Joachim Patt, Fabian Bernhagen
Tz. 15b
Stand: EL 112 – ET: 12/2023
Von Ges wegen entstehen sperrfristverhaftete "beruhende Anteile" aus einer Weitereinbringung originär oder derivativ sperrfristverhafteter Anteile gem § 20 Abs 1, § 21 Abs 1 S 2 UmwStG zum Bw (s Tz 15). Diese Vorgänge werden nämlich als für Zwecke des § 22 Abs 1 und 2 UmwStG "unschädliche" Anteilsübertragungen angesehen (s Tz 33, 41 und 42) mit der Folge, dass sich die Sperrfristverhaftung an den "beruhenden" Anteilen fortsetzt. Im Schrifttum wird verbreitet gefordert, dass im Anschluss an die Sacheinlage, die zum Entstehen der sperrfristverhafteten Anteile iSd § 22 UmwStG geführt hat, nachfolgende andere Bw-Umwandlungen (die nicht in § 22 Abs 1 S 6 Nr 2 UmwStG genannt sind) ebenso keinen Einbringungsgewinn auslösen sollten (tw aufgr einer einschr Auslegung des Veräußerungsbegriffs iSd § 22 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 UmwStG oder aus grds Erwägungen, nach denen – isoliert betrachtet st-neutrale begünstigte – Umw nicht zum Verlust der Begünstigung einer vorhergehenden Umwandlung wegen Missbrauchs führen dürfte; zB s Stangl, Ubg 2009, 698; s Kutt/Jehke, BB 2010, 474; s Körner, DStR 2010, 897; ders, DB 2010, 1315; s Hageböke, Ubg 2011, 689; ebenso s Tz 33). Die FinVerw kommt dem im begrenzten Umfang nach und bestimmt, dass aus Billigkeitsgründen auch bei bestimmten anderen als in den § 22 Abs 1 S 6 Nr 2, 4 und 5 UmwStG angeführten Bw-Umw, auf Antrag von einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung abgesehen werden kann (s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.23). Als Bsp werden genannt: Umw einer einbringenden Kap-Ges auf eine andere Kap-Ges durch (Seitwärts-)Verschmelzung und Umw der übernehmenden Gesellschaft auf eine andere Kap-Ges durch Verschmelzung (nicht jedoch im Wege der Abspaltung, s Vfg der OFD Nds v 22.08.2014, DB 2014, 2256, bundeseinheitlich). Aus den Bsp ergibt sich, dass die FinVerw die genannten Vorgänge dem Grunde nach als Veräußerung iSd § 22 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 UmwStG wertet (ebenso s UmwSt-Erl 2011 Rn 00.02 und 00.03) und das Absehen von einer nachträglichen Einbringungsgewinnversteuerung folglich keine Ges-Auslegung, sondern nur als Billigkeitsmaßnahme erfolgt (iSd § 163 Abs 1 AO; in den Verw-Anweisungen auch selbst als "Billigkeitsregelung" bezeichnet, zB s Vfg der OFD Nds v 22.08.2014, DB 2014, 2256; ebenso die hA, zB s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 69; s Schmitt, in S/H/S, 8. Aufl, § 22 UmwStG Rn 35a-35c; s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 149). Es wird angeraten, diese Billigkeitsregelung im Vorfeld einer geplanten Umstrukturierungsmaßnahme durch eine verbindliche Auskunft verfahrensrechtlich abzusichern (zB s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 148, 161, 223 und s Vor §§ 20–23 UmwStG Tz 13c).
Voraussetzung für die "Unschädlichkeit" von Folgeumwandlungen auf die nachträgliche Einbringungsgewinnbesteuerung und somit Annahme sperrfristverhafteter "beruhender Anteile" aus diesen Vorgängen gem der Billigkeitsregelung der Fin-Verw im UmwSt-Erl 2011 (s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.23 und s Vfg der OFD Nds v 22.08.2014, DB 2014, 2256, bundeseinheitlich, Ergänzung zu einem Abspaltungsfall) ist, dass
- die Umwandlung zu Bw erfolgt und
- dabei neue Anteile/Mitgliedschaften an Kap-Ges/Genossenschaften gewährt werden,
- ein übereinstimmender Antrag aller Personen, bei denen ein Einbringungsgewinn rückwirkend zu versteuern wäre, auf Anwendung der Billigkeitsregelung vorliegt und
- hinsichtlich der sperrfristbehafteten Anteile eine Statusverbesserung nicht eintritt (dh die Besteuerung des Einbringungsgewinns I bzw II nicht verhindert wird) und
- sich keine stillen Reserven von den sperrfristbehafteten Anteilen auf Anteile eines Dritten verlagern und
- dt Besteuerungsrechte nicht ausgeschlossen oder eingeschr werden und
- die Antragsteller sich damit einverstanden erklären, dass auf alle unmittelbaren oder mittelbaren Anteile an einer an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft (ohne Anteile am Einbringenden) die Regelungen des § 22 Abs 1 und Abs 2 UmwStG entspr anzuwenden ist (ausführlich zu den einzelnen Anforderungen der Fin-Verw an die Billigkeitsmaßnahme s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 57ff und s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 149ff).
Bei Anwendung der Billigkeitsregelung kommt es nicht zu einem sperrfristschädlichen Vorgang durch die Folgeumwandlung und es entstehen "beruhende Anteile" aus der Umstrukturierung, die für den Rest der (originären) Sieben-Jahres-Frist sperrfristverhaftet sind (auch die Nachw-Pflicht des § 22 Abs 3 UmwStG dürfte für diese Anteile gelten, s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 201). Schließlich soll die Billigkeitsregelung generell ausgeschlossen sein, wenn in einer Gesamtschau die Umwandlung der Veräußerung des eingebrachten Vermögens dient (als Bsp wird die Trennung von Gesellschafterstämmen genannt, auch wenn diese nach § 15 UmwStG st-neutral erfolgen kann; s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.23, 4. Abs).
Tz. 15c
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Der Grundgedanke der Billigkeitsregelung der Fin-Verw, bei bestimmten st-n...