Leitsatz (amtlich)
Ist unklärbar, ob der Tod eines Beschäftigten durch betriebsbezogene Umstände verursacht oder vorsätzlich herbeigeführt worden ist (Selbsttötung), so sind die Folgen dieser Ungewißheit von den Hinterbliebenen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 553 Fassung: 1963-04-30; SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 103 Fassung: 1959-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Mai 1967 wird aufgehoben.
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Juli 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, die Klägerin zu 2) die Tochter des am 8. September 1960 von einem Lastzug tödlich überfahrenen Kraftfahrzeugführers Helmut H (H.). Dieser war in einer von seinen Schwiegereltern in R betriebenen Wäscherei beschäftigt; er hatte u.a. mit einem VW-Kombi den Transport der Wäsche zu und von den Wäschereikunden durchzuführen und Rechnungsbeträge zu kassieren. Eine solche Fahrt führte H. auch am 8. September 1960 im Anschluß an das Mittagessen aus, obwohl er sich damals gesundheitlich nicht recht wohl fühlte. Im Auto führte er Wäschepakete für je eine in R, G.-straße Nr. ... und Ecke K-/K.-straße wohnende Kundin mit. Nachdem er die Wäsche in der G.-straße abgeliefert hatte, fuhr er durch die S.-straße weiter und bog von dieser in die S.-gasse in Richtung K ein. Etwa 12 m von der Straßeneinbiegung entfernt, hielt er den Wagen dicht am rechten Straßenrand an und stieg zur Straßenseite hin aus. Dies geschah in dem Augenblick, als ein entgegenkommender Lastzug vorüberfuhr. H. bewegte sich so plötzlich auf den Lastzug zu, daß er unter den Kraftwagen geriet und vom linken Hinterrad 8 m weit mitgeschleift wurde. Er erlitt so schwere Verletzungen, daß er alsbald starb. Der 2,5 m breite Lastzug war in einem Abstand von etwa 1 m vom rechten Straßenrand mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h angekommen. Der Abstand zwischen der Ausstiegstür des Kombiwagens und den Hinterrädern des Lastzuges betrug etwa 2,5 m. Das Ermittlungsverfahren gegen den Fahrer des Lastzuges ist mangels Verschuldens eingestellt worden.
Die Beklagte lehnte die Hinterbliebenenansprüche durch Bescheid vom 1. März 1961 mit der Begründung ab, H. sei nicht durch einen Arbeitsunfall ums Leben gekommen; er habe in der Schildgasse ohne geschäftlichen Anlaß angehalten; außerdem habe er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt.
Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat durch Urteil vom 12. Juli 1962 die Klage abgewiesen. Es ist der Ansicht, H. habe im Zeitpunkt des Unfalls keine dem Wäschereiunternehmen zuzurechnende Tätigkeit ausgeübt; außerdem sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß sich H. absichtlich unter den Lastzug geworfen habe.
Im Berufungsverfahren ist zur Klärung des Sachverhalts Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben worden; außerdem hat eine Rekonstruktion des Unfallgeschehens in der S.-gasse stattgefunden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat am 17. Mai 1967 die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen die Hinterbliebenenrente zu gewähren. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt: H. sei bei der Ausübung einer dem Wäschereibetrieb seines Schwiegervaters zuzurechnenden Betätigung verunglückt. Er habe mit dem Kombiwagen Wäsche für Kunden besorgt und diese Tätigkeit auch fortsetzen wollen, als er in Richtung R fuhr. Der Versicherungsschutz auf dieser Fahrt sei auch nicht dadurch unterbrochen worden, daß H. in der S.-gasse angehalten und den Wagen verlassen habe; denn der Unfall habe sich im Bereich der seinen Betriebsweg darstellenden Straße ereignet. Daß H. diesen Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe (§ 556 der Reichsversicherungsordnung alter Fassung - RVO aF -), sei nicht feststellbar. Es fehle, wie die Beklagte selbst einräume, an einem Motiv für eine Selbsttötung H's. In gesundheitlicher Hinsicht seien von den behandelnden Ärzten Dr. E und Frau Dr. D-H keine Störungen festgestellt worden, welche auf einen Freitod schließen ließen. Dem stehe auch nicht die von der Beklagten beigebrachte gutachtliche Äußerung der Fachärztin für Nerven- und Gemütskrankheiten Dr. H entgegen, die darauf hingewiesen habe, daß H. in den letzten Tagen vor dem Unfall nicht wohlauf gewesen sein müsse, weil er die Ärztin Dr. D-H aufgesucht und nicht habe warten können, bis sein Hausarzt Dr. ... aus dem Urlaub zurückgekommen sei. Die Gutachterin Dr. H lege ihren sonstigen, den Verdacht auf einen Freitod begründenden Erwägungen lediglich Hypothesen zugrunde; insbesondere sei kein Anhalt dafür ersichtlich, daß es in der Ehe H's. ernstliche Schwierigkeiten gegeben habe. Es bestünden jedenfalls keine Bedenken dagegen, sich dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. W anzuschließen, der keinerlei konkrete Anhaltspunkte für ernsthafte psychische Störungen H's. als gegeben erachte. Es lasse aber auch der Ablauf des Geschehens nicht den Schluß zu, daß H. den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Auf Grund eines gemeinsamen Gutachtens des gerichtsmedizinischen- und des Kraftfahrzeugsachverständigen sei erwiesen, daß der Eindruck, den die Augenzeugen von dem Vorgang gewonnen hätten, ebenso durch einen vorsätzlichen Sprung H's. auf den Lastzug zu wie durch einen unfreiwilligen Sturz beim Verlassen des Kombiwagens infolge Verhakens mit dem rechten Fuß in dem Gestänge zwischen Bremspedal und Lenkstange hervorgerufen sein könne. Aus welchem Grund H. den Wagen habe verlassen wollen, sei indessen nicht aufklärbar. Allerdings sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein Anhalt dafür ersichtlich, daß H. in dem Bereich, in welchem er angehalten habe, einen Kundenbesuch habe erledigen wollen. Möglich sei es aber, daß er den Verschluß der rechten Ladetür seines Wagens habe überprüfen oder einem Drang zum Erbrechen habe nachgeben wollen. Zu beachten sei auch der Umstand, daß die Zeit, in der H. einen möglicherweise vorhandenen Entschluß zum Freitod unter Ausnutzung der dafür plötzlich aufgetretenen günstigen Verkehrssituation hätte verwirklichen können, außerordentlich kurz gewesen sei. Unter Berücksichtigung aller bei dem Unfallgeschehen in Betracht kommenden Umstände sei nach der Überzeugung des LSG zwar die Möglichkeit der vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls gegeben. Diese Möglichkeit aber sei gegenüber der weiteren Möglichkeit eines unfreiwilligen Sturzes aus dem Führerhaus des VW-Kombi unter die Hinterräder des LKW weder wahrscheinlich, noch sei sie, wozu das LSG für die Anwendbarkeit des § 556 RVO aF neige, voll bewiesen. Der vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls komme kein deutliches Übergewicht zu; für sie spreche - mit anderen Worten - nicht so viel, daß ernste Zweifel hinsichtlich eines unfreiwilligen Sturzes ausschieden. Andererseits komme auch bei Berücksichtigung des allein geringfügig mehr gegen eine vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls sprechenden Zeitfaktors einem unfreiwilligen Sturz des H. unter den LKW kein deutliches Übergewicht zu. Die Folgen dieser Beweislosigkeit habe die Beklagte zu tragen. In der Literatur werde zwar die Auffassung vertreten, daß zum Begriff des Unfalls auch die Unfreiwilligkeit gehöre und daß deshalb die objektive oder materielle Beweislast für die unfreiwillige, d.h. nicht vorsätzliche Herbeiführung eines Unfalls den Versicherten treffe. Dieser Auffassung könne sich das LSG jedoch nicht anschließen. Denn nach der durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz im wesentlichen übernommenen Gesetzessystematik sei ein Unfall das von dem verbotswidrigen Verhalten des Verletzten unabhängige, von außen auf den Menschen einwirkende, körperlich schädigende, zeitlich begrenzte Ereignis. Stehe dieses in der dargelegten Weise nach seinem äußeren Erscheinungsbild gekennzeichnete Geschehen in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, so sei der Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung, der Arbeitsunfall, eingetreten. Denn der Gesetzgeber gehe nach dem Wortlaut des § 556 RVO aF (wie auch des § 553 RVO nF) selbst davon aus, daß das vorsätzlich herbeigeführte (absichtlich verursachte) Ereignis ein "Unfall" ("Arbeitsunfall") sei. Nach § 556 RVO aF (jetzt § 553 RVO nF) stehe aber dem Versicherten und seinen Hinterbliebenen kein Anspruch zu, wenn - was hier allein in Betracht komme - der Verletzte den Unfall (Arbeitsunfall) vorsätzlich herbeigeführt (absichtlich verursacht) habe. Der § 556 RVO aF (§ 553 RVO nF) stelle sich danach als eine Ausnahmevorschrift i.S. einer rechtshindernden Norm dar. Für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser rechtshindernden Norm, also das vorsätzliche Herbeiführen (absichtliche Verursachen) des Unfalls (Arbeitsunfalls) durch den Verletzten, treffe die objektive Beweislast den Versicherungsträger als denjenigen, der sich hierauf zur Abwendung der gegen ihn erhobenen Ansprüche berufe.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat am 7. Juli 1967 gegen das ihr am 3. Juli 1967 zugestellte Urteil des LSG Revision eingelegt und diese am 26. Juli 1967 wie folgt begründet: Zu beanstanden sei zunächst, daß das LSG den zum Unfall führenden Vorgang der betrieblichen Tätigkeit H's. zugerechnet habe; der diese Ansicht stützenden Aussage des Zeugen K, den die Klägerinnen erst sieben Jahre nach dem Unfall benannt hätten, sei ein zu hoher Beweiswert beigemessen worden. Ferner habe das LSG zu Unrecht der Beklagten die Beweislast für die Folgen der Unaufklärbarkeit des zum Tode H's. führenden Geschehens aufgebürdet. Das LSG habe verkannt, daß jedenfalls in einem Falle der vorliegenden Art die Beweislast von den Hinterbliebenen zu tragen sei, wenn sich das Nichtvorliegen einer Selbsttötung nicht hinreichend beweisen lasse. Wenn jemand ein schadenstiftendes, und zwar ein gerade ihn selbst schädigendes Ereignis vorsätzlich hervorrufe, stelle dieses Ereignis keinen Unfall dar.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des SG Freiburg vom 12.7.1962 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie pflichten den Ausführungen des angefochtenen Urteils bei.
Die Klägerinnen und die Beklagte haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist zulässig. Sie hatte auch Erfolg.
H. stand, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nach § 542 Abs. 1 RVO aF (jetzt § 548 Abs. 1 RVO) unter Versicherungsschutz, als er mit dem Kombiwagen in der Schildgasse in Rheinfelden anhielt. Diese Auffassung beruht in tatsächlicher Beziehung auf der verfahrensrechtlich einwandfrei getroffenen Feststellung, H. sei unterwegs nach Rheinfelden-Karsau gewesen, um dort Kunden des Wäschereibetriebs, in dem er beschäftigt war, zu besuchen. Die Revision hält dem entgegen, das LSG habe § 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dadurch verletzt, daß es seine Überzeugung von der Betriebsbezogenheit der Fahrt H's. in Richtung Karsau allein auf die Aussage eines Zeugen gestützt habe, auf den sich die Klägerinnen erst sieben Jahre nach dem Unfall besonnen hätten. Mit diesem Vorbringen greift die Revision die Beweiswürdigkeit des angefochtenen Urteils an; eine Verletzung des § 128 Abs. 1 SGG ist damit jedoch nicht schlüssig gerügt; denn es ist lediglich dargetan, daß das LSG die Aussagen des Zeugen überbewertet, nicht aber auch, daß es die gesetzlichen Grenzen seiner freien richterlichen Überzeugungsbildung überschritten, insbesondere gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens verstoßen habe.
Der erkennende Senat stimmt mit dem LSG auch darin überein, daß nach dem Anhalten auf der S.-gasse der innere Zusammenhang der Fahrt mit der versicherten Tätigkeit H's. nicht dadurch unterbrochen wurde, daß dieser den Wagen verließ. Da sich H. nicht aus dem örtlichen Bereich der Straße entfernt hatte, in die er aus betrieblichen Gründen gekommen war, ist, wie der erkennende Senat wiederholt - allerdings zu Wegeunfällen i.S. des § 543 Abs. 1 RVO aF - ausgesprochen hat (vgl. BSG 20, 219 ff = SozR Nr. 49 zu § 543 RVO aF), nicht jede dem Zurücklegen des Weges nicht unmittelbar dienende Tätigkeit rechtlich als eine Unterbrechung des versicherten Weges zu werten. Eine solche Zwischentätigkeit hat die Unterbrechenswirkung nur, wenn sie nach Art und Umfang so erheblich ins Gewicht fällt, daß während ihrer Dauer die ursächliche Verknüpfung mit dem versicherten Zurücklegen des Weges so in den Hintergrund gedrängt wird, daß sie als rechtlich unwesentlich unberücksichtigt zu bleiben hat. Das ist, wenn sich die zum Unfall führende Verrichtung noch oder wieder im Bereich der Straße abgespielt hat, regelmäßig nicht der Fall. Diese Grundsätze gelten, da insoweit keine rechtserheblichen Unterschiede bestehen, in gleicher Weise für Wege, auf denen der Beschäftigte nach § 542 RVO aF unter Versicherungsschutz steht. Demzufolge wäre schon deshalb der Fortbestand des Versicherungsschutzes nicht gefährdet gewesen, wenn H. hätte aussteigen wollen, um einem Erbrechensdrang nachzugeben. Im übrigen ist es nicht ausgeschlossen, daß er eine der Fahrtsicherung dienende Handlung am Kraftwagen vornehmen wollte.
Das LSG hat den Vorgang, der sich an das Anhalten des Fahrzeuges angeschlossen und zu den tödlichen Verletzungen H's. geführt hat, aber zu Recht auch unter dem Gesichtspunkt einer den Entschädigungsanspruch nach § 556 RVO aF ausschließenden vorsätzlichen Selbsttötung geprüft. Hierbei ist es auf Grund seiner nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG), nämlich daß H. sich vom Fahrersitz des Kombiwagens durch die zur Straßenseite hin geöffnete Tür in einem Zuge über die Straße auf das entgegenkommende Fahrzeug zu bewegt hat und unter dessen Hinterräder geraten ist, zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht aufklärbar, ob H. in Selbsttötungsabsicht gehandelt hat oder ob er unfreiwillig aus dem Wagen gestürzt und anschließend über die Straße unter den Lastwagen gestolpert ist. In dem angefochtenen Urteil ist unter Berücksichtigung der in Betracht zu ziehenden Umstände dargelegt, daß die Möglichkeit der vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls im Sinne des für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalls maßgebenden § 556 RVO aF wie die Möglichkeit eines der versicherten Fahrt zuzurechnenden Sturzes gegeben seien. Hiermit ist das LSG hinsichtlich des der Entscheidung über den Klaganspruch zugrunde liegenden Sachverhalts also zu einem non liquet gelangt.
Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt somit davon ab, zu wessen Lasten nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht (BSG 6, 70, 72; 7, 249, 254; 19, 52, 53; 21, 189, 192; 24, 25, 27; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 7. Aufl., Bd. I S. 244 m I und II mit zahlreichen Nachweisen; ferner Urt. des erkennenden Senats vom 31.10.1969 - 2 RU 40/67 -). Welcher Beteiligte die Folgen der Unerweislichkeit einer rechtserheblichen Tatsache zu tragen hat, kann sich, wie das BSG wiederholt ausgesprochen hat, im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit nur aus dem anzuwendenden materiellen Rechtssatz ergeben, und zwar derart, daß die Unerweislichkeit der Tatsachen, aus denen ein Beteiligter ihm günstige Rechtsfolgen herleiten will, zu seinen Lasten geht (vgl. BVerwG 18, 169, 170). Maßgebend für die Verteilung der Beweislast ist sonach das den Rechtsstreit bestimmende materiell-rechtliche Grundverhältnis. Dies hat auch das LSG beachtet. Es hat jedoch die durch die Gegebenheiten des vorliegenden Falles bestimmte Rechtslage insofern unzutreffend beurteilt, als es die Frage der Beweislastverteilung aus der Sicht des § 556 RVO aF entschieden und damit die Bedeutung dieser Vorschrift verkannt hat. Für eine Anwendung des § 556 RVO aF kann nur Raum sein, wenn ein Arbeitsunfall vorliegt, also sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 542 Abs. 1 RVO aF (jetzt § 548 Abs. 1 RVO) gegeben sind. Ist das nicht der Fall, besteht ohnehin kein Anspruch i.S. des § 556 RVO aF (vgl. Schulte-Holthausen, Komm. zur RVO - UV - 4. Aufl. S. 98 Anm. 1 zu § 556 RVO aF; Lauterbach, UV, 2. Aufl. S. 81a Anm. 1a zu § 556 RVO aF). Hieraus folgt zwingend, daß für die Verteilung der Beweislast nicht, wie das LSG meint, die Regelung des § 556 RVO aF maßgebend ist, sondern daß es hierfür auf die Tatsachen ankommt, welche den Klaganspruch begründen sollen. Zu diesen Tatsachen gehört das Vorliegen des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis (vgl. Brackmann aaO; Ricke in BG 1963, 111, 113 und SGb 1966, 395, 397; Krasney in BG 1967, 312 ff mit weiteren Nachweisen). Nur um diesen Ursachenzusammenhang geht im vorliegenden Falle dem Kern der Sache nach der Streit zwischen den Beteiligten. Wäre H. unfreiwillig aus dem Wagen gestürzt und deswegen unter den Lastzug geraten, bestünden gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls und die Begründetheit des Klaganspruchs keine begründeten Zweifel. Hätte er sich hingegen in Selbsttötungsabsicht unter den Lastzug geworfen, wäre in diesem Fall der ursächliche Zusammenhang zwischen der Betriebsfahrt und dem zum Tode H's. führenden Ereignis dadurch gelöst worden, daß H. mit dem Verlassen des Wagens eine selbständige, seinem privaten Lebensbereich entsprechende Kausalität in Gang gesetzt hätte (vgl. auch Ricke in SGb 1966, 398, 399). Da hiernach schon der für die Entstehung des Hinterbliebenenanspruchs der Klägerinnen erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit H's. und dem schadenstiftenden Ereignis unerweislich ist, bedarf es keiner Stellungnahme zu den Ausführungen des angefochtenen Urteils über die Bedeutung des § 556 RVO aF für die Verteilung der objektiven Beweislast in einem Rechtsstreit, in dem eine Selbsttötung des Versicherten in Erwägung zu ziehen ist. Es ist eindeutig, daß zur schlüssigen Begründung des Klageanspruchs im vorliegenden Falle die Behauptung gehört, H. habe sich nicht von der Betriebsfahrt "gelöst" und sei deshalb einem Arbeitsunfall erlegen. Da dieser Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellbar ist und die Klägerinnen sich auf ihn berufen, haben sie die nachteiligen Folgen der Unerweislichkeit ihres anspruchsbegründenden Vorbringens zu tragen.
Die Beklagte ist somit nicht verpflichtet, die Klägerinnen aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes bzw. Vaters zu entschädigen. Auf die Revision der Beklagten mußte daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Berufung der Klägerinnen gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht auf Grund des § 193 SGG.
Fundstellen