Zuflucht in einem Frauenhaus, das im örtlichen Zuständigkeitsbereich des klagenden Jobcenters gelegen ist. Auf Antrag vom 26.4.2007 bewilligte die Rechtsvorgängerin des klagenden Jobcenters, die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Rhein-Sieg, mit Bescheid vom 30.4.2007 K und ihren Kindern Kosten für die Erstausstattung einer neuen, nach dem Auszug aus dem Frauenhaus zu beziehenden Wohnung in Höhe von insgesamt 1373 Euro. Am 6.5.2007 verließen K und die Kinder das Frauenhaus und zogen in eine Wohnung am Ort des Frauenhauses um.
Am 20.7.2007 machte der Kläger gegenüber der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters, der ARGE Rhein-Erft, die Erstattung der während der Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus der K und ihren Kindern gewährten Leistungen und dabei unter anderem die Kosten für die Erstausstattung der neuen Wohnung in Höhe von 1373 Euro geltend. Dies lehnte der Beklagte mit einem mit einer Belehrung über den Widerspruch versehenen Schreiben vom 3.8.2007 ab. Auf den vorsorglich eingelegten Widerspruch übernahm er die Kosten der Unterkunft in voller Höhe und wies den Widerspruch wegen der Übernahme der Kosten für die Erstausstattung zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.1.2009).
Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Köln erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil vom 22.6.2010). Auf die vom Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zugelassene Berufung des Beklagten hat das LSG dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.7.2011). Die auf Erstattung nach § 36a Sozialgesetzbuch Zweites Buches (SGB II) gerichtete Klage sei als echte Leistungsklage iS des § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Es liege ein sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis vor, deshalb sei weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten gewesen (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 17.5.2000 - B 3 KR 33/99 R - SozR 3-2500 § 112 Nr 1).
Die Beteiligten seien kommunale Träger iS des § 36a SGB II. Der Beklagte sei der kommunale Träger am bisherigen Wohnort der K, der Kläger sei durch ihre Aufnahme in das in seinem Kreisgebiet gelegene Frauenhaus zuständiger kommunaler Träger geworden. Die Eigenschaft des Klägers als Arbeitsgemeinschaft iS des § 44b SGB II aF bzw als Gemeinsame Einrichtung seit dem 1.1.2011 (§ 44b Abs 1 Satz 2 SGB II) ändere nichts an dessen Eigenschaft als kommunaler Leistungsträger gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 SGB II aF und damit an dessen Aktivlegitimation. Die Passivlegitimation des Beklagten folge aus § 44b Abs 3 Satz 2 SGB II aF (Arbeitsgemeinschaft) bzw § 44b Abs 1 Satz 2 SGB II (Gemeinsame Einrichtung).
Ein Erstattungsanspruch nach § 36a SGB II im Hinblick auf die Kosten einer Erstausstattung in Höhe von 1373 Euro bestehe aber entgegen der Auffassung des SG nicht. Von der Erstattungspflicht würden weder nach dem Wortlaut des § 36a SGB II, dem systematischen Standort der Norm im Gefüge der Zuständigkeit, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck Kosten für die Erstausstattung einer neuen Wohnung gemäß § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II nach Verlassen des Frauenhauses erfasst. Die Zuständigkeit des Klägers für die Erbringung der Leistungen für Erstausstattung der künftigen Wohnung ergebe sich nicht aus dem Aufenthalt im Frauenhaus, wie es § 36a SGB II als Sonderregelung für die örtliche Zuständigkeit voraussetze. Sie ergebe sich vielmehr nach § 36 Satz 2 SGB II daraus, dass diese Wohnung, in der künftig gewöhnlicher Aufenthalt genommen werde, im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Klägers liege.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung von § 36a SGB II. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Systematik der Norm ergebe sich, dass § 36a SGB II den Träger am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts zur Erstattung sämtlicher während der Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus entstehender Kosten verpflichte.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 2011 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. Juni 2010 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG den Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung verneint und deshalb das zusprechende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) statthaft, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind sowohl der Kläger als auch der Beklagte als Jobcenter - wie bereits ihre Rechtsvorgänger als Arbeitsgemeinschaft nach dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht - im vorliegenden Rechtsstreit prozessführungsbefugt.
Die Prozessführungsbefugnis - zu unterscheiden von der Beteiligtenfähigkeit nach § 70 SGG - ist die Berechtigung, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen, also als richtiger Kläger zu klagen (aktive Prozessführungsbefugnis), oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive Prozessführungsbefugnis; vgl BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN). In der Regel fällt sie mit der Aktiv- bzw Passivlegitimation in der Sache zusammen, es sei denn, Rechte eines Dritten können in zulässiger Prozessstandschaft verfolgt werden (im Einzelnen Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 11 ff und Leitherer, aaO, § 69 RdNr 4).
Zwar handelt es sich bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II im Ausgangspunkt um ein Recht der Kommune, das mit ihrer Trägerschaft für die Leistungen korrespondiert, für die Erstattung verlangt werden kann. Kläger und Beklagter, die vorliegend nach § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig sind, sind gleichwohl prozessführungsbefugt, weil ihnen der jeweilige kommunale Träger, der Rhein-Sieg-Kreis bzw der Rhein-Erft-Kreis, die Wahrnehmungszuständigkeit für die Erbringung von Leistungen nach § 23 Abs 3 SGB II gemäß § 44b Abs 3 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung übertragen hat. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben nach außen gehört auch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber anderen Trägern. Für dieses umfassende Verständnis der Aufgabenübertragung spricht auch die in § 44b SGB II in der seit dem 1.1.2011 geltenden Fassung grundgesetzlich verankerte Aufgabenzuständigkeit des Jobcenters unabhängig von einer Übertragung der jeweiligen Aufgabe im Einzelfall. Es entspricht der Funktion eines Jobcenters, sämtliche Aufgaben auch des kommunalen Trägers wahrzunehmen, sofern nicht die Trägerversammlung eine Rückübertragung dieser Aufgaben beschließt.
2. Der Sache nach stützt der Kläger seinen Anspruch zutreffend auf § 36a SGB II. Der danach geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch besteht dem Grunde (dazu unter a) und der Höhe nach (dazu unter b).
a) § 36a SGB II (eingefügt in das SGB II durch Art 1 Nr 4a des Gesetzes vom 14.8.2005 mWv 1.9.2005, hier anwendbar in der mit Art 1 Nr 32 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - Fortentwicklungsgesetz - vom 20.7.2006 zum 1.8.2006 geänderten Fassung) ist eine gegenüber §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) spezialgesetzliche Kostenerstattungsregelung im SGB II. Sucht danach eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht, ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus zu erstatten. Auch materiell-rechtlich folgt die Aktivlegitimation bzw die Passivlegitimation der ARGE/des Jobcenters dabei aus der entsprechenden Aufgabenübertragung für die dem Kostenerstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistungen in kommunaler Trägerschaft.
Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach ist ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der kommunalen Träger durch eine Flucht der leistungsberechtigten Frau (und ggf ihrer Kinder, vgl "Person") vom bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in ein Frauenhaus. Erstattungsverpflichtet ist der kommunale Träger am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb eines Frauenhauses (Herkunftskommune). Erstattungsberechtigt ist die Kommune, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich iS des § 36 SGB II das Frauenhaus gelegen ist (aufnehmende Kommune).
Eine von den Grundsätzen des § 36 SGB II abweichende örtliche Zuständigkeit für die aufnehmende Kommune begründet § 36a SGB II entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch (und gerade) in der seit dem 1.8.2006 geltenden Fassung durch das Fortentwicklungsgesetz nicht. Insoweit bestimmt bereits § 36 Satz 3 SGB II (in der ebenfalls mit dem Fortentwicklungsgesetz geänderten Fassung), dass es für die örtliche Zuständigkeit nicht auf die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ankommt, sondern (nach Aufgabe des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts) auch die aus dem tatsächlichen Aufenthalt folgende Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen gegenüber der Frau (und deren Kinder) genügt. § 36a SGB II regelt nicht selbst, sondern setzt im Anschluss an § 36 SGB II voraus, dass sich mit dem Aufenthalt in einem Frauenhaus ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ergeben hat (vgl Aubel in jurisPK-SGB II § 36a RdNr 4; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 36a RdNr 2 und 8; Herbst in Mergler/Zink, SGB II, § 36a RdNr 7; Groth in GK-SGB II, § 36a RdNr 11; anders nur Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 36a RdNr 10). Wenn der gegenüber dem tatsächlichen Aufenthalt vorrangige gewöhnliche Aufenthalt (vgl § 36 Satz 2 SGB II) in der bisherigen Wohnung ausnahmsweise trotz Flucht in ein Frauenhaus bestehen bleibt, ist die Herkunftskommune schon aus diesem Grund weiterhin für die Leistungserbringung örtlich zuständig; von einem anderen Träger erbrachte Leistungen sind nach den allgemeinen Regelungen des SGB X zu erstatten.
Die Feststellungen des LSG lassen den Rückschluss zu, dass im Rhein-Erft-Kreis in der gemeinsamen Wohnung mit dem Partner bis zum 13.2.2007 gewöhnlicher Aufenthalt bestand und dieser gewöhnliche Aufenthalt mit der zukunftsoffenen Flucht in Trennungsabsicht aus der gemeinsamen Wohnung aufgegeben worden ist. Der Kläger ist also mit der Aufnahme von K und den Kindern in dem Frauenhaus als Träger am Ort des tatsächlichen Aufenthalts (jedenfalls) nach § 36 Satz 3 SGB II örtlich zuständig für die Leistungserbringung geworden. Ob im Frauenhaus auch gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden ist, kann offen bleiben.
An der Leistungsberechtigung der K und ihrer Kinder nach § 7 Abs 1 und 2 SGB II bestehen ebenfalls keine Zweifel. Unerheblich ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Norm, ob die Frau bereits im Zuständigkeitsbereich des Trägers der Herkunftskommune leistungsberechtigt war oder erst mit der Trennung von ihrem Partner hilfebedürftig geworden ist.
b) Ist der Rhein-Erft-Kreis damit als Herkunftskommune dem Grunde nach Erstattungsverpflichteter und der Rhein-Sieg-Kreis als aufnehmende Kommune dem Grunde nach Erstattungsberechtigter, werden von der Erstattungspflicht alle Leistungen erfasst, die vom kommunalen Träger nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB II (rechtmäßig) an die leistungsberechtigte Frau und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus erbracht werden.
aa) Wegen des Umfangs der Kostenerstattungspflicht knüpft § 36a SGB II allein daran an, dass sich die Leistungspflicht der erstattungsberechtigten Kommune für Leistungen nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB II aus der örtlichen Zuständigkeit während des Aufenthalts ergibt und differenziert nicht weitergehend dahin, ob die jeweiligen Kosten innerhalb oder außerhalb des Frauenhauses anfallen (vgl auch Urteil des Senats vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die aufnehmende Kommune wird von sämtlichen Kosten freigestellt, für die die Herkunftskommune zuständig gewesen wäre, wenn der gewöhnliche Aufenthalt dort nicht durch die Flucht ins Frauenhaus beendet worden wäre. Abgegrenzt wird die Verpflichtung zur Kostenerstattung lediglich in zeitlicher Hinsicht: Kosten, die entstehen, nachdem die Frau außerhalb des Frauenhauses Aufenthalt genommen hat, werden von der Erstattungspflicht nicht mehr erfasst.
Diese Auslegung des Wortlauts ("für die Zeit des Aufenthalts") entspricht Sinn und Zweck der Kostenerstattungsregelung. Sie soll die einseitige Belastung von Kommunen verhindern, die Frauenhäuser unterhalten (vgl BT-Drucks 15/5607 S 3 und 6). Wie die Finanzierung des jeweiligen Frauenhauses im Einzelnen geregelt ist, ist dabei für den Kostenerstattungsanspruch ohne Belang. Die Regelung ist im Sinne eines allgemeinen Ausgleichs für solche Kommunen zu verstehen, die Frauenhäuser - auf welche Weise und mit welchem Kostenbeitrag auch immer - unterhalten. Ihr Ziel ist dagegen nicht die unmittelbare Finanzierung von Frauenhäusern. Anders als dies von dem Bundesrat ursprünglich vorgeschlagen worden war (vgl BT-Drucks 15/5908 S 5), ist auch keine Kostenerstattungsregelung für die Erbringung von Leistungen nach Auszug aus dem Frauenhaus geschaffen worden, was ebenfalls die Abgrenzung allein in zeitlicher Hinsicht nahelegt.
bb) Neben den vorliegend nicht streitigen Kosten für die Unterkunft sind damit auch die einmaligen Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung, die nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB II als kommunale Leistungen ausgestaltet sind, vom Kostenerstattungsanspruch der aufnehmenden Kommune erfasst. Die Voraussetzung, dass der Kläger lediglich wegen des (tatsächlichen oder gewöhnlichen) Aufenthalts der K und ihrer Kinder im Frauenhaus für die Leistungserbringung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II aF (jetzt § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II) zuständig geworden ist, ist erfüllt. Weder aus § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II aF noch aus § 36 SGB II folgt, dass es wegen der örtlichen Zuständigkeit für die Erbringung dieser Leistungen auf den Ort der auszustattenden Unterkunft ankommt, wie das LSG meint. Auch insoweit ist für die örtliche Zuständigkeit maßgeblich allein der Aufenthalt der Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der Antragstellung.
Zwar ist der Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung bedarfsbezogen, also bezogen auf den Ausstattungsbedarf für eine bestimmte Wohnung zu prüfen. Daraus folgt aber keine Regelung für die örtliche Zuständigkeit. Solche ausdrücklichen Zuständigkeitsregelungen, die nicht an den Aufenthalt der leistungsberechtigten Person, sondern an den Ort der Unterkunft anknüpfen, trifft allein § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II (in der seit dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Fortentwicklungsgesetzes; jetzt § 22 Abs 6 SGB II) für Kosten des Umzuges einerseits und Wohnungsbeschaffungskosten andererseits. Nur insoweit hat der Gesetzgeber eine Regelung abweichend von der allgemeinen örtlichen Zuständigkeit geschaffen. Schon weil § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II aF als weitere bedarfsbezogene Leistung für die Unterkunft nicht zugleich (und auch nicht in der Folge) geändert worden ist, knüpft insoweit die Zuständigkeit entsprechend dem Grundgedanken des § 36 SGB II allein an den Aufenthalt der leistungsberechtigten Person bei Antragstellung an.
cc) Die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung im Übrigen (bezüglich des Umfangs der im Einzelfall erforderlichen Erstausstattung einer Wohnung) hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - nicht im Einzelnen geprüft. Es hat aber auf die entsprechenden Feststellungen des SG in seiner Entscheidung Bezug genommen. Der Beklagte hat sich gegen diese Feststellungen weder im Berufungsverfahren noch im Revisionsverfahren gewandt. Anlass zu weitergehenden Ermittlungen, die zur Zurückverweisung an das LSG hätten führen müssen, besteht damit nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 3272614 |
FuR 2012, 672 |
info-also 2012, 232 |