Entscheidungsstichwort (Thema)
vertragszahnärztliche Versorgung. Schiedsspruch. Reduzierung der Gesamtvergütung durch gesetzliche Regelung für ein Jahr. abgesenktes Niveau. grundsätzlicher Ausgangspunkt für Festlegung im folgenden Jahr. gerichtliche Kontrolle und Inhalt von Schiedssprüchen
Leitsatz (amtlich)
Wurde die Gesamtvergütung für ein Jahr durch gesetzliche Regelung reduziert, so ist dieses abgesenkte Niveau grundsätzlich der Ausgangspunkt der Festlegung für das folgende Jahr. Die Absenkung kann bei nachfolgenden Vereinbarungen nur außer Betracht bleiben, wenn sich eine solche Vorgabe ausreichend deutlich dem Gesetz entnehmen lässt.
Normenkette
SGB V § 71 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, § 85 Abs. 2 S. 2 Hs. 2, Abs. 2b, 3 S. 2, § 89 Abs. 1; GKV-SolG Art. 15 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 Fassung: 1998-12-19, S. 7 Fassung: 1998-12-1; GKVRefG Art. 21 § 1 J: 2000
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. März 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs, mit dem die Gesamtvergütung für das Jahr 2000 festgesetzt worden ist.
Die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) und die beigeladenen Ersatzkassen-Verbände erzielten für das Jahr 2000 keine Einigung über die Gesamtvergütung. Umstritten war vor allem, ob die für 1999 gesetzlich angeordnete Reduzierung des Ausgabenvolumens und der gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerte in den Bereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie auf die Werte von 1997 abzüglich 5 % (Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz ≪GKV-SolG≫ vom 19. Dezember 1998) für die folgenden Jahre fortwirkt. Das beklagte Landesschiedsamt, das von der Klägerin angerufen worden war, setzte für die Gebührentarife C (Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen) und D (Kieferorthopädische Behandlung) des Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrages die für 1999 geltenden Punktwerte, die gemäß Art 15 GKV-SolG gegenüber 1997 um 5 % reduziert worden waren, auch für das Jahr 2000 fest. Die höchstzulässigen Ausgabenvolumina wurden – ebenfalls unter Beachtung der 5 %igen Reduzierung gemäß Art 15 GKV-SolG – auf die 1997 (Gebührentarif C) bzw 1999 (Gebührentarif D) abgerechnete Gesamtvergütung begrenzt. Die in Art 15 GKV-SolG geregelte Reduzierung der Ausgabenvolumina und Punktwerte für 1999 sei auch für 2000 zu Grunde zu legen. Der gesetzlichen Regelung sei nicht zu entnehmen, dass diese Reduzierung nur für das Jahr 1999 habe gelten sollen (Schiedsspruch vom 12. April 2000).
Die Klägerin hat Klage erhoben, mit der sie geltend gemacht hat, der Beklagte habe zu Unrecht die in Art 15 GKV-SolG für 1999 vorgesehene Absenkung der Ausgabenvolumina und Punktwerte in den Leistungsbereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie für das Jahr 2000 fortgeschrieben.
Außerhalb dieses Verfahrens haben die Klägerin und die Beigeladenen – am 12. Juni 2002 – eine Vereinbarung über bestimmte Details zur Berechnung der Gesamtvergütung für 2000 getroffen und dabei auch vom Schiedsspruch abweichende Regelungen vereinbart. Den Streit um die Fortwirkung der für 1999 gesetzlich angeordneten 5 %igen Absenkung haben sie aber nicht beigelegt. Dementsprechend hat die Klägerin ihre Klage insoweit aufrechterhalten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 31. März 2004). In dem Berufungsurteil ist ausgeführt, das Urteil des SG und der angefochtene Schiedsspruch seien rechtmäßig. Die 5 %ige Absenkung durch Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG wirke über das Jahr 1999 hinaus. Eine gegenüber dem Vorjahr höhere Anhebung widerspräche dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität, dem hoher Rang zukomme. Eine Ausnahme hiervon mit Geltung der Absenkung nur für das Jahr 1999 hätte ausdrücklicher Regelung bedurft, die dem Gesetz nicht zu entnehmen sei. Die Fortgeltung der für 1999 geregelten Absenkung schließe auch die zu vereinbarenden konkreten Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopäde ein.
Die Klägerin macht mit ihrer Revision geltend, die Annahme einer Fortwirkung der für 1999 gesetzlich angeordneten Absenkung widerspreche der Vermutung der Angemessenheit der für das Vorjahr vereinbarten Gesamtvergütungen. Denn die Absenkung sei gerade nicht Teil der Vereinbarungen gewesen, sondern gesetzlich angeordnet worden. Nach der Angemessenheitsvermutung dürfe nur eine vereinbarte Gesamtvergütung die Grundlage für die Vergütungen der Folgejahre bilden. Mithin habe für 2000 nicht die gesetzlich geminderte Vergütungshöhe von 1999 zu Grunde gelegt werden dürfen, sondern nur die davor vereinbarten ungekürzten Vergütungen. Dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität werde mit der Beschränkung auf die nach § 71 Abs 2 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgegebene Steigerungsrate Genüge getan. Die Außerachtlassung der einmalig für 1999 angeordneten Absenkung sei im Hinblick auf die allgemeinen Kostensteigerungen zwischen 1997 und 2000 geboten. Etwas anderes lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen; ansonsten hätte es einer Regelung wie in § 85 Abs 2b Satz 2 SGB V oder in Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 bedurft. Hilfsweise seien wenigstens die vorinstanzlichen Urteile und der Schiedsspruch insoweit aufzuheben, als dieser die Fortgeltung der 5 %igen Absenkung auf die zu vereinbarenden konkreten Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopäde erstrecke. Denn er habe keine Regelungen zu den Punktwerten treffen dürfen, weil dies kein notwendiger Teil einer Gesamtvergütungsvereinbarung gemäß § 85 Abs 2 SGB V sei. Ein Gesamtvergütungsvertrag könne auch ohne die Festsetzung von Vertragspunktwerten abgeschlossen werden und dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität Rechnung tragen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. März 2004 und des Sozialgerichts Hannover vom 17. März 2003 und die im Beschluss des Beklagten vom 12. April 2000 unter II. und III. getroffenen Regelungen über die Festsetzung der Punktwerte und Gesamtvergütungsobergrenzen für die Leistungsbereiche Zahnersatz und Kieferorthopädie aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Festsetzung der Punktwerte und Gesamtvergütungsobergrenzen für die Leistungsbereiche Zahnersatz und Kieferorthopädie für das Jahr 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,
hilfsweise, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. März 2004 und des Sozialgerichts Hannover vom 17. März 2003 zu ändern und die im Beschluss des Beklagten vom 12. April 2000 unter II. und III. getroffenen Punktwertfestsetzungen ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidungen der Vorinstanzen und des Beklagten für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag begründet. Zu Recht haben das LSG ihre Berufung und das SG ihre Klage zurück- bzw abgewiesen. Der angefochtene Schiedsspruch ist, soweit er zu überprüfen ist, rechtmäßig.
Die Klage ist mit ihrem auf Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichteten Hauptantrag zwar zulässig (vgl zur Klageart BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 10 mwN), aber nicht begründet. Die von der Klägerin gegen den Schiedsspruch erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
Schiedssprüche gemäß § 89 SGB V unterliegen – auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin – nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-5500 Art 11 Nr 1 RdNr 11). Denn das Schiedsamt hat bei der Festsetzung von Gesamtverträgen über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (vgl vorgenannte BSG-Urteile aaO). Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (BSG aaO).
Die Überprüfung des Schiedsspruchs anhand der aufgezeigten Maßstäbe ergibt, dass der Beklagte – entgegen der Auffassung der Revision – in seinem Schiedsspruch über die Gesamtvergütung für das Jahr 2000 zu Recht die für 1999 reduzierten Ausgabenvolumina und Punktwerte zu Grunde legte. Nach Art 15 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 GKV-SolG (vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3853) durfte im Jahr 1999 das Ausgabenvolumen für Zahnersatz und Kieferorthopädie, jeweils ohne zahntechnische Leistungen, die Gesamtheit der über die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen abgerechneten entsprechenden Vergütungen für das Jahr 1997 abzüglich 5 vom Hundert nicht überschreiten. Nach Satz 7 aaO durften zudem, sofern für 1999 Punktwerte für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und bei Kieferorthopädie vereinbart wurden, diese Punktwerte die am 31. Dezember 1997 geltenden Punktwerte abzüglich 5 vom Hundert nicht überschreiten. Die so abgesenkte Gesamtvergütung für 1999 war gemäß § 85 Abs 3 SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266, die bis zum 31. Dezember 2003 galt) der zutreffende Anknüpfungspunkt für die Höhe der Gesamtvergütung im folgenden Jahr. Nach dieser Bestimmung sind bei der Vereinbarung von Veränderungen der Gesamtvergütungen die Praxiskosten, die für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendende Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsausweitung beruhen, zu berücksichtigen (Satz 1). Zudem ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten (Satz 2 iVm § 71 SGB V, dieser in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Im Rahmen dieser Vorgaben war der Regelung des Art 15 Abs 1 GKV-SolG Rechnung zu tragen; dh das Ausgabenvolumen für Zahnersatz und Kieferorthopädie – jeweils ohne zahntechnische Leistungen (Satz 2 aaO) – und die im Rahmen der Gesamtvergütung vereinbarten Punktwerte für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Kieferorthopädie (Satz 7 aaO) waren für 1999 um wenigstens 5 % unter den Stand von 1997 abzusenken.
Das beklagte Landesschiedsamt hat diese Regelungen zutreffend dahingehend ausgelegt, dass für 2000 die für 1999 angeordnete Reduzierung um mindestens 5 % unter den Stand von 1997 zu Grunde zu legen war. Dies entspricht den Vorgaben des § 85 Abs 3 SGB V. Bei der Festlegung einer Gesamtvergütung ist an die für das Vorjahr vereinbarte bzw durch das Schiedsamt festgesetzte anzuknüpfen (§ 85 Abs 3 Satz 1 SGB V). Eine Erhöhung darf zudem den Steigerungssatz des Beitragsaufkommens der Krankenkassen nicht überschreiten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität, § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 Abs 1 und 2 SGB V). Ausnahmen sind in § 71 SGB V für den Fall geregelt, dass die notwendige medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten ist (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V) weiterhin für den Fall von Mehrkosten für gesetzlich vorgeschriebene Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen (§ 71 Abs 1 Satz 2 SGB V) und für den Fall des Ausgleichs von Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen (§ 71 Abs 2 Satz 2 SGB V). Raum für die Berücksichtigung anderer als gesetzlich benannter Umstände besteht nicht. Der damit zum Ausdruck kommende Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (dazu insbesondere BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 21, 25) lässt dementsprechend auch keinen Raum für die Berücksichtigung zB der Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs (BSG aaO RdNr 16 bis 23 – zu §§ 266, 267 SGB V). Aus dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung folgt zugleich, dass bei einer Absenkung der vorjährigen Gesamtvergütung – sei es durch Vereinbarung oder durch Gesetz – dieses geminderte Vorjahresniveau der Ausgangspunkt für die nachfolgend zu vereinbarende Gesamtvergütung ist, es sei denn, aus dem Gesetz ergäbe sich eine andere Regelung. Eine einmal vorgenommene Absenkung behält somit ihre Wirkung auch für Folgevereinbarungen. Demgemäß musste die für 1999 angeordnete partielle Absenkung des Vergütungsniveaus gemäß Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG bei der Festlegung der Gesamtvergütung für 2000 zu Grunde gelegt werden.
Einer Anknüpfung an die für 1999 festgelegte Gesamtvergütung steht nicht der Einwand der Klägerin entgegen, dass die Absenkung für 1999 gesetzlich angeordnet worden war. Zwar gründet sich das Prinzip der Vorjahresanknüpfung auf den in der früheren Rechtsprechung wiederholt betonten Grundsatz, dass nach Art einer Vermutung von der Angemessenheit der vorjährigen Gesamtvergütung auszugehen ist (zusammenfassend BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 21 mwN); dieser ist anhand vereinbarter Gesamtvergütungen entwickelt worden. Die Angemessenheitsvermutung gilt aber auch im Falle gesetzlicher Vergütungsregelungen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Festlegungen des Gesetzgebers nicht der Angemessenheit Rechnung trügen. Im Gegenteil ist es Teil der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, seinerseits die Angemessenheit der Gesamtvergütungen näher zu bestimmen. Seinen Vorgaben kommt höherer Rang als Vereinbarungen der Beteiligten zu. Deshalb kann die Vermutung der Angemessenheit nicht auf vereinbarte Gesamtvergütungen beschränkt werden; sie gilt vielmehr erst recht insoweit, als deren Höhe – ganz oder teilweise – durch Gesetz vorgegeben ist.
Der Gesetzgeber hat keine Regelung getroffen, aus der sich entnehmen ließe, dass für die Gesamtvergütung für das Jahr 2000 nicht an das Vorjahr anzuknüpfen sei. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus Art 15 Abs 1 GKV-SolG. Dort war lediglich die Absenkung für 1999 festgelegt. Eine Begrenzung dahingehend, dass für 2000 dann wieder an die nicht geminderten Werte anzuknüpfen sei, kommt im Gesetz nicht zum Ausdruck. Die Ansicht der Klägerin, im Falle einer “offenen” Bestimmung, die weder eindeutig die Fortwirkung über 1999 hinaus regele noch eindeutig eine Begrenzung auf 1999 enthalte, sei von Letzterem auszugehen, trifft nicht zu. Vielmehr ist gemäß dem Prinzip der Anknüpfung an die vorjährige Gesamtvergütung grundsätzlich diese zu Grunde zu legen, es sei denn, eine Ausnahme hiervon käme ausreichend deutlich im Gesetz zum Ausdruck.
Für die Auffassung der Klägerin, im Zweifel sei von einer Begrenzung der Vergütungsabsenkung auf ein Jahr auszugehen, spricht auch nicht der Vergleich mit anderen Bestimmungen, in denen die Fortwirkung für spätere Jahre ausdrücklich normiert wurde. Diese beruhen jeweils auf besonderen Konstellationen. So lag der in § 85 Abs 2b SGB V enthaltenen ausdrücklichen Regelung für das Folgejahr (Satz 2 aaO) zu Grunde, dass sich im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Konzeption bei der Frage der Geltungsfortwirkung änderte (vgl dazu BT-Drucks 12/3209 S 7 und 12/3608 S 11) und dass eine Klarstellung der Geltungsdauer auch wegen der Berührung mit der – von 1993 bis 1995 geltenden – Regelung des § 85 Abs 3a SGB V nahe lag (s hierzu insbes dessen Satz 3 zu zahnprothetischen und kieferorthopädischen Leistungen). Eine Klarstellung der Geltungsdauer war auch in Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 wegen der Differenzierung zwischen alten und neuen Bundesländern und des in letzteren bestehenden besonderen Steigerungsbedarfs veranlasst. Anders als in diesen speziellen Konstellationen bestand demgegenüber im Fall des Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG kein Anlass zu einem Hinweis auf die Fortwirkung der Vergütungsabsenkung.
Das aufgezeigte Prinzip der Vorjahresanknüpfung bei der Veränderung der Gesamtvergütung hat seit dem 1. Januar 2000 eine weitere eigenständige Verankerung durch die Verweisung in § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität erfahren (§ 71 SGB V; dazu grundlegend BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 ff). Dieser Grundsatz ist bei der Festlegung des Ausgabenvolumens für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten (Satz 2 aaO iVm § 71 Abs 2 und 3 SGB V). Er besagt, dass sich die Gesamtvergütungen grundsätzlich nur nach Maßgabe der vorjährigen – mit allgemeinen Einkommenssteigerungen im Regelfall verbundenen – Erhöhungen des Beitragsaufkommens der Krankenkassen verändern dürfen, also an bereits realisierte Vermehrungen von deren Einnahmen gekoppelt sind. Anders als nach der bis 1999 geltenden Fassung, die auf die in § 141 Abs 2 SGB V geregelten bloßen Empfehlungen der Konzertierten Aktion Bezug nahm, besteht seit dem 1. Januar 2000 eine strikte Koppelung an diesen Maßstab der Beitragssatzstabilität (zu einzelnen gesetzlichen Ausnahmen s obige Ausführungen; zur Neufassung vgl BSG aaO S 139 bzw S 300). Damit stünde es in Widerspruch, durch Außerachtlassung der für 1999 erfolgten Absenkung eine Anhebung der Gesamtvergütungen von 1999 auf 2000 zu gestatten, die höher läge als die entsprechende Steigerung des Beitragsaufkommens der Krankenkassen im Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 (§ 71 Abs 3 Satz 4 SGB V). Eine gesetzliche Sonderregelung, die hier zu einer Ausnahme berechtigen könnte in dem Sinne, dass für 2000 wieder an die nicht geminderten Werte von 1997 habe angeknüpft werden sollen, ergibt sich – wie ausgeführt – weder aus Art 15 Abs 1 GKV-SolG noch aus dem Vergleich mit anderen Vorschriften wie § 85 Abs 2b SGB V und Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000.
Der Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie die Aufhebung der – ebenfalls an den geminderten Werten von 1999 orientierten – Punktwertfestsetzungen begehrt, ist ebenfalls unbegründet. Ihrem Einwand, das Schiedsamt habe keine Entscheidung zu den Punktwerten für Zahnersatz und Kieferorthopädie treffen dürfen, weil deren Festlegung kein notwendiger Teil einer Gesamtvergütungsvereinbarung gemäß § 85 Abs 2 SGB V sei, ist nicht zu folgen. Die Schiedsfähigkeit der Gesamtvergütungsvereinbarungen beschränkt sich nicht auf den denkbaren Mindestinhalt solcher Verträge, sondern umschließt alles, was gemäß gesetzlicher Regelung darin vereinbart werden kann (in diesem Sinne BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 21; zur Schiedsfähigkeit s auch BSG, Beschluss vom 10. März 2004 – B 6 KA 113/03 B, juris – mwN). Dementsprechend werden Punktwertregelungen, die – wie hier – Teil eines Gesamtvergütungsvertrages mit Einzelleistungsvergütung im Sinne des § 85 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V sind, von der Schiedsfähigkeit mit erfasst. Auch Art 15 Abs 1 GKV-SolG nimmt in Satz 7 darauf Bezug, dass in Gesamtvergütungsvereinbarungen außer Ausgabenvolumina nach Satz 2 auch Punktwerte geregelt werden können. Das beklagte Schiedsamt hat somit entgegen der Ansicht der Klägerin ebenfalls über die Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopädie entscheiden dürfen. Auch in inhaltlicher Hinsicht ist der Schiedsspruch insoweit nicht zu beanstanden, weil die Zugrundelegung der gemäß Art 15 Abs 1 Satz 7 GKV-SolG abgesenkten Punktwerte von 1999 dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung entsprach (s zu den Punktwerten im Einzelnen das Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 22/04 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen
Haufe-Index 1416947 |
NZS 2006, 270 |
GesR 2006, 35 |