Ewald Dötsch, Alexandra Pung
Tz. 230
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Mehrmütterorganschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer gew Unternehmen zu einer GbR mit dem Zweck der einheitlichen Willensbildung ggü einer Kap-Ges. Die GbR ist eine reine Innengesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb, es fehlt eine gew Tätigkeit iSd § 15 EStG, die nach dem Beschl des BFH v 25.06.1984 (BStBl II 1984, 751) zwingende Voraussetzung für das Vorliegen von Eink aus Gew ist. Der BFH hat jedoch in einer teleologisch reduzierten Auslegung des § 14 Nr 1 und 2 KStG aF die Mehrmütterorganschaft kstlich anerkannt (s Urt v 14.04.1993, BStBl II 1994, 124 und s Urt v 27.11.2008, BFH/NV 2009, 791). Dem Erfordernis des og Beschl des BFH v 25.06.1984 (BStBl II 1984, 751), dass die Eink der Gesellschafter einer PersGes durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit bestimmt werden, wird bei der Mehrmütterorganschaft dadurch Rechnung getragen, dass die in der GbR zusammen geschlossenen Personen gew Unternehmen unterhalten und diese von den Gesellschaftern der GbR verwirklichten Tatbestandsmerkmale der GbR zuzurechnen sind.
Tz. 231
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Die Fin-Verw hatte die von der Rspr entwickelten Grundsätze als Verw-Anw (s R 52 Abs 6 und 7 KStR 1995) zusammengefasst. Hiernach wurde die GbR als OT der OG behandelt.
Bei der GbR wurde das ihr zugerechnete Einkommen der OG gesondert und einheitlich festgestellt und den einzelnen Gesellschaftern der OG anteilig zugerechnet. Zur GewSt wurde die GbR als OT mit dem ihr zugerechneten Gewerbeertrag der OG herangezogen. Das führte bei Verlusten der OG dazu, dass sie zwar kst- bzw estlich für einen Verlustausgleich mit positiven anderen Eink ihrer Gesellschafter zur Verfügung standen, gewstlich hingegen war eine derartige Verrechnung nicht möglich.
Abw von der dargestellten Rechtsanwendung kam der BFH in zwei zur GewSt ergangenen Urt (s Urt des BFH v 09.06.1999, BStBl II 2000, 695 und BFH/NV 2000, 347) zu dem Ergebnis, dass nach der sog Lehre von der mehrfachen Abhängigkeit bei der Mehrmütterorganschaft die Beteiligungen der lediglich zur einheitlichen Willensbildung in einer GbR zusammengeschlossenen Gesellschaften an der nachgeschalteten OG unmittelbar den MG zuzurechnen sind. Sonach besteht die Organschaft zu den MG und nicht zu der GbR. Die den jeweiligen MG anteilig zuzurechnenden Gewerbeerträge sind einheitlich und gesondert festzustellen.
Für die kstliche Organschaft hatten diese Urt keine materiellen Folgen, es waren lediglich die anteilig den einzelnen OT zuzurechnenden Einkommensbeträge nicht mehr bei der PersGes, sondern bei der OG festzustellen. Materielle Bedeutung hatten diese Urt aber für die GewSt, zu der bisher die GbR als OT herangezogen wurde, während jetzt der Gewerbeertrag der OG anteilig den jeweiligen MG zuzurechnen war. Insbes Gewerbeverluste der OG, die bisher bei der GbR als OT erfasst wurden und dort häufig stlich nicht genutzt werden konnten, konnten nunmehr auf Grund der neuen Rspr die MG jetzt als OT mit eigenen positiven Gewerbeerträgen verrechnen.
Tz. 232
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Zeitgleich mit der Veröffentlichung eines der beiden oa Urt hat das BMF (s Schr des BMF v 04.12.2000, BStBl I 2000, 1571) angeordnet, die Grundsätze der beiden BFH-Urt bis auf weiteres nicht anzuwenden. Mit diesem Schr wurde eine ges Neuregelung der Mehrmütterorganschaft angekündigt, die evtl auch die Vergangenheit mit einbeziehen sollte.
Diese ges Neuregelung ist durch das UntStFG iVm dem StVBG verwirklicht worden. Hiernach gilt Folgendes:
Für VZ 2000 und früher enthält § 34 Abs 9 Nr 1 KStG aF eine eigene Neufassung des § 14 KStG,
§ 14 Abs 1 und 2 KStG nF sind ab dem VZ 2001 anzuwenden – Abs 2 gilt allerdings nur bis zum VZ 2002 – (s § 34 Abs 9 Nr 2 iVm Nr 4 KStG aF). Nach Auff des BFH (s Urt des BFH v 14.03.2006, BStBl II 2006, 549; weiter s Beschl des BFH v 22.02.2006, BStBl II 2006, 546) ist die Rückwirkung der von der in Tz 230 zitierten früheren Rspr des BFH abw ges Regelung der Mehrmütterorganschaft für Erhebungszeiträume vor 2002 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dazu s Nichtannahme-Beschl des BVerfG v 10.07.2009 (Az: 1 BvR 1416/06) und v 15.10.2008 (Az: 1 BvR 1138/06).
Durch das StVergAbG wurde ab dem VZ 2003 durch Streichung des § 14 Abs 2 KStG die Mehrmütterorganschaft abgeschafft.