Ewald Dötsch, Alexandra Pung
Tz. 652
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Die Frage, ob durch die Auflösung von OT oder OG oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen eine der beiden Gesellschaften bzw gegen beide ein ertragstliches Organschaftsverhältnis endet, wurde von jeher in enger Anlehnung an die Rechtslage bei der USt beantwortet (s Tz 650). Hinsichtlich der Auswirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das BV der OG, des OT oder beider Gesellschaften auf die ustliche Anerkennung der Organschaft hat sich in 2013 die Rspr des BFH geändert.
Tz. 653
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
UE gilt in Anlehnung an Oesterwinter/Luczak (DK 2021, 474) und Kahlert (DStR 2014, 73) Folgendes:
- Bei Insolvenz der OG endet die Organschaft
Wird über das Vermögen der OG ein Insolvenzverfahren eröffnet, entfällt das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung, weil der OT aufgrund des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs 1 InsO) seinen Mehrheitswillen nicht mehr durchsetzen kann.
Mit Urt vom 08.08.2013 (BFH/NV 2013, 1747) und v 24.08.2016 (DK 2017, 215) hat der BFH entschieden, dass mit der Bestellung eines sog schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters über das BV der OG die ustliche Organschaft endet, wenn für den vorläufigen Insolvenzverwalter ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wird. Mit dieser Entsch änderte der BFH seine frühere Rspr, nach der im Eröffnungsverfahren nur die Bestellung eines sog starken vorläufigen Insolvenzverwalters zur Beendigung der ustlichen Organschaft führte. Dazu näher s Marchal/Oldigers (DStR 2013, 2211).
Wie Kahlert (DStR 2014, 73) ausführt, ist Ausgangspunkt der Rspr-Änderung des V. Senats des BFH eine Änderung des nur der finanziellen und organisatorischen Eingliederung verbundenen Beherrschungskonzepts. Früher war ausreichend, dass die OG keinen von dem OT abw Willen bilden konnte. Nunmehr ist erforderlich, dass der OT seinen Willen in der OG positiv durchsetzen kann. Wie der V. Senat des BFH ausführt, hat der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nach der Rspr des IX. Senats des BGH (s Urt des BGH v 04.11.2004, NZI 2005, 99, und v 25.10.2007, NZI 2008, 63) die Masse zu sichern. Deshalb dürfe er keine Zustimmung zur Bezahlung von Forderungen erteilen, die im Insolvenzverfahren nach § 38 InsO Insolvenzforderungen darstellen würden. Dementspr dürfe der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nicht seine Zustimmung dazu erteilen, dass die OG den von ihr vereinnahmten USt-Betrag gem § 426 Abs 1 BGB an den OT zur Bezahlung der USt-Schuld weiterleitet. Da der OT nicht mehr die Rolle des "St-Einnehmers zugunsten des Staates" wahrnehmen könne, entfalle die ust-liche Organschaft mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt. Die Beendigung der ustlichen Organschaft erfolgt nach der Rspr des V. Senats des BFH eine logische Sekunde vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
Tz. 654
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Kahlert (DStR 2014, 73) ist darin zuzustimmen, dass dem oa Urt des BFH v 08.08.2013 (BFH/NV 2013, 1747) auch Bedeutung für die ertragstliche Organschaft zukommt. Danach führt die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt auf der Ebene der OG dazu, dass sowohl die für die ertragstliche Anerkennung der Organschaft erforderliche Durchsetzung des Willens des OT als auch die Erfüllung des GAV an der vorrangigen Massesicherungspflicht scheitern. Der vorläufige Insolvenzverwalter darf nämlich den Anspruch des OT auf Gewinnabführung, weil es sich dabei um eine Insolvenzforderung iSd § 38 InsO handelt, nicht mehr erfüllen.
Auch mit dem Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung findet die ertragstliche Organschaft ihr Ende (s Kahlert, DStR 2014, 73, 74 und s Werth, DB 2017, 753). Ebenso s Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 675).
Nach Abschn 2.8 Abs 12 S 6 UStAE führt die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung dann nicht zur Beendigung der Organschaft, wenn lediglich ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird sowie eine Anordnung gem § 21 Abs 2 S 1 Nr 3 InsO erlassen wird. Dies ergibt sich aus dem Urt des BFH v 27.11.2019 (BStBl II 2021, 252). Dies gilt nach Abschn 2.8 Abs 12 S 7 UStAE jedoch nicht für vorläufige Eigenverwaltungsverfahren, die nach dem 31.12.2020 angeordnet wurden, es sei denn, diese fallen unter die Anwendung des § 5 Abs 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungs-Ges. Entspr gilt uE für die kstliche Organschaft.
Tz. 655
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
- Eröffnung des Insolvenzverfahrens ggü dem OT
Wird das Insolvenzverfahren auf der Ebene des OT eröffnet, beendet dies die Organschaft idR zwar faktisch, aber nicht automatisch (glA s Frotscher, in F/D, § 14 KStG Rn 676). Wie Oesterwinter/Luczak (DK 2021, 474) zutr ausführen, setzt das Leistungsverweigerungsrecht des OT, den Verlust der OG auszugleichen, einen fälligen Gegenanspruch voraus, der erst mit dem Ende des Wj und nicht bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass ...