Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktabrechnung bei privaten Krankentransportunternehmen;. Bedarfsprüfung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Krankenkassen dürfen den Abschluss von Verträgen über das Entgelt für Krankentransporte nicht aufgrund einer Bedarfsprüfung ablehnen.
2. Die Krankenkassen sind auch gegenüber privaten Krankentransportunternehmen zur Direktabrechnung verpflichtet.
Orientierungssatz
Ein allgemeines Auswahlermessen oder eine am Bedarf orientierte Zulassungskompetenz steht der Krankenkasse im Hinblick auf Art 3 und 12 GG nicht zu.
Normenkette
SGB V § 133 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 S. 2, § 60 Abs. 1; RettDG NW §§ 18-19, 29; PBefG § 4 Abs. 6, § 51 Abs. 6; WettbewG § 26 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 09.08.1994; Aktenzeichen L 5 (6) Kr98/93) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.06.1993; Aktenzeichen S 4 Kr 284/90) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin verpflichtet ist, mit dem Beklagten einen Vertrag über die Vergütung von Krankentransportleistungen zu schließen sowie die vom Beklagten durchgeführten Krankentransporte direkt mit ihm abzurechnen.
Der Beklagte betreibt ein Fuhrunternehmen in R. (R.). Über Krankentransporte per Taxi besteht eine Vereinbarung mit der klagenden Krankenkasse (KK). Der Beklagte führt des weiteren auch Krankentransporte mit ordnungsgemäß ausgestatteten Krankentransportwagen unter Begleitung von ausgebildeten Rettungssanitätern, ua aufgrund einer Vereinbarung mit der Bundesknappschaft, durch. Die Preise des Beklagten liegen unter denjenigen der Feuerwehr R. (Städtischer Dienst), mit der die Klägerin Krankentransporte direkt abrechnet, und der sonstigen Hilfsorganisationen. Der Beklagte war im Besitz einer Genehmigung für Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Er hat eine Genehmigung nach §§ 19, 29 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (RettG NW) vom 24. November 1992 (GVBl NW, 458; in Kraft getreten am 16. Dezember 1992) beantragt.
Mit Schreiben vom 15. Juni 1989 lehnte die Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen KKn im Kreis R., der die Rechtsvorgängerin der Klägerin (AOK R) angehörte, eine „Zulassung” des Beklagten zu Krankentransportwagenfahrten auf Rechnung der KKn ab. Der Beklagte erwirkte am 17. Mai 1990 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts (LG) Dortmund, die mit Urteil vom 28. Juni 1990 (13 O 113/90) bestätigt wurde. Das LG sah im Verhalten der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Verstoß gegen § 26 Abs 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (WettbewG) und verpflichtete die Klägerin, vorläufig bis zur Klärung der Angelegenheit mit dem Beklagten die von diesem durchgeführten Krankentransportfahrten direkt abzurechnen.
Daraufhin hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß sie nicht verpflichtet ist, mit dem Beklagten einen Vertrag zur Durchführung von Krankentransporten abzuschließen sowie von ihm durchgeführte Krankentransportfahrten direkt mit ihm abzurechnen. Aus der Sicht der KKn bestehe angesichts der Sicherstellung der Versorgung durch den Städtischen Rettungsdienst im Stadtgebiet von R. kein Bedarf an solchen Krankentransportleistungen durch Dritte. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil des SG Düsseldorf vom 22. Juni 1993). Mit Beschluß vom 9. August 1994 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt und die Beschwerde hiergegen zugelassen. Der Beklagte, der zunächst die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt hatte, hat auf Rechtsmittel gegen diesen Beschluß verzichtet. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es ist im wesentlichen folgender Auffassung: Die Klägerin sei gemäß § 133 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zum Abschluß einer Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten und im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) zur Direktabrechnung verpflichtet. Die öffentlich-rechtliche Regelung des § 133 SGB V bestimme, daß jedenfalls auf einer ersten Stufe über das „Ob” einer Vereinbarung eine Ermessensentscheidung zu treffen sei. Ein genereller Kontrahierungszwang der KKn sei nach dem Gesetz nicht vorgesehen. Hier sei jedoch das Ermessen der Klägerin auf Null reduziert gewesen. Die Ablehnung eines Vertragsschlusses habe dem Zweck des § 133 SGB V widersprochen. Die KKn seien verpflichtet, bei bestehender Anbietervielfalt die Preisvereinbarungen an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten zu orientieren. Entgegen der Ansicht der Klägerin stehe es den KKn nicht frei, im Sinne einer einseitigen Strukturpolitik öffentlich-rechtlich organisierte Krankentransportunternehmen zu bevorzugen, um langfristig die hinreichende Auslastung dieser Anbieter zu sichern und damit eine zusätzliche Verteuerung der von diesen angebotenen Leistungen zu vermeiden. Auch drohe das Instrumentarium des § 133 Abs 2 SGB V, das einer Überteuerung der von öffentlich-rechtlichen Anbietern erbrachten Transportleistungen entgegenwirken solle, leerzulaufen, wenn die KKn erfolgreich von vornherein private Anbieter vom Markt verdrängten und auf diese Weise verhindert oder ganz erheblich erschwert werde, daß sich in der Praxis für die Wirtschaftlichkeit der angebotenen Leistungen Vergleichsmaßstäbe ausbilden könnten. Die KKn seien nach § 133 SGB V gegenüber preisgünstigen geeigneten Anbietern nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Vergütungsvereinbarungen zu treffen. Die Klägerin sei auch verpflichtet, eine Direktvergütung mit dem Beklagten zu vereinbaren. Zwar sehe das SGB V für Krankentransporte solche Vereinbarungen nicht zwingend vor. Die weite Fassung des § 60 SGB V, der von der Übernahme der Fahrtkosten durch die KK spreche, lasse andererseits Vereinbarungen über die unmittelbare Vergütung zwischen KK und Leistungserbringer zu. Die Klägerin verfahre selbst so gegenüber dem Städtischen Rettungsdienst R. Durch diese Verwaltungspraxis habe die Klägerin sich bei ihrer Ermessensentscheidung hinsichtlich des Zahlungsweges bei der Kostenübernahme von Krankentransporten gebunden.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 12 Abs 1, 70 Abs 1, 133 Abs 1 SGB V sowie der Art 20 Abs 3 und 31 GG.
Die §§ 12 Abs 1 und 70 Abs 1 SGB V statuierten für die KKn das Wirtschaftlichkeitsgebot. Danach hätten diese dafür zu sorgen, daß alle notwendigen Leistungen von dem jeweiligen Leistungserbringer (Vertragspartner) an den Versicherten „wirtschaftlich” erbracht würden. Die KK müsse somit nicht jeden Anbieter akzeptieren. Der Bundesgesetzgeber habe allerdings den Betreibern des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes einen Sonderstatus eingeräumt. Diesen Anbieter könne die KK nicht ausschließen, selbst wenn er noch so teuer sei. Die KKn seien deshalb berechtigt, ihre aus den §§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 SGB V folgende Verpflichtung zu wirtschaftlicher Leistungserbringung mit Hilfe ihrer Vertragspolitik zu erreichen. Soweit dem die Vorschriften des RettG NW entgegenstünden, seien sie bundesrechtskonform auszulegen. Das LSG habe den landesrechtlichen Vorschriften zu Unrecht den Vorzug gegeben und das SGB V danach ausgerichtet. Hierin liege eine Verletzung von Art 31 GG. Die Klägerin verfolge mit ihrer Weigerung, mit dem Beklagten einen Vertrag zur Durchführung von Krankentransporten abzuschließen, ebenso wie § 133 SGB V das Ziel, eine Kosteneingrenzung im Krankentransportwesen durchzusetzen; sie verfolge es nur auf eine andere Weise. Das LSG habe diese Zielsetzung verkannt und damit Art 20 Abs 3 GG verletzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22. Juni 1993 und das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. August 1994 aufzuheben und festzustellen, daß die Klägerin nicht verpflichtet ist, mit dem Beklagten einen Vertrag zur Durchführung von Krankentransporten abzuschließen sowie die von dem Beklagten durchgeführten Krankentransportfahrten direkt mit ihm abzurechnen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die KKn müßten nach § 133 SGB V von dem Markt der Krankentransportleistungen die Leistungen abfordern, die zur Sicherstellung des Transportes der Versicherten erforderlich seien; die notwendige Versorgung müsse dabei auf der Basis möglichst kostengünstiger Angebote wahrgenommen werden. Es sei nicht Sache der KK, den landesrechtlich geregelten Rettungsdienst zu stützen. Krankentransportfahrten erfolgten nicht im Notfalleinsatz und gehörten gar nicht zum Kerngebiet des Rettungsdienstes. Die privaten Transportunternehmen böten hinreichend Krankentransportleistungen rund um die Uhr, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Vom Gesetz sei niemals intendiert gewesen, die Rettungsdienste durch Leistungen der KKn zu „subventionieren”.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
1.
Gemäß § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hat der Senat nicht mehr zu prüfen, ob für die Klage der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Das LSG hat in der mündlichen Verhandlung durch Beschluß die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten bejaht und die Beschwerde zugelassen. Da dieser Beschluß nicht angefochten wurde, steht der Rechtsweg bindend fest. Das LSG hat hierdurch auch nicht seinerseits gegen § 17a Abs 5 GVG verstoßen. Zwar hatte bereits das SG die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht. Es hat dies aber in seiner Hauptsacheentscheidung getan, obwohl der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt hatte. Das SG hat damit gegen § 17a Abs 3 Satz 2 GVG verstoßen, denn es hätte über die Zulässigkeit des Rechtswegs zwingend vorab durch Beschluß entscheiden müssen. In einem derartigen Fall hindert § 17a Abs 5 GVG das Rechtsmittelgericht – hier das LSG – nicht an der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs (BGH, Urteil vom 25. Februar 1993 – III ZR 9/92 – = NJW 1993, 1799; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 52. Aufl, § 17a GVG RdNr 16).
2.
Die von der Klägerin erhobene negative Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin möchte geklärt wissen, ob sie verpflichtet ist, mit dem Beklagten eine Vergütungsvereinbarung über die Durchführung von Krankentransporten abzuschließen sowie die vom Beklagten durchgeführten Krankentransporte direkt mit diesem abzurechnen. Sie begehrt damit die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses iS vom § 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht ein konkretes Rechtsverhältnis, denn der Beklagte berühmt sich eines Anspruchs auf Abschluß eines Vertrages sowie auf Direktabrechnung zwischen ihm und der Klägerin. Die Klägerin hat zudem wegen der von dem Beklagten erwirkten einstweiligen Verfügung des LG Dortmund ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung. Die einstweilige Verfügung des LG hindert die Klägerin nicht, die Hauptsache durch eine leugnende Feststellungsklage anhängig zu machen. Sie ist nicht auf das Verfahren nach § 936 Zivilprozeßordnung (ZPO) iVm § 926 ZPO beschränkt. § 926 ZPO enthält nach allgemeiner Auffassung (Bundesgerichtshof ≪BGH≫, Urteil vom 13. Dezember 1984 – I ZR 107/82 = NJW 1986, 1815; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 926 ZPO RdNr 2 im Anschluß an BGH, NJW 1978, 2157, 2158) keine erschöpfende Regelung der Rechte des von einer einstweiligen Verfügung Betroffenen. Dieser kann wahlweise auch im Wege der negativen Feststellungsklage eine Klärung des der einstweiligen Verfügung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses herbeiführen.
Die Klägerin ist auch nicht berechtigt, die Feststellung in einem Verwaltungsakt verbindlich zu treffen. Es bedarf daher keiner Erörterung, unter welchen Voraussetzungen das Rechtsschutzinteresse für eine Klage „der Behörde” fehlt, wenn diese zu einer Regelung durch Verwaltungsakt berechtigt ist (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 22; BSGE 62, 251 = SozR 1500 § 54 Nr 84 und BSG SozR 1300 § 50 Nr 17). Die §§ 124 und 126 SGB V regeln die Zulassung der Heil- und Hilfsmittelerbringer zur Versorgung der Versicherten öffentlich-rechtlich und ermächtigen die Zulassungsbehörden, das Zulassungsverhältnis durch Verwaltungsakt zu regeln. In § 133 SGB V fehlt eine vergleichbare Regelung. Die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Krankentransportunternehmen und den KKn sind auch hinsichtlich der Auswahl der zu beauftragenden Krankentransportunternehmer privatrechtlich (BGH, Urteil vom 12. November 1991 – KZR 12/90 – MDR 1992, 722) und dürfen nicht durch Verwaltungsakt geregelt werden.
3.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das LSG hat einen Anspruch des Beklagten auf Abschluß einer Vergütungsvereinbarung sowie auf Direktabrechnung der von ihm durchgeführten Krankentransportfahrten zu Recht bejaht.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Abschluß einer Vergütungsvereinbarung ist § 133 SGB V. Mit dieser durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG, vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477) eingeführten Vorschrift wurde eine gesetzliche Grundlage für vertragliche Beziehungen zwischen den KKn bzw ihren Verbänden und den Leistungserbringern von Krankentransporten oder Rettungsdiensten geschaffen, die in dieser Form im Recht der RVO fehlte. Abs 1 der entsprechenden Vorschrift des Regierungsentwurfs (§ 142, vgl BR-Drucks 2/88, S 48) bestimmte lediglich, daß die Krankenkassen oder ihre Verbände Verträge über die Vergütung von Kranken- und Rettungstransporten mit dafür geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen schließen, daß die Vertragschließenden die Empfehlungen der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen zu berücksichtigen haben und daß die vereinbarten Preise Höchstpreise sind. Auf Veranlassung des Bundesrates wurde die Vorschrift im Ausschußverfahren unter den Vorbehalt abweichender landesrechtlicher Regelungen gestellt (BT-Drucks 11/3320, S 89 und BT-Drucks 11/3480, S 63).
Vorliegend steht der landesrechtliche Vorbehalt einem Vertragsabschluß nicht entgegen. Das LSG hat unter Hinweis auf das RettG NW festgestellt, daß Landesrecht eine Vergütungsvereinbarung nicht ausschließe. Der Senat ist an diese Feststellung gebunden, weil sie nicht revisibles Landesrecht betrifft (§ 202 SGG iVm § 562 ZPO).
3.1
Nach § 133 Abs 1 Satz 1 SGB V ist die Klägerin verpflichtet, zumindest mit solchen geeigneten und abschlußbereiten Krankentransportunternehmen und -einrichtungen Entgeltvereinbarungen zu treffen, deren Preisangebote nicht über den Sätzen in bestehenden Vereinbarungen liegen. Ein allgemeines Auswahlermessen oder eine am Bedarf orientierte Zulassungskompetenz steht der Klägerin im Hinblick auf Art 3 und 12 GG nicht zu.
Der Beklagte zählt zum Kreis der geeigneten Unternehmen, mit denen die Krankenkassen oder ihre Verbände nach § 133 Abs 1 SGB V ua Verträge über das Entgelt für Krankentransporte abschließen. Als Vertragspartner der KKn kommen neben den Trägern des Rettungsdienstes bzw den von ihnen beauftragen Hilfsorganisationen, soweit insofern die Entgelte nicht durch landes- oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt sind, auch private Unternehmer in Betracht, die – wie der Beklagte – Krankentransporte anbieten (vgl von Maydell in GK-SGB V, § 133 RdNr 17). Die Eignung des Beklagten als Krankentransportunternehmen ergibt sich bereits daraus, daß ihm nach § 29 Abs 1 iVm § 19 Abs 6 RettG NW vorläufig die Durchführung von Krankentransporten gestattet ist, weil er zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des RettG NW im Besitz einer gültigen Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen zum Zwecke des Krankentransportes iS des PBefG war. Das LSG hat hinsichtlich des im RettG NW vorgesehenen Genehmigungsverfahrens folgende Feststellungen getroffen: Nach § 18 RettG NW bedarf der Genehmigung der Kreisordnungsbehörde, wer, ohne nach dem 2. Abschnitt (des Gesetzes) am Rettungsdienst beteiligt zu sein, Aufgaben der Notfallrettung oder des Krankentransports wahrnehmen will (Unternehmer).
Neben der Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung des Unternehmers und der für die Führung der Geschäfte bestimmten Personen müssen die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet sein (§ 19 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 RettG NW). Die Genehmigung ist zu versagen, wenn zu erwarten ist, daß durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst iS von § 6 RettG NW beeinträchtigt wird.
Hierbei sind insbesondere die Pflicht zur flächendeckenden Vorhaltung und die Auslastung des öffentlichen Rettungsdienstes im vorgesehenen Betriebsbereich zu berücksichtigen. Die Einsatzzahlen, die Eintreffzeit und die Dauer der Einsätze sowie die Entwicklung der Kosten- und Ertragslage sind dabei zugrunde zu legen (§ 19 Abs 4 RettG NW). Sofern im Betriebsbereich, für den die Genehmigung beantragt wird, schon andere Genehmigungen erteilt worden sind, kann die Genehmigungsbehörde vor der Entscheidung über den Antrag einen Beobachtungszeitraum von bis zu einem Jahr zur Feststellung des Bedarfs festlegen (§ 19 Abs 5 RettG NW). Die Absätze 4 und 5 gelten nicht für die Wiedererteilung abgelaufener Genehmigungen (§ 19 Abs 6 RettG NW). § 19 Abs 6 RettG NW gilt gemäß § 29 Abs 1 des Gesetzes auch für Anträge von Unternehmern, die – wie der Beklagte – schon vor dem 1. Juli 1989 von einer Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen zum Zwecke des Krankentransportes iS des PBefG Gebrauch gemacht haben. Der Landesgesetzgeber verzichtet in diesen Fällen somit zu Gunsten des Bestandsschutzes auf eine erneute Eignungs- und auf eine Bedarfsprüfung. Die Eignung des Unternehmers wird vielmehr unterstellt, wenn er aufgrund einer Genehmigung nach dem PBefG Krankentransporte durchgeführt hat. Das PBefG sah bis zu seiner Änderung durch das 6. Gesetz zur Änderung des PBefG vom 25. Juli 1989 (BGBl I, 1547) in § 51 Abs 6 die Notwendigkeit einer Zulassung privater Krankentransportunternehmen vor. Die Zulassung konnte mit Auflagen verknüpft werden, wenn diese erforderlich waren, um den erforderlichen Standard der Beförderung zu sichern (vgl Plute, KKn und Rettungswesen, S 33; BT-Drucks 11/4224, S 6). Durch die Streichung des § 51 Abs 6 PBefG sollte die Kontrolle der Eignung auf die Länder übertragen werden, die im Rahmen der Regelung des Gesundheitswesens für den gesamten Bereich des Krankentransport- und Rettungswesens zuständig sein sollten (BT-Drucks 11/2170, S 2 und 6). Die Genehmigungsverfahren nach den Rettungsdienstgesetzen der Länder beziehen sich damit gerade auch auf Fragen der Lebens- und Gesundheitserhaltung, der präklinischen Versorgung, der sachgerechten medizinischen Betreuung und der Hilfeleistung. Dies schließt eine nochmalige Eignungsprüfung durch die KKn im Rahmen des § 133 Abs 1 SGB V aus. Die nach den Rettungsdienstgesetzen der Länder zugelassenen Unternehmer sind deshalb auch nach § 133 Abs 1 SGB V als geeignet anzusehen (vgl von Maydell aaO, RdNr 19, Kranig in Hauck/Haines, SGB V, § 133 RdNr 16, und Plute aaO, S 68).
3.2
Die Klägerin kann den Abschluß einer Vergütungsvereinbarung auch nicht im Hinblick auf ihre Verpflichtung, beim Abschluß von Verträgen die Sicherstellung der flächendeckenden rettungsdienstlichen Versorgung zu berücksichtigen (§ 133 Abs 1 Satz 2 SGB V), mit der Begründung ablehnen, es bestehe angesichts der Sicherstellung der Versorgung durch den Städtischen Rettungsdienst im Stadtgebiet von R kein Bedarf an solchen Krankentransportleistungen durch Dritte. Die Verpflichtung der KKn bzw ihrer Verbände, beim Abschluß von Verträgen mit Leistungserbringern auch die Sicherstellung der flächendeckenden rettungsdienstlichen Versorgung zu berücksichtigen, ist erst bei der Ausschußberatung eingefügt worden (BT-Drucks 11/3320, S 89). Die Zulässigkeit einer Bedarfsprüfung durch KKn bzw ihre Verbände wurde in diesem Zusammenhang nicht in Erwägung gezogen.
Sie stand auch bei nachfolgenden Änderungen der Vorschrift nicht zur Diskussion. Aus dieser Verpflichtung ergibt sich, wie der BGH bereits entschieden hat, keine gesetzliche Grundlage für eine Bedarfsprüfung als Voraussetzung für die Zulassung von Krankentransportunternehmen (BGH NJW 1990, 1531, 1532 = USK 89120). Dieser Auffassung, die auch im sozialrechtlichen Schrifttum überwiegt (von Maydell, aaO, RdNr 21; Kranig, aaO, RdNr 22; Hess in KassKomm § 133 SGB V RdNr 3; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 133 RdNrn 7 und 9; Spieß, SGb 1989, 5, 6), schließt sich der erkennende Senat an.
Für die Auslegung des § 133 SGB V ist es insoweit nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob das SGB V dem Versicherten hinsichtlich der Fahrtkosten einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch einräumt, wie bereits vom BGH im angeführten Urteil (BGH NJW 1990, 1531) ausgeführt. Der BGH hat sich dabei von der Überlegung leiten lassen, selbst bei Zugrundelegung des Sachleistungsprinzips würden die Interessen der KKn von dem Recht der Versicherten überlagert, sich grundsätzlich den Lieferanten des jeweiligen Heil- oder Hilfsmittels bzw hier der Krankentransportleistung frei auswählen zu können (Hinweis auf BGHZ 101, 72, 83 = GRUR 1987, 829, 832 – Krankentransporte I; BGHZ 107, 40, 44 = GRUR 1989, 430, 431 – Krankentransportbestellung). Die „Sicherstellung der flächendeckenden rettungsdienstlichen Versorgung” sei nach § 133 Abs 1 SGB V bei den Verträgen über die Vergütung der Leistungen des Rettungsdienstes bzw über das Entgelt für andere Krankentransporte, also bei der Preisgestaltung in den Rahmenverträgen, zu berücksichtigen, eine gesetzliche Grundlage für die Bedürfnisprüfung als Voraussetzung für die Zulassung von Krankentransportunternehmen ergebe sich daraus nicht (BGH NJW 1990, 1531).
Soweit der BGH in diesem Zusammenhang der Auffassung zuzuneigen scheint, im Rahmen des § 133 SGB V gelte das Kostenerstattungsprinzip, ist hierauf erst zum Anspruch auf Direktabrechnung näher einzugehen. Im übrigen stimmt der Senat der Entscheidung darin zu, daß der Gesetzgeber für den Bereich des § 133 SGB V eine Bedarfsprüfung unabhängig davon ausschließen wollte, ob die Vorschrift auf dem Kostenerstattungsprinzip beruht oder auf dem Sachleistungsprinzip.
§ 133 Abs 1 Satz 1 SGB V erwähnt nur Vereinbarungen über „die Entgelte für Krankentransportleistungen”, nicht dagegen über Art und Weise der Versorgung. Soweit die Gesetzesbegründung zu § 133 Abs 1 SGB V weitergehend von Verträgen über die Erbringung und Vergütung von Kranken- und Rettungstransporten spricht (BT-Drucks 11/2237, S 206 zu § 142 Abs 1), hat sie in das Gesetz keinen Eingang gefunden. Die nach dem Gesetzeswortlaut vorgenommene Beschränkung auf Vergütungsvereinbarungen im Bereich der Krankentransportleistungen, die in anderen Bereichen des Leistungserbringerrechts nicht vorgesehen ist (vgl zB §§ 125, 127 Abs 1, 132 Abs 1 SGB V), findet ihre Rechtfertigung darin, daß sich die Einzelheiten über die Versorgung bereits aus den Landesgesetzen über die Rettungsdienste ergeben (Kranig, aaO, RdNr 15). Wegen der Beschränkung auf Vergütungsregelungen kann den einzelnen Leistungserbringern auch nicht ein bestimmter Umfang von Leistungen abverlangt werden, um die flächendeckende Versorgung für den Zuständigkeitsbereich der KK abzudecken. Der „Sicherstellungsauftrag” in § 133 Abs 1 Satz 2 SGB V bezieht sich von daher nur auf die Gewährleistung einer ausreichenden Versorgungsstruktur auf dem Gebiet der Rettungsdienste und Krankentransportleistungen. Er verpflichtet die KKn, mit einer ausreichenden Anzahl von Leistungserbringern Vergütungsverträge abzuschließen, so daß die Versicherten jederzeit Rettungsfahrten oder Krankentransporte in Anspruch nehmen können. Die Sicherstellung eines funktionsfähigen Rettungsdienst- und Krankentransportwesens unter dem Aspekt der allgemeinen Daseinsvorsorge fällt dagegen nicht in die Kompetenz der gesetzlichen Krankenversicherung. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Aufgabe der Länder. Sie können im Hinblick auf die Notwendigkeit eines funktionsfähigen Rettungsdienst- und Krankentransportwesens die Betätigung privater Unternehmer auf diesem Gebiet genehmigungspflichtig machen und bei einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst die Genehmigung verweigern, wie dies nach den Feststellungen des LSG in § 19 Abs 4 RettG NW vorgesehen ist. Nach § 6 RettG NW ist im Genehmigungsverfahren insbesondere die Pflicht zur flächendeckenden Vorhaltung und Auslastung des öffentlichen Rettungsdienstes im vorgesehenen Dienstbereich zu berücksichtigen. Für eine eigenständige Prüfung dieses Aspektes durch die KKn im Rahmen von § 133 SGB V gibt es dagegen keine Grundlage.
3.3
Einem Vertragsabschluß zwischen der Klägerin und dem Beklagten steht auch § 133 Abs 1 Satz 5 SGB V nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift, die durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG, vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) eingefügt wurde, haben sich die Preisvereinbarungen an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten. Bei gleicher Leistungsqualität sollten die KKn nach der Vorstellung des Ausschusses für Gesundheit, auf dessen Veranlassung die Regelung eingefügt wurde (BT-Drucks 12/3937, S 16), dem preisgünstigeren Anbieter den Vorzug geben (Hencke, aaO, § 133 RdNr 11). Schon der Wortlaut der Regelung verdeutlicht, daß nur ein individueller Preisvergleich gemeint ist und keine globale Wirtschaftlichkeitsprüfung (so auch BT-Drucks 12/3937, zu Art 1 Nr 67a; Saekel, BKK 1993, 303, 317, wonach die Regelung gerade verdeutliche, daß der Gesetzgeber eine wirtschaftliche Angebotsstruktur durch Wettbewerb anstrebe). Nach den Feststellungen des LSG liegen die Preisansätze des Beklagten unter denjenigen der Feuerwehr R. (Städtischer Dienst) und der sonstigen Hilfsorganisationen.
3.4
Eine am Gesamtbedarf an Krankentransportleistungen orientierte Zulassung von Unternehmern läßt sich auch nicht aus dem das gesamte Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung beherrschenden Wirtschaftlichkeitsgebot herleiten, wie es in den §§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V seinen Niederschlag gefunden hat. Dieses erlaubt allein eine individuelle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen. Es rechtfertigt dagegen keine Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen, wie hier die Berufsausübungsfreiheit und den Gleichbehandlungsanspruch privater Krankentransportunternehmer, soweit hierfür über eine globale Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinaus keine spezielle gesetzliche Ermächtigung besteht. Das SGB V enthält auch sonst, mit Ausnahme der Sonderregelungen im Kassenarztrecht (§§ 99 ff SGB V), keine Grundlage für eine Begrenzung der Zulassung auf spezielle Leistungserbringer. § 2 Abs 3 Satz 1 SGB V verdeutlicht sogar, daß das SGB V vom Gegenteil ausgeht. Die Regelung verpflichtet die KKn, bei der Auswahl der Leistungserbringer ihre Vielfalt zu beachten. Mit dieser Zielrichtung läßt sich das Monopolisierungsbestreben der Klägerin nicht vereinbaren.
Die Klägerin macht dagegen jedoch eine globale Wirtschaftlichkeitsbetrachtung geltend. Da öffentlich-rechtliche Anbieter ohnehin akzeptiert werden müßten, könne eine Auswahl nur noch bei den privaten Anbietern stattfinden. Die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung sei nicht auf die Frage reduziert, wie eine einzelne Leistung möglichst preiswert zu erlangen sei; Vorrang müsse vielmehr die Frage haben, wie die Gesamtheit der entsprechenden Leistungen möglichst preiswert erbracht werden könne. Eine einzelne Fahrt könne vom Beklagten womöglich preisgünstiger durchgeführt werden als vom städtischen Rettungsdienst. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß diese Fahrt dem Rettungsdienst entgehe, so daß er die vorhandenen Kapazitäten nicht auslasten könne und das Entgelt für die einzelne Transportleistung erhöhen Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 649594 |
BSGE, 119 |