Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletztenrente wegen Berufskrankheit (BK)
Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, Mainz, Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente wegen Berufskrankheit (BK) zu gewähren hat.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. In den Jahren 1944 bis 1949 und 1950 bis 1951 war er bei den Keramischen Werken V. , M. , beschäftigt. Von 1949 bis 1950 war er erstmals im Ausland tätig. Seit dem Jahre 1951 lebte und arbeitete er bis August 1976 in Argentinien, zunächst bis 1963 als Schlosser für V. und M. . Von 1964 bis 1973 übte er eine selbständige Erwerbstätigkeit aus. Anschließend war er bis August 1976 im Familienbetrieb seines Schwiegervaters angestellt.
Durch Angestelltenvertrag vom 13. August 1976 wurde der Kläger zum 15. August 1976 von der Firma D. mit Hauptsitz in S. als Richtmeister eingestellt. Zugleich mit dem Hauptvertrag wurde ein Zusatzarbeitsvertrag abgeschlossen, aufgrund dessen er - sofort zum 15. August - auf einer Montagebaustelle in Venezuela tätig werden sollte; die in Aussicht genommene Einsatzzeit sollte etwa zwei Jahre betragen. Nach Beendigung der Tätigkeit in Venezuela wurde der Kläger für die Firma D. auf weiteren Überseebaustellen tätig, und zwar in Venezuela, Trinidad, Malaysia und Nigeria. Für die einzelnen Montagebaustellen wurden jeweils Zusatzarbeitsverträge abgeschlossen, die in Verbindung mit dem Hauptanstellungsvertrag gelten sollten. Der Kläger hielt sich auf den einzelnen Montagebaustellen jeweils ca eineinhalb bis zwei Jahre auf. Mit Ablauf des Monats September 1986 endete das Arbeitsverhältnis mit der D. .
Der Kläger behauptet, er habe sich zwischen den einzelnen Montageeinsätzen immer zunächst bei der Hauptverwaltung der D. in S. zurückgemeldet und sei zuweilen dort auch für zwei bis drei Wochen beratend tätig gewesen. Erst nach der Rückkehr von einer Montagebaustelle sei jeweils neu über einen Auslandseinsatz entschieden worden; es habe stets auch die Möglichkeit einer Inlandstätigkeit bestanden.
Seit dem 1. Juni 1977 hat der Kläger melderechtlich seinen ersten Wohnsitz in L. . Es handelt sich dabei um das Haus seiner Eltern, das er zusammen mit seiner Schwester geerbt hat. Der Kläger behauptet, er habe seinen Lebensmittelpunkt bereits zum 15. August 1976 - gleichzeitig mit Beginn der Tätigkeit bei der D. - dorthin verlegt und nur die Anmeldung zunächst versäumt. Er habe die Zeit zwischen den einzelnen Auslandstätigkeiten dort verbracht und auch seinen Urlaub. Dieser Wohnsitz sei auf Dauer angelegt gewesen, insbesondere sei auch sein Gehalt von der D. nicht im Ausland gezahlt, sondern auf eine Bank in Di. überwiesen worden. Er hat eingeräumt, daß er während seiner Tätigkeit bei der D. hin und wieder in Argentinien gewesen sei.
Der Kläger leidet an einem Kontaktekzem bei Typ - IV - Sensibilisierungen auf Äthylendiamin. Gegenüber der Beklagten hat er vorgetragen, dieser Hautausschlag, der hauptsächlich Hände, Kopf, Gesäß und Füße befalle, habe sich erstmals im Jahre 1978 bemerkbar gemacht. Er führt die Gesundheitsstörung auf seine Tätigkeit als Richtmeister im Vulkanisierbetrieb der D. sowie auf das Kleben von Transportgummibändern zurück. Dabei sei er mit dem krankheitsauslösenden Stoff in Verbindung gekommen. Nach seiner Auffassung hat diese Erkrankung zu einem Karzinom in der Blase geführt.
Mit Bescheid vom 25. November 1988 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung an den Kläger ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe nicht unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Eine Ausstrahlung auf die Tätigkeit im Ausland habe nicht stattgefunden, da der Kläger im Ausland gelebt und dort eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber aufgenommen habe. Ein Versicherungsschutz werde auch nicht dadurch hergestellt, daß der Kläger zur Entgegennahme seiner Vertragsunterlagen und erster Instruktionen nach Deutschland gereist sei. Nach seiner Beschäftigung in Venezuela sei der Kläger weiterhin auf wechselnden Auslandsbaustellen tätig gewesen, wobei er mangels eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Im übrigen liege bei diesen Kettenarbeitsverträgen keine vorübergehende Beschäftigung vor, die im voraus zeitlich begrenzt sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der eine Verletztenrente geltend gemacht wurde, abgewiesen (Urteil vom 8. Februar 1990). Zur Begründung hat es ausgeführt, das in der deutschen Sozialversicherung geltende Territorialitätsprinzip schließe im Ausland beschäftigte Personen grundsätzlich von der Versicherung nach deutschen Rechtsvorschriften aus. Auch die in § 4 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) normierte "Ausstrahlung" greife im Fall des Klägers nicht ein. Zwar sei es ausreichend, wenn jemand im Inland nur zum Zweck einer vorübergehenden Beschäftigung im Ausland eingestellt werde. Dies gelte aber nur, wenn der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt die Grundlage für die Einbeziehung in das deutsche Sozialversicherungssystem sei. Da der Kläger seit 1951 nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt oder wohnhaft gewesen sei, könnten keine Ansprüche durch eine vorübergehende Entsendung mit der Einstellung bei der D. am 15. August 1976 begründet worden sein. Auch die Anmeldung des Hauptwohnsitzes in L. zum 1. Juni 1977 führe zu keinem anderen Ergebnis, weil der Kläger sich von 1976 bis 1986 durchgehend auf verschiedenen ausländischen Montagebaustellen befunden habe. Der Tatbestand der vorübergehenden Entsendung sei weder bei Verträgen mit Verlängerungsklauseln noch bei Kettenarbeitsverträgen gegeben.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26. Mai 1992). Der Kläger habe während seiner Tätigkeit für die D. nicht unter dem Schutz der deutschen Unfallversicherung gestanden. Ein Fall der Ausstrahlung habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe zum Zeitpunkt seiner Einstellung bei der D. keinen Wohnsitz iS des § 30 Abs 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -(SGB I) im Inland gehabt. Dieser sozialrechtliche Wohnsitz sei nach objektiven Kriterien und unabhängig von melderechtlichen Gegebenheiten zu bestimmen. Der Kläger habe nach 25jährigem Aufenthalt in Argentinien sogleich die Montagetätigkeit in Venezuela angetreten, was für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Argentinien spreche. Es hätten zum Zeitpunkt der Einstellung keinerlei Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung bestanden. Die Behauptung des Klägers, er sei zwischen den Montageeinsätzen jeweils zwei bis drei Wochen im Inland für die D. tätig gewesen, könne dahinstehen. Im Vergleich zur Gesamtdauer der Auslandstätigkeit führten diese geringfügigen Zwischenbeschäftigungen im Inland nicht dazu, daß sich der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses im Inland verwirklicht habe.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Ansicht des LSG sei seine Tätigkeit für die D. ein Fall der Ausstrahlung gemäß § 4 SGB IV. Er sei im Rahmen eines unbefristeten inländischen Arbeitsverhältnisses zu mehreren befristeten Montageeinsätzen entsandt worden. Für den Tatbestand der Ausstrahlung sei es genügend, wenn zeitgleich mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses auch der erste Wohnsitz nach Deutschland verlegt worden sei. Es sei unerheblich, ob zunächst eine Zeitlang in der Bundesrepublik gearbeitet worden sei. Im übrigen habe das LSG fälschlicherweise unter Zugrundelegung des tatsächlichen Verlaufs seiner Beschäftigung bei der D. einen Vergleich zwischen Auslands- und Inlandsaufenthalten vorgenommen. Entscheidend sei aber allein, daß jede Auslandstätigkeit isoliert angeordnet worden sei und stets auch die Möglichkeit einer längeren Inlandstätigkeit bestanden habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
|
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts für das Saarland vom 26. Mai 1992, L 2 U 16/90, des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 8. Februar 1990, S 3 U 154/88 sowie des Bescheides der Beklagten vom 25. November 1988, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente wegen der Berufskrankheit "Hauterkrankung" zu gewähren. |
|
Die Beklagte beantragt,
|
die Revision zurückzuweisen. |
|
Sie hat im Revisionsverfahren bislang keine Äußerung zur Sache abgegeben.
II
Die Revision ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Nach § 551 Abs 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist einem entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 RVO eine BK gleichgestellt. BKen sind gemäß § 551 Abs 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.
Voraussetzung für den Unfallversicherungsschutz des Klägers ist zunächst, daß er bei der Beklagten versichert war. Der Kläger war nach den den Senat gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Feststellungen des LSG bei der Firma D. beschäftigt und somit für diese Tätigkeit gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 RVO dann versichert, wenn er nach deutschem Recht sozialversicherungspflichtig bzw -berechtigt war.
Das deutsche Sozialversicherungsrecht gilt nach § 3 Nr 1 SGB IV nur, soweit die Beschäftigung im Geltungsbereich des SGB ausgeübt wird. Die möglicherweise allergieauslösenden Tätigkeiten hat der Kläger jedoch ausschließlich in Übersee ausgeübt. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte kommen daher nur in Betracht, wenn ein Fall der Ausstrahlung iS des § 4 Abs 1 SGB IV vorgelegen hat.
§ 4 SGB IV ist auf den vorliegenden Fall zumindest dem Sinn nach anzuwenden, obwohl diese Vorschrift erst seit dem 1. Juli 1977 in Kraft ist (Art 2 § 21 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl I S 3845) und der Kläger seine Tätigkeit für die D. bereits am 15. August 1976 aufgenommen hatte. Das Gesetz hat keine Übergangsregelung im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des § 4 SGB IV getroffen, so daß - wie das LSG angenommen hat - von dieser Vorschrift auch alle am 1. Juli 1977 laufenden Ausstrahlungsfälle, bei denen der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war, erfaßt werden (Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, SGB IV, § 4 RdNr 12). Ob dieses Abstellen auf den Eintritt des Versicherungsfalles auch für BKen gilt, erscheint zwar zweifelhaft, weil es bei BKen darauf ankommt, ob die Krankheit aufgrund der versicherten Tätigkeit entstanden ist, und nicht darauf, ob der Betreffende bei Eintritt des Versicherungsfalles - dem Krankheitsausbruch - versichert war (vgl KassKomm-Ricke, § 551 RVO RdNr 10). Dies kann aber vorliegend dahinstehen. Für den fraglichen Zeitraum vor Inkrafttreten des § 4 SGB IV galt jedenfalls die von der Rechtsprechung entwikelte Ausstrahlungstheorie. § 4 SGB IV stellt im wesentlichen nur eine Unklarheiten beseitigende Kodifizierung dieser Theorie dar (Hauck/Haines aaO RdNr 12; von Maydell in GK-SGB IV, 2. Aufl 1993, § 4 RdNr 6). Zumindest zum hier fraglichen Zeitraum hatte die Rechtsprechung die Ausstrahlungstheorie dahingehend entwickelt, daß sie weitestgehend dem jetzigen § 4 SGB IV entsprach, insbesondere hatte sie die hier in Frage stehenden Entsendungszeiten von bis zu zwei Jahren noch als Ausstrahlung angesehen (vgl BSGE 40, 57).
Voraussetzung für das Vorliegen einer Ausstrahlung ist demnach, daß jemand im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend ins Ausland entsendet wird.
Dem Begriff "Entsendung" ist immanent die Bewegung von einem Ort zum anderen, so daß eine Entsendung iS des § 4 SGB IV schon begrifflich erfordert, daß sich der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik Deutschland in einen anderen Staat begibt (BSGE 60, 96, 98; BSG SozR 5870 § 1 Nr 9 und BSG SozR 7833 § 1 Nr 6 zum im Normgehalt ähnlichen § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst a Bundeskindergeldgesetz [BKGG]; von Maydell in GK-SGB IV, § 4 RdNr 12). Grundsätzlich muß also der Arbeitnehmer bereits in der Bundesrepublik für seinen entsendenden Arbeitgeber gearbeitet haben (BSGE 60, 96, 98). Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Kläger ist nach den bindenden Feststellungen des LSG zeitgleich mit dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses mit der D. von Argentinien aus nach Venezuela entsandt worden. Daß er sich zum Abschluß des Arbeitsvertrages und zwecks der Erledigung von Formalien in Deutschland aufgehalten hat, ist insoweit unerheblich (BSG SozR 5870 § 1 Nr 9).
Von diesem Grundsatz abweichend genügt es nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur, wenn jemand im Inland nur zum Zweck einer vorübergehenden Beschäftigung im Ausland eingestellt wird (BSGE 60, 96, 98 mwN; BSG SozR 5870 § 1 Nr 9; Hauck/Haines aaO § 4 RdNr 4; von Maydell aaO § 4 RdNr 14). Diese Auffassung wird von der amtlichen Begründung zum Entwurf des SGB IV (BT-Drucks 7/4122, S 30) gestützt. Der gegenteiligen Auffassung von Seewald (KassKomm-Seewald, § 4 SGB IV RdNr 6), nach der eine zumindest geringfügige vorhergehende Inlandsbeschäftigung verlangt wird, wird nicht beigetreten. Versicherungsschutz kann nicht vom bloßen Zufall abhängen, ob eine vorherige Einweisung notwendig ist oder bei auf dem maßgebenden Arbeitsgebiet besonders erfahrenen Arbeitnehmern oder nach der Art der Arbeit nicht erforderlich ist.
Keinesfalls genügt es aber, wenn jemand im Ausland für das Ausland eingestellt wird (BSGE 60, 96, 98 mwN; BSG SozR 5870 § 1 Nr 9; Hauck/Haines aaO § 4 RdNr 4; Brackmann aaO, S 80o I mwN). Wird jemand zeitgleich mit der Entsendung von einem inländischen Arbeitgeber erst eingestellt, rechtfertigt sich seine Einbeziehung in den deutschen Sozialversicherungsschutz nur dann, wenn wenigstens anderweitig ein Bezug zur deutschen Sozialversicherung besteht, dh zumindest ist zu fordern, daß der Betreffende seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (BSGE 60, 96, 98; BSG SozR 5870 § 1 Nr 9). Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses muß im Inland liegen (Brackmann aaO S 80o).
Unter Anwendung dieser Grundsätze hatte der Kläger nach Ansicht des LSG keinen Bezug zur deutschen Sozialversicherung, weil er im Bundesgebiet weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Nach Auffassung des Senats genügen die getroffenen Feststellungen im angegriffenen Urteil jedoch nicht, um eine solche Schlußfolgerung zu ziehen. Die festgestellten Tatsachen sind teils unzureichend, teilweise auch widersprüchlich. An einen widersprüchlichen Tatbestand ist der Senat aber nicht gebunden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 139; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 5. Aufl, § 163 RdNr 3). Insbesondere fehlen ausreichende Feststellungen zu den Vorgängen bezüglich der Einstellung des Klägers. Zum einen stellt das LSG fest, daß der Kläger bis zum 14. August 1976 in Argentinien tätig war und am 15. August 1976 bereits seine Tätigkeit in Venezuela begann. Zum anderen nimmt es im Tatbestand Bezug auf den entsprechenden Zusatzarbeitsvertrag mit Datum vom 13. August 1976, der in Deutschland abgeschlossen wurde, und nach dem sich der Kläger verpflichtet hatte, seine Arbeit am 15. August 1976 in Venezuela aufzunehmen. Das LSG zieht offenbar nicht in Zweifel, daß der Kläger zumindest zwecks der Erledigung von Formalien im August 1976 im Bundesgebiet war. In Anbetracht der zurückzulegenden Entfernungen ist daher davon auszugehen, daß der Kläger entweder bereits vor dem 13. oder 14. August 1976 von Argentinien nach Deutschland gereist war oder aber erst nach dem 15. August 1976 nach Venezuela geflogen sein kann. Hierzu ist dem angegriffenen Urteil nichts zu entnehmen.
Gerade das genaue Geschehen im August 1976 ist aber entscheidend dafür, ob der Kläger einen Wohnsitz iS des § 30 SGB I im Bundesgebiet begründet hat. Nach der Legaldefinition des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dieser sozialrechtliche Wohnsitz ist nicht mit dem zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff des § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) identisch (Brackmann aaO S 79s II; KassKomm-Seewald § 30 SGB I RdNr 6). Auch auf den melderechtlichen Wohnsitz kommt es nicht an (BSGE 53, 49, 52; KassKomm-Seewald § 30 SGB I RdNr 7). Der sozialrechtliche Wohnsitz beurteilt sich objektiv nach den tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten (BSGE 49, 254, 256; BSG SozR 5870 § 1 Nr 4; BSG SozR 5870 § 2 Nr 44; Brackmann aaO; Seewald aaO RdNr 6). Es ist ein reales Verhalten in bezug auf einen Lebensmittelpunkt erforderlich (BSG SozR 5870 § 2 Nr 44; Seewald aaO RdNr 6). Der Wille, einen Wohnsitz zu begründen, genügt nicht, wenn die tatsächlichen Verhältnisse diesem Willen entgegenstehen (BSGE 49, 254, 256). Andererseits enthält der Wohnsitzbegriff insoweit ein subjektives Element, als ein - allerdings objektiv realisierbarer - Wille vorhanden sein muß (BSG SozR 5870 § 1 Nr 4, § 2 Nr 44; Seewald aaO RdNr 6).
Es kann nach den ermittelten Tatsachen nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger im August 1976 einen Wohnsitz in diesem Sinne in L. begründet hat. Dem steht - wegen der besonderen Umstände des Falles - nicht entgegen, daß er zuvor 25 Jahre im Ausland gelebt hat und dann sofort wieder für ca zwei Jahre nach Venezuela gegangen ist. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) für den Fall eines jugoslawischen Staatsangehörigen, der aus Jugoslawien kommend von einer deutschen Firma für das Ausland eingestellt worden war, entschieden, daß es irrelevant sei, ob er sich vor der Entsendung ins Ausland auch noch einige Zeit in Deutschland aufgehalten hat; dies genüge jedenfalls nicht, um eine Anknüpfung zur deutschen Sozialversicherung zu schaffen (BSG SozR 5870 § 1 Nr 9). Der Fall des Klägers ist allerdings grundsätzlich nicht allein deshalb anders zu beurteilen, weil er Deutscher ist. Aber de facto ergeben sich aus seiner deutschen Staatsangehörigkeit objektive Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen können. Im Fall des jugoslawischen Arbeitnehmers (BSG aaO) wurde zur Begründung ua angeführt, daß jener keine deutsche Arbeitserlaubnis besessen habe und wohl auch keine erhalten hätte. Der Kläger als Deutscher hingegen benötigt keine Arbeitserlaubnis. Mit zu berücksichtigen ist bei einer Entsendung aber, ob hinterher eine Wieder- oder Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber gewährleistet ist (vgl BSG SozR 7833 § 1 Nr 6). Dem standen beim Kläger als einem Deutschen jedenfalls keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Bei einem ausländischen Arbeitnehmer sprechen in der Regel bereits die objektiven Umstände gegen eine Wohnsitzbegründung in Deutschland, wenn er nur zwecks einer Entsendung ins Inland gekommen ist. Beim Kläger hingegen erscheint es nach den bisher festgestellten Tatsachen möglich, daß er - abgesehen von etwaigen befristeten Entsendungen - seinen Lebensmittelpunkt ab August 1976 wieder in der Bundesrepublik begründen wollte und in Zukunft dort zu leben und zu arbeiten beabsichtigte. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß er seinen Lebensmittelpunkt von Argentinien nach Venezuela verlegt hatte. Es hätte ua einer näheren Prüfung bedurft, wann genau der Kläger nach Deutschland zurückgekehrt ist sowie ob und ggf wann er erst dann eine neue Beschäftigung gesucht hatte, die er wegen seiner Auslandserfahrung schnell hat finden können. Wesentlich sind die genauen Absprachen beim Vertragsabschluß und bei der Vertragsgestaltung. Der Aufenthalt in Venezuela war für sich allein betrachtet zeitlich befristet, denn die Arbeit auf einer Montagebaustelle ist schon infolge ihrer Eigenart zeitlich im voraus begrenzt, ohne daß es auf die Formulierung im Arbeitsvertrag ankommt. Bei einem bis zu zweijährigen Auslandsaufenthalt - wie hier - wird aber ein inländischer Wohnsitz nicht aufgegeben, wenn die Wohnung jederzeit verfügbar ist, der Berechtigte nicht die Absicht hat, sich auf unabsehbare Zeit im Ausland aufzuhalten und seiner Rückkehr keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (BSG SozR 5870 § 1 Nr 4; Brackmann aaO S 79t; KassKomm-Seewald § 30 SGB I RdNr 9). Der Kläger hat demnach nicht seinen Lebensmittelpunkt nach Venezuela verlegt, da er dort nur vorübergehend war. Entscheidend ist also, ob er seinen Wohnsitz in Argentinien beibehalten hatte oder endgültig nach Deutschland zurückgekehrt war. Allein der 25jährige Aufenthalt in Argentinien ist nicht ausreichend für die - so das LSG - Annahme, der Kläger habe seinen Wohnsitz dort beibehalten. Zwar hatte der Kläger anscheinend - Genaues ist nicht festgestellt -familiäre Bindungen in Argentinien; aber auch dies ist kein ausreichendes Indiz. Dem Kläger stand es prinzipiell frei, jederzeit wieder nach Deutschland zurückzukehren. Das LSG wird daher anhand objektiver Umstände zum einen zu ermitteln haben, ob der Kläger seine Beziehungen in Argentinien im August 1976 weitestgehend - gelegentliche Besuche sind unschädlich - abgebrochen hatte, zum andern, ob er sich in L. dauerhaft eingerichtet hatte und dort in Zukunft leben wollte. Hat er eine Wohnung in Argentinien beibehalten, deutet dies darauf hin, daß der Wohnsitz in der Bundesrepublik nur formell zwecks Abwicklung des Vertrages mit der D. (Gehaltszahlungen usw) und/oder als Mitglied einer Erbengemeinschaft begründet wurde.
Sollten die Ermittlungen des LSG ergeben, daß der Kläger sich im August 1976 noch nicht endgültig in L. eingerichtet und dort den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen errichtet hatte, so bleibt zu untersuchen, ob dies zu einem späteren Zeitpunkt bei einem der weiteren Zwischenaufenthalte in Deutschland der Fall gewesen ist. Dann käme Versicherungsschutz ab diesem Zeitpunkt in Betracht.
Bezüglich der Befristung der Entsendungen ist das LSG der Auffassung, die jeweils kurzen Zwischenaufenthalte in der Bundesrepublik seien gegenüber der Gesamtdauer der Auslandsaufenthalte auch dann unerheblich, wenn der Kläger tatsächlich am Stammsitz für die D. gearbeitet habe. Diese Rechtsauffassung, nach der es auf eine Gesamtbetrachtung im Nachhinein ankommen soll, ist nicht mit dem Wortlaut des § 4 SGB IV zu vereinbaren. Nach dem eindeutigen Wortlaut kommt es auf eine Befristung "im voraus" an. Fest steht vorliegend, daß die einzelnen Auslandseinsätze des Klägers ihrer Eigenart nach zeitlich begrenzt waren. Es hat sich jeweils um Montagebaustellen gehandelt. Entscheidend ist daher, ob die einzelnen Auslandstätigkeiten isoliert oder als Einheit zu werten sind, wobei es auf eine Betrachtung "im voraus" ankommt. Auch hier genügen die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil nicht für eine abschließende Entscheidung. Wurde tatsächlich jede Auslandsentsendung, so wie der Kläger behauptet, erst mit Abschluß der vorherigen Tätigkeit neu vereinbart, sind die einzelnen Entsendungen isoliert zu betrachten, wenn zumindest eine reale Möglichkeit bestand, daß der Kläger nunmehr auch im Inland eingesetzt würde. Hatten die Vertragspartner hingegen von Anfang an geplant, daß der Kläger immer wieder ins Ausland entsendet werden sollte, sind die Entsendungen als Einheit zu sehen mit der Folge, daß insgesamt keine Befristung mehr vorlag. Dies gilt auch dann, wenn für den Kläger objektiv, wegen der Art seiner Tätigkeit, nur Einsätze im Ausland in Betracht kamen.
Wurden die Entsendungen jeweils unabhängig voneinander vereinbart, können sie nicht als Einheit gesehen werden, da es auf eine Vorausbetrachtung ankommt und die Möglichkeit auch einer Inlandstätigkeit bestanden hätte. Darauf, daß der Kläger im Nachhinein dann doch fast ausschließlich im Ausland gearbeitet hat, kommt es insoweit nicht an. Kamen jedoch von vornherein für den Kläger wegen objektiver Umstände oder der subjektiven Planung der Vertragspartner nur Auslandstätigkeiten in Betracht, muß der Versicherungsschutz entfallen. Es macht nämlich keinen Unterschied, ob jemand unbefristet in ein anderes Land entsendet wird oder ob jemand unbefristet ins Ausland, aber immer wieder in verschiedene Länder geschickt wird. Die Zwischenaufenthalte in Deutschland stellen in diesem Falle nur unerhebliche Überbrückungszeiten dar.
Soweit es nach alledem an tatsächlichen Feststellungen fehlt, kommt es auch nicht darauf an, ob sich diese Feststellungen der Verwaltungs- oder der Gerichtsakte entnehmen lassen. Der Senat kann Angaben aus den Akten nicht verwerten. Zwar hat das LSG seinen Urteilstatbestand mit einer Bezugnahme auf den Inhalt dieser Akten beendet. Diese Verweisung ist jedoch zu allgemein, sie gibt dem Senat nicht die Befugnis, aus den Akten eigene tatsächliche Feststellungen zu treffen (BSG vom 31. Juli 1968 - 11 RA 227/66 -). Gemäß § 136 Abs 2 SGG ist allerdings eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze grundsätzlich zulässig. Eine solche Bezugnahme muß aber den Gegenstand des in Bezug Genommenen so genau bezeichnen, daß erkennbar ist, worauf im einzelnen verwiesen wird; eine Pauschalbezugnahme auf die Akten ist unzulässig (Meyer-Ladewig aaO § 136 RdNr 6; Friederichs SozVers 1963, 264, 265).
Folglich war das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen