Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionszulassung. grundsätzliche Bedeutung. Rechtsprechung oberster Bundesgerichte. Erschließungsvertrag. Koppelungsverbot. Nichtigkeit. Erschließungsträger. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. ungerechtfertigte Bereicherung. Ausgleich. Vermögenseinbuße. Vermögensvorteil. Vorteilsanrechnung. Mehrwertsteuer. Vorsteuer. Vorsteuerabzug. Finanzamt. Doppelzahlung. Leistungsbeziehung. Leistungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist regelmäßig auch dann ausgeschlossen, wenn die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage anhand der Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts beantwortet werden kann, das sich mit dieser oder einer gleichgelagerten Rechtsfrage bereits befasst hat und das Bundesverwaltungsgericht dieser Rechtsprechung folgt.
2. Wie im Zivilrecht erfolgt auch beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Erstattungsausgleich grundsätzlich nur innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses. Die (umsatz-)steuerrechtliche Beurteilung ist davon grundsätzlich zu trennen und betrifft regelmäßig allein das Verhältnis des jeweiligen Steuerschuldners zu den Steuerbehörden.
3. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eines Erschließungsträgers gegen eine Gemeinde, der sich aus einem nichtigen Erschließungsvertrag (§ 124 BauGB) ergibt, umfasst auch die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), die der gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigte Erschließungsträger auf die Rechnungen der von ihm beauftragten Unternehmen gezahlt hat. Diese Umsatzsteuer kann von der (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Gemeinde auch dann nicht in Abzug gebracht werden, wenn das Finanzamt dem Erschließungsträger diese Zahlungen als Vorsteuerbeträge erstattet hat.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die vom Finanzamt an den Erschließungsträger erstattete Vorsteuer betrifft dessen Leistungsverhältnis zu seinen Vorunternehmern, nicht aber die Leistungsbeziehung zur Gemeinde auf die sich der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gründet.
2. Die steuerrechtliche Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen dem Erschließungsträger und seinen Vorunternehmern einerseits und zur Gemeinde andererseits betrifft – wie in den Fällen überzahlter Dienst- und Versorgungsbezüge – allein das Verhältnis des jeweiligen Steuerschuldners zum Fiskus. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Nichtigkeit des Erschließungs- und Finanzierungsvertrages Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung der tatsächlich erbrachten Leistungen hat und ob es ggf. einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG bedarf.
Normenkette
VwGO § 132 Abs. 2 Nrn. 1-2; BauGB § 124 Abs. 1-3; BGB § 812 ff.; UStG § 1 Abs. Nr. 1, §§ 15, 17, 17 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.12.2006; Aktenzeichen 10 B 13/05) |
VG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 02.09.2002; Aktenzeichen 7 K 3845/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 1 626 894,04 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Der Kläger ist Insolvenzverwalter eines Erschließungsträgers, der im Jahr 1994 in einem mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Gemeinde geschlossenen Erschließungs- und Finanzierungsvertrag von dieser mit der Erschließung eines Industrie- und Gewerbegebietes beauftragt worden war. Die Abnahme der Erschließungsleistungen erfolgte Ende 1996. Über ihre Abrechnung kam es zum Streit. Auf die Klage des Erschließungsträgers hin hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Zahlung von rd. 3,18 Mio. DM (umgerechnet rd. 1,6 Mio. €) zuzüglich Prozesszinsen verurteilt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Erschließungs- und Finanzierungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen das sog. Koppelungsverbot nichtig (§ 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB, § 59 VwVfGBbg i.V.m. § 134 BGB). Daher stehe dem Kläger ein Zahlungsanspruch aufgrund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu. Da die Beklagte den erlangten Vorteil nicht mehr herausgeben könne, habe sie analog § 818 Abs. 2 BGB den Wert der Leistung zu ersetzen. Dieser bestehe darin, dass sie eigene Leistungen für die Erschließung des Gebietes erspart habe. Der Erstattungsanspruch bestehe mithin in der Höhe, in der die Beklagte bei zeitgerechter und sachgemäßer Wahrnehmung der Aufgabe Aufwendungen gehabt hätte. Dies wird vom Oberverwaltungsgericht im Einzelnen anhand der in Rechnung gestellten Leistungen dargelegt unter Zurückweisung verschiedener, von der Beklagten als abzugsfähig geltend gemachter Rechnungsposten, darunter den folgenden: Der Erstattungsanspruch umfasse auch die Mehrwertsteuerbeträge; diese seien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht abzuziehen, weil der Erschließungsträger sie ausweislich der vorliegenden Rechnungen der von ihm beauftragten Unternehmer gezahlt habe und nichts dafür ersichtlich sei, dass die Beklagte selbst die Mehrwertsteuer nicht hätte tragen müssen. Daher habe mit Blick auf einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag der Beklagten als wahr unterstellt werden können, dass die in den Rechnungen genannten Umsatzsteuerbeträge vom Finanzamt an den Erschließungsträger erstattet worden seien. Ebenfalls nicht abzuziehen seien Zahlungen auf den Erschließungsaufwand, die von Fremdanliegern und Grundstückskäufern aufgrund von Verträgen mit dem Erschließungsträger an diesen geleistet worden seien. Diese Zahlungen stellten keine Leistungen der Beklagten an den Erschließungsträger dar.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen (auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2007) nicht die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Die Beschwerde betrifft revisibles Recht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts teilt der hier in Rede stehende allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als gleichsam umgekehrter Leistungsanspruch dessen Rechtsqualität (vgl. Urteile vom 14. April 1978 – BVerwG 4 C 6.76 – BVerwGE 55, 337 ≪339 f.≫ und vom 16. Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – BVerwGE 111, 162 ≪172≫). Der hier geschlossene Erschließungs- und Finanzierungsvertrag richtet sich im Wesentlichen nach den bundesrechtlichen Vorgaben in § 124 Abs. 1 bis 4 BauGB. Mithin unterliegen auch die sich aus diesem Vertrag ergebenden Leistungs- und Erstattungsansprüche der revisionsgerichtlichen Überprüfung.
1. Soweit die Beschwerde die Rüge der Divergenz erhebt (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Zwar zitiert die Beschwerde Aussagen des Berufungsurteils zum Inhalt des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, wonach dieser die Mehrwertsteuer nicht einschließe, und führt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 1988 (BVerwG 4 C 5.86 – BVerwGE 80, 170 ≪177≫) an, von der das Berufungsurteil nach ihrer Ansicht abweicht. Sie benennt aber (Beschwerdebegründung S. 14) keinen abstrakten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts aus dieser Entscheidung, zu dem sich das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil mit einem ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt haben soll.
Umgekehrt zitiert die Beschwerde Aussagen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 1975 (BVerwG 6 C 163.73 – BVerwGE 48, 279 ≪286 f.≫), doch stellt sie diesen Aussagen lediglich von ihr selbst formulierte – mehrfach leicht abgewandelte, aber inhaltlich gleiche – Rechtssätze entgegen (Beschwerdebegründung S. 15 f.), die im Berufungsurteil so nicht enthalten sind. Das Berufungsgericht hat namentlich weder einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass der “öffentlich-rechtliche Bereicherungsanspruch (…) nicht die Aufwands- und Ausgleichspositionen (umfasst), die bereits von dritter Seite an den Bereicherungsgläubiger (…) gezahlt worden sind”, noch hat es den abstrakten Rechtssatz formuliert, dass “der öffentlich-rechtliche Bereicherungsanspruch zu Lasten des Bereicherungsschuldners durch Leistungen Dritter an den Bereicherungsgläubiger, die (…) explizit auf dessen Aufwendungen, die den Bereicherungsanspruch der Höhe nach begründen, gezahlt worden sind oder die zur anteiligen Erstattung der dort enthaltenen abziehbaren Vorsteuern dienen, gemindert bzw. begrenzt” wird. Die Beschwerdebegründung wendet sich vielmehr gegen die Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Rechtssätze auf den konkreten Streitfall. Das genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenzrüge i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14 = NJW 1997, 3328). Hinzu kommt, dass die von der Beschwerde zitierten Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts, nämlich dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gegeben sei, “wenn die Gerechtigkeit einen Ausgleich der mit der Rechtslage nicht mehr übereinstimmenden Vermögenslage erfordert” und dass er eine “rechtsgrundlose unmittelbare Vermögensverschiebung” voraussetze (Urteil vom 9. Juni 1975 a.a.O. S. 286), von derart abstraktem Inhalt sind, dass nicht ersichtlich ist, dass die vermeintlich abweichenden Rechtssätze des Berufungsurteils bzw. die Rechtsanwendung und Subsumtion des Berufungsgerichts dazu in Widerspruch stehen.
2. Der Beschwerde kommt auch nicht die von ihr geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde hält sinngemäß die – ebenfalls mehrfach leicht abgewandelte, aber inhaltlich gleiche – Frage für klärungsbedürftig,
ob der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auch Mehrwertsteuerbeträge umfasst, die der vorsteuerabzugsberechtigte Erstattungsgläubiger auf die Rechnungen der von ihm beauftragten Unternehmer gezahlt hat und die ihm vom Finanzamt wieder erstattet worden sind.
Die Beschwerde meint, die Frage sei – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – zu verneinen, weil anderenfalls der Erstattungsgläubiger die Mehrwertsteuerbeträge doppelt erhalte, nämlich zum einen vom Finanzamt und zum zweiten vom Erstattungsschuldner.
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie anhand vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung und anhand des allgemein anerkannten Meinungsstandes im Schrifttum beantwortet werden kann, und zwar im Sinne des Berufungsgerichts.
Zwar liegt zu der konkret aufgeworfenen Frage keine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Doch kann ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf auch dann zu verneinen sein, wenn die Frage durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts geklärt ist, das sich mit dieser oder mit einer gleichgelagerten Rechtsfrage bereits befasst hat, und das angerufene oberste Bundesgericht dieser Rechtsprechung folgt (vgl. Beschluss vom 6. März 2006 – BVerwG 10 B 80.05 – Buchholz 424.01 § 29 FlurbG Nr. 1 S. 1 = BayVBl 2007, 472). Denn als anders als die Divergenzrüge, die die Überprüfung abweichender Entscheidungen innerhalb derselben Gerichtsbarkeit ermöglichen soll, ist die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht rechtswegbezogen. Daher kann im vorliegenden Fall zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen auch die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum zivilrechtlichen Bereicherungsrecht gemäß den §§ 812 ff. BGB herangezogen werden, auf deren entsprechenden Anwendung – dazu sogleich – der streitgegenständliche allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch beruht.
aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es sich bei dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um ein aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts handelt, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind (vgl. etwa § 12 BBesG), denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen (vgl. Urteile vom 12. März 1985 – BVerwG 7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85 ≪88≫, vom 30. November 1990 – BVerwG 7 A 1.90 – BVerwGE 87, 169 ≪172≫, vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 56.93 – BVerwGE 100, 56 ≪59≫ und vom 18. Januar 2001 – BVerwG 3 C 7.00 – BVerwGE 112, 351 ≪353 f.≫). Ausnahmen davon hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich dann anerkannt, wenn und soweit den §§ 812 ff. BGB eine abweichende Interessenwertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (Urteil vom 12. März 1985 a.a.O. S. 88 ff. zum Wegfall der Bereicherung); für eine solche Ausnahmesituation ist hier indes nichts ersichtlich.
Was die steuerrechtliche Beurteilung des rechtsgrundlosen Leistungsverhältnisses betrifft, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Fälle überzahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG) geklärt, dass der Erstattungsanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten (bzw. Versorgungsempfänger) den Bruttobetrag der Dienst- oder Versorgungsbezüge umfasst; es sind also auch die vom Beamten geschuldeten (Lohn-)Steuerbeträge zu erstatten, die der Dienstherr von den Dienst- und Versorgungsbezügen als Lohnsteuer abzieht und an den Fiskus abführt (vgl. Urteile vom 12. Mai 1966 – BVerwG 2 C 197.62 – BVerwGE 24, 92 ≪104 ff.≫ und vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 2 C 21.97 – Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 25 S. 13; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1977 – 2 BvR 407/76 – BVerfGE 46, 97 ≪115 ff.≫). Denn mit der Steuerzahlung seines Dienstherrn wird der Beamte von seiner eigenen Steuerschuld befreit. Die in steuerrechtlichen Vorschriften getroffenen Regelungen zum Abzug und zur Abführung der Steuerbeträge betreffen danach nur das Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Finanzamt einerseits und dem Steuerschuldner (Beamten) bzw. dem Steuerhaftenden (Dienstherrn) andererseits, nicht aber die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten; sie betreffen also nicht das zugrunde liegende Leistungsverhältnis, das mit dem Erstattungsanspruch der Rückabwicklung zugeführt wird (vgl. Franke, ZBR 2001, 86; Mayer in: Schwegmann/Summer, BBesG, Bd. I, Stand: April 2007, § 12 Rn. 35). Entsprechend ist auch für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass dieser seiner Funktion, eine dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebung zu korrigieren, nur unter Berücksichtigung derjenigen Rechtsbeziehungen erfüllen kann, in denen es zu dieser Vermögensverschiebung gekommen ist (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2004 – BVerwG 5 C 71.03 – Buchholz 436.0 § 19 BSHG Nr. 11 S. 3 = NVwZ-RR 2005, 416 ≪417≫; ferner VGH Mannheim, Urteil vom 18. Oktober 1990 – 2 S 2098/89 – NVwZ 1991, 583 ≪588≫).
Für den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch wiederum entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der bereicherungsrechtliche Ausgleich in Mehrpersonenverhältnissen – bei Leistungsketten wie bei Durchlieferungs- und Anweisungsfällen – grundsätzlich im jeweiligen Leistungsverhältnis zu erfolgen hat (vgl. aus jüngerer Zeit etwa BGH, Urteil vom 5. November 2002 – XI ZR 381/01 – BGHZ 152, 307 ≪311≫ m.w.N. auch zu den Ausnahmefällen). Weiter ist anerkannt, dass bei einem Bereicherungsanspruch keine Differenzbetrachtung anzustellen ist, nach der sich der Bereicherungsgläubiger etwaige mit der streitigen Vermögensverschiebung unmittelbar zusammenhängende Vermögensvorteile anrechnen lassen muss. Eine solche Vorteilsanrechnung findet im Rahmen des Bereicherungsrechts – anders als im Schadensersatzrecht – nicht statt (BGH, Urteile vom 21. Dezember 1961 – III ZR 130/60 – BGHZ 36, 232 ≪233≫, vom 28. Juni 1967 – VIII ZR 59/65 – NJW 1968, 197 und vom 5. November 2002 a.a.O. S. 315 f.). Danach kann ein Bereicherungsanspruch auch höher sein als der “Verlust” des Bereicherungsgläubigers (BGH, Urteil vom 13. Mai 1955 – V ZR 36/54 – BGHZ 17, 236 ≪239≫); der Bereicherungsschuldner kann den Bereicherungsgläubiger regelmäßig nicht darauf verweisen, dass Letzterer die Vermögenseinbuße abgewälzt habe (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1961 a.a.O.). Für eine Anrechnung von Zahlungen oder Erstattungen Dritter jenseits der streitgegenständlichen Leistungsbeziehung ist infolgedessen von vornherein kein Raum (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2002 a.a.O. S. 316).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen wird deutlich, dass der Beschwerde in mehrfacher Hinsicht eine unzutreffende Sichtweise zugrunde liegt:
Die Beschwerde geht – erstens – schon vom Ansatz her fehl, wenn sie den von ihr geltend gemachten Abzug der Mehrwertsteuerbeträge damit begründet, dass der Gläubiger des Erstattungsanspruchs die Mehrwertsteuer ansonsten doppelt erstattet bekomme. Diese Argumentation beruht auf einem Fehlverständnis des Erstattungsanspruchs. Denn anders als (Schadens-)Ersatzansprüche zielt der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch – ebenso wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch – nicht auf den Ausgleich einer beim Gläubiger entstandenen Vermögenseinbuße, sondern auf die Rückabwicklung eines dem Schuldner nicht gebührenden Vermögenszuwachses (Beschluss vom 27. Januar 2006 – BVerwG 6 P 5.05 – NVwZ 2006, 835 ≪836≫). Der Blick des Erstattungsanspruchs ist nicht auf die Vermögenslage beim Gläubiger des Anspruchs, sondern auf die beim Schuldner gerichtet.
Zum Zweiten begehrt die Beschwerde mit dem von ihr geforderten Abzug der Mehrwertsteuerbeträge von dem streitgegenständlichen Erstattungsanspruch eine Vorteilsanrechnung (nämlich die Berücksichtigung der vom Finanzamt an den Erschließungsträger zurückerstatteten Vorsteuerbeträge), die nach dem Vorstehenden im Bereicherungsrecht – wiederum anders als im Schadensersatzrecht – gerade nicht stattfindet.
Zum Dritten verkennt die Beschwerde, dass sie eine Zahlung (Erstattung der Vorsteuer durch den Fiskus) in den Erstattungsanspruch einzubeziehen versucht, der nicht das Leistungsverhältnis zwischen dem Erschließungsträger und der Beklagten betrifft und deshalb dem oben bezeichneten, auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gültigen Grundsatz zuwiderläuft, dass der Bereicherungs-/Erstattungsausgleich nur in dem jeweiligen (unwirksamen) Leistungsverhältnis erfolgt.
Die gegenteilige Annahme der Beschwerde beruht – viertens und letztens – auf einem Missverständnis des Wesens und der Funktion des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 UStG: Die im Streitfall vom Finanzamt an den vorsteuerabzugsberechtigten Erschließungsträger erstattete Vorsteuer ist nicht diejenige Mehrwertsteuer, die die Beklagte dem Erschließungsträger für die von ihm an sie erbrachte Leistung schuldet, sondern die der Erschließungsträger den von ihm beauftragten Unternehmern in den dieser Leistung vorgelagerten Leistungsverhältnissen schuldete. Nach dem im deutschen Umsatzsteuerrecht geltenden Prinzip der Allphasennettobesteuerung wird die Umsatzsteuer grundsätzlich auf jeder Umsatzstufe innerhalb einer Leistungskette erhoben, d.h. auf jede Leistung eines Unternehmers (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), auch wenn diese Leistung gegenüber einem anderen Unternehmer und nicht gegenüber einem privaten Verbraucher erbracht wird. Letztlich belastet werden soll mit der Umsatzsteuer aber allein der private Endverbraucher. Dies wird – das ist der Sinn und Zweck des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 UStG – dadurch erreicht, dass jeder Unternehmer, der seinerseits nur Durchgangsstation in der Leistungskette ist, die ihm von seinen Vorunternehmern in Rechnung gestellte “fremde” Umsatzsteuer (daher der Name “Vorsteuer”) vom Finanzamt erstattet erhält (vgl. dazu Zeuner, in: Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl. 2005, § 1 Rn. 18 ff.; Birk, Steuerrecht, 10. Aufl. 2007, Rn. 1275, 1283; Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerecht, 18. Aufl. 2005, § 14 Rz. 3 S. 503 ff.). Danach betrifft die hier in Rede stehende, vom Finanzamt an den Erschließungsträger erstattete Vorsteuer eine andere Leistungsbeziehung, nämlich dessen Leistungsverhältnis zu seinen Vorunternehmern, nicht aber diejenige zur Beklagten.
Das wirtschaftliche Endergebnis im Streitfall ist danach, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch auch die Mehrwertsteuer umfasst und dass die Beklagte insgesamt in einer Höhe belastet wird, wie wenn sie die Erschließung des fraglichen Gebiets selbst durchgeführt hätte. Das ist auch das umsatzsteuerrechtlich gewollte Ergebnis, da die Beklagte nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, mithin sie in diesem Fall mit der Mehrwertsteuer belastet geblieben wäre. Diese Folge muss die Beklagte auch dann hinnehmen, wenn ihre Rechtsvorgängerin den fehlgeschlagenen Erschließungs- und Finanzierungsvertrag – wie die Beschwerde geltend macht – gerade in der Intention abgeschlossen haben mag, durch Einschaltung des Erschließungsträgers den Anfall der Mehrwertsteuer zu vermeiden und diesen Aufwand einzusparen. Denn der erwähnte Vertrag ist – wie zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist – nichtig mit der Folge, dass die Beklagte daraus nichts für sich herleiten kann. Es liefe der an den Verstoß gegen das Koppelungsverbot anknüpfenden Rechtsfolge der Nichtigkeit dieses Vertrages zuwider, wenn die Beklagte, folgte man der Beschwerde, das mit diesem Vertrag angestrebte wirtschaftliche Ziel dennoch erreichte.
Nach all dem bleibt der Einwand der Beschwerde, es gelte eine “doppelte” Zahlung der Mehrwertsteuerbeträge an den Erschließungsträger – einerseits durch die Beklagte, andererseits durch das Finanzamt – zu verhindern, für den streitgegenständlichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ohne Bedeutung. Die steuerrechtliche Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen dem Erschließungsträger und seinen Vor-Unternehmern einerseits und zur Beklagten andererseits betrifft – wie in den Fällen überzahlter Dienst- und Versorgungsbezüge – allein das Verhältnis des jeweiligen Steuerschuldners zum Fiskus. Es bedarf hier daher keiner Entscheidung, ob die Nichtigkeit des Erschließungs- und Finanzierungsvertrages Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung der tatsächlich erbrachten Leistungen hat und ob es ggf. einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG bedarf (vgl. dazu Zeuner, a.a.O., § 1 Rn. 25; ferner Schön, Steuern im Bereicherungsrecht, ZHR Bd. 155 ≪1991≫ S. 247 ff. ≪252, 254 f.≫, jeweils unter Hinweis auf § 41 Abs. 1 AO). Ob Letzteres erforderlich ist und überhaupt (nämlich in nichtverjährter Zeit) noch möglich ist, ist für den Streitfall unerheblich.
b) Die Beschwerde hält weiter sinngemäß die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob im Rahmen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch andere Zahlungen Dritter an den Bereicherungsgläubiger auf die Schuld, die die zu erstattende Vermögensverschiebung bildet, zu berücksichtigen sind.
Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Nach den das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) haben die mit der Frage angesprochenen Fremdanlieger und Grundstückskäufer aufgrund von Verträgen mit dem Erschließungsträger an diesen gezahlt; diese Zahlungen stellten keine Leistungen der Beklagten an den Erschließungsträger dar, weil sie ausschließlich auf vertraglichen Abreden des Erschließungsträgers mit den Fremdanliegern und Erwerbern beruhten (UA S. 55). Nach den oben wiedergegebenen – im zivilen Bereicherungsrecht wie im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse geltenden – Grundsätzen hat der Bereicherungs-/Erstattungsausgleich aber grundsätzlich im Rahmen der jeweiligen Leistungsverhältnisses zu erfolgen. Das Berufungsgericht hat daher diese Zahlungen Dritter zu Recht nicht als erstattungsmindernd berücksichtigt. Dass und warum hier eine von diesem Grundsatz abweichende Ausnahmekonstellation vorläge, wird von der Beschwerde nicht hinreichend dargelegt. Für einen weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf ist auch sonst nichts ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 bis 3, § 72 Nr. 1 Halbs. 2 GKG n.F. und entspricht der erstinstanzlich geltend gemachten Klageforderung, die hinter den nach der Beschwerdebegründung (S. 2) abzuziehenden Beträgen der Mehrwertsteuer (rd. 2,2 Mio. DM) und Zahlungen Dritter (4,6 Mio. DM) zurückbleibt.
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Domgörgen
Fundstellen
Haufe-Index 1849998 |
BFH/NV Beilage 2008, 177 |
BauR 2008, 476 |
IBR 2008, 295 |
ZKF 2008, 214 |
BayVBl. 2008, 443 |
DVBl. 2008, 132 |
BFH/NV-Beilage 2008, 177 |
GK/Bay 2008, 385 |