BMF, Schreiben v. 8.6.1999, IV C 2 - S 2244 - 12/99, BStBl I 1999, 545
Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hat in jüngster Zeit in mehreren Urteilen zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten gemäß § 17 Abs. 2 EStG in den Fällen des Darlehensverlustes eines wesentlich i.S. des § 17 EStG beteiligten Gesellschafters Stellung genommen (Urteile vom 24.4.1997, VIII R 16/94 () und vom 24.4.1997, VIII R 23/93; vom 4.11.1997, VIII R 18/94 sowie vom 10.11.1998, VIII R 6/96.
Nach den in diesen Urteilen zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätzen gehören zu den Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Danach zählt zu diesen Aufwendungen auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen. Nach Auffassung des BFH muß der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG weit ausgelegt werden, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden kann. Dem durch die Beteiligung veranlaßten Ertrag ist der durch sie veranlaßte Aufwand gegenüberzustellen. Als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG kommen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse oder verdeckte Einlagen zu werten sind, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte Aufwendungen des Gesellschafters, sofern diese nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Veräußerungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG sind.
Ein Darlehen ist nach Auffassung des BFH durch das Gesellschaftsverhältnis u.a. dann veranlaßt, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Gesellschaft entweder konkursreif ist oder wenn die Konkursreife zwar noch nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehens aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, daß ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Nach Auffassung des BFH ist dies im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen danach zu beurteilen, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte.
Was im Fall der Hingabe des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gilt, gilt nach Auffassung des BFH auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehenläßt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, daß die Rückzahlung gefährdet sein wird.
Im einzelnen unterscheidet der BFH für die Frage des Umfangs nachträglichen Anschaffungskosten vier Fallgruppen:
a) Hingabe des Darlehens in der Krise
Im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise ist nach Auffassung des BFH für die Höhe der Anschaffungskosten dessen Nennwert maßgeblich.
b) Stehengelassene Darlehen
Im Falle eines stehengelassenen Darlehens ist grundsätzlich der gemeine Wert in dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht; dies kann ein Wert erheblich unter dem Nennwert des Darlehens, im Einzelfall sogar ein Wert von 0 DM sein.
c) Krisenbestimmte Darlehen
Auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, kann nach Auffassung des BFH verzichtet werden, wenn der Gesellschafter schon in einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, daß er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde (sog. „krisenbestimmtes” Darlehen). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Erklärung im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung abgegeben wurde. Denn zu einer solchen Erklärung wäre ein Darlehensgeber, der nicht auch Gesellschafter ist, mit Rücksicht auf das ihm bei Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs regelmäßig zustehende außerordentliche Kündigungsrecht im allgemeinen nicht bereit. Fällt der Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft mit einem solchen „krisenbestimmten” Darlehen aus, führt das im allgemeinen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts des Darlehens. Das beruht nach Auffassung des BFH auf der Erwägung, daß bei den „krisenbestimmten” Darlehen die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise eintritt und deshalb der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruht, womit sich diese Fallgruppe wesentlich von derjenigen der „stehengelassenen” Darlehen unters...