Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und Grundfreibetrag bei der Abzugsbesteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verfassungsbeschwerde betreffend die Frage, inwieweit bei einem beschränkt einkommensteuerpflichtigen EU-Ausländer, der mit Einkünften aus selbstständiger, künstlerischer Tätigkeit im Veranlagungszeitraum 1996 mit seinen Bruttoeinnahmen dem Steuerabzug von 25 v. H. unterliegt, Ausgaben, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, im Rahmen des Abzugsverfahrens (§ 50a Abs. 1 EStG) zu berücksichtigen sind, wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Ausführungen zur Berücksichtigung der Erwerbsaufwendungen im Steuerabzugsverfahren bereits durch den Dienstleistungsempfänger, zur Berücksichtigung des Grundfreibetrags bei beschränkt Steuerpflichtigen, zu einem möglichen Erstattungsverfahren).
2. Art. 102 § 1 VerfO EuGH setzt Art. 43 der Satzung des Gerichtshofs um, wonach in den Fällen, in denen Zweifel über Sinn und Tragweite eines EuGH-Urteils bestehen, der Gerichtshof zuständig ist, dieses Urteil auf Antrag einer Partei oder eines Gemeinschaftsorgans auszulegen, wenn diese ein berechtigtes Interesse hieran glaubhaft machen. Die nationalen Gerichte gehören nicht zu den Antragsberechtigten.
Normenkette
EStG 1996 § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 50a Abs. 1, 4 S. 1 Nrn. 1-3, Sätze 3-4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2; EG Art. 234 Abs. 3; EuGHVfO 1999 Art. 102 § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, inwieweit bei einem beschränkt einkommensteuerpflichtigen EU-Ausländer, der mit Einkünften gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. September 1990 (BGBl I S. 1898, berichtigt BGBl I 1991 S. 808, BStBl I S. 453, berichtigt BStBl I 1991 S. 396 – im Folgenden: EStG 1990) im Veranlagungszeitraum 1996 dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2049, BStBl I S. 1523 – im Folgenden: EStG 1996) mit seinen Bruttoeinnahmen unterliegt, Ausgaben, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, im Rahmen des Abzugsverfahrens (§ 50a Abs. 1 EStG) zu berücksichtigen sind.
Entscheidungsgründe
II.
Der Beschwerdeführer, ein in den Niederlanden wohnhafter niederländischer Staatsangehöriger, ist Musiker. Er erzielte im Streitjahr 1996 in den Niederlanden sowie in Belgien Einkünfte in Höhe von (umgerechnet und nach deutschem Steuerrecht ermittelt) insgesamt 55.000 DM (netto). Daneben erhielt er für einen Solo-Auftritt im Inland ein Honorar von rund 6.000 DM. Er erklärte für diesen Auftritt Betriebsausgaben in Höhe von rund 970 DM.
Das Honorar von rund 6.000 DM wurde nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen und gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1990 im Wege des Steuerabzugs durch die Auftraggeberin einem Steuersatz von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag sowie Umsatzsteuer unterworfen. Der Beschwerdeführer reichte beim zuständigen Finanzamt gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1990 eine Einkommensteuererklärung ein, um hiernach als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden. Das Finanzamt lehnte dies ab.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Beschwerdeführer Klage vor dem Finanzgericht. Dieses legte dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 243 Abs. 1 EG die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 52 EGV (= Art. 43 EG) einer Regelung gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 EStG 1996 entgegenstehe, wonach ein niederländischer Staatsangehöriger, der in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtige Nettoeinkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Kalenderjahr in Höhe von rund 5.000 DM erzielt, einem Steuerabzug von 25% der (Brutto-) Einnahmen von rund 6.000 DM zuzüglich Solidaritätszuschlag durch den Schuldner der Honorarvergütung unterliege und keine Möglichkeit habe, die gezahlten Abgaben im Wege eines Erstattungsantrags oder eines Antrags auf Steuerveranlagung ganz oder teilweise zurückzuerlangen (FG Berlin, Beschluss vom 28. Mai 2001 – 9 K 9312/99 –, EFG 2001, 978).
Der Gerichtshof entschied, dass die Art. 59 EGV (Art. 49 EG) und Art. 60 EGV (Art. 50 EG) einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der in der Regel bei Gebietsfremden die Bruttoeinkünfte, ohne Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, während bei Gebietsansässigen die Nettoeinkünfte, nach Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, dass dagegen diese Regelungen des EG-Vertrags einer solchen nationalen Regelung nicht entgegenstehen, soweit nach ihr in der Regel die Einkünfte Gebietsfremder einer definitiven Besteuerung zu einem einheitlichen Steuersatz von 25% durch Steuerabzug unterliegen, während die Einkünfte Gebietsansässiger nach einem progressiven Steuertarif mit einem Grundfreibetrag besteuert werden, sofern der Steuersatz von 25% nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2003, Rs. C-234/01 – Gerritse/Finanzamt Neukölln-Nord – Slg. 2003, I-5933).
Daraufhin gab das Finanzgericht der Klage des Beschwerdeführers mit Urteil vom 25. August 2003 – 9 K 9312/99 – (EFG 2003, 1709) teilweise statt: Der Beschwerdeführer habe einen Anspruch auf Durchführung einer Antrags-Jahresveranlagung zur Einkommensteuer, gleichzeitig seien aber die im Ausland erwirtschafteten Einkünfte im Wege des sogenannten Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.
Auf die Revisionen des Beschwerdeführers und des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof mit dem hier angegriffenen Urteil vom 10. Januar 2007 – I R 87/03 – (BStBl II 2008, 22 = BFHE 216, 312) das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage des Beschwerdeführers ab: Es widerspreche den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn der Beschwerdeführer eine etwaige Mindersteuer, die sich aus einem Vergleich mit dem einheitlichen Steuersatz von 25% und dem Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde, nur im Wege eines Erstattungsverfahrens, nicht aber einer Antragsveranlagung beanspruchen könne.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG und seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG: Die angefochtene Entscheidung habe das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12. Juni 2003 sowie dessen weitere Rechtsprechung nicht berücksichtigt. Der Bundesfinanzhof hätte die maßgebliche Frage erneut gemäß Art. 234 Abs. 3 EG dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen müssen, zumindest jedoch einen Antrag auf Auslegung des in der vorliegenden Sache ergangenen Urteils gemäß Art. 102 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: VerfO EuGH) stellen müssen. Da dies unterblieben sei, sei das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
Darüber hinaus sei das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil der Beschwerdeführer durch die Versagung des Veranlagungsverfahrens über den damit verbundenen Ausschluss vom Betriebsausgabenabzug und die Versagung der modifizierten Nettobesteuerung nicht nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werde. Er werde sowohl gegenüber anderen beschränkt Steuerpflichtigen als auch gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen benachteiligt.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), noch ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. auch BVerfGE 107, 395 ≪414 f.≫). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫; 96, 245 ≪250≫), denn sie ist jedenfalls unbegründet.
1. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
a) Der Beschwerdeführer macht zum einen geltend, er werde gegenüber anderen beschränkt Steuerpflichtigen benachteiligt, weil er durch den Ausschluss vom Veranlagungsverfahren im Vergleich zu diesen nicht nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werde. Eine Benachteiligung des Beschwerdeführers kann sich insoweit ergeben, weil sich die Einkommensteuer bei Angehörigen der Vergleichsgruppe unter Abzug von Ausgabenpositionen sowie unter Berücksichtigung des progressiven Steuertarifs gemäß § 32a Abs. 1 EStG 1990 und damit unter Gewährung des Grundfreibetrags gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1990 bestimmt. Eine Mindestbesteuerung scheidet dort aus (vgl. für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG 1990). Die unterschiedliche Besteuerung ist jedoch sachlich gerechtfertigt.
Wie der Bundesfinanzhof zutreffend ausgeführt hat (BFH, Urteil vom 19. November 2003 – I R 57, 58/02 –, BFH/NV 2004, 766), verfügen im Inland beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer regelmäßig allein über Lohneinkünfte im Tätigkeitsstaat, so dass die Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse im Wohnsitzstaat mangels ausreichender steuerpflichtiger Einkünfte dort oftmals scheitert. Gerade in Anbetracht der sozialen Zielsetzung des Grundfreibetrags ist es deshalb gerechtfertigt, ihnen den Grundfreibetrag im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens einzuräumen, in dem auch die mit der Tätigkeit zusammenhängenden Werbungskosten (§ 9 EStG) berücksichtigt werden können. Bei Beziehern anderer Einkunftsarten, auch bei selbständig Tätigen wie dem Beschwerdeführer, besteht ein vergleichbares soziales Erfordernis jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht. Solche Personen üben ihre Tätigkeiten im Inland zumeist neben einer Haupttätigkeit im Ansässigkeitsstaat aus und erzielen dort einen Großteil, wenn nicht den Hauptteil ihrer Einkünfte. Dies belegt die Situation des Beschwerdeführers, der nur einen Tag lang für einen Auftritt im Inland tätig geworden ist, seine wesentlichen Einkünfte aber in seinem Heimatstaat Niederlande und in Belgien erzielt.
b) Zum anderen beruft sich der Beschwerdeführer auf eine Benachteiligung im Verhältnis zu den unbeschränkt Steuerpflichtigen. Dabei verkennt er allerdings, dass er sich gegenüber einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in einer grundlegend anderen Situation befindet. Während beim unbeschränkt Steuerpflichtigen das gesamte von ihm erzielte Einkommen der Einkommensteuer unterliegt, wird beim beschränkt Steuerpflichtigen nur dessen inländisches Einkommen besteuert. Der beschränkt Steuerpflichtige wird im Inland nicht im Rahmen seiner vollen (vom Gesamteinkommen abhängenden) Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuer herangezogen (vgl. BVerfGE 43, 1 ≪9≫).
Der Beschwerdeführer kann daher nicht den für unbeschränkt Steuerpflichtige zu berücksichtigenden Freibetrag beanspruchen. Denn mit dem Grundfreibetrag soll das unabweisbare Lebenshaltungsbedürfnis des Einzelnen berücksichtigt werden (BVerfGE 43, 1 ≪10≫). Dies ist jedoch nicht Aufgabe des Tätigkeitsstaats, sondern des Wohnsitzstaats, in dem der Steuerpflichtige seine wesentlichen Einkünfte erzielt. Anders verhält es sich nur, wenn der beschränkt Steuerpflichtige den überwiegenden Teil seiner Einkünfte, auf die sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gründet, im Tätigkeitsstaat erzielt, da er sich dann in einer den unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Lage befindet. Dem trägt § 1 Abs. 3 EStG Rechnung, dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt sind.
Die Umstände des vorliegenden Falls stellen die Vereinbarkeit der generellen gesetzlichen Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Frage. Aus den Akten ergibt sich, dass in den Niederlanden, dem Wohnsitzstaat des Beschwerdeführers, bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von der Höhe des Einkommens ein Einkommensteuerfreibetrag gewährt wird. Würde der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG bei der Besteuerung des Beschwerdeführers im Inland gewährt, käme es zu einer Privilegierung, weil das durch den Grundfreibetrag zu verschonende Existenzminimum zweimal berücksichtigt würde.
2. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor.
Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Zu einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch die Nichtbeachtung von Vorlagepflichten führen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aus Art. 234 Abs. 3 EG verletzt Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unter anderem dann, wenn die Bestimmung des Art. 234 Abs. 3 EG in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt worden ist (BVerfGE 82, 159 ≪195≫). Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (vgl. zum Beispiel BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Januar 2008 – 2 BvR 1812/06 –, HFR 2008, 629). Ein solcher Fall kann hier nicht festgestellt werden.
a) Hinsichtlich der Versagung des Grundfreibetrags (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) hat der Gerichtshof in der vorliegenden Sache ausgeführt, es sei legitim, den Grundfreibetrag Personen, die ihr zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen im Besteuerungsstaat erzielt hätten, also in der Regel Inländern, vorzubehalten, denn sie diene einer sozialen Zielsetzung, da sie die Möglichkeit biete, den Steuerpflichtigen ein von jeder Einkommensbesteuerung freies Existenzminimum zu sichern (Urteil vom 12. Juni 2003, a.a.O., Rn. 48). Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass der Bundesfinanzhof zu einer Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG verpflichtet gewesen sein könnte.
b) Hinsichtlich des im Streitjahr 1996 maßgeblichen festen Steuersatzes von 25% gilt nichts anderes. Der Gerichtshof hat in der vorliegenden Sache entschieden, dass Art. 49 EG und Art. 50 EG einer solchen nationalen Regelung nicht entgegenstehen, soweit nach ihr in der Regel die Einkünfte Gebietsfremder einer definitiven Besteuerung zu einem einheitlichen Steuersatz von 25% durch Steuerabzug unterliegen, während die Einkünfte Gebietsansässiger nach einem progressiven Steuertarif mit einem Grundfreibetrag besteuert werden, sofern der Steuersatz von 25 % nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde. Für den Beschwerdeführer hätte sich, wie das beklagte Finanzamt ermittelt hat, bei einer Veranlagung und bei Anwendung des progressiven Einkommensteuersatzes gemäß § 32a EStG ein Steuersatz von 26,5% ergeben.
c) Schließlich durfte der Bundesfinanzhof von Verfassungs wegen von der Einholung einer Vorabentscheidung absehen, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, seine Betriebsausgaben seien nicht berücksichtigt worden. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesfinanzhof davon ausgegangen ist, der Europäische Gerichtshof habe die gemeinschaftsrechtlichen Fragen zur Berücksichtigung von Betriebsausgaben im wirtschaftlichen Zusammenhang mit beschränkt steuerpflichtigen Einkünften geklärt.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat der Gerichtshof in der vorliegenden Sache nicht gefordert, dass Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), die wirtschaftlich mit den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften zusammenhängen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG), in einem Veranlagungsverfahren zu berücksichtigen sind. Hierzu hat der Gerichtshof nur entschieden, dass bei Gebietsfremden ebenso wie bei Gebietsansässigen ein Betriebsausgabenabzug möglich sein muss, und offen gelassen, auf welche Weise dies zu erfolgen hat. Der Bundesfinanzhof hat in dem angefochtenen Urteil darauf verwiesen sowie auf das Urteil des Gerichtshofs vom 3. Oktober 2006, Rs. C-290/04 – F. GmbH/Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel – Slg. 2006, I-09461.
Im Urteil vom 3. Oktober 2006 hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 49 EG und Art. 50 EG zwar nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte, das heißt die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Einkünfte, der Steuer unterliegen. Insoweit ist es nach Auffassung des Gerichtshofs ohne Bedeutung, dass es ein Verfahren gibt, in dem Betriebsausgaben eines gebietsfremden Dienstleisters nachträglich berücksichtigt werden können. Da ein solches Verfahren zusätzliche administrative und wirtschaftliche Belastungen verursacht und für den Dienstleister zwingend vorgeschrieben ist, besteht eine nach den Art. 49 EG und Art. 50 EG grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (a.a.O. Rn. 47 f.). Dagegen stehen Art. 49 EG und Art. 50 EG einer nationalen Regelung nicht entgegen, die vorsieht, dass im Steuerabzugsverfahren nur diejenigen Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten stehen, aus denen die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, die im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung ausgeführt worden sind und die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, und dass etwaige weitere Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können.
Die eingeschränkte Möglichkeit zum Betriebsausgabenabzug im Streitjahr ist mit Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar (EuGH, Urteil vom 15. Februar 2007, Rs. C-345/04 – C. Lda/Bundesamt für Finanzen – Slg. 2007, I-01425), jedoch hat der Bundesfinanzhof in dem angefochtenen Urteil die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG, insbesondere das Erfordernis höherer Aufwendungen als die Hälfte der Einnahmen, in gemeinschaftsrechtlich konformer und normerhaltender Weise reduziert. Danach bestand auch insoweit kein Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.
3. Bereits aus den vorstehenden Gründen war der Bundesfinanzhof nicht gehalten, einen Antrag auf Auslegung des in der vorliegenden Sache ergangenen Urteils des Gerichtshofs nach Art. 102 § 1 VerfO EuGH ins Auge zu fassen. Abgesehen davon kommt ein solcher Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Art. 102 § 1 VerfO EuGH setzt Art. 43 der Satzung des Gerichtshofs um, wonach in den Fällen, in denen Zweifel über Sinn und Tragweite eines Urteils bestehen, der Gerichtshof zuständig ist, dieses Urteil auf Antrag einer Partei oder eines Gemeinschaftsorgans auszulegen, wenn diese ein berechtigtes Interesse hieran glaubhaft machen. Die nationalen Gerichte gehören nicht zu den Antragsberechtigten (vgl. Wägenbaur, EuGH VerfO, Satzung und Verfahrensordnungen EuGH/EuG, 2008, Art. 43 Satzung EuGH, Rn. 1, und Art. 102 VerfO EuGH, Rn. 1).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Osterloh, Mellinghoff, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 2313997 |
BFH/NV 2010, 1069 |
DStR 2010, 7 |
HFR 2010, 640 |
NJW 2010, 2419 |
IStR 2010, 327 |