Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldkürzung für Besserverdienende in den Kj. 1986, 1987. Erschöpfung des Rechtswegs durch eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Erschöpfung des Rechtswegs durch eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, wenn zu der streitigen Grundsatzfrage bereits eine Entscheidung des Revisionsgerichts vorliegt.
2. Die Kürzung des Kindergeldes für Besserverdienende nach § 10 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes war in den Jahren 1986 und 1987 (jedenfalls) für Kindergeldberechtigte mit drei und mehr Kindern noch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 101 Abs. 1 S. 2; BKGG § 10 Abs. 2, § 44e; EStG § 32 Abs. 6, § 54; SGG § 160a Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
BSG (Urteil vom 06.06.1988; Aktenzeichen 10 BKG 7/88) |
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Kürzung des Kindergeldes für Besserverdienende nach § 10 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in den Jahren 1983 bis 1987.
I.
1. Für die Zeit ab 1975 wurde durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I S. 1769) das frühere Nebeneinanderbestehen von Kindergeld und steuerlichen Kinderfreibeträgen durch einen einheitlichen Familienlastenausgleich in Form eines vom Elterneinkommen unabhängigen, nach der Zahl der Kinder gestaffelten Kindergeldes ersetzt. Die Kinderfreibeträge im Einkommensteuerrecht wurden – neben weiteren kindesbedingten Steuerermäßigungen – abgeschafft. Nach mehrfachen Änderungen betrugen die Kindergeldsätze im Jahre 1982 monatlich 50 DM für das erste, 100 DM für das zweite, 220 DM für das dritte und 240 DM für jedes weitere Kind (§ 10 BKGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Januar 1982 [BGBl I S. 13]).
Durch das Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) vom 20. Dezember 1982 (BGBl I S. 1857) wurde von 1983 an wieder ein Kinderfreibetrag im Einkommensteuerrecht eingeführt, der allerdings nur 432 DM für jedes zu berücksichtigende Kind betrug. Gleichzeitig wurde im Bundeskindergeldgesetz (§ 10 Abs. 2 BKGG) bestimmt, daß das Kindergeld vom zweiten Kind an, abhängig vom Jahreseinkommen der Berechtigten, stufenweise bis auf Sockelbeträge von 70 DM für das zweite und 140 DM für das dritte und jedes weitere Kind gekürzt wird (vgl. zur Rechtsentwicklung im einzelnen BVerfGE 43, 108 [109 f.] ); 82, 60 [61 f.] ).
Die für die Kindergeldbemessung maßgebende Vorschrift des § 10 BKGG hatte für die Jahre 1983 bis 1985 – die ersten drei der von der Verfassungsbeschwerde betroffenen Jahre – folgenden Wortlaut:
„§ 10 Höhe des Kindergeldes
(1) Das Kindergeld beträgt für das 1. Kind 50 Deutsche Mark, für das 2. Kind 100 Deutsche Mark, für das 3. Kind 220 Deutsche Mark und für das 4. und jedes weitere Kind je 240 Deutsche Mark monatlich.
(2) Das Kindergeld für das 2. und jedes weitere Kind wird nach dem in Satz 4 genannten Maßstab stufenweise bis auf einen Sockelbetrag von
70 Deutsche Mark für das 2. Kind,
140 Deutsche Mark für jedes weitere Kind
gemindert, wenn das Jahreseinkommen des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrenntlebenden Ehegatten den für ihn maßgeblichen Freibetrag um wenigstens 480 Deutsche Mark übersteigt. Für die Minderung des nach § 8 Abs. 2 bemessenen Kindergeldes verringert sich der Sockelbetrag des Satzes 1 um den Betrag der bei der Bemessung nach § 8 Abs. 2 berücksichtigten anderen Leistung. Der Freibetrag setzt sich zusammen aus
25.920 Deutsche Mark für Berechtigte, die verheiratet sind und von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben,
18.120 Deutsche Mark für sonstige Berechtigte
sowie 7.800 Deutsche Mark für jedes Kind, für das dem Berechtigten Kindergeld zusteht oder ohne Anwendung des § 8 Abs. 1 zustehen würde. Für je 480 Deutsche Mark, um die das Jahreseinkommen den Freibetrag übersteigt, wird das Kindergeld um 20 Deutsche Mark monatlich gemindert; kommt die Minderung des für mehrere Kinder zu zahlenden Kindergeldes in Betracht, wird sie beim Gesamtkindergeld vorgenommen.”
2. Vom Veranlagungszeitraum 1986 an wurde im Einkommensteuerrecht der Kinderfreibetrag auf 2.484 DM erhöht (§ 32 Abs. 6 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 vom 26. Juni 1985 [BGBl I S. 1153]).
Im Kindergeldrecht wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1986 die in § 10 Abs. 2 Satz 3 BKGG genannten Freibeträge durch das Elfte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 27. Juni 1985 (BGBl I S. 1251) erhöht. Gleichzeitig wurde von 1986 an für Berechtigte, bei denen sich wegen geringen Einkommens die inzwischen wieder eingeführten und aufgestockten Kinderfreibeträge nicht oder nicht voll auswirken konnten, zum Ausgleich ein Zuschlag zum Kindergeld eingeführt, der am Mindeststeuersatz ausgerichtet war und (gerundet) bis zu monatlich 46 DM je Kind betrug (§ 11 a BKGG in der Fassung des Elften Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes).
Diese Rechtslage bestand sodann über den von der fassungsbeschwerde betroffenen Zeitraum hinaus verändert bis zum Ablauf des Jahres 1989.
II.
Während des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60) entschieden, daß § 10 Abs. 2 BKGG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 bis zum 31. Dezember 1985 mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar war. Ferner hat es mit Beschluß vom 12. Juni 1990 (BVerfGE 82, 198) § 32 Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes in der (für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 geltenden) Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG erklärt.
Infolge dieser Entscheidungen wurden mit dem Gesetz zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1991 – StÄndG 1991) vom 24. Juni 1991 (BGBl I S. 1322) sowohl im Einkommensteuerrecht (§ 54 EStG) als auch im Kindergeldrecht (§ 44 e BKGG) Sondervorschriften bezüglich des Familienlastenausgleichs in den Jahren 1983 bis 1985 geschaffen.
Nach Satz 1 des neu eingefügten § 44 e BKGG entfällt die Minderung des Kindergeldes für das zweite Kind nach § 10 Abs. 2 BKGG für die Jahre 1983 bis 1985 in den Fällen, in denen über die Minderung noch nicht bindend entschieden worden ist. Nach Satz 2 der Vorschrift konnte insoweit bei nach dem 28. Mai 1990 bindend gewordenen Minderungsentscheidungen die Nachzahlung des Kürzungsbetrags innerhalb einer bestimmten Frist beantragt werden.
Mit dem Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 – StÄndG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I S. 297) wurde dem bisherigen Text des § 44 e BKGG als Absatz 2 eine Regelung angefügt, die die Minderung des Kindergeldes für die Jahre 1983 bis 1985 bei Berechtigten, denen Kindergeld für drei bis fünf Kinder zustand, in den Fällen, in denen über die Minderung noch nicht bindend entschieden worden ist, zusätzlich einschränkt.
III.
1. Der Beschwerdeführer, ein im Bundesministerium der Justiz tätiger Beamter, ist verheiratet und hat aus der Ehe drei Kinder. Er bezog während des hier im Streit befindlichen Zeitraums vom 1. Januar 1983 bis 31. August 1987 Kindergeld zunächst für seine 1961 geborene Tochter, die in dieser Zeit studierte, und für seinen 1967 geborenen Sohn, der damals das Gymnasium besuchte. Ab Oktober 1983 erhielt er zusätzlich (wieder) Kindergeld für seinen im Jahre 1963 geborenen Sohn, der nach Ableistung des Wehrdienstes zum Wintersemester 1983/84 ein Studium begonnen hatte.
Aufgrund der angegriffenen Bescheide des Bundesministers der Justiz wurde dem Beschwerdeführer das (zunächst für zwei Kinder gewährte) Kindergeld aufgrund des festgestellten Einkommens mit Wirkung vom 1. Januar 1983 gemäß § 10 Abs. 2 BKGG auf 120 DM gemindert und das ab Oktober 1983 für drei Kinder gewährte Kindergeld ebenfalls nur in Höhe des Mindestbetrages von 260 DM gezahlt.
2. Mit seiner gegen die Kürzungsbescheide erhobenen Klage beantragte der Beschwerdeführer zuletzt, ihm ungekürztes Kindergeld für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. August 1987 zu zahlen. Er räumte ausdrücklich ein, daß die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 2 BKGG für den Fall ihrer Gültigkeit zutreffend angewandt worden sei, machte aber geltend, daß diese Regelung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, unvereinbar sei. Das Kindergeld müsse in Zusammenhang mit der einkommensteuerlichen Belastung gesehen werden, solange die familienbezogenen Steuererleichterungen für sich allein nicht ausreichten, um die Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Ein Steuerpflichtiger mit Kindern, insbesondere solchen in der Ausbildung, sei erheblich weniger leistungsfähig als ein Steuerpflichtiger mit gleichem Einkommen ohne Kinder. In beiden Fällen seien aber im Prinzip Steuern in gleicher Höhe zu zahlen. Von Verfassungs wegen sei danach längst ein Ausgleich dieser Benachteiligung von Steuerpflichtigen mit Kindern – sei es im Einkommensteuer- oder im Kindergeldrecht – geboten. Die Kürzung des Kindergeldes durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 verschlimmere dagegen die Benachteiligung.
a) Das Sozialgericht wies die Klage ab. Die angefochtenen Bescheide entsprächen der Sach- und Rechtslage. § 10 BKGG sei auch nicht verfassungswidrig.
b) Das Landessozialgericht wies die – zugelassene – Berufung zurück.
In Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 22. Januar 1986 – 10 RKg 20/84) sei davon auszugehen, daß § 10 Abs. 2 BKGG in der seit dem 1. Januar 1983 geltenden Fassung nicht verfassungswidrig sei. Die einkommensabhängig gestaffelte Minderung des Kindergeldes vom zweiten Kind an verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Wenn der Kläger rüge, Steuerpflichtige mit Kindern stünden sich wirtschaftlich schlechter als solche ohne Kinder, so verkenne er, daß Personen ohne Kinder nicht Normadressaten des Bundeskindergeldgesetzes seien und somit durch § 10 Abs. 2 BKGG auch nicht gleich behandelt werden könnten. Auch die Einkommensabhängigkeit des Kindergeldes vom zweiten Kind an sei als solche mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG ebenso wie mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar; denn weder werde durch die Kürzung des Kindergeldes das Existenzminimum gefährdet noch seien gleiche Sachverhalte mit § 10 Abs. 2 BKGG willkürlich ungleich geregelt worden. Es liege in der Natur der Sache, daß Kinderlose von den Kürzungen nicht betroffen würden. Der vom Kläger herangezogene Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebiete zwar, daß Bürger mit höherem Einkommen prozentual mehr belastet würden. In welchem Umfang das zu geschehen habe und welche Sachverhalte maßgebend seien, liege jedoch im politischen Ermessen des Gesetzgebers. Das gelte erst recht für die Höhe der Leistungen der gewährenden Staatstätigkeit, zu denen das Kindergeld gehöre.
Auch Art. 6 Abs. 1 GG sei weder allein noch im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichte den Staat nicht, die durch Kinder entstehenden Unterhaltsaufwendungen voll auszugleichen, sondern gebiete allenfalls einen staatlichen Beitrag zur Entlastung von Familien mit Kindern, wobei Art und Höhe der Entlastung dem Gesetzgeber freigestellt seien.
Die Revision sei nicht zuzulassen, da angesichts der durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärten Rechtslage die hierfür in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
c) Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundessozialgericht – in entsprechender Anwendung des § 169 SGG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter – als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer, der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend mache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), habe die Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Rechtsfragen nicht ausreichend dargetan. Dazu sei nämlich auch die Darlegung erforderlich, warum die Fragen trotz vorliegender Entscheidungen klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden seien.
Diese Anforderungen erfülle die Beschwerdebegründung nicht. Das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 22. Januar 1986 – 10 RKg 20/84 – festgestellt, daß die Vorschrift des § 10 Abs. 2 BKGG mit Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 sowie Art. 33 Abs. 5 GG – und darüber hinaus auch mit Art. 14 GG – vereinbar sei. Dabei habe es auch die Zusammenhänge zwischen der Höhe des Kindergeldes und den geltenden Besteuerungsgrundsätzen, auch soweit sie kinderlose Ehepaare beträfen, geprüft. Die Beschwerdebegründung lasse keine neuen Gesichtspunkte erkennen, die die Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Rechtsfragen begründen könnten.
IV.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer ausdrücklich gegen die Kindergeldbescheide, das Urteil des Landessozialgerichts und den Beschluß des Bundessozialgerichts sowie mittelbar gegen § 10 Abs. 2 BKGG. Er rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG sowie hinsichtlich des Beschlusses des Bundessozialgerichts eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Zur Begründung führt er im wesentlichen aus:
1. Die Verfassungsbeschwerde sei fristgerecht erhoben. Die Monatsfrist des § 93 BVerfGG beginne erst mit der Zustellung des Beschlusses des Bundessozialgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde zu laufen. Bedenken könnten nur bestehen, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig gewesen wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Das Bundessozialgericht habe die Nichtzulassungsbeschwerde zwar als unzulässig verworfen, aber nicht als offensichtlich unzulässig.
2. a) Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 BKGG, auf der die angegriffenen Bescheide und Entscheidungen beruhten, verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen Grundrechte.
Sie verletze Art. 3 Abs. 1 GG, denn die Kindergeldsätze seien, vor allem nach der Kürzung, so niedrig, daß Verheiratete mit unterhaltsberechtigten Kindern willkürlich gegenüber Verheirateten ohne unterhaltsberechtigte Kinder benachteiligt würden. Werde insoweit eine Ehe mit Kindern gegenüber einer Ehe ohne Kinder benachteiligt, so sei neben dem Gleichheitssatz auch die Verpflichtung des Staates zum Schutz der Familie und damit Art. 6 Abs. 1 GG verletzt.
Der Staat sei zwar nicht verpflichtet, die finanziellen Lasten, die Eltern auf sich nähmen, auszugleichen. In der Bundesrepublik herrsche aber ein Einkommensteuersystem, das auf Ergänzung durch das Kindergeldrecht angelegt sei, wie umgekehrt das Kindergeldrecht jedenfalls bei Beziehern mittlerer und höherer Einkommen sinnlos wäre, wenn das Einkommensteuerrecht die besondere Belastung von Eltern genügend berücksichtigte. Das Einkommensteuergesetz habe in dem hier fraglichen Zeitraum die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Verheirateten mit unterhaltsberechtigten Kindern im Grundsatz gleich bewertet mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Verheirateten ohne unterhaltsberechtigte Kinder. Kinderfreibetrag und Ausbildungsfreibetrag seien in viel zu geringem Maße gewährt worden, um auch nur annähernd diese Diskrepanz auszugleichen. Diese durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung von Eltern im Steuerrecht hätte durch das Kindergeld ausgeglichen werden müssen. Dies sei schon bei den vor 1983 geltenden Sätzen nicht geschehen, sei aber für die Bezieher mittlerer und höherer Einkommen noch verschärft worden durch die Kürzung des Kindergeldes seit Januar 1983. Im Falle des Beschwerdeführers sei die Benachteiligung – wie bei allen Eltern mit studierenden Kindern – besonders gravierend gewesen.
Die Sozialgerichte hätten sich ferner der Prüfung des Art. 33 Abs. 5 GG nicht entziehen dürfen. Bei der Frage, ob die Kindergeldregelung verfassungsmäßig sei, müsse, wenn der Kindergeldberechtigte ein Beamter sei, auch der Zusammenhang mit dem Besoldungsrecht beachtet werden. Für das Verhältnis zwischen Besoldungs- und Kindergeldrecht gelte dasselbe wie für das Verhältnis zwischen Einkommensteuer- und Kindergeldrecht. Das eine sei jeweils bestimmt, etwaige Defizite des anderen auszugleichen. Die angegriffene Regelung verstoße daher auch gegen Art. 33 Abs. 5 GG (Anspruch auf angemessene Alimentation).
b) Das Bundessozialgericht habe gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Über eine Nichtzulassungsbeschwerde sei nach § 160 a Abs. 4 Satz 2 SGG in einer Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden. Das Bundessozialgericht habe hier aber ohne ehrenamtliche Richter entschieden. Es habe sich dazu vermutlich veranlaßt gesehen, weil die Beschwerde als unzulässig angesehen worden sei. Sie sei aber nicht unzulässig gewesen. Insbesondere habe der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Sache substantiiert dargelegt und sich dabei auch im einzelnen mit den einschlägigen Rechtsfragen befaßt. Wenn das Bundessozialgericht unter Bezugnahme auf eine seiner Entscheidungen meine, daß diese Rechtsfragen schon genügend geklärt seien, so hätte es die Beschwerde nur als unbegründet betrachten dürfen und schon deshalb unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.
V.
Auf Bitte des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundesminister für Familie und Senioren Angaben zum durchschnittlichen Sozialhilfebedarf für Kinder in der Zeit bis 1987 gemacht. Der Präsident des Bundesfinanzhofs hat eine Stellungnahme von dessen III. Senat vorgelegt.
1. Der Bundesminister hat in der erteilten Auskunft über den durchschnittlichen Sozialhilfebedarf für Kinder dargelegt:
Der Ermittlung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs seien nach dem bei der Sozialhilfe verwendeten Maßstab die Regelsätze, die einmaligen Beihilfen, die Kosten für die Unterkunft und die Heizkosten zugrunde zu legen. Der dabei in die Berechnung eingestellte Regelsatz entspreche dem gewichteten Bundesdurchschnitt der jeweiligen Regelsätze der einzelnen (alten) Bundesländer. Aus den nach Alter gestaffelten Regelsätzen für Kinder sei dazu ein Durchschnittsregelsatz aus den Regelsätzen für die Altersgruppen von unter einem Jahr bis unter 18 Jahren gebildet worden. Nach dieser Berechnungsart seien auch die dem Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60 )) zugrundeliegenden Werte aus dem „Bericht der Besoldungskommission Bund/Länder über besoldungsrechtliche Folgerungen aus der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen einkommensabhängigen Kürzung des Kindergeldes vom 30. Januar 1984” ermittelt worden.
Die einmaligen Beihilfen seien entsprechend der Sozialhilfestatistik bis 1985 mit 15 vom Hundert, ab 1986 mit 20 vom Hundert der Regelsätze eingearbeitet.
Den Kosten für die Unterkunft lägen die nach den Sonderauswertungen der Wohngeldstichprobe des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau berechneten Durchschnittsmieten für Sozialhilfeempfänger zugrunde. Die Aufteilung der Miete erfolge nach dem Sozialhilferecht in aller Regel nach gleichen Kopfteilen (BVerwGE 79, 17).
Die in den Gesamtbedarf einzustellenden Heizkosten seien in Abstimmung mit dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in Höhe von 25 vom Hundert der Kaltmiete in Ansatz gebracht worden.
Der durchschnittliche monatliche Bedarf je Kind sei danach wie folgt ermittelt worden:
Jahr |
Regelsatz |
einmalige Leistung |
anteilige Miete |
anteilige Heizung |
Gesamt |
1982 |
215 |
32 |
109 |
27 |
383 |
1983 |
219 |
33 |
115 |
29 |
396 |
1984 |
227 |
34 |
119 |
30 |
410 |
1985 |
245 |
37 |
123 |
31 |
436 |
1986 |
250 |
50 |
126 |
31 |
457 |
1987 |
256 |
51 |
129 |
32 |
468 |
Daraus ergäben sich folgende Jahresgesamtbeträge:
1982: 4.596 DM |
1985: 5.232 DM |
1983: 4.752 DM |
1986: 5.484 DM |
1984: 4.920 DM |
1987: 5.616 DM |
Die Unterschiede der so ermittelten Werte des Gesamtbedarfs (etwa für 1982: 4.596 DM) zu den vom Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 29. Mai 1990 zugrunde gelegten Beträgen (3.816 DM für den gleichen Zeitraum) ergäben sich aus der unterschiedlichen Ermittlung der anteiligen Miete und des Anteils für Heizung. In dem genannten Beschluß sei von den durchschnittlichen Wohngeldmieten pro Quadratmeter und einer bestimmten Wohnfläche je Kind ausgegangen worden. Derartige Berechnungen seien bei der Sozialhilfe aber nicht üblich.
2. Der III. Senat des Bundesfinanzhofs ist der Auffassung, daß die Entlastung für Familien mit zwei und mehr Kindern in den Jahren 1986 und 1987 den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG genügt habe, dagegen die Entlastungen für Familien mit einem Kind das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum nicht erreicht hätten.
Für die Berechnung des Existenzminimums sei mangels anderer Vergleichsmaßstäbe von den durchschnittlichen Leistungen der Sozialhilfe auszugehen. Für den Zeitraum vom 1. Juli 1986 bis 30. Juni 1987 sei ein durchschnittlicher Regelsatz von 280 DM monatlich für haushaltsangehörige Kinder anzusetzen, was zusammen mit einem Aufschlag von 30 vom Hundert für Zusatzleistungen einen Jahresbetrag von 4.368 DM ergebe. Die Entlastungen der Familien mit einem Kind unter Einschluß eines fiktiven Kinderfreibetrags entsprächen danach nur bei einer Steuerbelastung von 30 vom Hundert in etwa den Sozialhilfeleistungen. Bei höheren Marginal-Steuersätzen blieben die Entlastungen für Familien mit einem Kind so weit hinter den Sozialhilfeleistungen zurück, daß von einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz auszugehen sei.
Soweit die Entlastungen für Familien mit zwei oder mehr Kindern die Sozialhilfeleistungen nicht überstiegen, sei der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv. Insoweit erweise sich das mit dem Steuersenkungsgesetz 1986/1988 wieder eingeführte duale System des Kinderlastenausgleichs für Familien mit zwei und mehr Kindern als sachgerechte Regelung.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. a) Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist neben den ausdrücklich bezeichneten Entscheidungen auch das Urteil des Sozialgerichts. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers läßt sich im Zusammenhang entnehmen, daß er auch dieses Urteil als verfassungswidrig ansieht und es nicht etwa hinnehmen will.
b) Da der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 2 BKGG geltend macht und sich gegen die Kürzung des Kindergeldes in der Zeit vom 31. Januar 1983 bis 31. August 1987 wehrt, sind die in dieser Zeit geltenden Fassungen des § 10 Abs. 2 BKGG mittelbar Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.
2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die Kindergeldbescheide und die Entscheidungen der Instanzgerichte steht nicht entgegen, daß das Bundessozialgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde war nicht offensichtlich unzulässig. Dem Beschwerdeführer sind auch keine prozessualen Versäumnisse vorzuwerfen, die im Hinblick auf § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu einem Zulässigkeitshindernis führen könnten.
a) Ein offensichtlich unzulässiges Rechtsmittel beeinflußt den Lauf (und Ablauf) der Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde gegen die mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung nicht (vgl. BVerfGE 5, 17 [19 f.]; st. Rspr.). Andererseits muß der Beschwerdeführer vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf § 90 Abs. 2 BVerfGG von einem Rechtsmittel grundsätzlich auch dann Gebrauch machen, wenn zweifelhaft ist, ob es statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann; Entsprechendes gilt für sonstige Rechtsbehelfe wie etwa die Beschwerde gegen die Nichtzulässigkeit der Revision (vgl. BVerfGE 16, 1 [2 f.]).
Im vorliegenden Fall war die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 a SGG statthaft. Die Möglichkeit, sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zu stützen, schied im konkreten Fall auch nicht offensichtlich aus. Die Frage, ob eine der Entscheidung zugrundeliegende Gesetzesnorm verfassungswidrig ist, hat regelmäßig grundsätzliche Bedeutung. Die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 2 BKGG war auch trotz der vorliegenden Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht völlig unproblematisch. Auch wenn in der Entscheidung eines obersten Fachgerichts bereits alle wesentlichen Aspekte einer Rechtsfrage gewürdigt worden sind, muß es einem Beschwerdeführer – schon im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde – unbenommen bleiben, in seinem Verfahren eine Überprüfung dieser Würdigung zu begehren, wenn er dafür vernünftige und gewichtige Gründe anführen kann. Das gilt besonders, wenn es sich um eine verfassungsrechtliche Frage handelt, die umstritten geblieben ist und über die auch das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend entschieden hat.
Ein solcher Fall lag hier vor. Die einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen waren dem Bundesverfassungsgericht von mehreren Instanzgerichten, die § 10 Abs. 2 BKGG für verfassungswidrig hielten, zur Entscheidung vorgelegt worden. Diese Vorlagen waren auch nach dem Urteil des Bundessozialgerichts aufrechterhalten worden (so auch die Vortage des Sozialgerichts Trier, 1 BvL 20/84, über die später durch den Beschluß vom 29. Mai 1990 – BVerfGE 82, 60 ) – entschieden worden ist). Im übrigen war auch das genannte Urteil des Bundessozialgerichts mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht angegriffen worden, über die im Zeitpunkt der Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht entschieden war (vgl. BVerfGE 84, 1 [3]).
Die Erwägungen, auf die der Beschwerdeführer seine Nichtzulassungsbeschwerde stützte, waren hinreichend gewichtig, um aus der Sicht einer verständigen Prozeßpartei – auf die es insoweit ankommt – die Möglichkeit zu eröffnen, daß das Bundessozialgericht seine bisher vertretene Auffassung überprüfte. Danach kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als offensichtlich unzulässig angesehen werden. Der Beschwerdeführer war daher nicht von der Obliegenheit entbunden, auf diesem Wege Abhilfe gegenüber seiner Beschwer zu suchen.
b) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht angelastet werden, er habe bei der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde prozessuale Erfordernisse außer acht gelassen und dadurch den Rechtsweg nicht in gehöriger Weise erschöpft. Das Bundessozialgericht ist ausdrücklich davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde konkrete Rechtsfragen bezeichnet hat, die sich auf die Entscheidung in zahlreichen Fällen auswirken konnten. Es hat der Beschwerdebegründung auch die Rüge entnommen, das Landessozialgericht – das der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefolgt war – habe „die Zusammenhänge zwischen der Höhe des Kindergeldes und den geltenden Besteuerungsgrundsätzen, auch soweit sie kinderlose Ehepaare betreffen”, nicht hinreichend geprüft. Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde hat es lediglich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, warum die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen trotz der vorliegenden Entscheidung des Bundessozialgerichts klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden seien. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Erwägungen waren jedoch, wie dargelegt, jedenfalls so gewichtig, daß es ihm nicht von vornherein verwehrt war, seinen Rechtsstandpunkt mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu verfolgen. Andererseits ist auch nicht ersichtlich, daß eine verständige und gewissenhafte Prozeßpartei in der Lage des Beschwerdeführers für dessen Rechtsstandpunkt noch wesentliche zusätzliche Argumente hätte finden können.
3. Die Nachbesserungsregelungen hinsichtlich der Kindergeldkürzung für die Jahre 1983 bis 1985, die der Gesetzgeber in § 44 e BKGG während des Verfassungsbeschwerdeverfahrens geschaffen hat, haben nicht zur Folge, daß die Verfassungsbeschwerde im Umfang der Nachbesserung unzulässig geworden ist. Nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift war damit zu rechnen, daß die Kindergeldbehörde die Nachzahlung der Kürzungsbeträge im vorliegenden Fall von einer stattgebenden Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde abhängig machen würde. Dem Beschwerdeführer war es daher nicht zuzumuten, das anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren im Umfang der Nachbesserungsregelung nicht mehr weiterzubetreiben.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch nur teilweise begründet.
I.
Die angegriffenen Kindergeldbescheide und die Urteile des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts, mit denen die Bescheide bestätigt worden sind, beruhen, soweit sie die Kindergeldkürzung in den Jahren 1983 bis 1985 betreffen, auf der Anwendung von § 10 Abs. 2 BKGG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983. Diese Vorschrift war, wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60) entschieden hat, in der Zeit bis zum 31. Dezember 1985 mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. Die genannten Bescheide und Urteile verletzen danach den Beschwerdeführer in diesen Grundrechten, soweit sie die Kindergeldkürzung in den Jahren 1983 bis 1985 betreffen.
Der Beschluß vom 29. Mai 1990 beruht auf der Erwägung, daß – sofern die Besteuerung für Kinderlose und Steuerpflichtige mit Kindern nach einem einheitlichen Tarif vorgenommen wird – die letzteren gegenüber den ersteren unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt werden, wenn von ihrem Einkommen der Unterhaltsaufwand für Kinder nicht wenigstens in Höhe des Existenzminimums steuerfrei bleibt (vgl. BVerfGE 82, 60 [87 f.]). Diese Überlegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Gesetzgeber, wie der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts inzwischen im Beschluß vom 25. September 1992 (BVerfGE 87, 153) ausgeführt hat, im Einkommensteuerrecht nicht zwingend einen Grundfreibetrag in Höhe des Existenzminimums durchgehend für alle Einkommensstufen einführen muß, sondern statt dessen in folgerichtig gestalteten Übergängen den Verlauf des Steuertarifs so gestalten kann, daß die Entlastungswirkung des Grundfreibetrags schrittweise kompensiert wird (a.a.O., S. 169 f.). Das beruht auf dem Umstand, daß der Grundfreibetrag alle Steuerpflichtigen selbst und in gleicher Weise betrifft. Er wirkt dadurch nur noch als Rechenposten in der Ausgestaltung des Tarifs. Dagegen muß im Falle eines für Steuerpflichtige mit Kindern und ohne Kinder einheitlichen Steuertarifs der Kinderfreibetrag (oder ein entsprechender Ausgleich durch das Kindergeld) nach dem Gleichheitssatz Steuerpflichtigen aller Einkommensstufen in der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe gewährt werden (vgl. auch BVerfGE 87, 153 [170]).
II.
Soweit die angegriffenen Bescheide und die instanzgerichtlichen Urteile die Kindergeldkürzung in den Jahren 1986 und 1987 betreffen, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. § 10 Abs. 2 BKGG war in dieser Zeit jedenfalls insoweit, als er Kindergeldberechtigte mit drei (oder mehr) Kindern betrifft, mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Frage, ob gleiches auch hinsichtlich der Kindergeldberechtigten mit einem oder zwei Kindern gilt, bedarf aufgrund der vorliegenden Verfassungsbeschwerde keiner Entscheidung.
1. a) Das Bundesverfassungsgericht ist im Beschluß vom 29. Mai 1990 davon ausgegangen, daß das Kindergeld die steuerliche Entlastungsfunktion, die es im Zusammenhang mit der Abschaffung der Kinderfreibeträge vom Veranlagungszeitraum 1975 an erlangt hatte, durch die Wiedereinführung eines Kinderfreibetrages von 432 DM im Einkommensteuerrecht nicht wieder verlor, weil dieser Betrag wegen seiner geringen Höhe offensichtlich ungeeignet war, für sich allein die Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern angemessen auszugleichen, und weil sich überdies aus den Gesetzesmaterialien ergab, daß auch der Gesetzgeber dies erkannt hatte und den Ausgleich dafür weiterhin im Kindergeld sah (vgl. BVerfGE 82, 60 [78 f., 85] ).
Auch hinsichtlich des vom Veranlagungszeitraum 1986 an auf 2.484 DM erhöhten Kinderfreibetrages gilt nichts anderes. Daß dieser erhöhte Betrag für sich allein die kindesbedingten Aufwendungen selbst in Höhe des Existenzminimums nicht annähernd ausgleichen konnte, ergibt sich bereits aus dem Vergleich mit den im Beschluß vom 29. Mai 1990 zugrunde gefegten durchschnittlichen Sozialhilfeleistungen für ein Kind im Jahre 1982, die dort mit 3.816 DM ermittelt worden waren (BVerfGE 82, 60 [92]).
Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber dies verkannt hätte und mit der Erhöhung des Kinderfreibetrages die steuerliche Entlastungsfunktion des Kindergeldes in vollem Umfang beseitigen wollte. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Steuersenkungsgesetz (BTDrucks 10/2884) wird die Erhöhung des Kinderfreibetrages ausdrücklich nur als ein Schritt zur Wiederherstellung der Besteuerung nach der durch den Kindesunterhalt geminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern bezeichnet. Es sei geboten, dieser Minderung wieder verstärkt (also noch nicht ausschließlich) im Steuerrecht Rechnung zu tragen. Kinderfreibetrag und Kindergeld sollten sich ergänzen (a.a.O., S. 95 f.).
Die Bundesregierung ist im übrigen sogar in den Jahren ab 1990, für die der Kinderfreibetrag nochmals – auf 3.024 DM – erhöht worden ist, davon ausgegangen, daß der Kinderfreibetrag allein das Existenzminimum eines Kindes noch nicht erreichte (vgl. etwa BTDrucks 12/5168, S. 9 f.; 12/5905, S. 72; 12/6156, S. 47; 12/6224, S. 5).
b) Da in den Streitjahren 1986 und 1987 wie in den vorangegangenen Jahren die steuerliche Entlastung einerseits durch den Kinderfreibetrag von 2.484 DM je Kind, daneben aber durch das Kindergeld bewirkt werden sollte, muß für die verfassungsrechtliche Prüfung der Kürzungsregelung des § 10 Abs. 2 BKGG für diese Zeit wie für die vorausgegangenen Jahre (vgl. dazu BVerfGE 82, 60 [92 ff.]) das gekürzte Kindergeld in einen fiktiven Kinderfreibetrag umgerechnet und dann zusammen mit den gesetzlichen Kinderfreibeträgen dem Betrag des Existenzminimums gegenübergestellt werden. Die Zahlenwerte der in der früheren Entscheidung erstellten tabellarischen Übersicht (BVerfGE 82, 60 [96]) ändern sich insoweit hinsichtlich der fiktiv freigestellten Beträge nur durch die Berücksichtigung der nunmehr erhöhten Freibeträge von 2.484 DM statt vorher 432 DM je Kind. Auch für die Jahre 1986 und 1987 ist im übrigen bei der Umrechnung des Kindergeldes der niedrigste in Betracht kommende (Marginal-)Steuersatz mit 30 vom Hundert anzusetzen. Insoweit hat sich durch die von 1986 an eingeführte (geringfügige) Erhöhung der Einkommensfreibeträge nach § 10 Abs. 2 BKGG, deren Überschreitung die Kürzung des Kindergeldes auslöst, nichts geändert.
c) Die Höhe des in den Vergleich einzustellenden Existenzminimums für Kinder hängt nicht nur von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern auch von dem nach den gesellschaftlichen Anschauungen anzunehmenden Mindestbedarf ab. Bei der Ermittlung des damit nicht exakt vorgegebenen Betrages des Existenzminimums muß dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum eingeräumt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 [93 f.]; 87, 153 [170 f.]). Entscheidende Bedeutung für die Bemessung des steuerlich zu berücksichtigenden Existenzminimums kommt dabei der Bemessung der Sozialhilfeleistungen zu, die gerade dieses Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepaßt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 [94]) Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum darf jedenfalls den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht festgelegt hat, nicht unterschreiten (vgl. BVerfGE 87, 153 [170 f.]).
Da einerseits dem Gesetzgeber zugestanden werden muß, die steuerliche Entlastung in Höhe des Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen (BVerfGE 82, 60 [91]), andererseits aber die Leistungen der Sozialhilfe weder für alle in Betracht kommenden Altersstufen der Kinder noch in allen Bundesländern einheitlich sind, muß für den Vergleich aus den unterschiedlichen Sätzen ein Durchschnittssatz des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs gebildet werden (vgl. BVerfGE 82, 60 [94]; 87, 153 [173]). Es bestehen keine Bedenken, insoweit – wenigstens im Sinne von Richtwerten – die Ergebnisse der Berechnung, die der Bundesminister für Familie und Senioren im vorliegenden Verfahren vorgelegt hat, in den Vergleich einzustellen.
In der unten abgedruckten tabellarischen Übersicht sind die genannten Werte in Jahresbeträgen einander gegenübergestellt.
Tabellarische Übersicht über die zu vergleichenden Beträge in den Jahren 1986 und 1987
Kinderzahl |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
Gesamtkindergeld pro Jahr gemäß § 10 Abs. 2 BKGG |
1.440 |
3.120 |
4.800 |
6.480 |
8.160 |
9.840 |
Umrechnung in Steuerfreibetrag (30 v. H.) |
9.768 |
17.852 |
25.936 |
34.020 |
42.104 |
50.188 |
Umrechnung in Steuerfreibetrag (40 v. H.) |
8.568 |
15.252 |
21.936 |
28.620 |
35.304 |
41.988 |
Umrechnung in Steuerfreibetrag (45 v. H.) |
8.168 |
14.385 |
20.603 |
26.820 |
33.037 |
39.255 |
Umrechnung in Steuerfreibetrag (56 v. H.) |
7.540 |
13.024 |
18.508 |
23.992 |
29.476 |
34.960 |
durchschnittl. jährl. Sozialhilfebedarf für Kinder im Jahre 1986 |
10.968 |
16.452 |
21.936 |
27.420 |
32.904 |
38.388 |
durchschnittl. jährl. Sozialhilfebedarf für Kinder im Jahre 1987 |
11.232 |
16.848 |
22.464 |
28.080 |
33.696 |
39.312 |
d) Der Vergleich der fiktiven Kinderfreibeträge nach der zur Prüfung gestellten Rechtslage mit den Beträgen des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs nach der Berechnung des Bundesministers ergibt, daß bei Steuerpflichtigen mit drei Kindern, zu denen der Beschwerdeführer gehört, in beiden Streitjahren der Betrag des Sozialhilfebedarfs nur im Falle des niedrigsten in Betracht kommenden Satzes für die Besteuerung der Einkommensspitze (30 vom Hundert) erreicht und überschritten wird, während sich bei höheren Spitzensteuersätzen insoweit Unterschreitungen ergeben und der Betrag des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs für das Jahr 1987 beispielsweise im Falle einer Besteuerung der Einkommensspitze mit 45 vom Hundert noch nicht einmal bei Berechtigten mit sieben Kindern voll erreicht wird. Die Unterschreitungen, die wesentlich geringer sind als die im Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60 [96]) festgestellten, führen jedoch unter Berücksichtigung der nachstehend erörterten Umstände nicht dazu, daß die Kindergeldkürzung nach § 10 Abs. 2 BKGG für Kindergeldberechtigte mit drei und mehr Kindern auch in den Jahren 1986 und 1987 noch als verfassungswidrig angesehen werden müßte.
aa) Der Betrag des zur Deckung des Existenzminimums objektiv erforderlichen Aufwands läßt sich nicht strikt mit dem Ergebnis einer Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs nach einer bestimmten Methode gleichsetzen. Die Ergebnisse solcher Berechnungen hängen von einer Reihe von Ausgangswerten ab, die zum Teil pauschaliert werden müssen und bei denen auch die tatsächlichen Grundlagen nicht immer genau festgestellt werden können. Bei der Ermittlung des Existenzminimums für Kinder wird dies besonders deutlich bei der Berechnung des für Wohnung und Heizung anzusetzenden Betrages: Schon die tatsächlichen Verhältnisse lassen sich insoweit nur schwer ermitteln. Die Bezifferung des Wohnbedarfs von in der Familie lebenden Kindern hängt zudem von der Methode ab, mit der der auf die Kinder treffende Anteil dieser Kosten berechnet wird. Während beispielsweise der Bundesminister im vorliegenden Verfahren, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 79, 17 [20]) folgend, seiner Berechnung eine Aufteilung der Wohnkosten nach Kopfteilen der Familienmitglieder zugrunde gelegt hat, stellen andere Berechnungen auf den für Kinder notwendigen Mehrbedarf an Wohnraum ab und kommen dadurch schon von der Aufteilung des Familienwohnbedarfs her zu wesentlich niedrigeren Werten (vgl. etwa BFHE 171, 534 [539 ff;] unter Bezugnahme auf die Ermittlung des Wohnbedarfs von Kindern in dem Bericht der Besoldungskommission Bund/Länder vom 30. Januar 1984, dessen Ergebnisse im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990 verwertet worden sind, vgl. BVerfGE 82, 60 [94, 96]). Zum anderen gegeben sich Unsicherheiten bei der Bildung eines gewichteten Durchschnitts aus der Frage, welche Altersgruppen bei der Berechnung des Kindesbedarfs berücksichtigt werden. So geht der Bundesminister von Kindern bis zu 18 Jahren aus, während beispielsweise der Bundesfinanzhof Kinder bis zum 21. Lebensjahr in die Berechnung einbezieht (BFHE 171, 534 [540]).
Bereits aus diesen Beispielen wird deutlich, daß sich der durchschnittliche jährliche Sozialhilfebedarf nur annäherungsweise ermitteln läßt und daß demgemäß eine solche Berechnung nur einen Richtwert, nicht aber eine strikte Vorgabe für die Bemessung des Existenzminimums darstellen kann (vgl. auch BVerfGE 87, 153 [173]).
Dem Gesetzgeber muß daher bei der Festlegung des Entlastungsbetrags ein gewisser Einschätzungsspielraum zugebilligt werden. Bei der nachträglichen Kontrolle der von ihm getroffenen Regelung am Maßstab einer pauschalen Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs müssen die Ungenauigkeiten berücksichtigt werden, die mit einer solchen Berechnung verbunden sind. Die gesetzliche Regelung kann danach erst dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn die Unterschreitung der zum Vergleich herangezogenen Richtwerte ein Ausmaß erreicht, das selbst unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und der in Betracht kommenden Ungenauigkeiten der Berechnung nicht mehr vertretbar erscheint.
Wo diese Grenze zu ziehen ist, hängt insbesondere vom Ausmaß der Unsicherheit ab, die der zum Vergleich herangezogenen Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs anhaftet. Ein allgemeiner Grenzwert läßt sich danach nicht für alle in Betracht kommenden Vergleichsberechnungen aufstellen. Jedenfalls kann aber bei Richtwerten, wie sie hier nach der Berechnung des Bundesministers zum Vergleich herangezogen werden, die Verfassungswidrigkeit einer bestehenden Regelung noch nicht festgestellt werden, wenn diese Richtwerte um weniger als 15 vom Hundert unterschritten werden (vgl. auch BFHE 171, 534 [545]). Diese Abweichung ist angesichts der in Rechnung zu stellenden Unsicherheiten der Richtwerte noch hinnehmbar.
bb) Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist ferner zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber vor besonderen Schwierigkeiten steht, wenn er die nach dem Grundsatz der horizontalen Steuergleichheit gebotene Entlastung nicht ausschließlich durch einen Kinderfreibetrag schafft, sondern den Weg einer aus Kindergeld und (geringerem) Kinderfreibetrag kombinierten Entlastung wählt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein können. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 79, 87 [100]; st. Rspr.). Dieser Grundsatz kann hier allerdings nicht dazu führen, daß der Gesetzgeber eine Regelung treffen kann, die die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Existenzminimums nur für Steuerpflichtige mit niedrigen Spitzensteuersätzen gewährleistet. Dem Gesetzgeber kann insoweit nur ein geringer Pauschalierungsspielraum eingeräumt werden, denn er hätte eine Ungleichbehandlung für alle Betroffenen ohne weiteres dadurch vermeiden können, daß er das Existenzminimum mit einem entsprechenden Kinderfreibetrag im Einkommensteuerrecht berücksichtigte und das Kindergeld nur als ergänzende Sozialleistung ausgestaltete (vgl. BVerfGE 82, 60 [97]). Ebenso wie der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Betrag des Existenzminimums so zu bemessen, daß er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf deckt (vgl. BVerfGE 82, 60 [91]; 87, 153 [172]), muß er ihn auch möglichst allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise zugute kommen lassen. Er darf danach die horizontale Steuergleichheit auch bei Spitzenverdienern allenfalls in geringem Umfang vernachlässigen. Es ist ihm aber nicht jede Pauschalierung verwehrt.
Der vorliegende Fall erfordert nicht, insoweit eine genaue Grenze der zulässigen Pauschalierung zu ziehen. Es genügt die Feststellung, daß eine duale Ausgleichsregelung der hier vorliegenden Art von Verfassungs wegen jedenfalls dann nicht mehr beanstandet werden kann, wenn sie für Steuerpflichtige, die in der Einkommensspitze einem Steuersatz bis zu 45 vom Hundert unterliegen, zu einer Entlastung führt, die einem (fiktiven) Steuerfreibetrag in Höhe des vollen Existenzminimums der Kinder gleichkommt. Soweit bei Steuerpflichtigen, die einem noch höheren Spitzensteuersatz unterliegen, die Entlastungswirkung geringer ausfällt, ist nur noch ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz auch nicht so intensiv, daß er im Rahmen einer Pauschalierung nicht mehr hingenommen werden könnte.
cc) Nach diesen Grundsätzen ist die Kürzung des Kindergeldes nach § 10 Abs. 2 BKGG in den Jahren 1986 und 1987, soweit sie Kindergeldberechtigte mit drei und mehr Kindern betrifft, nach Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Die fiktiven Kinderfreibeträge, die sich aus dem gekürzten Kindergeld und dem im Einkommensteuerrecht gewährten Kinderfreibetrag für Kindergeldberechtigte mit drei und mehr Kindern bis zu einer Besteuerung der Einkommensspitze mit 45 vom Hundert ergeben, liegen zwar, wie sich aus der tabellarischen Übersicht ergibt, teilweise unter den Richtwerten des ermittelten durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs. Die Unterschreitung beträgt jedoch durchweg weniger als 15 vom Hundert.
2. Auch in sonstiger Hinsicht war § 10 Abs. 2 BKGG im hier zu prüfenden Umfang in den Jahren 1986 und 1987 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der vom Beschwerdeführer zusätzlich als verletzt gerügte Art. 33 Abs. 5 GG gibt insoweit keinen tauglichen Prüfungsmaßstab ab. Diese Verfassungsnorm verlangt, daß der Lebensstandard von Beamten von der Familiengröße nicht nachhaltig beeinflußt wird (vgl. BVerfGE 44, 249 [267]). Daraus läßt sich aber nichts für die Ausgestaltung des Kindergeldes nach dem Bundeskindergeldgesetz herleiten, das für alle Familien gilt.
III.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Bundessozialgerichts richtet, ist sie ebenfalls unbegründet.
Es ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich vereinbar, § 160 a Abs. 4 SGG im Hinblick auf die Regelung des § 169 SGG dahin auszulegen, daß die ehrenamtlichen Richter am Bundessozialgericht an Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden nur dann mitwirken, wenn über die Begründetheit eines solchen Rechtsmittels zu befinden ist (vgl. BVerfGE 48, 246 [253 ff.]).
Eine solche Auslegung setzt allerdings voraus, daß die Abgrenzung zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und Begründetheitsfragen nach eindeutigen und sachgerechten Kriterien erfolgt. Die unterschiedliche Besetzung des Spruchkörpers bei Zulässigkeits- und Begründetheitsentscheidungen darf nicht dazu führen, die Anforderungen an die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zu überdehnen und Bereiche, die eigentlich zur Sachprüfung gehören, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung abzuhandeln; denn mit einer solchen Praxis könnte unter Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereitelt werden, daß die ehrenamtlichen Richter bei der Entscheidung über jene Fragen mitwirken, bei denen der Gesetzgeber ihre Mitwirkung sichergestellt wissen wollte (vgl. BVerfGE 48, 246 [263]).
Im vorliegenden Fall läßt sich ein Verstoß des Bundessozialgerichts gegen diese Grundsätze jedoch nicht feststellen. Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, daß das Gericht die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde von der Darlegung bestimmter sachlicher Voraussetzungen für die Zulassung der Revision abhängig macht. Das gilt auch hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wäre allerdings verletzt, wenn der Umfang der Darlegungsanforderungen sich von den Anforderungen an die Begründetheit einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr hinreichend unterschiede. Daß dies hier der Fall wäre, ist jedoch nicht erkennbar. Auch wenn dadurch der Anspruch auf den gesetzlichen Richter berührt wird, muß dem Revisionsgericht in der Frage, ob die mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen gegen eine bereits vorliegende Grundsatzentscheidung gewichtig genug sind, um eine erneute Klärungsbedürftigkeit zu begründen, ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt werden, der hier noch nicht überschritten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1179049 |
BStBl II 1994, 909 |
BVerfGE, 93 |
BB 1994, 1547 |
NJW 1994, 2817 |
EuGRZ 1994, 579 |
NVwZ 1994, 1197 |