Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche vermögensteuerliche Belastung von Grundvermögen und sonstigem Vermögen verfassungswidrig. Halbteilungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmt der Gesetzgeber für das gesamte steuerpflichtige Vermögen einen einheitlichen Steuersatz, so kann eine gleichmäßige Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden. Die Bemessungsgrundlage muß deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden.
2. Die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch Einkommen- und Vermögensteuer begrenzen den steuerlichen Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens. An dieser Grenze der Gesamtbelastung des Vermögens haben sich die gleichheitsrechtlich gebotenen Differenzierungen auszurichten.
3. Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt.
4. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens muß der Steuergesetzgeber jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen.
5. Soweit Vermögensteuerpflichtige sich innerhalb ihrer Ehe oder Familie auf eine gemeinsame – erhöhte – ökonomische Grundlage individueller Lebensgestaltung einrichten durften, gebietet der Schutz von Ehe und Familie gemäß Art 6 Abs 1 GG, daß der Vermögensteuergesetzgeber die Kontinuität dieses Ehe- und Familiengutes achtet.
Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1-2, Art. 100 Abs. 1; VStG 1974 § 10 Nr. 1 Fassung: 1983-12-22, § 10 Nr. 1 Fassung: 1985-03-14, § 10 Nr. 1 Fassung: 1990-11-14, § 10 Nr. 1 Fassung: 1993-06-23, § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Nr. 1; BewG § 1 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 17 Abs. 3, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 27, 36, 76, 78, 109, 114 Abs. 1, 3, § 121a; BewGÄndG Art. 1 Nr. 8 Fassung: 1965-08-13; BewGÄndG 1971 Art. 1 Abs. 1 S. 1; BewGÄndG Art. 2 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1965-08-13, S. 3 Fassung: 1970-07-22; BVerfGG § 80 Abs. 2 S. 1
Tenor
1. § 10 Nummer 1 des Vermögensteuergesetzes vom 17. April 1974 (Bundesgesetzbl I Seite 949) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (Bundesgesetzbl I Seite 2467), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (Bundesgesetzbl I Seite 2325), ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983 in allen seinen seitherigen Fassungen mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepaßt worden ist, und das zu Gegenwartswerten erfaßte Vermögen mit demselben Steuersatz belastet.
2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar.
Setzt die Neuregelung eine allgemeine Neubewertung von Besteuerungsgrundlagen voraus, so kann der Gesetzgeber für deren Dauer – längstens für fünf Jahre seit der Verkündung des Gesetzes – Übergangsregelungen treffen, die die vermögensteuerliche Belastung an die verfassungsrechtlichen Maßstäbe dieser Entscheidung annähern; dabei darf er eine teilweise Fortgeltung der bisherigen Vorschriften anordnen.
Gründe
A.
Das vorliegende Verfahren betrifft die Frage, ob bei der Vermögensteuer die aus der gegenwärtigen Gesetzeslage folgende unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist.
I.
1. Unbeschränkt Steuerpflichtige unterliegen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (BGBl I S. 2467 - VStG -) mit ihrem Gesamtvermögen im Sinne der §§ 114 bis 120 des Bewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1035) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (BGBl I S. 230 - BewG -) der Vermögensteuer. Das Gesamtvermögen ist gemäß § 118 BewG das um Schulden und sonstige Abzüge geminderte Rohvermögen; steuerpflichtig ist gemäß § 9 Nr. 1 VStG der Vermögensbetrag, der nach Abzug der Freibeträge vom Gesamtvermögen verbleibt. Die Vermögensteuer betrug gemäß § 10 Nr. 1 VStG 1974 in den Jahren 1983 bis 1986 - ab 1. Januar 1985 insoweit in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1985 (BGBl I S. 558) - 0,5 v.H. des steuerpflichtigen Vermögens.
§ 10 VStG bemißt die Vermögensteuer nach einem einheitlichen prozentualen Anteil am steuerpflichtigen Vermögen. Hierfür sind die wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter, die das Gesamtvermögen bilden, zu bewerten. Dabei sind die wirtschaftlichen Einheiten, für die ein Einheitswert festzustellen ist, gemäß § 114 Abs. 3 BewG mit den festgestellten Einheitswerten anzusetzen. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird für inländischen Grundbesitz ein Einheitswert festgestellt. Der Grundbesitz wird auf der Grundlage der 1964 festgestellten oder auf das Jahr 1964 zurückgerechneten Einheitswerte bewertet und geht bei der Vermögensteuerveranlagung gemäß § 121a BewG mit 140 v.H. seines Einheitswerts in die Summe des Gesamtvermögens ein.
Soweit für wirtschaftliche Einheiten kein Einheitswert festzusetzen ist, sind diese gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VStG, § 114 Abs. 1, § 17 Abs. 3, § 1 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 BewG grundsätzlich mit dem „gemeinen Wert” zu bewerten. Der „gemeine Wert” bezeichnete ursprünglich den Nutzen, den eine Sache jedem Besitzer gewährt (Teil I, Titel II, § 112 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794), diente dann als Kompromißformel für einen Ertrags- und Verkaufswert umfassenden Oberbegriff (vgl. Vogel, DStZ/A 1979, S. 28 ff.); er wird heute durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 BewG). Kapitalforderungen werden gemäß § 12 Abs. 1 BewG grundsätzlich mit ihrem Nennwert bewertet.
2. Gemäß § 9 Abs. 1 BewG ist der gemeine Wert anzuwenden, soweit keine anderen Werte gelten. Als solche anderen Werte kennt das Bewertungsgesetz den Teilwert (§ 10), den Kurswert (§ 11 Abs. 1), den Rücknahmepreis (§ 11 Abs. 4), den Nennwert (§ 12), den Kapitalwert (§§ 13 bis 16); es regelt in seinem Zweiten Teil – Besondere Bewertungsvorschriften (§§ 17 bis 121) – für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens den Ertragswert (§ 36) sowie für die Bewertung bebauter Grundstücke das Ertragswert- und das Sachwertverfahren (§§ 78 ff., 83 ff.).
Im einzelnen werden den zu bewertenden Gütern danach folgende Werte zugewiesen:
a) Land- und forstwirtschaftliche Betriebe
Die Bewertung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe erfaßt grundsätzlich den Ertragswert, § 36 BewG. In der Regel wird der Ertrag durch ein Vergleichsverfahren ermittelt, das in knappen Grundsätzen in den §§ 38 bis 40 BewG normiert ist, seine eigentliche Erkenntnisquelle jedoch erst in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Richtlinien zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens hat (Teile 1 bis 4 und 8, BStBl I 1967 S. 397; Teile 5 bis 7, BStBl I 1968 S. 223). Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke werden danach nicht als solche bewertet, sondern gehen nur indirekt über die Unternehmensbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in den insgesamt nach Gesichtspunkten des Ertragswerts ermittelten Einheitswert ein. Die in § 40 Abs. 2 BewG festgelegten Ertragswerte stützen sich auf einen abgesenkten Reinertrag (vgl. Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Bundestages, zu BTDrucks IV/3508, S. 3 f.; dazu Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., 1992, § 40, Anm. 4 ff.).
b) Grundstücke
Ein Grundstück, die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (§ 70 Abs. 1 BewG), wird, wenn bebaut, in Abhängigkeit von der Grundstücksart (§ 75 BewG) in der Regel im Ertragswert, in Ausnahmefällen im Sachwert erfaßt; für das unbebaute Grundstück gilt der gemeine Wert.
aa) Unbebaute Grundstücke
Unbebaute Grundstücke (§ 72 BewG) und baureife Grundstücke (§ 73 BewG) werden mangels besonderer Bewertungsvorschriften gemäß §§ 17 Abs. 3, 9 BewG mit dem gemeinen Wert bewertet.
bb) Bebaute Grundstücke
Für bebaute Grundstücke (§§ 74 ff. BewG) sieht das Bewertungsgesetz in Abhängigkeit von der Grundstücksart das Ertragswert- oder das Sachwertverfahren vor. Die Amtliche Begründung zum Bewertungsänderungsgesetz erläutert die verschiedenen Bewertungsmethoden mit der Feststellung, daß die wertbestimmenden Merkmale eines Grundstücks bei den einzelnen Grundstücksarten unterschiedlich seien. Der Wert regelmäßig ertragbringender Grundstücke, wie z.B. der Mietwohngrundstücke, richte sich vor allem nach dem Reinertrag. Bei Fabrik- und Geschäftsgrundstücken besonderer Art trete ein Grundstücksertrag hingegen nur unvollkommen oder undeutlich in Erscheinung; deshalb sei in erster Linie ein nach den Herstellungskosten zu errechnender Sachwert maßgeblich (vgl. BTDrucks IV/1488, S. 31). Für bebaute Grundstücke gelte jedoch als Regel das Ertragswertverfahren; das Sachwertverfahren solle nur in den Fällen angewandt werden, in denen es keine vergleichbaren Grundstücke mit Mieteinnahmen gebe (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, zu BTDrucks IV/3508, S. 3 unter V.).
Gemäß § 76 Abs. 1 BewG gilt das Ertragswertverfahren für Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke, gemischtgenutzte Grundstücke, Einfamilien- und Zweifamilienhäuser. Zu ermitteln ist eine Jahresrohmiete nach dem Stand vom 1. Januar 1964 (§ 79 Abs. 5 BewG), die zur Errechnung des Grundstückswertes gemäß § 80 BewG mit einer weitere wertbestimmende Eigenschaften des Grundstücks ausdrückenden Zahl vervielfältigt wird (vgl. auch BVerfGE 65, 160 ≪161 ff.≫).
Das für sonstige bebaute Grundstücke (§ 76 Abs. 2 BewG) und nach Maßgabe des § 76 Abs. 3 BewG für bestimmte Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in Ausnahmefällen auch für besonders ausgestattete andere Grundstücke geltende Sachwertverfahren ist die Ausnahme. Danach ist aus Bodenwert, Gebäudewert und Wert der Außenanlagen (§ 83 BewG) ein Ausgangswert zu bilden, der durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert herangeführt werden soll (§§ 83 Satz 2, 90 Abs. 1 BewG). Grundlage für den Gebäudewert sind die Herstellungskosten des Jahres 1958 (§ 85 Satz 1 BewG); der so ermittelte Gebäudewert ist gemäß § 85 Satz 2 BewG auf den Wert der Baupreisverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunktes, also auf den 1. Januar 1964 umzurechnen. Dieses Sachwertverfahren führt heute nach Feststellungen der Bundesregierung (vgl. dazu Jakob, Möglichkeiten einer Vereinfachung der Bewertung des Grundbesitzes sowie Untersuchung einer befristeten Anwendung von differenzierten Zuschlägen zu den Einheitswerten, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen, Band 48, 1992, S. 65) teilweise zu Werten, die um mehr als 100 v.H. über den Werten des Ertragswertverfahrens liegen.
c) Betriebsgrundstücke
Betriebsgrundstücke (§ 99 BewG) kennen keine eigene Bewertungsmethode, sondern werden wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder wie Grundvermögen bewertet (§ 99 Abs. 1 und Abs. 3 BewG). Der so festgestellte Einheitswert des Betriebsgrundstücks geht in den Einheitswert des Gewerbebetriebs ein; das Betriebsgrundstück ist Untereinheit der wirtschaftlichen Einheit Gewerbebetrieb (§ 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BewG).
d) Gewerbebetriebe
Der Einheitswert inländischer Gewerbebetriebe wird ab 1. Januar 1993 gemäß § 109 Abs. 1 BewG auf Grundlage einer an den einkommensteuerlichen Bilanzpositionen anknüpfenden Vermögensaufstellung (vgl. § 28 Abs. 1 BewG) ermittelt; insoweit sind die Grundsätze der Einheitsbewertung durchbrochen. Er wird – im Gegensatz zu den zuletzt auf den 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerten des Grundbesitzes – gegenwartsnah festgestellt (zuletzt auf den 1. Januar 1995 gemäß Art. 25 Nr. 5 § 1 des Gesetzes vom 23. Juni 1993, BGBl I S. 944 ≪973≫). Der in § 109 BewG vorgesehene Bewertungsmaßstab sah bis zum Steueränderungsgesetz 1992 (vom 25. Februar 1992, BGBl I S. 297) grundsätzlich die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert (§ 10 BewG) vor; ausgenommen waren gemäß § 109 Abs. 2 BewG die Wirtschaftsgüter, für die schon Einheitswerte festgestellt worden waren, insbesondere also Betriebsgrundstücke. Im Einheitswert des Betriebsvermögens konnten bis zur Änderung des § 109 BewG in Abhängigkeit von dem zu bewertenden Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens sämtliche Werte des Bewertungsgesetzes ihren Niederschlag finden.
3. Das geltende Bewertungsrecht geht unmittelbar auf das Bewertungsgesetz des Deutschen Reiches zurück und legt die zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes für Steuerveranlagungen seit 1974 zugrunde.
Das bis 1965 generell anwendbare Bewertungsgesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1035) wurde durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl I S. 851; = Bewertungsänderungsgesetz ≪BewÄndG≫ 1965) grundlegend geändert, um überholte Einheitswerte von 1935 an zeitnahe Werte heranzuführen. Es sah eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes auf den 1. Januar 1964 vor (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BewÄndG 1965).
Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Änderung bewertungsrechtlicher und anderer steuerrechtlicher Vorschriften (BewÄndG 1971, BGBl I S. 1157) bestimmte, daß die Einheitswerte des Grundbesitzes, denen die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 zugrunde liegen, erstmals mit Wirkung ab 1. Januar 1974 anzuwenden seien. Das Vermögensteuerreformgesetz vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) ergänzte das Bewertungsgesetz u.a. um § 121a, wonach für die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens, für die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer, die Gewerbesteuer, die Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus und die Grunderwerbsteuer die Einheitswerte des Grundbesitzes mit 140 v.H. des Einheitswertes 1964 anzusetzen sind.
§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG fordert zur Anpassung der Einheitswerte an die reale Wertentwicklung eine Neubewertung des Grundbesitzes in Zeitabständen von je sechs Jahren. Hauptfeststellungen haben seit 1964 jedoch nicht mehr stattgefunden. Art. 2 Abs. 1 Satz 3 des BewÄndG 1965 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl I S. 1118) legt fest, daß, abweichend von § 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG, die auf die Hauptfeststellung 1964 folgende nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes durch besonderes Gesetz bestimmt wird. Dieses besondere Gesetz ist allerdings bis heute nicht ergangen. Deshalb stützen sich sämtliche für Grundvermögen festgestellten Einheitswerte auf die Wertverhältnisse des Jahres 1964.
4. Das Bewertungsrecht legt somit der vermögensteuerlichen Bemessungsgrundlage in mehrfacher Hinsicht unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zugrunde. Grundsätzlich bewertet es Wirtschaftsgüter – insbesondere das land- und forstwirtschaftliche Vermögen gemäß § 36 BewG und bebaute Grundstücke gemäß §§ 78 ff. BewG – nach deren Ertragswert; daneben erfaßt es aber bestimmte Wirtschaftsgüter in ihren Verkehrswerten – so insbesondere Wertpapiere und Geldvermögen bei ihrer Bewertung nach dem Kurs- und Nennwert gemäß §§ 11 und 12 BewG -. Zudem gehen einerseits Gegenwartswerte – so die Einheitswerte des Betriebsvermögens oder die Verkehrs-, Veräußerungs- und Nennwerte bei sonstigem Vermögen – in die vermögensteuerliche Bemessungsgrundlage ein, andererseits werden mit den auf den 1. Januar 1964 festgestellten Werten – so die Einheitswerte des Grundbesitzes – Vergangenheitswerte der Besteuerung zugrunde gelegt.
II.
1.a) Bei den Klägern des Ausgangsverfahrens – Eheleuten – wurde der Vermögensteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1986 neben Grundvermögen, festverzinslichen Wertpapieren und Zahlungsmitteln auch eine Kapitalforderung gegen den Sohn der Eheleute zugrunde gelegt. Dagegen wenden sich die Eheleute mit der gegen die Vermögensteuerbescheide gerichteten Klage.
b) Das Finanzgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 10 Nr. 1 VStG mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG deshalb nicht in Einklang stehe, weil die Vorschrift für die Besteuerung einheitswertgebundenen und nicht einheitswertgebundenen Vermögens einen einheitlichen Steuersatz festlege. Die Entscheidung in der Streitsache hänge stets davon ab, ob § 10 Nr. 1 VStG verfassungsgemäß sei oder nicht. Im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 10 Nr. 1 VStG müsse der angegriffene Vermögensteuerbescheid aufgehoben oder zumindest das Verfahren bis zu einer Neuregelung des Vermögensteuersatzes ausgesetzt werden. Wäre demgegenüber § 10 Nr. 1 VStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, müsse das Finanzgericht unter Berücksichtigung des dort geregelten Steuersatzes entweder die Klage abweisen oder den Bescheid gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO ändern.
§ 10 Nr. 1 VStG sei verfassungswidrig, soweit der dort vorgesehene Steuersatz einheitlich sowohl auf Grundvermögen anzuwenden sei, das mit dem Einheitswert in die vermögensteuerliche Bemessungsgrundlage eingehe, als auch auf das sonstige Vermögen, das bei der Vermögensteuerveranlagung mit seinem gemeinen Wert berücksichtigt werde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 10. Februar 1987 (vgl. BVerfGE 74, 182 ≪199≫) angedeutet, daß das Bewertungsrecht den Grundbesitz möglicherweise gegenüber anderen Wirtschaftsgütern privilegiere, und daß die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Einheitswerte auf der Grundlage von Verfassungsbeschwerden oder Richtervorlagen möglich sei, wenn es dort konkret um die unterschiedliche Bewertung von Grundbesitz einerseits und Betriebs- oder sonstigem Vermögen andererseits gehe. Unter Hinweis insbesondere auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH, BStBl II 1986 S. 782 ff.; BStBl II 1988 S. 1025 ff.) hebt das Gericht hervor, es entspreche inzwischen allgemeiner Ansicht, daß die Einheitswerte in willkürlicher Weise um ein Mehrfaches niedriger als die gemeinen Werte nicht einheitswertgebundenen Vermögens festgestellt würden und daher wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig seien. Diese Verfassungswidrigkeit verwirkliche sich erst im Vermögensteuerbescheid, der gegenüber dem Einheitswertbescheid als selbständiger Folgebescheid zu betrachten sei und einen einheitlichen Steuersatz sowohl auf zu niedrig bewertetes Grundvermögen wie auf nach dem Verkehrswert bewertetes sonstiges Vermögen anwende. Die Verfassungswidrigkeit könne sowohl durch einen höheren Steuersatz für das einheitswertgebundene Vermögen als auch durch einen niedrigeren Steuersatz für das sonstige Vermögen beseitigt werden. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 (BVerfGE 84, 239 ff.) ergebe sich, daß auf jeder Stufe einer besteuerungserheblichen Normenkette, also auch auf der Stufe des § 10 Nr. 1 VStG, ein Gleichheitsverstoß gerügt werden könne, wenngleich der auslösende Tatbestand der willkürlichen Ungleichbehandlung im zu niedrigen Einheitswert liege.
2. Zur Vorlage haben der Bundesminister der Finanzen namens der Bundesregierung und der Präsident des Bundesfinanzhofs Stellung genommen. Die Bundesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß im Falle einer Neuregelung der Vermögensteuer nur eine Besteuerung in der Bemessungsgrundlage der Erträge in Betracht komme.
B.
Die Vorlage ist zulässig.
I.
Das Finanzgericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG und des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, daß es für seine Entscheidung auf die Gültigkeit des § 10 Nr. 1 VStG ankommt.
Ist diese Vorschrift verfassungsgemäß, so müßte das Gericht die Klage, die es als gegen die Steuerbescheide insgesamt gerichtet ansieht, ganz oder – bei Erfolg der Angriffe der Kläger gegen den Ansatz der Kapitalforderung – teilweise abweisen, weil der einheitliche Steuersatz des § 10 Nr. 1 VStG in diesem Fall die vermögensteuerliche Belastung des gesamten steuerpflichtigen Vermögens der Kläger bestimmt.
Wäre § 10 Nr. 1 VStG mit der Verfassung insoweit unvereinbar, als die Vorschrift für die Besteuerung einheitswertgebundenen und nicht einheitswertgebundenen Vermögens einen einheitlichen Steuersatz festlegt, müßte die Klage entweder in vollem Umfang Erfolg haben, weil das Fehlen einer den Vermögensteuersatz festlegenden Regelung eine Veranlagung zur Vermögensteuer nicht zuläßt, oder das Ausgangsverfahren müßte gemäß § 74 FGO ausgesetzt werden, bis der Gesetzgeber den Vermögensteuersatz neu geregelt hat. Auch dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Gültigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfGE 66, 1 ≪17≫ m.w.N.). Dabei kann es für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage keine Rolle spielen, daß im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪180≫).
II.
Das vorlegende Gericht hat auch seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Nr. 1 VStG hinreichend dargelegt und begründet. Es vertritt die Auffassung, die Vorschrift des § 10 Nr. 1 VStG stehe mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Einklang: Sie lege für die Besteuerung einheitswertgebundenen und nicht einheitswertgebundenen Vermögens einen einheitlichen Steuersatz fest, obwohl die Einheitswerte des Grundvermögens erheblich unterbewertet seien. Entgegen dem ursprünglichen gesetzgeberischen Konzept seien diese Werte seit 1964 nicht mehr an die realen Wertsteigerungen angepaßt worden. Damit sei gegenüber dem nach Gegenwartswerten zu bewertenden übrigen Vermögen eine Ungleichbehandlung eingetreten, die mangels einleuchtender Gründe willkürlich sei. Nach den vom Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪268≫) entwickelten Grundsätzen der steuerlichen Belastungsgleichheit müsse die ungleiche Bewertung von Vermögenswerten jedenfalls auf der Stufe der Festlegung des Steuersatzes korrigiert werden, indem das einheitswertgebundene Vermögen mit einem höheren Steuersatz belegt werde als das mit dem gemeinen Wert in die Bemessungsgrundlage eingegangene Vermögen.
Das vorlegende Gericht belegt diese seine Auffassung zwar nicht im einzelnen durch Erörterung etwaiger rechtfertigender Gründe und auch nicht durch Heranziehung statistischer Erhebungen oder sachverständiger Untersuchungen. Es führt zum Beleg für seine Auffassung vielmehr fachgerichtliche Entscheidungen, insbesondere zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BStBl II 1986 S. 782 ff.; II 1988 S. 1025 ff.) an und nimmt auf frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug. Auch wenn der Begründungszwang des § 80 Abs. 2 BVerfGG es erfordert, daß das vorlegende Gericht den für seine rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalt und seine rechtlichen Erwägungen erschöpfend darlegt (vgl. BVerfGE 74, 182 ≪192 ff.≫; 89, 329 ≪337≫), und diese Ausführungen grundsätzlich nicht durch Hinweis auf Darlegungen eines anderen Gerichts in einem anderen Verfahren ersetzt werden können (vgl. BVerfGE 22, 175 ≪177≫; 90, 145 ≪167≫), führt die dargestellte Bezugnahme durch das vorlegende Gericht hier nicht zur Unzulässigkeit der Vorlage. Die Bezugnahme erklärt sich daraus, daß die Vorlage sich auf eine Einschätzung gründet, die nahezu steuerrechtliches Gemeingut geworden ist. Die durch die Entwicklung von – in Vergangenheitswerten fixierten – Einheitswerten und – zeitgerecht mitschreitenden – gemeinen Werten entstandene Verschiedenheit der Besteuerung von einheitswertgebundenem und nicht einheitswertgebundenem Vermögen hat der Bundesfinanzhof als oberstes Fachgericht in den von dem vorlegenden Gericht angeführten Entscheidungen eingehend belegt; auch das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit dieser Verschiedenheit auseinandergesetzt (vgl. BVerfGE 23, 242 ≪254 f.≫; 41, 269 ≪281≫; 43, 1 ≪7≫; 65, 160 ≪170≫; nunmehr auch BVerfGE 89, 329 ≪339≫). Sie war ebenso Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen (vgl. etwa Vogel, DStZ/A 1979, S. 28 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 1993, S. 869 ff.; Friauf, StuW 1971, S. 369 ff.), wie der Verhandlungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft (Werte und Wertermittlung im Steuerrecht - DStJG - 1984, S. 1 ff.). Die tatsächlichen Grundlagen der Bewertungsunterschiede werden insbesondere festgestellt durch den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (vgl. Die Einheitsbewertung in der Bundesrepublik Deutschland – Mängel und Alternativen, 1989, S. 13), den Bundesrechnungshof (vgl. Schreiben an den Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 25. März 1991, Az.: VIII 3 - 206101 ≪EW≫), die Arbeitsgruppe Steuerreform, „Steuern der 90er Jahre” (1987, S. 39) sowie in eingehenden Untersuchungen der Finanzverwaltung (vgl. Meyding, DStR 1992, S. 1113 ≪1115≫; Uelner in: Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, DStJG, 1984, S. 275 ≪284≫).
Ist die Fehlentwicklung des ursprünglichen gesetzgeberischen Konzepts derart offenbar und drängt sich daher die Frage nach der Wahrung der steuerlichen Belastungsgleichheit für Wissenschaft und Praxis gleichermaßen auf, durfte das vorlegende Gericht davon ausgehen, es könne die eingehende eigene Darstellung der Problematik zur Vermeidung von Wiederholungen durch Berufung auf die ausführlichen, in der Fachpresse veröffentlichten Gründe des obersten Fachgerichts der Finanzgerichtsbarkeit ersetzen (vgl. auch BVerfGE 14, 221 ≪232 f.≫; 90, 145 ≪167≫).
C.
Innerhalb der Gesamtregelung der Besteuerung des Vermögens ist § 10 Nr. 1 VStG insofern mit dem Grundgesetz unvereinbar, als er das zu Gegenwartswerten erfaßte Vermögen mit demselben Steuersatz wie den Grundbesitz belastet, obwohl dessen Bewertung entgegen dem gesetzlichen Konzept gegenwartsnaher Bewertung seit 1964/74 nicht mehr der Wertentwicklung angepaßt worden ist.
I.
Den Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung des § 10 Nr. 1 VStG bilden sämtliche Bestimmungen des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht ist im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht darauf beschränkt, die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nur vom Blickpunkt des vorlegenden Gerichts und seiner verfassungsrechtlichen Bedenken aus zu erörtern. Vielmehr ist die Norm insoweit, als sie zulässigerweise zur Prüfung gestellt worden ist, unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Gegenstand des Verfahrens (vgl. BVerfGE 26, 44 ≪58≫; 67, 1 ≪11≫).
Eine solche umfassende verfassungsgerichtliche Nachprüfung ist gerade dann veranlaßt, wenn das vorlegende Gericht eine steuerrechtliche Bestimmung darum für verfassungswidrig hält, weil von ihr mit dem Gleichheitssatz unvereinbare Wirkungen auf verschiedene Gruppen von Betroffenen ausgingen. Denn die Schranken, die die Verfassung außerhalb des von Art. 3 Abs. 1 GG erfaßten Bereichs einer bestimmten Steuer zieht, wirken in die Prüfung des Gleichheitssatzes hinein, indem sie darüber Aufschluß geben, ob für eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen ein sachlicher Grund besteht.
II.
1. Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, daß die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Das danach – unbeschadet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen – gebotene Gleichmaß verwirklicht sich in dem Belastungserfolg, den die Anwendung der Steuergesetze beim einzelnen Steuerpflichtigen erreicht (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪268≫).
a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist bereichsspezifisch anzuwenden. Im Sachbereich des Steuerrechts gewinnt die Besteuerungsgleichheit allerdings nicht schon aus dem Zweck der Besteuerung, den staatlichen Haushalt mit Finanzmitteln auszustatten, deutliche Konturen, sondern erst aus der Eigenart der Steuer: Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer je nach ihrem Einkommen, Vermögen und ihrer Nachfragekraft zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben heranzieht. Der steuerliche Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Einzelnen gewinnt seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit dieser Lastenzuteilung (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪268 f.≫).
b) In der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes deckt der Staat seinen Finanzbedarf grundsätzlich durch steuerliche Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens. Er belastet durch die Besteuerung von Einkommen und Ertrag den privaten Vermögenserwerb und durch die Besteuerung von Umsatz, Verkehrs- und Verbrauchsvorgängen die private Verwendung von Vermögen.
Auch der ruhende Bestand des Vermögens kann Anknüpfungspunkt für eine Steuerbelastung sein, wie dies insbesondere bei der Vermögensteuer und den Realsteuern der Fall ist (vgl. BVerfGE 13, 331 ≪348≫; 43, 1 ≪7≫). Sie werden vom Grundgesetz bei Regelung der Ertragshoheit (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 6 GG) in ihrer historisch gewachsenen Bedeutung aufgenommen und als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkannt (vgl. BVerfGE 7, 244 ≪252≫; 14, 76 ≪91≫; 16, 306 ≪317≫). Die Gesamtbelastung durch eine Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung ist vom Gesetzgeber so aufeinander abzustimmen, daß das Belastungsgleichmaß gewahrt und eine übermäßige Last vermieden wird. Dabei ist zu beachten, daß auch der Steuergesetzgeber nicht beliebig auf Privatvermögen zugreifen darf, der Berechtigte vielmehr von Verfassungs wegen einen Anspruch darauf hat, daß ihm die Privatnützigkeit des Erworbenen und die Verfügungsbefugnis über geschaffene vermögenswerte Rechtspositionen jedenfalls im Kern erhalten bleiben (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪169≫).
Ob und inwieweit die Vermögensteuer unter anderen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen auch als Instrument der Umverteilung eingesetzt werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung, da sie jedenfalls im gegenwärtigen Gesamtsteuerrecht keine ins Gewicht fallende Umverteilungswirkung entfaltet; das Gesamtaufkommen der Vermögensteuer in Höhe von rd. 6 Mrd. DM (vgl. Finanzbericht 1993, S. 219) wird im wesentlichen durch Belastung des Unternehmensvermögens erzielt und dort auf die Allgemeinheit der Nachfrager überwälzt (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 800 ff.). Eine etwaige Veränderung des Rechts umverteilender Belastungen und Zuwendungen ist nicht Gegenstand des Vorlageverfahrens.
c) Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordert nicht einen gleichen Beitrag von jedem Inländer zur Finanzierung der Gemeinlasten, sondern verlangt in ihrer bereichsspezifischen Anwendung auf das gegenwärtige Steuerrecht, daß jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird. Der Gesetzgeber hat die Grundsatzentscheidung getroffen, den Einzelnen nicht in seiner Erwerbsfähigkeit zu belasten, sondern in den Wirtschaftsgütern, die er erworben hat. Wer sein Talent, durch Arbeit Erträge zu erzielen, brachliegen läßt, wird grundsätzlich nicht besteuert. Wer hingegen Vermögen ungenutzt läßt, wird für Zwecke der Besteuerung so behandelt, als habe er Erträge erzielt.
d) Der Gesetzgeber hat zwar bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes aber hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen (vgl. BVerfGE 23, 242 ≪256≫; 84, 239 ≪271≫). In der Regel wird der Steuergegenstand zunächst in der Bemessungsgrundlage so verdeutlicht und zählbar gemacht, daß sich die Steuerschuld durch Anwendung des Steuersatzes berechnen läßt. Gelingt diese Umsetzung des Belastungsgrundes in Zahlen nicht, muß der Gesetzgeber die Gleichheit im Belastungserfolg in anderer Weise – insbesondere durch differenzierende Bemessung der Steuersätze – gewährleisten.
2. Bestimmt der Gesetzgeber für das gesamte steuerpflichtige Vermögen einen einheitlichen Steuersatz, so kann eine gleichmäßige Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden. Die Bemessungsgrundlage muß deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden (vgl. BVerfGE 23, 242 ≪257≫; 25, 216 ≪226≫; 30, 129 ≪143 f.≫; 41, 269 ≪280, 282 f.≫). Haben sich die steuererheblichen Werte für bestimmte Gruppen wirtschaftlicher Einheiten deutlich auseinanderentwickelt, so darf das der Gesetzgeber nicht auf sich beruhen lassen (vgl. BVerfGE 23, 242 ≪257 f.≫; 41, 269 ≪283≫). Dabei muß der Gesetzgeber auch Wertverschiebungen zwischen den einzelnen Vermögensarten und innerhalb des Grundvermögens beachten (vgl. BVerfGE 23, 242 ≪252≫; 65, 160 ≪170≫).
3. Die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch Einkommen- und Vermögensteuer begrenzen den steuerlichen Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens. An dieser Grenze der Gesamtbelastung des Vermögens haben sich die gleichheitsrechtlich gebotenen Differenzierungen auszurichten. Diese bilden für den Senat, der für die Einkommensteuer und im vorliegenden Verfahren auch für die Vermögensteuer zuständig ist, als tragende Gründe den Maßstab seiner verfassungsrechtlichen Prüfung:
a) Die Vermögensteuer ist als wiederkehrende Steuer auf das ruhende – in der Regel aus bereits versteuertem Einkommen gebildete – Vermögen ausgestaltet. Sie greift in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG). Das bedeutet, daß das geschützte Freiheitsrecht nur so weit beschränkt werden darf, daß dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten wird (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪169≫). Die Zuordnung der vermögenswerten Rechtsposition zum Eigentümer und die Substanz des Eigentums müssen gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 42, 263 ≪295≫; 50, 290 ≪341≫).
b) Nach diesen Maßstäben bleibt unter den Bedingungen des gegenwärtigen Steuerrechts, nach denen das Vermögen bereits durch die Steuern auf das Einkommen und den Ertrag, der konkrete Vermögensgegenstand meist auch durch indirekte Steuern vorbelastet ist, für eine ergänzende Besteuerung dieses mehrfach vorbelasteten Vermögens von Verfassungs wegen nur noch ein enger Spielraum. Die Vermögensteuer darf nur so bemessen werden, daß sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt läßt und aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträge) bezahlt werden kann. Andernfalls führte eine Vermögensbesteuerung im Ergebnis zu einer schrittweisen Konfiskation, die den Steuerpflichtigen dadurch übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde (vgl. BVerfGE 14, 221 ≪241≫; 82, 159 ≪190≫; stRspr).
Dieser Bestandsschutz muß sich auch gegenüber dem derzeitigen Steuerrecht durchsetzen, wonach die Vermögensteuer ihrerseits aus versteuertem Einkommen zu bezahlen ist: Das zur Erfüllung der Vermögensteuerschuld verwendete Einkommen wird weder auf die Einkommensteuer angerechnet noch von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen. Auch diese Vorbelastung muß bei der Bemessung der Vermögensteuerlast beachtet werden.
c) Ungeachtet des Bestandsschutzes für den Vermögensstamm nimmt auch der Vermögensertrag am Schutz der vermögenswerten Rechtspositionen als Grundlage individueller Freiheit teil. Nach Art. 14 Abs. 2 GG dient der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit. Deshalb ist der Vermögensertrag einerseits für die steuerliche Gemeinlast zugänglich, andererseits muß dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen verbleiben. Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt und dabei insgesamt auch Belastungsergebnisse vermeidet, die einer vom Gleichheitssatz gebotenen Lastenverteilung nach Maßgabe finanzieller Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen.
Der Gesetzgeber kann diese Belastungsobergrenze dadurch wahren, daß er die Erträge in der Bemessungsgrundlage um Abzugstatbestände mindert (etwa des existenz- und erwerbssichernden Aufwandes im Einkommensteuerrecht, des Gebrauchsvermögens im Vermögensteuerrecht, dazu näher unten 5.) und sodann den Steuersatz typisierend so bemißt, daß im Zusammenwirken von Abzugstatbeständen und Steuersätzen diese Obergrenze beachtet bleibt. Unterhalb dieser Obergrenze sind die Erträge nach Maßgabe der Gleichheit (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪170≫) in folgerichtigen Übergängen zu belasten.
d) Unter besonderen Voraussetzungen, etwa in staatlichen Ausnahmelagen, erlaubt die Verfassung auch unter den geltenden steuerrechtlichen Rahmenbedingungen einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz. So konnte das Reichsnotopfergesetz vom 31. Dezember 1919 (RGBl II 1919 S. 2189) zur Finanzierung der mit dem Versailler Vertrag auferlegten Lasten Vermögenssubstanzen in Anspruch nehmen. Ähnliches gilt für die Steuern nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952 (BGBl I S. 446).
4. Das Konzept der geltenden Vermögensteuer (vgl. BVerfGE 40, 109 ≪119≫; 41, 269 ≪281≫; 43, 1 ≪7≫) entspricht diesen Anforderungen.
a) Die Vermögensteuer ist eine laufende Steuer, setzt daher ein Weiterbestehen der am Stichtag festgestellten Vermögensverhältnisse auch im nächsten Veranlagungsjahr voraus (vgl. schon Albert Hensel, Steuerrecht, 3. Aufl., 1933, S. 253). Die geltende Vermögensteuer führt die mit dem Preußischen Ergänzungsteuergesetz geschaffene Konzeption einer ergänzenden Besteuerung des fundierten Einkommens fort. Schon das Preußische Ergänzungsteuergesetz war von dem damals bestimmenden Gedanken einer „ergänzenden Abgabe” (Begründung zum Entwurf eines Ergänzungsteuergesetzes, Preußisches Haus der Abgeordneten, 1892/93, Aktenstück Nr. 6, S. 521) durch Besteuerung des „fundierten Einkommens” geprägt – bei einer allerdings im Vergleich zur Gegenwart wesentlich niedrigeren Besteuerung der Erwerbseinkommen (vgl. Vogel, DStZ/A, 1979, S. 28 ≪32 f.≫; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 1993, S. 853 f.). Die Begründung zum Preußischen Ergänzungsteuergesetz (a.a.O., S. 521) betonte, daß „die Eigenschaft der Vermögensteuer als einer e r g ä n z e n d e n Abgabe namentlich auch darin bewahrt bleiben müsse”, daß sie im Verhältnis zur Hauptsteuer nur eine sehr mäßige Quote der vorausgesetzten Steuerkraft in Anspruch nehmen sollte. Das Reichsvermögensteuergesetz 1922 (Anlage 1 zum Gesetz über Änderungen im Finanzwesen vom 8. April 1922 - RGBl I 1922 S. 335) gestaltete die Steuer ebenfalls als laufende Vermögensteuer, die aus dem Einkommen getragen wird, ihre Begrenzung im Merkmal der Sollertragsteuer, nämlich in dem Erfordernis findet, daß sie aus dem Einkommen zu tragen sei und nicht zu einer „schleichenden Vermögenskonfiskation” führen dürfe (vgl. Verhandlungen des Reichstags, Band 369, Nr. 2862, S. 14). Sie sollte aus dem Vermögensertrag bestritten werden können und nicht zu Eingriffen in die Vermögenssubstanz führen (Hensel, a.a.O., S. 225). Hier begegnen sich das fiskalische Interesse an der Erhaltung der Steuerquelle und das Individualinteresse an der Bewahrung des eigenen Vermögens.
b) Die Vermögensteuer erfaßt ihren Gegenstand zunächst in den einzelnen Wirtschaftsgütern; deren Steuerwürdigkeit und Wert wird – etwa als landwirtschaftliches Vermögen, als Betriebs- oder Grundvermögen – jeweils gesondert erfaßt und sodann zu einer Summe von Einzelwerten, dem Gesamtvermögen, zusammengefügt (Hensel, a.a.O., S. 225). Wenn auf dieser Grundlage ein Gesamtvermögen ermittelt ist, wird nach dem Gedanken der Sollertragsteuer dieses Vermögen nach dem typischerweise möglichen Ertrag – ohne Rücksicht auf den tatsächlich erzielten Gewinn oder Ertrag – besteuert. Der Gesetzgeber darf diese Ertragserwartung typisierend auf das Gesamtvermögen beziehen, mag dieses auch in einzelnen Wirtschaftsgütern nach der konkreten Anlageentscheidung des Eigentümers keine Erträge erbringen.
c) Die nach einem Sollertrag bemessene Besteuerung kann nicht an vorgefundene Ertragssummen anknüpfen, sondern muß für Zwecke der Besteuerung einen erwarteten Ertrag unterstellen. Deshalb ist das die Ertragserwartung begründende Wirtschaftsgut in seiner Ertragsfähigkeit zu bewerten. Die Ermittlung der Sollerträge setzt grundsätzlich am Tatbestand der Ertragsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes an, mag aber auch an dessen Verkehrswert anknüpfen, sofern die im Steuersatz bestimmte Belastung gewährleistet, daß die Vermögensteuer lediglich anteilig auf die Erträge zugreift, die aus der in Verkehrswerten erfaßten wirtschaftlichen Einheit typischerweise erwartet werden. Erfaßt die Bemessungsgrundlage nicht den vermuteten Ertrag, sondern den Veräußerungswert eines Wirtschaftsgutes, so kommt dem Steuersatz die Aufgabe zu, anknüpfend an einen aus dem Veräußerungswert abgeleiteten Sollertrag den steuerlichen Zugriff auf diesen angemessen und gleichheitsgerecht zu begrenzen.
5.a) Der steuerliche Zugriff auf das Vermögen belastet auch Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie dienen. Sie ermöglichen einen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs. Dieses Vermögen genießt einen besonderen Schutz (vgl. BVerfGE 24, 367 ≪389≫; 50, 290 ≪339 f.≫; stRspr). Es sichert die persönliche Freiheit des Einzelnen in Ergänzung der im wesentlichen durch Arbeitseinkommen und Sozialversicherungsanspruch sowie durch Gewerbe und andere selbständige Tätigkeit gewährten Sicherheit.
Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens darf der Steuergesetzgeber daher in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung mindern. Er muß deshalb jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen. Im übrigen gilt das oben zu 3.c) Gesagte.
Diese wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung entwickelt sich je nach den in einer Rechtsgemeinschaft erreichten ökonomischen und kulturellen Standards. Sie ist daran erkennbar, in welcher Breite in der Bevölkerung die Wirtschaftsgüter der persönlichen Lebensgestaltung gewidmet sind. So wurden 1993 etwa von den insgesamt verfügbaren Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland 38,9 % von den Eigentümern und ihren Familien genutzt (vgl. Auskunft des Statistischen Bundesamtes über das vorläufige hochgerechnete Ergebnis der 1 %-Gebäude- und Wohnungsstichprobe 1993). Der Gesetzgeber hat die ökonomische Grundlage individueller Freiheit typisierend zu bemessen und von der Vermögensteuerlast freizustellen. Dabei liegt es nahe, daß er sich – unbeschadet von Regelungen wie in §§ 110 und 111 BewG – an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser orientiert. Er muß freilich Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Individualbedarf steuerlich freistellen.
b) Der verfassungsrechtliche Anspruch auf steuerliche Freistellung des der persönlichen Lebensgestaltung dienenden Vermögens steht grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen zu. Jeder Ehegatte hat einen eigenen gleichen Anspruch; aus der Ehe dürfen den Ehegatten keine steuerlichen Nachteile erwachsen (vgl. BVerfGE 6, 55 ≪76≫; 69, 188 ≪205≫). Bei der typisierenden Festlegung des der individuellen Lebensgestaltung dienenden Vermögensbestandes ist auch zu berücksichtigen, daß Kinder aufgrund ihres Unterhaltsanspruchs gegen ihre Eltern an deren Vermögensverhältnissen und Lebensgestaltung teilhaben und insoweit auch der individuelle Lebenszuschnitt der Familie erweitert wird.
c) In der Lebenswirklichkeit schaffen Ehegatten die wirtschaftliche Grundlage für die individuelle Lebensgestaltung ihrer Familie in der Erwartung, daß sie den individuellen Lebenszuschnitt der Familie auch noch im Alter der Ehegatten prägt und nach dem Ableben eines von ihnen dem Überlebenden zugute kommt. Soweit daher Vermögensteuerpflichtige sich innerhalb ihrer Ehe oder Familie auf eine gemeinsame – erhöhte – ökonomische Grundlage individueller Lebensgestaltung einrichten durften, gebietet der Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, daß der Vermögensteuergesetzgeber die Kontinuität dieses Ehe- und Familiengutes achtet.
6. Bei Vermögenseinheiten, die einer landwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Erwerbstätigkeit gewidmet sind, wird der Gesetzgeber mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG die steuerlichen Auswirkungen einer Neubewertung des Grundbesitzes zu bedenken haben.
III.
§ 10 VStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Vermögensteuer belastet einheitswertgebundenes Vermögen und nicht einheitswertgebundenes Vermögen unterschiedlich. Diese Belastungsunterschiede lassen sich weder aus den in der Vermögensteuer angelegten oder möglichen Differenzierungen (vgl. zu II.) rechtfertigen noch verfassungsgemäß a l l e i n d a d u r c h ausräumen, daß das einheitswertgebundene Vermögen nunmehr zu Verkehrswerten belastet würde.
1.a) § 10 VStG belastet das steuerpflichtige Vermögen einheitlich mit einem Steuersatz, der in den zu beurteilenden Veranlagungsjahren 0,5 v.H. betragen hat. Ein solcher einheitlicher Steuersatz setzt voraus, daß dem Gebot der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪268≫) bereits in der Bemessungsgrundlage Rechnung getragen und dort jede wirtschaftliche Einheit in gleichmäßiger Weise mit den Werten erfaßt wird, die den steuerlichen Belastungsgrund ausdrücken.
Die Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer bestimmt sich gemäß § 4 VStG nach dem Vermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes. Dieses Gesetz sucht das Vermögen für den Zweck der Sollertragsbesteuerung dadurch zu erfassen, daß es der Bewertung jeder wirtschaftlichen Einheit deren Wert zugrunde legt, für den dann bei Bemessung des Steuersatzes ein einheitlicher Sollertrag unterstellt wird. Mag auch heute der „gemeine Wert” des § 9 BewG nicht der Regelwert, sondern eher die Ausnahme sein (vgl. Tipke, a.a.O., S. 853), so liegt es in der Konzeption einer Besteuerung nach einem einheitlichen Steuersatz, daß die auf verschiedene steuerliche Anknüpfungspunkte ausgerichteten Werte in ihrer Ausgestaltung einander angenähert werden. Dementsprechend ist es nach der Amtlichen Begründung zur Neufassung des Bewertungsgesetzes 1964 Ziel der Bewertung, „gleichmäßige, den Verkehrswerten nahekommende Einheitswerte als Grundlage für eine gerechte Besteuerung zu finden” (BTDrucks IV/1488, S. 31). Wenn deshalb – unter Zugrundelegung dieser Konzeption des Gesetzes – der Wert eines Grundstücks grundsätzlich, wie es eine Sollertragsteuer nahelegt, im Ertragswertverfahren (§§ 76, 78 ff. BewG) ermittelt, Kapitalvermögen hingegen, soweit es als „sonstiges Vermögen” (§§ 110 ff. BewG) erfaßt wird, in der Regel zum Verkehrswert bewertet wird, wenn das für die Bewertung von Grundstücken als Regel geltende Ertragswertverfahren Ausnahmen erfährt und unbebaute, nicht landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (vgl. §§ 72 f., 9 BewG) und besondere, im Sachwertverfahren bewertete bebaute Grundstücke (§§ 76 Abs. 3, 83, 90 Abs. 1 BewG) in Orientierung am gemeinen Wert bewertet werden, so müssen diese Bewertungsmethoden die wirtschaftlichen Einheiten in einem gemeinsamen Annäherungswert erfassen, der eine Anwendung desselben Steuersatzes erlaubt (vgl. BVerfGE 41, 269 ≪281≫).
b) Die Einheitswerte bebauter und unbebauter Grundstücke wurden letztmals zum Stichtag 1. Januar 1964 ermittelt. Die durch die Hauptfeststellung nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte sind nach Art. 1 des Bewertungsänderungsgesetzes 1971 erst ab dem 1. Januar 1974 der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Werte bereits überholt, weil die Preise auf dem damaligen Grundstücksmarkt anhaltend und ständig gestiegen waren. Der Gesetzgeber hat versucht, diese Entwicklung dadurch auszugleichen, daß er die Einheitswerte von Grundstücken und Betriebsgrundstücken für steuerliche Zwecke 1974 um 40 v.H. erhöhte (§ 121a BewG i.d.F. des Vermögensteuerreformgesetzes 1974). Demgegenüber wird der Wert des nicht einheitswertgebundenen Vermögens nicht in einem Vergangenheitswert fixiert, sondern fortlaufend gegenwartsnah jeweils in dem Wert erfaßt, der einer zeitnahen Bewertung durch den Markt entspricht.
c) Der Gesetzgeber hat eine zeitgerecht mitschreitende Bewertung auch des einheitswertgebundenen Vermögens durch ein Verfahren zur regelmäßigen Neubewertung sicherzustellen versucht. Das Reichsbewertungsgesetz vom 10. August 1925 (RGBl I S. 214) verlangte eine Hauptfeststellung grundsätzlich in Zeitabständen von je einem Jahr (§ 5 Abs. 2). Nach dem Reichsbewertungsgesetz vom 22. Mai 1931 (RGBl I S. 222) wurden die Einheitswerte allgemein für den Grundbesitz in Zeitabständen von je sechs Jahren, für wirtschaftliche Einheiten des Betriebsvermögens in Zeitabschnitten von je drei Jahren festgestellt (Hauptfeststellung, dort § 22 Abs. 2, jetzt § 21 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die Hauptfeststellung der Einheitswerte wurde durch Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz und zum Vermögensteuergesetz vom 22. November 1939 (RGBl I S. 2271) ausgesetzt. Das Gesetz über die Vermögensteuerveranlagung für die Zeit ab 1. Januar 1949 und die Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 vom 3. Juni 1949 (WiGBl S. 83) beließ es für die Bewertung des Grundbesitzes zunächst bei den Einheitswerten, die bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 oder bei einer Fortschreibung oder Nachfeststellung auf einen späteren Zeitpunkt festgestellt worden waren (§ 7 Abs. 2). Das Bewertungsänderungsgesetz 1965 kehrte dann zum System periodischer Hauptfeststellungen zurück. Nach dessen Art. 1 Nr. 8 werden die Einheitswerte für den Grundbesitz in Zeitabständen von je sechs Jahren festgestellt; Art. 2 Abs. 1 bestimmt die nächste Hauptfeststellung für den Grundbesitz auf den Beginn des Kalenderjahres 1964 und die nachfolgende Hauptfeststellung – abweichend von dem nunmehr neu gefaßten § 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG – auf den Beginn des Kalenderjahres 1971.
d) Das Gesetz vom 22. Juli 1970 hat dann allerdings Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BewÄndG 1965 neu gefaßt und angeordnet, daß der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes abweichend von § 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG durch besonderes Gesetz bestimmt werde. Ein solches Gesetz ist bis heute nicht ergangen. Damit ist die notwendige Neubewertung auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Den Einheitswerten des Grundbesitzes liegen die Wertverhältnisse des Jahres 1964 zugrunde (§ 27 BewG), die für einzelne einheitswertabhängige Steuern teilweise um 40 v.H. erhöht werden (§ 121a BewG).
Der Gesetzgeber hat unbeschadet dieser Änderung des Bewertungsgesetzes das Konzept der periodischen zeitnahen Neubewertung beibehalten. Er hält am Erfordernis nachfolgender Hauptfeststellungen fest und behält lediglich die Bestimmung des Zeitpunktes einem besonderen Gesetz vor. Damit hat der Gesetzgeber 1970 nicht das Erfordernis zeitgerecht mitschreitender Einheitsbewertung in Frage gestellt, sondern seine Erfüllung vorläufig ausgesetzt. Diese Aussetzung hat indes zur Folge, daß der gegenwärtigen Anwendung des einheitlichen Vermögensteuersatzes bei dem nicht einheitswertgebundenen Vermögen gegenwartsgerechte Werte zugrunde gelegt werden, während die Werte des einheitswertgebundenen Vermögens bei den Feststellungen zum 1. Januar 1964 verharren. Die seit 1964 eingetretene Wertentwicklung beim Grundbesitz wird in der Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer nicht aufgenommen, obwohl das Konzept der Vermögensteuer auf eine gegenwartsnahe Bewertung angelegt ist und bei nicht der Einheitsbewertung unterliegenden Vermögensgegenständen auch weiterhin so durchgeführt wird.
2.a) Wenn die Vermögensteuer das einheitswertgebundene Vermögen in den Vergangenheitswerten von 1964 belastet, das nicht einheitswertgebundene Vermögen hingegen in Gegenwartswerten, so ergeben sich schon daraus deutliche Wertverzerrungen und Belastungsungleichheiten. Dies belegen unter anderem ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen vom Februar 1989 (vgl. Die Einheitsbewertung in der Bundesrepublik Deutschland – Mängel und Alternativen –, S. 13) und ein Schreiben des Bundesrechnungshofs an den Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 25. März 1991 (Az.: VIII 3 - 206101 ≪EW≫).
Durch die Entwicklung der tatsächlichen Werte des Grundbesitzes sind mithin Belastungsunterschiede eingetreten, die mit dem Erfordernis einer gleichmäßigen steuerlichen Erfassung der wirtschaftlichen Einheiten unvereinbar sind, obwohl der Gesetzgeber das Zusammenwirken von Vermögensteuer- und Bewertungsgesetz auf eine solche Erfassung angelegt hat.
b) Das Auseinanderfallen der Wertrelation von einheitsbewerteten und nicht einheitsbewerteten wirtschaftlichen Einheiten mindert die Vermögensteuerbelastung des Grundbesitzes, ohne daß diese Steuerverschonung tatbestandlich auf das persönliche, der individuellen Lebensgestaltung dienende Gebrauchseigentum beschränkt wäre. Die Niedrigbewertung des Grundbesitzes entlastet dieses Vermögen auch dann, wenn sein Wert den des gesetzlich zu typisierenden persönlichen Gebrauchsvermögens übersteigt. Außerdem beschränkt sich diese Entlastung auf das einheitswertgebundene Vermögen, verschont also die vermögensrechtliche Grundlage individueller Freiheit nicht, soweit der Berechtigte diese Grundlage ganz oder teilweise in nicht einheitswertgebundenem Vermögen gebildet hat. Auch insoweit ist den Erfordernissen des Gleichheitssatzes nicht genügt.
c) Das dargelegte Mißverhältnis verstößt damit gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Vermögensteuergesetz im Zusammenwirken mit dem Bewertungsgesetz gibt gegenwärtig nicht annähernd gleiche Ausgangswerte für die Ermittlung eines Sollertrages und führt deshalb zu einer ungleichen Belastung. Sie wird nicht durch die Erwägung gerechtfertigt, daß von der bestehenden Rechtslage möglicherweise ein Subventionseffekt ausgeht.
aa) Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung dennoch vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (vgl. BVerfGE 38, 61 ≪79 ff.≫; 84, 239 ≪274≫; stRspr). Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Verwaltungsziele stellt, setzt aber eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen. Würde allein eine tatsächliche Entwicklung ein Steuergesetz in den Dienst auch außerfiskalischer Zwecke stellen können, so würde eine speziell für die Besteuerung vorgesehene Ermächtigung ohne gesetzgeberische Entscheidung tatsächlich auch für nichtsteuerliche Ziele in Anspruch genommen: Faktisch würden über die besondere Gesetzgebungskompetenz zur Besteuerung (Art. 105 GG) Verwaltungsziele geregelt, Vergünstigungen zu Lasten der Ertragshoheit der Länder (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG) angeboten und unter Umständen Länderkompetenzen überspielt. Die tatsächlichen Lenkungswirkungen könnten auch Grundrechte berühren. Für die Steuerintervention muß der Gesetzgeber deshalb gesondert prüfen, ob er das Handlungsmittel der Besteuerung für außerfiskalische Zwecke einsetzen darf und will.
Deshalb ist es ausgeschlossen, eine bei gleichbleibender gesetzlicher Regelung allein aufgrund veränderter tatsächlicher Verhältnisse bewirkte steuerliche Ungleichbelastung damit zu rechtfertigen, daß der tatsächlich erreichte, vom Gesetzgeber aber so nicht beschlossene Belastungsunterschied legitime Lenkungsziele erreichen könnte. Gesetzgeberisches Unterlassen verändert nicht die bisherige Konzeption des geltenden Steuergesetzes; es ersetzt nicht die allein dem Gesetzgeber vorbehaltene (vgl. BVerfGE 13, 318 ≪328≫; 71, 354 ≪362 f.≫) Entscheidung über die Steuerwürdigkeit bestimmter generell bezeichneter Sachverhalte.
bb) Verfolgt ein Steuergesetz zulässigerweise auch Lenkungsziele, so muß der Lenkungszweck mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Die vermögensteuerliche Förderung des Wohnungsbaus etwa müßte bei den Wohngrundstücken, eine Förderung gewerblicher Betriebe bei dem Betriebsvermögen ansetzen. Hat der Gesetzgeber zudem eine für mehrere Steuern verbindliche einheitliche Bewertung vorgesehen, um für alle von dieser Bewertung abhängigen Steuern einen gleichen Ausgangswert festzustellen, so kann er eine Subvention innerhalb dieser Bewertung nur anbieten, wenn und soweit sie sich als Verschonung in jeder der einzelnen Steuerarten und ebenso in der dadurch bewirkten Gesamtentlastung gemeinwohlbezogen rechtfertigen läßt; andernfalls verstößt sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 78, 249 ≪277 f.≫).
cc) Der hiernach notwendige gesetzgeberische Akt, der eine unterschiedliche Ertragsfähigkeit realitätsgerecht erfaßt, Förderungstatbestände deutlich umgrenzt sowie gemeinwohlbezogen und zweckgebunden bemißt, liegt nicht vor.
3. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz führt zu einer bloßen Unvereinbarkeitserklärung, weil die Gleichheitswidrigkeit nicht zu bestimmten Folgerungen zwingt, der Gesetzgeber vielmehr mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪177 ff.≫). Die Erfordernisse verläßlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung rechtfertigen es, die Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden. Das vorlegende Finanzgericht kann deshalb seiner Entscheidung für die dort streitbefangenen Veranlagungszeiträume 1983 bis 1986 das damals geltende Vermögen- und Bewertungssteuerrecht zugrunde legen. Um eine stetige Veranlagung der Vermögensteuer zu gewährleisten, darf das bisher geltende Recht auch bis zum 31. Dezember 1996 weiterhin angewendet werden. Entschließt sich der Gesetzgeber zur Neuregelung der Vermögensteuer, so kann er im Rahmen einer dann gegebenenfalls durchzuführenden Neubewertung der vermögensteuerlichen Bemessungsgrundlage für deren Dauer – längstens für fünf Jahre seit der Verkündung des Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer – Übergangsregelungen treffen, die die vermögensteuerliche Belastung an die dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäbe annähern; die Übergangsregelungen dürfen eine teilweise Fortgeltung der bisherigen Vorschriften anordnen.
D.
Diese Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig ergangen.
Sondervotum
Dem Tenor der Entscheidung, der die Unvereinbarkeit von § 10 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes mit Art. 3 Abs. 1 GG feststellt, und der für diese Unvereinbarkeit gegebenen Begründung (C.II., 1.a., c. bis d., 2. und C.III.) stimme ich zu, mithin alle dem, was dem Senat durch den Vorlagebeschluß zur Entscheidung aufgegeben war. Nicht zu folgen vermag ich dem Senat darin, daß er diese Vorlage zum Anlaß nimmt, maßstäblich dar- und festzulegen, daß eine Vermögensteuer unter den Bedingungen des gegenwärtigen Steuerrechts von Verfassungs wegen nur als Sollertragsteuer verstanden und ausgestaltet werden kann (C. II., 3. bis 5.). Diese Ausführungen sind durch die Vorlage nicht veranlaßt (I.). Darüber hinaus findet die vom Senat vorgenommene Begrenzung der Vermögensteuer auf eine Besteuerung der (Soll-) Erträge in der Verfassung auch sachlich keine Grundlage (II.).
I.
Den Gegenstand der Vorlage des Finanzgerichts Neustadt, über die der Senat zu entscheiden hatte, bestimmt er selbst am Beginn der Entscheidung präzise: „Das vorliegende Verfahren betrifft die Frage, ob bei der Vermögensteuer die aus der gegenwärtigen Gesetzeslage folgende unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist.” Alles was der Senat zu Grund, Ausmaß, Bemessungsgrundlagen und rechtlicher Eigenart der Vermögensbesteuerung sagt – es betrifft auch vier der fünf Leitsätze –, ist durch die Vorlagefrage nicht veranlaßt. Entgegen den Ausführungen des Senats wirken die hierbei entwickelten Maßstäbe auch bei der Subsumtion in keiner Weise sachlich in die Prüfung des Gleichheitssatzes hinein und sind insoweit auch als Vorfrage im vorliegenden Verfahren entbehrlich. Die Prüfung der Vermögensteuer am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und die hieraus gewonnenen Maßgaben dienen vielmehr speziell dazu, die dem Gesetzgeber nunmehr obliegenden Entscheidungen zur Korrektur der Vermögensbesteuerung durch vermögensschützende Vorgaben begrenzend vorzuprägen und teilweise vorwegzunehmen. Ungeachtet der Frage, ob die diesbezüglichen Ausführungen des Senats durch deren Voranstellung als Verfassungsmäßigkeitskontrolle des § 10 VStG im Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG insoweit überhaupt als entscheidungserheblich und rechtlich bindend anzusehen sind, ist dies aus mehreren Gründen nicht angängig.
1. Der Senat überschreitet seine Kompetenzen insofern, als er durch die vorwegnehmende Beantwortung von Rechtsfragen, die im vorliegenden Verfahren gar nicht unterbreitet sind und zu deren maßstäblicher Erörterung auch sonst kein Anlaß besteht, in die Zuständigkeit des Ersten Senats übergreift, bei dem die Zuständigkeit für Fragen der Vermögensbesteuerung seit dem 1. Januar 1994 wieder liegt (vgl. Plenarbeschluß vom 15. November 1993, A.I. Ziff. 9 i.V.m. § 14 BVerfGG).
2. Der Senat setzt sich über den Sinn des Äußerungsverfahrens gemäß §§ 82, 77 BVerfGG hinweg. Die Äußerungsberechtigten sahen im vorliegenden Verfahren zu Recht keinen Anlaß, allgemein zu Umfang, inneren Maßgaben und Grenzen der Vermögensteuer aus verfassungsrechtlicher Sicht Stellung zu nehmen und sie wurden hierauf bezogen auch nicht – durch entsprechende Hinweise – gehört. Sie werden nun mit umfänglichen Maßstabsausführungen zu einem Verfassungsrecht der Vermögensteuer überrascht.
3. Vor allem greift der Senat mit seinen breit ausgeführten, durch die Vorlage nicht veranlaßten Darlegungen in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers über; er läßt den gebotenen judicial self-restraint außer acht, der dem Verfassungsgericht gegenüber dem Gesetzgeber obliegt und leistet der Veränderung des vom Grundgesetz festgelegten gewaltenteiligen Verhältnisses zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht weiter Vorschub.
a) Die Bewältigung anstehender Gesetzesvorhaben, einschließlich der Beurteilung und Lösung dabei auftretender Rechtsprobleme, ist auch dann, wenn diese Verfahren als Folge einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung hervorgerufen werden, allein Sache des Gesetzgebers. Diesem ordnet die Verfassung die Aufgabe zu, gegebenenfalls erforderliche Innovationen mit politischer Gestaltungskraft zu entwickeln und durchzusetzen sowie sich dabei ergebende Folgewirkungen, auch im Blick auf die Verfassungsmäßigkeit der ins Auge gefaßten Regelung, einzuschätzen und zu verantworten. Dem Bundesverfassungsgericht steht hierbei weder ein Initiativrecht zu noch eine Befugnis begleitender Verfassungskontrolle gesetzgeberischen Handelns. Es ist allein dazu berufen, abgeschlossene und politisch verantwortete Entscheidungen des Gesetzgebers, wenn und soweit sie in einem zulässigen Verfahren vor das Gericht gebracht werden, auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Das Grundgesetz hat, wie Art. 93, 94 GG und in deren Ausführung das Bundesverfassungsgerichtsgesetz ausweisen, die Gewähr der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht bewußt an Gerichtsförmigkeit und Richterlichkeit gebunden, ihr dadurch eine bestimmte Struktur gegeben und sie auch begrenzt. Dazu gehört nicht zuletzt die Beschränkung der Entscheidung auf den jeweils unterbreiteten Fall und seinen – durch das Klage- oder Antragsbegehren umschriebenen – Streitgegenstand. Wird die Entscheidungszuständigkeit dabei auf nicht veranlaßte maßstäbliche Fragen erstreckt, wird der gebotene judicial self-restraint verletzt. Das Gericht begrenzt und bindet dann Entscheidungen des Gesetzgebers im vorhinein in abstrakt ausgreifender Weise, ohne die Anschauung eines konkreten Falls und die Begrenzung auf diesen Fall. Es etabliert sich gegenüber dem Gesetzgeber als autoritativer Praeceptor.
b) Ausgriffe, wie der Senat sie vornimmt, finden auch dann keine Rechtfertigung, wenn sie in favorem des Gesetzgebers erfolgen, um ihn durch verbindliche Orientierungspunkte vor dem Risiko eines späteren Scheiterns zu bewahren. Eine solche Argumentation verschöbe die Verantwortung zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht in unzulässiger Weise. Das Verfassungsgericht ist nicht als fürsorglicher Praeceptor des Gesetzgebers, sondern als – je nach dem zulässigen Anrufungsbegehren – nachträglich punktuell kontrollierendes Gericht konstituiert und organisiert. Der Gesetzgeber ist selbst und aus sich heraus für die Verfassungsmäßigkeit seiner gesetzgeberischen Entscheidungen verantwortlich. Nimmt er diese Verantwortung nicht hinreichend wahr, fällt das auf ihn zurück und er hat politisch die Folgen zu tragen. Fürsorglichkeit gegenüber dem Gesetzgeber sollte sich das Verfassungsgericht versagen.
II.
1. Die Begrenzung der Vermögensteuer auf eine Besteuerung der (Soll-)Erträge ist durch die Verfassung nicht geboten.
a) Entscheidender Punkt in der Argumentation des Senats ist die verfassungsrechtliche Qualifizierung der Vermögensteuer als (Soll-)Ertragsteuer. Nach Ansicht des Senats ist der steuerliche Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens beschränkt. Die Ertragsfähigkeit wird dabei nicht lediglich als Plausibilität indizierende Richtschnur für eine Gesamtbeurteilung der Höhe der Vermögensteuer verstanden, sondern als rechtliche Maßgabe, die die Ausgestaltung der Vermögensteuer im einzelnen zu durchdringen und anzuleiten habe. Am potentiellen Ertrag (Sollertrag) des Vermögens müßten sich die Differenzierungen der Vermögensteuer insgesamt ausrichten, und auf ihn müsse insbesondere, wie der Senat wiederholt ausführt, auch die Bemessung des Wertes der einzelnen Vermögensteile bezogen sein (vgl. insbes. Entscheidungsumdruck S. 22, 23 u. 28). Der Senat anerkennt damit als Rechtfertigung und Maß der Vermögensteuer nicht die Leistungsfähigkeit aus der Innehabung des Vermögens als solchem, sondern allein die Steuerkraft von dessen – tatsächlichen oder potentiellen – Erträgen. Eine Vermögensteuer soll sachlich nicht als Besteuerung der Substanz zulässig sein, sondern muß sich „nach dem Gedanken der Sollertragsteuer” (Entscheidungsumdruck S. 28) von ihren gesamten Kriterien her auf die Besteuerung der (fiktiven) Erträge beschränken. Dementsprechend stellt der Senat bei der Bestimmung der Obergrenze der Vermögensteuer – s. hierzu unten, 3. – einerseits nur auf die Erträge aus dem Vermögen, nicht aber auch auf anderes Einkommen ab, bezieht aber andererseits deren Belastung durch andere Steuern mit ein.
Verfassungsrechtlich beruhen diese Ausführungen auf der Grundthese, daß einmal erworbenes und beim Erwerb der Besteuerung unterliegendes Vermögen nicht erneut dem Zugriff des Steuergesetzgebers ausgesetzt sein dürfe. Der Staat dürfe bezogen auf solchermaßen konsolidiertes Vermögen nur noch auf die – tatsächlichen oder potentiellen – Erträge zugreifen. Ungeachtet der vorsichtigen Formulierungen hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Maßstabs hierfür liegt dem die Annahme zugrunde, eine Besteuerung solchen Vermögens sei ein unzulässiger Eingriff in die Substanz von Eigentumspositionen (Art. 14 GG).
b) Diese Auffassung ist nach meiner Überzeugung unzutreffend und steht mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang. Auch eine Steuer, die ihren Gegenstand in konsolidiertem Vermögen hat, bleibt eine allgemeine Geldleistungspflicht, die den Steuerschuldner nur in seinem Vermögen als Ganzem betrifft. Sie entzieht nicht bestimmte durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumspositionen, sondern verpflichtet unspezifisch zur Zahlung eines Geldbetrages, der aus beliebigen Einnahmequellen, etwa auch aus Arbeitseinkommen oder Verkaufserlösen, erbracht werden kann. Gegen solche Eingriffe schützt Art. 14 Abs. 1 GG jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts nicht. Vielmehr läßt die Auferlegung von Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes grundsätzlich unberührt (vgl. BVerfGE 4, 7 ≪17≫; 78, 249 ≪277≫; 89, 48 ≪61≫; stRspr). Eine Ausnahme hat das Gericht dabei nur für den – bisher noch nicht praktisch gewordenen – Fall anerkannt, daß die Steuerpflicht den Pflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 14, 221 ≪241≫; 82, 159 ≪190≫; stRspr). Diese Grenze, die für eine Vermögensteuer nur im Wege der Gesamtbetrachtung, auch unter Berücksichtigung sonstiger Einkommensquellen und deren steuerlicher Belastung, ermittelt werden kann, ist bei einem Vermögensteuersatz von 1 v.H., wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, bei durchschnittlichen Verhältnissen in der Regel nicht überschritten (vgl. BVerfGE 43, 1 ≪7 f.≫).
c) Von dieser Rechtsprechung verabschiedet sich der Senat grundlegend, indem er nunmehr hinsichtlich bestimmter Vermögensbestandteile – nämlich hinsichtlich des im genannten Sinne konsolidierten Vermögens – einen isolierten eigentumsrechtlichen Substanzschutz gegenüber der Besteuerung anerkennt, in der Weise, daß diese Gegenstände nicht unmittelbarer Gegenstand einer Besteuerung sein dürfen. Dieser Wechsel der Argumentation ist Ausdruck eines prinzipiell neuen Konzepts, das hier zum ersten Mal angewandt wird. Nach diesem Konzept ist die Intensität, in der das Vermögen durch Art. 14 GG gegenüber der Besteuerung geschützt wird, unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um die Besteuerung des Vermögenszugangs in der Erwerbsphase (z.B. Einkommen- und Körperschaftsteuer), um die Besteuerung des Vermögensbestandes (innegehabtes Vermögen; z.B. Vermögen- und Realsteuern) oder um die Besteuerung der Vermögensverwendung (z.B. Verkehr- und Verbrauchsteuern) handelt (vgl. Kirchhof, JZ 1979, S. 153 ≪156≫; ders., in: HdWW, Steuern, Bd. 7 ≪1977≫, S. 324 ≪329 f.≫; ders., VVDStRL 39 ≪1981≫, S. 213 ≪226 ff.≫; hierzu kritisch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 2, 1993, S. 528 – 532).
Für ein solches steuerrechtstheoretisches und steuerpolitisches Konzept, das sowohl Grund wie auch Intensität und Grenze der Besteuerung aus einer in sich differenziert interpretierten Eigentumsidee herleitet, gibt die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG keine Grundlage ab. Schon die Unterscheidung zwischen konsolidiertem und anderem Vermögen läßt sich aus Art. 14 GG nicht entnehmen. Sowohl Einkommensforderungen aus vereinbartem Lohn oder Gehalt, wie auch Erlösforderungen (aus Kauf oder Miete) wie auch Positionen des „ruhenden” Vermögens sind für sich betrachtet jeweils Eigentum im Sinne des Art. 14 GG. Dafür, daß dieses Eigentum verschiedenartig bewertet und – gegenüber der Besteuerung – verschieden geschützt wird, gibt Art. 14 GG nach Text, Entstehungsgeschichte und Gewährleistungsinhalt nichts her. Er kennt kein von Verfassungs wegen privilegiertes gegenüber weniger privilegiertem Eigentum je nachdem, ob es der Gegenwert für Erwerbstätigkeit ist, als ruhendes Vermögen innegehabt oder bei Vorgängen am Markt eingesetzt wird. Soweit er „Substanz” von Eigentumspositionen schützt, wird die Substanz des konsolidierten Vermögens nicht mehr geschützt als die Substanz etwa von Lohn- oder Gehaltsforderungen.
Der Senat bricht demgegenüber, ohne daß dies verfassungsrechtlich begründet ist, das konsolidierte Vermögen aus dem Gesamtspektrum des besteuerungsfähigen Vermögens heraus und dekretiert hierfür einen (abgesehen von der Ausnahme der Ziffer 3. d., Entscheidungsumdruck S. 26) absoluten Substanzschutz. Dem Steuergesetzgeber wird vom Grundsatz her ein für allemal eine Zugriffsmöglichkeit auf solches Vermögen entzogen, unabhängig davon, welches Potential an Leistungsfähigkeit in ihm zum Ausdruck kommt. Er wird damit auch gegenüber der Eigendynamik kumulierenden Kapitals von vornherein zur Machtlosigkeit verurteilt.
Dabei bleibt der Eventualvorbehalt des Senats, nachdem unter anderen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen möglicherweise andere Maßgaben gelten (Entscheidungsumdruck S. 21), inhaltsleer und ohne Überzeugungskraft. Schon vom Kriterium her läßt er völlig unbestimmt, was die „steuerlichen Rahmenbedingungen” ausmachen und wann sie als „andere” gelten sollen. Erst wenn etwa Einkommensteuer und indirekte Steuern ganz wegfallen oder schon, wenn sie – in welchem Umfang – ermäßigt werden? Quis iudicabit? Vor allem aber fehlt ihm jegliche verfassungsrechtliche Rückbindung. Die „steuerrechtlichen Rahmenbedingungen” beruhen maßgeblich auf Entscheidungen des Gesetzgebers. Mithin soll der Gesetzgeber durch Änderung der Rahmenbedingungen auch die ihm bei der Steuergesetzgebung gesetzten verfassungsrechtlichen Grenzen verschieben können. Dies ist nicht einsichtig; es ist die Folge daraus, daß der Senat verfassungsrechtliche Vorgaben auch für einzelne Steuern bis hin zu deren Ausgestaltung in einem einfachgesetzlich bestimmten steuerrechtlichen Umfeld entwickelt, statt nur für die Steuerbelastung und deren Grenzen im ganzen. Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG haben nicht einen verschiedenen Inhalt, je nachdem, welche Rahmenbedingungen der Steuergesetzgeber schafft. Der Vorbehalt erscheint so als ein Versuch, strukturelle Schwächen der Begründung der Entscheidung durch eine salvatorische Klausel zu überdecken.
d) Tatsächlich enthält das Grundgesetz ein Verfassungsrecht der Vermögensteuer nicht. Es beläßt für die Ausgestaltung der Steuerrechtsordnung vielmehr einen prinzipiell weiten Spielraum und legt die Entscheidungen zu Gegenstand, Maßgabe und Ausmaß der Besteuerung weitestgehend in die Hände des Gesetzgebers, der für sie und ihre weitreichenden Auswirkungen die politische Verantwortung trägt. Auch die Frage, ob die Vermögensteuer als Sollertrag- oder als Substanzsteuer auszugestalten ist, ist eine Frage der Steuerpolitik und – soweit es um die Klassifizierung geht – der Steuerrechtswissenschaft, nicht aber der Verfassung. Verfassungsrechtlich stößt es deshalb auch nicht auf Bedenken, wenn der Vermögensertrag und das Vermögen als solches als je eigene Steuergegenstände nebeneinander Besteuerungsgrundlage sind. Der Zugriff auf das eine und der Zugriff auf das andere müssen dabei nicht maßstäblich aufeinander bezogen sein. Die Vermögensteuer läßt sich verfassungsrechtlich zulässig als eigenständiger Zugriff auf einen beschränkten Teil des Vermögens begreifen, den der Gesetzgeber nach Maßgabe einer Gesamtbetrachtung des bestehenden Vermögens zusätzlich zu den anderen Steuern vornimmt. Eine Grenze bildet insoweit nur das Verbot übermäßiger Besteuerung (s.o.: a.) sowie Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Gleichfalls keinen Anhaltspunkt in Art. 14 Abs. 1 GG oder anderen Vorschriften des Grundgesetzes findet die vom Senat zusätzlich aufgestellte Maßgabe, nach der den Vermögensinhabern auch rund die Hälfte der Erträge zu belassen ist. Auch insoweit verläßt der Senat die bisher geltenden Maßstäbe, nach denen erst eine erdrosselnde Wirkung die Grenze von Geldleistungspflichten bildet (vgl. BVerfGE 70, 219 ≪230≫; 78, 232 ≪243≫; 82, 159 ≪190≫). Stattdessen setzt er eigene, durch die Verfassung nicht ausgewiesene Angemessenheitserwägungen. Unabhängig von der Höhe des Einkommens und somit auch als Maßgabe jeglicher Progression soll insoweit die verfassungsrechtliche Obergrenze umstandslos bei etwa 50 v.H. liegen. Praktisch legt der Senat damit die derzeit für die Einkommensteuer geltenden Höchstsätze allgemein als äußerste Grenze der Gesamtsteuerbelastung fest, und zwar gerade in bezug auf das Einkommen aus Vermögen, welchem als „fundiertem Einkommen” jedenfalls traditionell eine gesteigerte Steuerkraft zuerkannt wird (vgl. Fux, Die Vermögenssteuer, Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 2, 1927, S. 133 ≪135 f.≫; vgl. auch BVerfGE 43, 1 ≪7≫). Einen gewissen Spielraum verschafft dem Gesetzgeber insoweit nur noch die rechnerische Einbeziehung der Erträge, die er als abziehbare Aufwendungen und sonstige Entlastungen unbesteuert lassen will.
In einer solchen Vorgabe liegt eine ungerechtfertigte Begrenzung des Gesetzgebers. Sie verkennt, daß die Festsetzung der Steuersätze fundamental von wirtschaftlichen wie politischen Daten abhängt, die unter geschichtlichen Bedingungen stehen und sich ändern können. In Zahlen nachrechenbare Maßgaben, die diesem Rechnung tragen, sind weder möglich noch in der Verfassung enthalten. Die Verfassung überläßt es vielmehr einer politisch verantworteten Steuerpolitik, hier in Reaktion auf die jeweilige Situation und unter Rückgriff auf wirtschafts- und sozialpolitische Überzeugungen das zuträgliche Maß zu finden. Infolge der Entscheidung des Senats bleibt demgegenüber für eine solche Politik, die den ökonomisch-sozialen Umständen mit verschiedenen Konzepten Rechnung tragen und auch das Maß der staatlicherseits für alle erbrachten, den Einzelnen entlastenden Infrastrukturleistungen, wie etwa im Ausbildungs- und Hochschulwesen, berücksichtigen können muß, nur noch enger Raum.
3. Die Vorgaben des Senats sind der Einstieg in eine Verfassungsdogmatik der Besteuerung, die den Gesetzgeber bis hin zu Details wie Bewertungsmethoden anleitet. Dies hat nicht nur eine Fesselung des Gesetzgebers bei der Bewältigung künftiger, heute noch nicht übersehbarer Problemlagen zur Folge. Sie zwingt schon das bestehende System der Vermögensbesteuerung in ein Prokrustesbett.
a) Der Senat kann sich für die Qualifizierung der Vermögensteuer als Sollertragsteuer nicht auf ein allgemein anerkanntes Verständnis der bestehenden Gesetzeslage stützen. Die Frage, ob die derzeitige Vermögensteuer als Sollertragsteuer oder Substanzsteuer zu klassifizieren ist, ist nicht eindeutig zu beantworten, weil sie nicht zuletzt von Vorfragen zur Begrifflichkeit abhängt. Einerseits hat sich die Vermögensteuer aus dem Preußischen Ergänzungsteuergesetz von 1893 entwickelt, das vergleichsweise deutlich auch damit begründet wurde, daß diese Steuer nicht Arbeitseinkommen, sondern fundiertes Einkommen belaste und im Ergebnis aus diesem ohne Rücksicht auf den Vermögensstamm auch erbracht werden könne (vgl. Preuß. Haus der Abgeordneten, 1892/93, Aktenstück Nr. 6, S. 519 ff.). Diesen Gedanken nahm gleichfalls die Begründung des Reichsvermögensteuergesetzes von 1922 auf (vgl. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 369, Nr. 2862, S. 14 f.) und auch in einem Gutachten der Steuerreformkommission 1971 wurde ausgeführt, daß die Vermögensteuer grundsätzlich aus den Erträgen des Vermögens gezahlt werden können soll (vgl. Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, Abschnitt VII, Tz. 52 f.) – wobei diese Erwägungen in der Gesetzesbegründung freilich keinen Niederschlag fanden. Andererseits hat sich die Gesetzgebung nie auf den Gedanken der Besteuerung fundierten Einkommens beschränkt und machte ihn auch nicht zum leitenden Maßstab für die nähere Ausgestaltung der Steuer (vgl. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht, Diss. Münster 1984, S. 51 ff.). Insbesondere wurde die Vermögensteuer bewußt stets auch auf ertragsunfähige Vermögensteile erstreckt (vgl. nur § 9 Nr. 4, 7, 8 VStG 1922) und orientierte sich schon in Preußen maßgeblich am Kapitalwert des Vermögens im Tauschverkehr (vgl. Preuß. Haus der Abgeordneten, a.a.O., S. 520). Dezidiert sah gerade auch das genannte Gutachten der Steuerreformkommission 1971 die Rechtfertigung der Vermögensteuer in der besonderen steuerlichen „Leistungsfähigkeit, die das Vermögen als solches verkörpert”. Während der Nachholfunktion zur Einkommensteuer nur „begrenzte Bedeutung” zuzuerkennen sei, sei der „entscheidende Gesichtspunkt” die „in dem Vermögen selbst unabhängig von seinem Ertrag begründete besondere steuerliche Leistungsfähigkeit” (vgl. a.a.O., Abschnitt VII, Tz. 62 und 70; vgl. auch Tz. 64 f., 69). Dementsprechend distanzierte sich der Gesetzgeber von 1974 in der Gesetzesbegründung der heutigen Vermögensteuer ausdrücklich von einer rechtlichen Rückbindung an Erträge und definierte die Vermögensteuer als Besteuerung des Vermögens in seinem Bestand: „Während zunächst die Vermögensteuer als Ergänzung zur Einkommensteuer angesehen wurde …, hat sich die Rechtfertigung der Vermögensteuer gewandelt. Der heutigen Vermögensbesteuerung liegt der Gedanke zugrunde, daß das Vermögen an sich … bereits eine steuerlich relevante Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen darstellt …” (BTDrucks. VI/3418, S. 51).
Obgleich der Senat die derzeitige Form der Vermögensteuer im Ergebnis zu billigen scheint (vgl. Entscheidungsumdruck S. 26), liegt in seiner Entscheidung folglich schon im Blick auf das Grundverständnis der Vermögensteuer eine deutliche Korrektur des Gesetzgebers, dessen Gesetzesbegründung nachträglich für verfassungswidrig erklärt wird. Zugleich verläßt der Senat die bisherige Rechtsprechung. Während in BVerfGE 43, 1 (7) noch davon ausgegangen wurde, daß „die an Vermögenswerte anknüpfende Vermögensteuer rechtlich nicht als Ertragsteuer angelegt” sei und man die Bezugnahme auf die Erträge als politische Richtlinie zum Ausmaß der Besteuerung verstand, wird jetzt die Vermögensteuer verbindlich und maßstäblich auf das Modell einer Sollertragsteuer festgelegt. Zulässig allein als Besteuerung von Sollerträgen ist sie „Vermögensteuer” nur noch in einem formellen Sinne. Die Möglichkeit echter Vermögensteuern, die am Vermögen selbst Maß nehmen, ist demgegenüber als eine der ältesten Steuerarten abgeschafft; der – auch in Art. 106 Abs. 2 GG verwendete – Ausdruck „Vermögensteuer” wird so im Grunde zur Fehlbezeichnung.
b) Die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit, die der Senat für seine Ausführungen in Anspruch nimmt, erhebt dabei die begrifflich klassifikatorische Frage nach dem Charakter der Vermögensteuer zu einer normativ-maßstäblichen. Damit aber erweist sich die bestehende Vermögensteuer nicht nur als Fehlbezeichnung, sondern zu weiten Teilen auch als Fehlkonstruktion. Von der Regelungstechnik und damit auch von ihren inneren Maßgaben her ist die Vermögensteuer nämlich darauf angelegt, auf das Vermögen – und nicht den Vermögensertrag – zuzugreifen, auch wenn der Steuersatz so bemessen ist, daß die Steuerlast in der Regel aus dem Ertrag geleistet werden kann. Bemessungsgrundlage ist nicht ein vom Vermögen her ermittelter Sollertrag, sondern das Vermögen als solches (§ 10 VStG). Das Vermögen wird dabei nicht nur insoweit berücksichtigt, als es als Indikator für eine typisierte Ertragsfähigkeit aussagekräftig ist, sondern wird als Gesamtvermögen erfaßt, einschließlich also der Vermögensbestandteile, die auch bei typisierender Betrachtung keine Erträge bringen (§ 114 BewG). Mit den Vorschriften des Bewertungsgesetzes wird das Vermögen dabei nach denselben Kriterien bewertet, die etwa auch für die Erbschaftsteuer, welche überwiegend als Substanzsteuer angesehen wird, gelten und die Verfahren umfassen, die über die Ertragsfähigkeit eines Vermögensgutes nichts aussagen (so etwa das Sachwertverfahren, §§ 83 ff. BewG). Auch soweit das Ertragswertverfahren (§§ 78 ff. BewG) Anwendung findet, wird dadurch nicht der Ertrag zur Besteuerungsgrundlage, sondern ist der Ertrag nur Grundlage für eine Bestimmung des Wertes des Vermögens in seiner Substanz, der mit Hilfe eines Vervielfältigers und Korrekturvorschriften, die das vom Ertragswert nahegelegte Ergebnis gerade verändern (§§ 80 - 82 BewG), ermittelt wird. Übergreifendes Ziel der Einheitsbewertung von 1964 war dementsprechend, „gleichmäßige, den Verkehrswerten nahekommende Einheitswerte als Grundlage für eine gerechte Besteuerung zu finden” (BTDrucks. IV/1488, S. 31). Eine maßstäbliche Orientierung an dem potentiellen Ertrag ist demgegenüber als Grundlage der Vermögensteuer nicht zu erkennen.
Infolge der vom Senat auf den Weg gebrachten Steuerdogmatik ist diese Konzeption in weiten Teilen wenn nicht verfassungswidrig, so zumindest systematisch verfehlt. Mit dem Hinweis, daß die Ermittlung der Sollerträge grundsätzlich am Tatbestand der Ertragsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes anzusetzen habe und bei dem Steuermaß auch die Besteuerung der tatsächlichen Erträge, auf die es nach der bestehenden Systematik in keiner Weise ankommt, Berücksichtigung finden müsse, macht dies auch der Senat deutlich.
c) Besondere Folgeprobleme produziert die maßstäbliche Festlegung der Vermögensteuer als Sollertragsteuer in Verbindung mit der bestehenden Besteuerung von tatsächlich erzielten Erträgen.
Nach den Vorgaben des Senats liegt in der Vermögensteuer nur der Zugriff auf den fiktiven Ertrag (Sollertrag), der einem Vermögen zugeschrieben wird. Dann aber ist nicht einsichtig, daß der insoweit besteuerte Ertrag in Form der Einkommensteuer nochmals und zusätzlich besteuert werden kann, wenn er tatsächlich realisiert wird. Die Anforderungen an eine gleichmäßige Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) erfordern es dann, diese als abgegolten zu behandeln. Ein sachlicher Grund, den bereits versteuerten Sollertrag nur deshalb noch einmal zu besteuern, weil er auch als Istertrag erwirtschaftet worden ist, ist nicht mehr ersichtlich. Das traditionelle Nebeneinander von Vermögen- und Einkommensteuer, das sowohl für die Preußische Ergänzungsteuer als auch für die Reichsvermögensteuer kennzeichnend war und nur zwischen 1949 und 1974 durch die Möglichkeit, die Vermögensteuer als Sonderabgabe abzuziehen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1950), unterbrochen wurde, wird damit zum Verfassungsproblem.
In den Folgen nicht hinnehmbar wirkt die maßstäbliche Begrenzung der Vermögensteuer auf die Sollerträge insbesondere in Verbindung mit der These des Senats, daß – unter Berücksichtigung der Gesamtsteuerbelastung – den Vermögensinhabern auch etwa die Hälfte der Erträge verbleiben müsse. Gerade Inhaber von besonders hohem Vermögen werden dadurch gegenüber weniger Vermögenden privilegiert und müssen bei entsprechender Anlage keine Vermögensteuer mehr zahlen: Ist ihr Vermögen so angelegt, daß es tatsächlich Erträge abwirft, schöpft bei ihnen aufgrund der Steuerprogression bereits die Einkommensteuer das vom Senat vorgegebene Besteuerungspotential aus; bei weniger vermögenden Anlegern hingegen, die angesichts geringerer Erträge nicht in die oberste Progressionsstufe gelangen, kann die Vermögensteuer Zugriff nehmen. De facto wird damit nicht nur die Möglichkeit einer progressiven Vermögensteuer verfassungsrechtlich abgeschnitten, sondern eine Besteuerung mit degressiver Wirkung nahegelegt. Das Kriterium der Leistungsfähigkeit wird durch die Gewährleistung eines spezifischen Eigentumsschutzes für konsolidiertes Vermögen außer Kurs gesetzt; der ungleiche Eigentumsschutz schlägt sich als Privilegierung der (Groß-)Vermögenden nieder.
In der höchsten Progressionsstufe der Einkommensteuer ist neben der geltenden Besteuerung der Isterträge im Ergebnis des Senats eine Vermögensteuer nur möglich, soweit auf Erträge zugegriffen wird, die als abziehbare Aufwendungen und sonstige Entlastungen von der Einkommensteuer unbesteuert blieben. Dies aber ist vom Ansatz der Besteuerung her sinnwidrig: Abziehbare Aufwendungen und sonstige Entlastungen will der Gesetzgeber gerade nicht steuerlich belasten. Ansonsten bleibt die Vermögensteuer hier darauf beschränkt, Vermögensteile zu erfassen, die keine steuerpflichtigen Erträge abwerfen. Damit aber kommt es entweder auf die je individuellen Entscheidungen zur Diversifikation der Anlageformen an, über die sich einheitliche Aussagen auch typisierend kaum treffen lassen, oder aber man verweist auch insoweit auf die Einräumung einer Verrechnungsmöglichkeit von Ist- und Sollertragsteuern. Eine solche aber hatte der Gesetzgeber 1974 als ungerechtfertigte Privilegierung höherer Einkommen bewußt abgeschafft (vgl. BTDrucks. VII/1470, S. 215 f.).
4. Die Abschaffung echter Vermögensteuern durch deren Umschreibung zu Sollertragsteuern trifft den sozialen Rechtsstaat an einer zentralen Stelle. Sie beschneidet empfindlich das staatliche Potential sozialer Korrekturmöglichkeiten gegenüber der Selbstläufigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die freie Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik beruht auf der für den modernen Staat selbstverständlichen Annahme der rechtlichen Freiheit und Gleichheit aller Bürger. Mit dieser durch die Verfassung gewährleisteten Grundlegung des Gemeinwesens in der Freiheit und Besonderheit des Einzelnen werden gesellschaftliche Ordnungsbildung und Entwicklung weitgehend dem freien Spiel der Konkurrenz und sich hierbei bildender Unterscheidungen überlassen. Die rechtliche Gleichheit verbunden mit der individuellen Handlungs- und Erwerbsfreiheit und der Garantie des Eigentums entbindet eine weitreichende Dynamik und führt unweigerlich zur Entstehung materieller Ungleichheit unter den Bürgern.
Dies ist gewollt und elementarer Inhalt einer freiheitlichen Rechtsordnung. Insoweit bedarf es aber eines Ausgleichs. Wenn Lorenz von Stein schon 1850 formulierte, „das Gesetz, unter dem das Leben Europas begonnen hat, ist das Gesetz, nach welchem die Verteilung der Güter die Gesellschaft und durch sie den Staat beherrscht” (Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd. 3, Ausgabe Salomon, S. 208), erkannte er diese Notwendigkeit gerade in bezug auf die Eigentumsordnung. Im Eigentum gerinnt die Ungleichheit der freigesetzten Gesellschaft zur Materie und wird Ausgangspunkt neuer Ungleichheiten. Stellt man dieses unter Sicherung von dessen unbegrenzter Akkumulation sakrosankt, besteht die Gefahr, daß sich die Ungleichheit ungezügelt potenzieren kann und sich darüber die freiheitliche Rechtsordnung selbst aufhebt.
Das Grundgesetz hat dem durch die Einführung des Sozialstaatsprinzips Rechnung getragen (Art. 20 Abs. 1 GG). Es verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl. BVerfGE 22, 180 ≪204≫). Elementares Mittel und unerläßliche Voraussetzung der – vorrangig dem Gesetzgeber obliegenden – Ausgestaltung des sozialen Ausgleichs ist gerade das Steuerrecht (vgl. Forsthoff, VVDStRL 12 ≪1954≫, S. 8 ≪31 f.≫). Erst durch die Erhebung von Steuern wird der Gesetzgeber zu Sozialleistungen befähigt und kann bedrohliche Entwicklungen der Eigentumsverteilung auch umverteilend korrigieren. Dem Gesetzgeber ist hierbei – wie dargelegt (s.o.: II. 1. und 2.) – sowohl für die Einschätzung der sozialen Konfliktlagen als auch für die Mittel, um auf diese zu reagieren, von der Verfassung ein weiter sozialpolitischer Entscheidungsraum zugedacht. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt, hat hier ihren letzten Grund.
Indem der Senat das einmal erworbene und besteuerte Eigentum als unmittelbaren Gegenstand einer Besteuerung ausscheidet und überdies auch noch annähernd die Hälfte von dessen Erträgen garantiert, greift er in diese Verantwortung des Gesetzgebers über. Er nimmt ihn bei der Mittelbeschaffung verfassungsrechtlich an die kurze Leine und schlägt ihm ein je nach Situation vielleicht wesentliches Mittel für die Bewerkstelligung eines sozialen Ausgleichs aus der Hand. Der Staat kann die Leistungsfähigkeit, die in der Innehabung großer Vermögen liegt, nicht mehr nutzen und wird gegenüber einer möglichen Eigendynamik, die sich aus der Akkumulation von Vermögenswerten ergeben kann, machtlos. Allein auf einen Anteil an den Erträgen verwiesen, ist der Staat insoweit nicht mehr überlegen-ausgleichende Instanz, sondern nur noch stiller Beteiligter einer Eigentümer-Erwerbsgesellschaft.
Dieser disproportionale Schutz der Vermögenden fällt überdies in eine Situation, die hierzu keinen Anlaß gibt. Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit und den großen Belastungen infolge der deutschen Vereinigung besteht ein Ausgleichsbedarf, wie ihn die Geschichte der Bundesrepublik bisher kaum je kannte. Es ist nicht einsichtig, daß angesichts dessen ein gemäßigter Zugriff auf bestehende Vermögensmassen verfassungsrechtlich tabu sein soll. Auch die derzeitige Vermögensverteilung in den alten Bundesländern ist kein Grund, solche Handlungsmöglichkeiten einem Gesetzgeber zu verweigern, der jedenfalls bisher dem Schutz des Vermögens hinreichend Rechnung getragen hat: Immerhin verfügten Ende 1993 5,5 v.H. der privaten Haushalte über 31,7 v.H. bzw. 18,4 v.H. der Haushalte über 60 v.H. des gesamten Nettogeldvermögens, wobei Haushalte mit einem Jahres-Nettoeinkommen von mehr als 420.000 DM – mangels Aussagebereitschaft der Betroffenen – in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt sind. Die Zahlen zum Grundvermögen liegen ähnlich. Auch nimmt diese Konzentration nicht ab, sondern tendenziell eher zu (Nachweise in: Wirtschaft und Statistik, 1985, S. 408 ≪418≫; 1995, S. 391 ≪398 f.≫; S. 488 ≪492 f.≫).
Das Grundgesetz gibt nicht vor, wie der Gesetzgeber seinen sozialpolitischen Auftrag definiert und welche Steuerpolitik er einschlägt. Insbesondere enthält es keine Vorgaben, die das Vermögen als eigenständigen Steuergegenstand ausscheiden und den Gesetzgeber auf die Maßstäbe einer Sollertragsteuer verpflichtet. Dem Gesetzgeber ist vielmehr gerade im Bereich des Steuerrechts ein großer Handlungsspielraum zu belassen. Nur dann wird der Ausgleich der verschiedenen Interessen in der „sozialen Demokratie”, wie ihn erstmals Lorenz von Stein als notwendige Voraussetzung der modernen Gesellschaft erkannte (a.a.O., S. 207), auch auf Dauer gelingen. Mit seinem vermögensschützenden Einstieg in ein Verfassungsrecht der Vermögensteuer geht der Senat hinter diese Erkenntnis zurück.
Unterschriften
Böckenförde (Abweichende Meinung)
Fundstellen
Haufe-Index 305002 |
BStBl II 1995, 655 |
BVerfGE 93, 121-165 (Leitsatz und Gründe) |
BVerfGE, 121 |
BB 1995, 1779 |
DB 1995, 1740-1745 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1995, 1345-1348 (Kurzwiedergabe) |
HFR 1995, 536-540 (Leitsatz und Gründe) |
StE 1995, 542-543 (Kurzwiedergabe) |
NJW 1995, 2615 |
NJW 1995, 2615-2624 (Leitsatz und Gründe) |
EuGRZ 1995, 370 |
EuGRZ 1995, 378 |
NVwZ 1995, 1197 |
NVwZ 1995, 1197 (Leitsatz) |
WiB 1995, 754-756 (Leitsatz und Gründe) |
ZIP 1995, 1337 |
DNotZ 1995, 763 |
JZ 1996, 31 |
JuS 1996, 656 |
GmbHR 1995, 668 |