Leitsatz (amtlich)
§ 564 Abs 4 S 2 RVO aF und § 576 Abs 1 S 2 RVO nF, nach denen einem Beamten, der einen Arbeitsunfall nach dem 3. Buch der RVO erlitten hat, Unfallrente nicht zu zahlen ist, wenn diese seine Dienstbezüge nicht übersteigt, sind nicht verfassungswidrig.
Normenkette
RVO § 564 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1942-03-09, § 576 Abs. 1 S. 2
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. März 1962 insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, als der Rentenanspruch des Klägers die Zeit vom 1. Juli 1963 an betrifft.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger ist Steuerinspektor beim Finanzamt L/Pfalz. Am 13. August 1958 stieß ihm während seines Urlaubs, den er auf dem landwirtschaftlichen Anwesen seines Vaters in G. verbrachte, ein Unfall zu; er fiel beim Äpfelpflücken von der Leiter und zog sich dadurch einen Abbruch am Köpfchen der rechten Speiche zu. Der rechte Arm ist im Ellenbogengelenk und im oberen Speichen-Ellengelenk in seiner Beweglichkeit eingeschränkt.
Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) sah mit Bescheid vom 25. Juni 1959 den Unfall des Klägers als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall bei einer Hilfeleistung im Sinne des § 537 Nr. 10 der Reichsversicherungsordnung (in der bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes - UVNG - geltenden Fassung) -RVO aF- an. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) setzte sie in zeitlicher Abstufung auf 100 v.H., 50 v.H., 40 v.H. und zuletzt 30 v.H. fest. Der Rentenberechnung legte sie einen Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 9 072 DM zugrunde, der dem von der Oberfinanzdirektion angegebenen Jahresgehalt entspricht (§ 564 Abs. 4 Satz 1 RVO aF). Die Auszahlung der errechneten Rente lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF ab, weil die Rente die Dienstbezüge aus dem Beamtenverhältnis des Klägers in Höhe von monatlich 756 DM nicht übersteige. Mit seiner Klage hat der Kläger die Auszahlung der errechneten Rente begehrt. Er ist der Meinung, § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil durch jene Vorschrift die Beamten gegenüber allen anderen Versicherten einseitig und ungerechtfertigt benachteiligt würden.
Durch Urteil vom 19. August 1960 hat das Sozialgericht (SG) Speyer die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 25. Juni 1959 verurteilt, dem Kläger die festgestellten Rentenleistungen auszuzahlen. Es hat § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF als verfassungswidrig angesehen, weil die Vorschrift sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 als auch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verstoße. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: In der gesetzlichen Unfallversicherung komme es bei der Beurteilung der MdE nicht darauf an, ob die Höhe des Verdienstes nach dem Unfall sich verringert habe, gleichgeblieben sei oder sich sogar erhöht habe. Es seien deshalb alle Erwägungen darüber abzulehnen, ob eine Rente neben dem Verdienst ruhen solle, wenn der Verletzte nach dem Unfall seinen früheren Verdienst wieder erreicht oder sogar überschritten habe. Gegen diese allgemeinen Grundsätze verstoße § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF, darüber hinaus aber auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Da § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF nur für den im aktiven Dienst stehenden Beamten gelte, benachteilige er ihn nicht nur gegenüber dem Angestellten, dem Arbeiter und dem selbständig Tätigen, sondern auch gegenüber dem im Ruhestand befindlichen Beamten, dem Beamten zur Wiederverwendung und dem Dienstordnungs-Angestellten (DO-Angestellten) der Sozialversicherung. Bei dem Unfall eines Beamten im Rahmen einer nach § 537 Nr. 10 RVO aF versicherten Tätigkeit sei die Ablösung der Haftpflicht des Unternehmers der entscheidende Gesichtspunkt. Insoweit bestehe zwischen dem Beamten, dem Angestellten, dem Arbeiter und dem Selbständigen kein sachlich gerechtfertigter Unterschied. Die Beschränkung des Beamten durch § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF bezüglich des Schadensersatzes verletze gleichzeitig auch das in Art. 14 GG gewährleistete Eigentum. Der Beamte werde durch die §§ 898 ff RVO aF in aller Regel gehindert, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Unternehmer des Unfallbetriebes zivilrechtlich geltend zu machen; darin liege eine unzulässige Vermögensbenachteiligung des Beamten gegenüber allen anderen Bürgern.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegt. In diesem Rechtszug hat der Kläger um Prüfung gebeten, ob seine Beschäftigung bei der Obsternte, bei der er verunglückt sei, über § 537 Nr. 10 RVO aF hinaus ein Beschäftigungsverhältnis nach § 537 Nr. 1 RVO aF darstelle. Er hat hierzu ausgeführt: Er habe nicht nur am Unfalltage, sondern regelmäßig während der Erntezeit in seinem Jahresurlaub in der Landwirtschaft seiner Eltern gearbeitet. Hierbei habe ihm sein Vater Anweisungen für die jeweils auszuführenden Arbeiten gegeben. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit könne daraus gefolgert werden, daß er als einziger Sohn zur Erhaltung und Mehrung des Familieneigentums tätig gewesen sei.
Das LSG hat durch Urteil vom 23. März 1962 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im wesentlichen wie folgt begründet: Der Unfall des Klägers habe sich bei einer nach § 537 Nr. 10 RVO aF versicherten Tätigkeit ereignet. § 537 Nr. 1 RVO aF sei nicht anwendbar, weil der im Beamtenverhältnis stehende Kläger bei der gelegentlichen Tätigkeit in dem landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern nicht auf Grund eines Arbeitnehmerverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig geworden sei. - Die Auffassung des SG, daß § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF verfassungswidrig sei, treffe nicht zu. Zwar enthalte diese Vorschrift eine den Beamten im Verhältnis zu dem im öffentlichen Dienst tätigen Arbeiter und Angestellten benachteiligende Ausnahmeregelung. Diese sei jedoch nicht willkürlich-unterschiedlich, sondern mit sachlichen Erwägungen zu rechtfertigen. Der Beamte sei wegen des Weiterlaufens seiner Dienstbezüge unfallversicherungsrechtlich nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie die sonst im Erwerbsleben stehenden Personen. Deshalb halte sich die bestehende gesetzliche Regelung innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Ermessensspielraums. Sie verletze daher nicht den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Ebensowenig verstoße sie gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Das SG habe seine gegenteilige Auffassung damit begründet, daß der Beamte, der einen außerdienstlichen Arbeitsunfall nach § 537 Nr. 10 RVO aF erleide, durch § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Schadensersatzes und zugleich gemäß § 898 RVO aF auch hinsichtlich der Frage der zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht des Unternehmers eine Einschränkung gegenüber dem sonstigen Personenkreis erfahre. Diese Erwägung gehe schon deshalb fehl, weil die in der vorliegenden Streitsache maßgebende Vorschrift des § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF in keinem irgendwie gearteten Zusammenhang mit §§ 898 ff RVO aF stehe. Insbesondere spiele es für die Frage der zivilen Haftpflicht des Unternehmers keine Rolle, ob dem durch Arbeitsunfall Geschädigten eine Rente auszuzahlen sei. Die in §§ 898 ff festgelegte Haftungsbeschränkung des Unternehmers sei vielmehr - auch bei Arbeitsausfällen von Nichtbeamten - allgemein gegeben, ohne daß es dabei darauf ankomme, ob der Unfallverletzte einen Anspruch auf Rente aus der Unfallversicherung habe.
Das LSG hat die Revision zugelassen
Der Bevollmächtigte des Klägers hat zur Begründung seiner Revision geltend gemacht: Das LSG hätte § 564 Abs. 4 RVO aF nicht anwenden dürfen. Diese Vorschrift verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, sei also grundgesetzwidrig. Sie benachteilige den Beamten gegenüber allen anderen Personen, weil für diese keine Anrechnung der Unfallrente auf die laufenden Einkünfte vorgesehen sei. Sie benachteilige ferner den Beamten gegenüber Angestellten und Arbeitern der gewerblichen Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes, denen ebenfalls privatrechtlich oder arbeitsvertraglich Gehalt oder Versorgungsbezüge zuständen, ohne daß diese irgendeinen Einfluß auf die Zahlung der Unfallrente hätten. Selbst innerhalb der Beamtenschaft führe die Regelung zu Unterschieden. Sie gelte nur für aktive, dagegen nicht für im Ruhestand befindliche Beamte, die den Anspruch auf Unfallrente vor ihrer Berufung in das Beamtenverhältnis erworben hätten. Ein sachlicher Grund für diese unterschiedliche Regelung und Benachteiligung der aktiven Beamten gegenüber anderen Personenkreisen sei nicht erkennbar.
Nach Inkrafttreten des UVNG hat der Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 31. Oktober 1963 zu § 576 Abs. 1 RVO nF folgendes ausgeführt: Gegenüber dem früheren Recht beinhalte die Neuregelung nur insofern eine Verbesserung, als nunmehr einem verletzten Beamten die Rente mindestens in Höhe des Betrages verbleibe, der bei Vorliegen eines Dienstunfalls als Unfallausgleich zu bewilligen wäre. Im übrigen bestünden die Benachteiligungen der aktiven Beamten gegenüber sonstigen Versicherten, die bereits § 564 Abs. 4 RVO aF enthalten habe, nach wie vor; die Neuregelung habe sogar eine weitere Verschlechterung für jenen Personenkreis mit sich gebracht; denn sie gelte grundsätzlich für alle außerdienstlichen Arbeitsunfälle aktiver Beamter. Von ihr seien insbesondere Beamte des einfachen und mittleren Dienstes betroffen, die als nebenberufliche Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes pflichtversichert seien. Ein vernünftiger sachgerechter Grund für eine solche Sonderbehandlung einzelner Beamtengruppen sei schlechterdings nicht erkennbar. Man könne auch nicht sagen, daß diese Sonderregelung notwendig sei, "um den Anschluß an das Beamtenversorgungsrecht herzustellen", wie seitens der Bundesregierung dargetan worden sei; denn es handele sich hier um eine Regelung des Sozialversicherungsrechts und nicht des Beamtenrechts.
Die Beklagte hat der Begründung des angefochtenen Urteils zugestimmt. Sie hat sich bereiterklärt, auf Grund des § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVO nF in Verbindung mit § 148 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz vom 11. Juli 1962 und § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) dem Kläger ab 1. Juli 1963 Unfallausgleich in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen
II
Die - durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) Revision ist im wesentlichen nicht begründet.
Nach § 564 Abs. 4 RVO aF ist einem Beamten, der u.a. bei einer nach § 537 Nr. 10 RVO aF versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet, die Unfallrente nur insoweit zu zahlen, als sie die Dienst- oder Versorgungsbezüge des verletzten Beamten übersteigt. § 576 Abs. 1 RVO nF schreibt in ähnlicher Weise vor, daß jemand, dem sonst Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet ist, bei einem Arbeitsunfall, für den ihm diese Unfallfürsorge nicht zusteht, Unfallrente nur insoweit erhält, als sie seine Dienst- oder Versorgungsbezüge übersteigt. Diese während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Vorschrift erfaßt gemäß Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG vom 1. Juli 1963 an das streitige Rechtsverhältnis (BSG 2, 188, 192). Soweit über die Verfassungsmäßigkeit jener Vorschrift zu entscheiden ist, steht dem Bundessozialgericht (BSG) die Verwerfungskompetenz zu, weil § 564 RVO aF vorkonstitutionelles Recht ist (BVerfG 124, 128, 135; BSG 5, 17, 24); nur für die nach Inkrafttreten des GG erlassenen Gesetze, zu denen das UVNG gehört, ist die ausschließliche Verwerfungszuständigkeit des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG gegeben. Beide Vorschriften sind indessen, soweit sie den Rentenanspruch des Klägers beschränken (§ 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF, § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 RVO nF) nicht verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
§ 541 Nr. 1 RVO aF und § 541 Abs. 1 Nr. 1 RVO nF gehen davon aus, daß Beamte nicht schutzbedürftig nach dem 3. Buch der RVO sind, soweit ihnen Unfallfürsorge nach Vorschriften des Beamtenrechts gewährleistet ist. Schutzbedürftigkeit kann für diesen Personenkreis bei Unfällen bestehen, die nicht Dienstunfälle sind. Der Ausgleich des bei Unfällen solcher Art erlittenen wirtschaftlichen Schadens wird in § 564 Abs. 4 RVO aF und in § 576 Abs. 1 RVO nF für Beamte und diesen gleichgestellten Personen besonders geregelt. Zwar bezieh sich jene Vorschrift nicht auf Versicherte, die nach § 537 Nr. 1 RVO aF gegen Arbeitsunfälle versichert gewesen sind. Der Kläger ist jedoch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, bei seiner Tätigkeit, bei der ihm am 13. August 1958 der Unfall zugestoßen ist, allein nach § 537 Nr. 10 RVO aF unfallversichert gewesen. Hiergegen hat die Revision auch keine Einwendungen erhoben.
Da der Kläger nach wie vor seinen Dienst als Beamter verrichtet, die von der Beklagten errechnete Unfallrente aber erheblich niedriger als sein Diensteinkommen ist, beschränkt sich die Entscheidung des Senats darauf, ob § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF und § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 RVO nF verfassungsgemäß sind, die einem Beamten, der nach wie vor seinen Dienst leistet, eine Unfallentschädigung ganz oder teilweise versagen. Durch die in § 564 Abs. 4 Satz 1 RVO aF und - inhaltlich dem entsprechend - in § 576 Abs. 1 Satz 1 RVO nF getroffene weitere Sonderregelung, daß als JAV der Jahresbetrag der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge gilt, die der Berechnung des Unfallruhegehalts zugrunde zu legen wären, kann der Kläger schon deshalb nicht beschwert werden, weil die Beklagte ihrer Entscheidung den Jahresbetrag seiner Dienstbezüge von 1958 zugrunde gelegt hat.
Die in § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF und in § 576 Abs. 1 Satz 2 RVO nF für einen bestimmten Personenkreis getroffene besondere Regelung steht, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, nicht in Widerspruch zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein für die Schadensbemessung geltenden Grundsätzen. Voraussetzung für die Gewährung einer Unfallrente - der in der Praxis am meisten verlangten Entschädigungsleistung, die auch der Kläger begehrt - ist ein bestimmter Grad der MdE nach der Unfallrechtsprechung, die vom Schrifttum gebilligt wird (vgl. zB Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1964, Band II S. 568; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand Juli 1964, S. 467 bis 468), ist der Verletzte in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, wenn er weder im Unfallbetrieb noch sonst auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens den Verdienst zu erwerben vermag, den er vor dem Unfall im Unfallbetrieb zu verdienen fähig war. Dieser Grundsatz der abstrakten Schadensbemessung kann zwar im Einzelfall dazu führen, daß der Versicherte auf Grund besonderer für ihn gegebener Verhältnisse den gleich hohen Lohn erzielt wie vor dem Unfall und trotzdem Unfallrente erhält. In Zeiten der Vollbeschäftigung mag dieser Fall sogar häufiger sein. Der Gesetzgeber kann aber bei der Festlegung der rechtserheblichen Tatbestände nicht von den gerade besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen eines bestimmten Zeitraums ausgehen. Der Beamte, der trotz eines - dienstlichen oder außerdienstlichen - Unfalls dienstfähig bleibt, erleidet durch einen solchen Unfall im allgemeinen keine wirtschaftliche Einbuße, da ihm - selbst bei einer gewisse Grenzen nicht überschreitenden Leistungsminderung - nach den Grundsätzen des Beamtenrechts das ihm zustehende Gehalt in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen ist. Ein anderer Verletzter, dessen Erwerbsfähigkeit durch einen Unfall nicht unwesentlich gemindert ist, wird hingegen vielfach nur ein Arbeitseinkommen entsprechend seiner beschränkten Erwerbsfähigkeit erzielen können. Diesem Umstand tragen § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF und § 576 Abs. 1 Satz 2 RVO nF Rechnung, indem sie generell vorschreiben, daß Unfallrente nur insoweit zu zahlen ist, als sie die Dienstbezüge des Beamten übersteigt. In ähnlichem Sinne hat der Gesetzgeber nun in § 584 Abs. 1 RVO nF bei Bezug mehrerer Unfallrenten gewisse Höchstgrenzen festgelegt. Da nach § 564 Abs. 4 Satz 1 RVO aF - ebenso § 576 Abs. 1 Satz 1 RVO nF - bei Berechnung der Unfallrente eines Beamten als JAV die für die Versorgung aus einem Dienstunfall in Betracht kommenden Dienstbezüge des Beamten zugrunde zu legen sind und die Unfallrente - ohne Kinderzuschlag - höchstens 2/3 davon beträgt, wird nur in den - in der Praxis wohl nicht häufigen - Fällen eine Unfallrente zu zahlen sein, in denen die Dienstbezüge niedrig sind und eine schwere Unfallverletzung vorliegt, die Anspruch auf eine hohe Rente begründet. Nur wenn solche Umstände gegeben sind, ist allerdings auch die soziale Schutzbedürftigkeit eines unfallverletzten Beamten zu bejahen (ebenso Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1959, veröffentlicht in der Breithaupt-Sammlung 1962 S. 587, 590). Darüber hinaus schreibt § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVO nF vor, daß vom 1. Juli 1963 an Unfallrente wenigstens in Höhe des Betrages zu zahlen ist, der bei Vorliegen eines Dienstunfalls als Unfallausgleich zu gewähren wäre. Darin kommt der Wille des Gesetzgebers, Beamte hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Entschädigung für einen während ihrer Dienstzeit erlittenen Unfall, gleichgültig ob es sich hierbei um einen Dient- oder Arbeitsunfall handelt, grundsätzlich gleich zu behandeln, besonders deutlich zum Ausdruck. Diese Gleichstellung ist nach altem und nach neuem Recht (§ 564 Abs. 4 Satz 3 RVO aF, § 576 Abs. 1 Satz 3 RVO nF) ferner dadurch gegeben, daß der Beamte unabhängig von dem bei ihm gegebenen Grad der MdE die volle Rente - mit gewissen Begrenzungen - erhält, wenn der Arbeitsunfall zur Dienstunfähigkeit und damit zur Beendigung des Beamtenverhältnisses geführt hat. Dies kann gegenüber Versicherten, die diesem Personenkreis nicht angehören, u.U. eine gewisse Bevorzugung bedeuten, die aber auf Grund der Besonderheiten des Beamtenrechtsverhältnisses gerechtfertigt ist. Durch § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF und § 576 Abs. 1 Satz 2 RVO nF, durch die der Kläger sich benachteiligt fühlt, wird der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 1, 14, 52; 2, 118, 119; 3, 58, 135; 4, 144, 155) liegt eine Verletzung dieses Grundrechts nur vor, wenn ein vernünftiger, sich aus der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche unterschiedliche Behandlung nicht ersichtlich ist, die betreffende Rechtsnorm also als willkürlich angesehen werden muß. Das Bundesverfassungsgericht kann aber, wie es wiederholt entschieden hat, den Gesetz gewordenen Willen des Gesetzgebers nicht deshalb korrigieren, weil dieses nicht dem Ideal der Gerechtigkeit genügt oder es (sozial)politisch falsch oder unzweckmäßig ist. § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF und § 576 Abs. 1 Satz 2 RVO nF können sonach nicht schon etwa deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil sie für den dadurch betroffenen Personenkreis - auch unter Berücksichtigung eines im Laufe der letzten Jahrzehnte eingetretenen gewissen Wandels der Verhältnisse der Staatsdiener - möglicherweise nicht eine in jeder Beziehung zweckmäßige, gerechte und der Billigkeit entsprechende Regelung zum Inhalt haben. Es bedarf indessen auch keiner weiteren Ausführungen darüber, daß diesen Vorschriften sachgerechte Erwägungen zugrunde liegen. Somit verletzen sie Art. 3 Abs. 1 GG nicht.
Auch eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG liegt nicht vor. Zwar sind die Meinungen darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang subjektive öffentliche Rechte "Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG sein können, geteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 2, 380, 399) umfaßt die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG grundsätzlich nicht vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts, weil sonst solche vom Gesetzgeber einmal eingeräumte vermögensrechtliche Positionen nur verbessert, aber nicht verschlechtert werden könnten. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch für solche Ansprüche, die - wie die nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) - mit Rechtsanspruch verliehen werden (BVerfG 11, 64, 70); bei Ansprüchen aus der Sozialversicherung hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage ausdrücklich offengelassen (BVerfG 11, 221, 226, 227). Der Bundesgerichtshof (BGH) -BGHZ 6, 270, 278; 16, 192, 201 - vertritt dagegen die Ansicht, daß beamtenrechtliche Bezüge zwar unter jene Eigentumsgarantie fallen, sie aber in gewissen Grenzen herabgesetzt werden können. Der 3. Senat des BSG schließlich hat entschieden, daß Renten der Sozialversicherung grundsätzlich "Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG sein können (BSG 9, 127, 128). Er hat hier allerdings die Frage, wie sich diese Eigentumsgarantie auf Sozialversicherungsrenten im allgemeinen auswirkt, offengelassen, während er in einer weiteren Entscheidung (BSG 15, 71, 74) Veränderungen der sozialen Beiträge und Leistungen ihrer Höhe nach als zulässig angesehen hat.
Ungeachtet dessen, ob Ansprüche auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG fallen, ist dieses Grundrecht schon deshalb nicht verletzt, weil § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF und § 576 Abs. 1 Satz 2 RVO aF den Unfallrentenanspruch gar nicht beschränken, sondern im wesentlichen eine Auslegungsregel für die Schadensbemessung beinhalten. Selbst wenn man diese Vorschriften als echte Kürzungsvorschriften auffaßt, kann das Ergebnis kein anderes sein. Der Gesetzgeber hat normiert, daß bei außerdienstlichem Unfall eines aktiven Beamten, dessen Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade gemindert ist, nicht die Dienst- oder Versorgungsbezüge des Beamten, sondern seine Unfallrente zu kürzen ist. Er hat damit den umgekehrten Weg beschritten, den er beim Nebeneinanderbestehen von Beamtenversorgungsbezügen und Sozialversicherungsrenten, denen vordienstliche Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hat und aus denen dem Beamten Anspruch auf Altersruhegeld erwachsen ist, die aber auch gleichzeitig ruhegehaltsfähige Dienstzeiten sind, gegangen ist; in diesen Fällen wird ein Teil der Rente auf die Versorgungsbezüge angerechnet (§ 115 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. April 1964 (2 BVR 203, 206, 219, 221/62 - veröffentlicht in NJW 1964, 1785) diese Regelung als mit den Grundrechten in Art. 3 Abs. 1, 14 und 20 Abs. 1 GG vereinbar angesehen. Nichts anderes kann aber gelten, wenn - wie vorliegendenfalls - der Gesetzgeber offenbar aus verwaltungstechnischen Erwägungen sein Ziel, den Beamten, der einen außerdienstlichen Unfall erlitten hat, ebenso zu stellen wie den, dem ein Dienstunfall zugestoßen ist, in der Weise verwirklicht hat, daß er nicht den beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch, sondern den Anspruch aus der Sozialversicherung modifiziert; denn die diesem Ziel zugrunde liegenden Erwägungen müssen als sachgerecht angesehen werden.
Da sonach § 564 Abs. 4 Satz 2 RVO aF keine Grundrechte verletzt, nur in diesem Fall indessen der geltend gemachte Anspruch gegeben wäre, ist die Revision unbegründet, soweit für die Beurteilung des Rentenanspruchs diese Vorschrift in Frage kommt. Dagegen hat die Revision zum - geringen - Teil Erfolg, soweit nunmehr § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVO nF anzuwenden ist, wenngleich § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 RVO nF ebenfalls nicht verfassungswidrig ist. Da das angefochtene Urteil des LSG bereits vor Erlaß des UVNG gefällt worden ist, somit das Berufungsgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger ein Unfallausgleich nach Beamtenrecht zustehen würde, war der Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG. Der Senat hat es als gerechtfertigt angesehen, daß der Kläger seine Kosten selbst trägt, weil die Beklagte die Neuberechnung der Rente gemäß § 576 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVO nF angeboten hat, der Kläger hierauf aber nicht eingegangen ist, da er der Ansicht ist, daß § 576 Abs. 1 RVO aF dem GG widerspricht.
Fundstellen
Haufe-Index 707886 |
BSGE, 54 |
NJW 1965, 558 |