Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 2. Mai 1983.
Der 1959 geborene Kläger, ein staatenloser Palästinenser aus dem Libanon, beantragte im April 1977 die Gewährung von Asyl. Sein Antrag hatte keinen Erfolg; das Verfahren ist am 8. Juni 1982 rechtskräftig abgeschlossen worden. Zuletzt war dem Kläger eine - mit Bestandskraft der Ablehnung des Asylantrags erlöschende - Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Asylverfahrens erteilt worden. Bedenken gegen die Erteilung einer Arbeitserlaubnis hatte die Ausländerbehörde nicht erhoben. Im November 1982 forderte der Polizeipräsident in B. den Kläger auf, unverzüglich den Geltungsbereich des Ausländergesetzes (AuslG) zu verlassen; falls innerhalb von zwei Monaten die Ausreise nicht erfolgt sei, werde diese zwangsweise durchgesetzt. Im Paß des Klägers wurde vermerkt, daß er zur Ausreise bis zum 1. Februar 1983 aufgefordert worden sei; dieses Datum wurde später durch den 30. April, den 27. Juli und den 24. Oktober 1983 ersetzt. Im September 1983 wurde der Kläger wiederum aufgefordert, binnen zweier Monate auszureisen. Seinen Reisepaß, ausgestellt von einer libanesischen Stelle, zog der Polizeipräsident im Oktober 1983 ein, nachdem dessen Gültigkeitsdauer abgelaufen und eine Verlängerung nicht erfolgt war. Der Kläger erhielt hierüber eine Bescheinigung, nach der er sich bis zum 15. November 1983 melden mußte. Im Anschluß daran wurde ein erneuter Meldetermin festgesetzt bzw. erhielt der Kläger eine erneute entsprechende Bescheinigung mit jeweils neu festgesetzten Meldeterminen, und zwar zum 13. Februar, 12. Mai, 8. Juni, 7. Juli und 7. August 1984. Am 6. August 1984 wurde die Abschiebung mit der Maßgabe ausgesetzt (Duldung), daß bei Arbeitserlaubniserteilung durch die Beklagte die Aufnahme einer Arbeit gestattet sei. Am 2. Mai 1983 hatte sich der Kläger unter Vorlage von Arbeitsbescheinigungen für die Zeit vom 1. Januar bis 4. März 1979 und vom 3. September 1979 bis zum 20. November 1982 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, daß der Kläger mangels gültiger Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken der Vermittlung nicht zur Verfügung stehe (Bescheid vom 16. Juni 1983, Widerspruchsbescheid vom 28. November 1983). Der Kläger erhob Klage. Nachdem er die oben erwähnte Duldung erlangt hatte, meldete er sich am 7. August 1984 wieder arbeitslos und beantragte erneut Alg, das ihm die Beklagte nunmehr ab 7. August 1984 für 208 Tage gewährte. Nach Erschöpfung des Anspruchs am 5. April 1985 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi), bis er im Oktober 1985 eine Arbeit aufnahm. Die Klage, mit der der Kläger Alg für die Zeit vom 2. Mai 1983 bis 6. August 1984 verlangte, hat das. Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 19. November 1985). Die Berufung, mit der der Kläger Alg ab 2. Mai 1983 und anschließend Alhi, beides unter Aufhebung der Ablehnung und Änderung der Leistungsbescheide begehrte, hatte keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 21. November 1986).
Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung zunächst ausgeführt, daß das Rechtsmittel nicht § 147 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Unterfalle, wonach eine Berufung nicht zulässig ist, soweit sie den Beginn der Leistung betrifft. Ein Beginnstreit sei nicht unabhängig davon zu bejahen, aus welchen Gründen die Leistung abgelehnt worden sei, wenn darüber gestritten werde, ob der Anspruch von einem früheren Zeitpunkt an zustehe. Es könne, worauf das Wort "soweit" hinweise, in, § 147 SGG nicht ein Berufungsausschluß gemeint sein, der auch Fälle erfasse, bei denen die Anspruchsvoraussetzung für einen vorangehenden Zeitraum als solche streitig sei. Um letzteres gehe es hier; denn mit dem "Arbeiten dürfen" des Klägers in der hier streitigen Zeit sei dessen Verfügbarkeit und damit eine Anspruchsberechtigung für den einheitlichen Anspruch auf Alg und Anschluß - Alhi als solche im Streit. Die zulässige Berufung sei aber unbegründet; der Kläger sei nicht verfügbar gewesen, weil er eine Beschäftigung nicht habe ausüben dürfen. Er habe nämlich als Ausländer, der weder als Flüchtling, heimatloser Ausländer noch Asylberechtigter anerkannt gewesen sei, ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung keine Beschäftigung ausüben dürfen. Zwar dürfe i.S. des § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ein Ausländer auch dann arbeiten, wenn seine Abschiebung zeitweise ausgesetzt sei; indessen sei das hier vorerst nicht geschehen. Die Ausländerbehörde habe für die streitige Zeit bewußt keine Duldung ausgesprochen, ihre Bedenken dagegen vielmehr erst zurückgestellt, als der bereits zweimal straffällig gewordene Kläger den Nachweis erbracht habe, daß ein weiteres gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingestellt worden sei. Solange die Ausländerbehörde Bedenken gegen die Duldung gehabt habe, sei nicht nur sein jeweils kurzfristiges Verbleiben mit der Verpflichtung zur Ausreise belastet gewesen; solange hätten vielmehr auch Bedenken gegen die Duldung einer Arbeitnehmertätigkeit bestanden. Ein etwaiges Fehlverhalten der Ausländerbehörde könne der Beklagten nicht angelastet werden; im übrigen könne auch eine nachträgliche Vorverlegung der Duldung keine Auswirkungen auf den geltend gemachten Anspruch haben.
Der Kläger macht mit der Revision eine Verletzung des § 103 AFG geltend und führt hierzu insbesondere aus: Das angefochtene Urteil stehe mit den Grundsätzen nicht im Einklang, die das Bundessozialgericht (BSG) entwickelt habe (BSGE 49, 287 = SozR 4100 § 103 Nr. 31). Hiernach sei allein entscheidend, ob seitens der Ausländerbehörde eine Entscheidung getroffen sei, nach welcher der Aufenthalt des Ausländers hingenommen werde; es komme nicht darauf an, ob die Ausländerbehörde einen entsprechenden Verwaltungsakt erlassen habe. Maßgebend sei die faktische Situation, also nicht, ob die Ausländerbehörde förmlich oder nur behördenintern eine Duldung ausgesprochen habe. Es genüge daher, wenn die Ausländerbehörde durch fortlaufende Verlängerungen der Ausreisefrist zum Ausdruck bringe, daß sie den Aufenthalt hinnehme.
Letzteres sei hier geschehen. Schließlich treffe nicht zu, daß bedenken gegen den Aufenthalt auch Bedenken gegen die Aufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit bedeuteten; im übrigen seien derartige Bedenken im vorliegenden Falle von der Ausländerbehörde nicht geäußert worden.
Der Kläger beantragt
die ergangenen Urteile aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1983 zu verurteilen, ihm vom 2. Mai 1983 an Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf das angefochtene Urteil.
Das beigeladene Land stellt keinen Antrag.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Nachdem in der mündlichen Verhandlung der Klageantrag eingeschränkt worden ist, hat der Senat lediglich noch darüber zu entscheiden, ob dem Kläger bereits vom 2. Mai 1983 an Alg zusteht. Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers, soweit sie dieses Klagebegehren betrifft, nach § 143 SGG als statthaft und nicht den Berufungsausschlüssen der §§ 144 ff SGG unterfallend angesehen. Da der Kläger Alg nicht nur für 13 Wochen ab 2. Mai 1983 geltend macht, ist ein Fall des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht gegeben. Auch wirkt sich die Bestimmung des § 147 SGG, nach der in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung die Berufung nicht zulässig ist, soweit sie den Beginn der Leistung betrifft, im vorliegenden Falle nicht aus. Ob die Berufung den Beginn der Leistung betrifft, richtet sich nach dem mit der Berufung verfolgten Anspruch im Sinne des prozessualen Begehrens, der dem Berufungsvorbringen zu entnehmen ist (BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 39). Wie ein - die Zulässigkeit der Berufung nach § 147 SGG ausschließender - Höhenstreit begrifflich dann vorliegt, wenn bereits eine (Teil-) Leistung bewilligt wurde, der Berufungskläger jedoch mehr, eine "höhere" Leistung erhalten oder weniger, nur eine geringere Leistung zahlen möchte (BSG SozR 1500 § 147 Nr. 9), betrifft die Berufung begrifflich den Beginn der Leistung, wenn streitig ist, von welchem Tage an die im übrigen unstreitig von einem späteren Zeitpunkt an zuzubilligende Leistung zu gewähren ist. Das LSG hat einen Beginnstreit verneint, obwohl die Beklagte dem Kläger das ab 2. Mai 1983 verlangte Alg erst ab 7. August 1984 gewährt hat. Das LSG begründet dies damit, daß mit der Verfügbarkeit des Klägers die Anspruchsberechtigung in der fraglichen Zeit dem Grunde nach im Streit sei. Das Berufungsgericht stellt zur Abgrenzung des Beginnstreits von Streitigkeiten anderer Art somit nicht darauf ab, ob vom Erfolg der Berufung lediglich der frühere Beginn der ab einem späteren Zeitpunkt gewährten Leistung abhängt, sondern darauf, ob die zwischen den Beteiligten strittigen Punkte den Grund des Anspruchs oder nur den Beginn der Leistung betreffen. Ob diese Abgrenzung, für die sich das LSG auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beruft (BSGE 30, 90 = SozR Nr. 24 zu § 146 SGG; ebenso SozR 1500 § 146 Nr. 1; im gleichen Sinne BSGE 1, 111, 114; 3, 217, 222 = SozR Nr. 6 zu § 148 SGG; BSGE 7, 46, 48; BSG Breithaupt 1963, 726), dem Zweck des Berufungsausschlusses gerecht wird, die Auseinandersetzung auf eine Gerichtsinstanz bei solchen Streitigkeiten zu beschränken, die im allgemeinen für die Beteiligten wirtschaftlich von minderer Bedeutung sind, ist zweifelhaft; denn ob die Beteiligten über die Anwendung einer den Grund der Leistung oder einen den Beginn oder das Ende der Leistung betreffenden Rechtsvorschriften streiten - eine Unterscheidung übrigens, die vielfach nur wenig überzeugende Lösungen zuläßt -, sagt über die wirtschaftliche Bedeutung des Streits nichts aus. Es kann indessen dahingestellt bleiben, welcher Ansicht zu folgen ist; denn beide Ansichten führen im vorliegenden Falle zur Verneinung eines Beginnstreits. Ist darauf abzustellen, ob die zwischen den Beteiligten in Ansehung des Streitgegenstandes strittigen Punkte den Beginn der geltend gemachten Leistung betreffen, liegt ein solcher Streit nicht vor, weil der zwischen den Beteiligten strittige Punkt, ob der Kläger vor der Aussetzung seiner Abschiebung durch die Ausländerbehörde im August 1984 i.S. des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG eine Beschäftigung ausüben durfte, die Verfügbarkeit des Klägers und damit in der Tat eine Grundvoraussetzung des Anspruchs auf Alg (§ 100 Abs. 1 AFG) erfaßt, ungeachtet der das Gesetz nur in bestimmten Sonderfällen einen Anspruch einräumt (vgl. §§ 105a ff. AFG). Aber auch wenn auf die Beschwer des Berufungsbegehrens abgestellt wird, ergibt sich, daß die Berufung nicht lediglich die Frage betrifft, ob dem Kläger der mit einer Dauer von 208 Tagen zuerkannte Anspruch ab 2. Mai 1983 statt ab 7. August 1984 zusteht. Mit dem Klagebegehren wird nämlich auch eine längere Dauer des Stammrechts auf Alg geltend gemacht. Hat der Kläger nämlich die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg schon am 2. Mai 1983 erfüllt und innerhalb der dann vom 2. Mai 1979 bis zum 1. Mai 1983 laufenden, auf vier Jahre erweiterten Rahmenfrist vom 3. September 1979 bis zum 20. November 1982, d.h. insgesamt 1.051 Kalendertage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden, wie er durch Vorlage der Arbeitsbescheinigungen geltend macht, beträgt nach § 106 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AFG in der zuletzt durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I 1857) geänderten Fassung die Dauer seines Anspruchs auf Alg 260 Wochentage. Da § 147 SGG die Berufung nur ausschließt, soweit sie den Beginn oder die Höhe der Leistung betrifft, findet die Vorschrift keine Anwendung in Fällen, in denen auch die Dauer des Stammrechts betroffen ist.
Zutreffend hat das LSG einen Anspruch auf Alg ab 2. Mai 1983 verneint, weil der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand und damit eine der Anspruchsvoraussetzungen des § 100 Abs. 1 AFG nicht erfüllte. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer u.a. eine längere als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben darf (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG); das war beim Kläger in der hier fraglichen Zeit nicht der Fall.
Zwar ist die Verfügbarkeit nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger keine Arbeitserlaubnis besaß. Allerdings benötigte der Kläger nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AFG als ausländischer Arbeitnehmer, für den in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist, zur Ausübung einer Beschäftigung eine Arbeitserlaubnis. Der Kläger hätte daher seinerzeit eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt im Geltungsbereich des AFG, der in räumlicher Beziehung in § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG gemeint ist, nur aufnehmen dürfen, wenn ihm diese erlaubt worden wäre. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitnehmers, der einer Arbeitserlaubnis bedarf, jedoch nicht stets schon das Vorhandensein dieser Erlaubnis voraus. Für die Arbeitsuche ist eine Arbeitserlaubnis nicht erforderlich. Falls die Verfügbarkeit nicht aus anderen Gründen zu verneinen ist, genügt insoweit, daß der ausländische Arbeitnehmer erwarten kann, für eine Beschäftigungsmöglichkeit eine Arbeitserlaubnis zu erhalten (vgl. BSGE 43, 153, 160 f. = SozR 4100 § 19 Nr. 2; BSGE 45, 153, 158 f. = SozR 4100 § 103 Nr. 10; SozR 4100 § 19 Nr. 6 und § 103 Nrn. 14, 22, 29; SozR 1300 § 48 Nr. 28).
Verfügbar ist ein ausländischer Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis aber nicht, wenn er nach Maßgabe des Ausländerrechts nicht befugt ist, im Bundesgebiet (einschließlich Berlin) zu verbleiben. Besitzt ein Ausländer, der von dem Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis nicht befreit ist, weder eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung, hat er nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AuslG das genannte Gebiet unverzüglich zu verlassen. Diese Ausreisepflicht hat grundsätzlich zur Folge, daß der Ausländer eine Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt auch nicht suchen darf. Selbst wenn in einem solchen Falle ein Arbeitsplatz vorhanden ist und der Erteilung einer Arbeitserlaubnis arbeitsmarktliche Bedenken nicht entgegenstehen, darf die Beklagte in Ermangelung einer Aufenthaltsbefugnis eine Arbeitserlaubnis nicht erteilen. Die Erteilung der Arbeitserlaubnis setzt nämlich grundsätzlich voraus, daß der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet (einschließlich Berlin) nach Maßgabe des Ausländerrechts befugt ist (§ 5 Abs. 1 Arbeitserlaubnisverordnung - ArbErlaubV -). Allerdings wird in dem hier nicht gegebenen Falle, daß die Ausländerbehörde bereit ist, den Aufenthalt zu erlauben, sofern eine Arbeitserlaubnis erteilt wird, eine Ausnahme zu machen sein (vgl. BVerfG SozR 4100 § 19 Nr. 19). In der Regel gilt indes, daß ausländische Arbeitnehmer, die mangels einer Aufenthaltsbefugnis zur Ausreise verpflichtet sind, nicht objektiv verfügbar sind, wie der Senat schon entschieden hat (BSG SozR 4100 § 103 Nrn. 14 und 29; BSGE 49, 287, 288 = SozR 4100 § 103 Nr. 31).
So liegt die Sache hier. Der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis der Ausländer, die nach § 2 Abs. 2, § 2 Abs. 3 oder § 49 AuslG keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen. Er verfügte weder über eine Aufenthaltserlaubnis noch über eine Aufenthaltsberechtigung, noch galt sein Aufenthalt nach Maßgabe des AuslG als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis, die dem Kläger zu Zwecken des Asylverfahrens erteilt war, ist mit dessen bestandskräftigem Abschluß erloschen. Etwas anderes ergab sieh auch nicht aus der wiederholten Festsetzung neuer Fristen, bis zu denen der Kläger freiwillig ausreisen sollte. Diese verliehen dem Kläger keine Aufenthaltserlaubnis, verhinderten vielmehr lediglich die Durchführung seiner Abschiebung vor ihrem jeweiligen Ablauf. Diese Fristen sind nämlich im Zusammenhang mit der Androhung der Abschiebung, d.h. der Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht, zu sehen, die die Ausländerbehörde beabsichtigte. Ist ein Ausländer, der das Bundesgebiet (einschließlich Berlin) zu verlassen hat, abzuschieben, weil seine freiwillige Ausreise nicht gesichert ist oder ein anderer Abschiebungsgrund vorliegt (§ 13 Abs. 1 AuslG), soll die Abschiebung angedroht und hierbei eine Frist bestimmt werden, innerhalb der der Ausländer auszureisen hat (§ 13 Abs. 2 AuslG). Das ist hier mit den "Ausreisefristen" bis Ende 1983 geschehen, die das LSG erwähnt hat. Die mit der Ausreisefrist verbundene Androhung soll dem Ausländer Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise geben und ihm zugleich ermöglichen, die Angelegenheiten zu regeln, die seine Anwesenheit erforderlich machen. Darüber hinaus soll die Androhung und die Fristbestimmung dem Ausländer auch ankündigen, von welchem Zeitpunkt an er mit der Abschiebung rechnen muß (BVerwG Buchholz 402.24 § 13 AuslG Nr. 8). Weil der Ausländer freiwillig ausreisen soll, zur Ausreise aber erst nach Ablauf. seiner Aufenthaltsbefugnis verpflichtet ist, darf die Frist erst nach deren Ablauf beginnen (Hailbronner, Ausländerrecht, Rz 557). Die Fristbestimmungen waren somit bedeutsam für den frühestmöglichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers, haben indessen seine Ausreisepflicht unberührt gelassen. Auch mit den Meldeterminen erwarb der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis; deren Wirkung beschränkt sich darauf, daß sich der Kläger zu melden hatte, solange er seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen war. Abweichend vom Regelfalle ist die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitnehmers nicht schon wegen der Ausreisepflicht zu verneinen, sobald und solange die Abschiebung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG zeitweise ausgesetzt ist. Die zeitweise Aussetzung der Abschiebung (Duldung) durch die Ausländerbehörde kommt in Betracht, wenn der Durchführung der Abschiebung vorübergehend humanitäre oder sonstige Gründe entgegenstehen. Sie läßt die Ausreisepflicht, die sie voraussetzt, unberührt und führt nicht zu einem ordnungsgemäßen Aufenthalt (BVerwG Buchholz 402.24 § 17 AuslG Nr. 1), auch wenn sie dem Begünstigten den Aufenthalt ohne Gesetzesverstoß ermöglichen soll (BVerwGE 59, 13, 17 = Buchholz 402.24 § 24 Nr. 1; BVerwG Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 103). Der unmittelbare Regelungsgehalt der Duldung erschöpft sich zwar in der verbindlichen Erklärung, daß der Ausländer während der Laufzeit der Duldung nicht abgeschoben wird. Sie löst insofern aber günstige Folgen aus, die von der Ausländerbehörde mit dem Ausspruch der Duldung auch bezweckt werden, als ein zur Ausreise verpflichteter Ausländer sich durch seinen weiteren Aufenthalt nicht strafbar macht (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) und trotz seiner Ausreisepflicht eine Arbeitserlaubnis erhalten kann (§ 5 Abs. 2 ArbErlaubV), soweit eine Beschäftigung durch eine ausländerrechtliche Auflage nicht ausgeschlossen wird (§ 19 Abs. 2 AFG). Ausländerrechtliche Auflagen dieser Art, mit denen Duldungen zugunsten aufenthaltsrechtlich erheblicher Zwecke versehen werden können (§ 17 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 3 AuslG; vgl. BVerwG Buchholz 402.24 § 7 AuslG Nr. 12), dürften allerdings nicht selten sein, weil sie einer Verfestigung des Aufenthalts entgegenwirken und dadurch die spätere Abschiebung erleichtern können. Ist die Abschiebung eines Ausländers nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG ausgesetzt worden, ohne daß die Ausübung einer Beschäftigung durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen worden ist, kann die Verfügbarkeit des Ausländers daher nicht schon wegen Fehlens einer sonstigen Aufenthaltsbefugnis verneint werden.
Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Für die hier streitige Zeit hat die Ausländerbehörde die Abschiebung des Klägers nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG ausgesetzt. Die Duldung, ist ein grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde stehender begünstigender Verwaltungsakt, der nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AuslG der Schriftform bedarf. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des AuslG (AuslVwV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. Mai 1977 (GMBl. S. 202), geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 7. Juli 1978 (GMB1 S. 368), schreibt hierzu vor, daß über die Duldung eine Bescheinigung nach Muster A 20 zu erteilen ist (Nr. 6 AusIVwV zu § 17). Eine Bescheinigung nach Muster A 20, nach der die Abschiebung des namentlich zu bezeichnenden Ausländers bis zu einem anzugebenden Zeitpunkt ausgesetzt wird, und der ggf. Bedingungen und Auflagen beigefügt sind, hat der Kläger nicht erhalten. Mit den Eintragungen, die die Ausländerbehörde in seinem Paß vorgenommen hat, ist, wie schon ausgeführt, lediglich die Frist verlängert worden, nach deren Ablauf die zwangsweise Durchsetzung der Ausreise des Klägers angedroht war. Ebensowenig lassen die Bescheinigungen über die Paßeinziehung und die wiederholten Meldetermine erkennen, daß die Ausländerbehörde dem Kläger verbindlich erklären wollte, ihn vorerst nicht abschieben zu wollen. Dagegen spricht in Sonderheit, daß die Ausländerbehörde nach den vom Kläger nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) wegen eines gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahrens Bedenken gegen eine Duldung hatte. Die Maßnahmen der Ausländerbehörde stellen daher keine verbindliche Regelung dar, derzufolge der Kläger während der laufenden Fristen nicht abgeschoben werden sollte. Ob das Verhalten der Ausländerbehörde nach Maßgabe des Ausländerrechts zu beanstanden ist, insbesondere, ob die Ausländerbehörde die Aussetzung der Abschiebung bis August 1984 ermessensfehlerfrei verweigern durfte, ist hier nicht zu entscheiden; denn da nicht schon ein Anspruch auf eine Duldung, sondern erst deren formgerechter Ausspruch durch die Ausländerbehörde dem Ausländer den Aufenthalt ohne Gesetzesverstoß und der Beklagten die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ermöglicht, ist allein erheblich, daß eine Duldung nicht ausgesprochen worden ist. Der Kläger hätte auf dem Verwaltungsrechtsweg sein Recht suchen müssen, wenn er meint, daß das Verfahren der Ausländerbehörde zu beanstanden ist und ihm eine die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ermöglichende Duldung zugestanden hat.
Zu Unrecht macht die Revision geltend, nach den Grundsätzen, die der Senat im Urteil vom 12. Februar 1980 (BSGE 49, 287 = SozR 4100 § 103 Nr. 31) entwickelt habe, müsse es genügen, wenn die Ausländerbehörde durch fortlaufende Verlängerung der Ausreisefrist zum Ausdruck bringe, daß sie den Aufenthalt hinnehme. Allerdings hat der Senat seinerzeit entschieden, ein Ausländer dürfe eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben, wenn die Ausländerbehörde dem Arbeitsamt gegenüber schriftlich erkläre, sie sehe wegen des anhängigen Asylverfahrens davon ab, eine Abschiebung durchzuführen. Dieser dem Arbeitsamt mitgeteilten Entscheidung hat der Senat die Wirkung einer Duldung i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG beigemessen. Demgegenüber hat die Ausländerbehörde im vorliegenden Falle wegen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bewußt von einer verbindlichen Erklärung des Inhalts, daß der Kläger innerhalb bestimmter Fristen nicht abgeschoben werde, abgesehen, und zwar nicht nur gegenüber dem Kläger, sondern auch gegenüber dem Arbeitsamt. Sie hat den Kläger vielmehr wiederholt zur Ausreise aufgefordert. Schon das verbietet es, dem Verhalten der Ausländerbehörde im vorliegenden Falle die Wirkung einer förmlichen Duldung beizulegen. In seinem Urteil hat der Senat der dem Arbeitsamt mitgeteilten Entscheidung der Ausländerbehörde auch deshalb die Wirkung einer förmlichen Duldung beigemessen, weil der damalige Kläger, gegen dessen Anerkennung als Asylberechtigter der Bundesbeauftragte für Asylfragen eine seinerzeit noch anhängige Klage erhoben hatte, dann, wenn seine Abschiebung angeordnet worden wäre, nach Maßgabe der AuslVwV begründete Aussieht auf eine förmliche Duldung gehabt hätte. Auch davon kann hier keine Rede sein, nachdem das Asylverfahren des Klägers rechtskräftig abgeschlossen war. Es kann deshalb offen bleiben, ob daran festzuhalten ist, daß die Wirkung einer Duldung i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG einer Entscheidung der Ausländerbehörde auch dann zukommen kann, wenn diese nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform gegenüber dem Ausländer ausgesprochen worden ist. Durfte der Kläger somit eine Beschäftigung nicht ausüben, solange die Ausländerbehörde die Abschiebung nicht ausgesetzt hat, haben die Vorinstanzen den geltend gemachten Anspruch auf Alg ab 2. Mai 1983 zu Recht verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.7 RAr 10/87
BSG
Bundessozialgericht
Fundstellen