Tz. 495
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Durch das Gesetz zur Abwehr von St-Vermeidung und unfairem St-Wettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze wurde § 8 Abs 1 KStG um einen S 4 erweitert. Der Regelungsinhalt des § 8 Abs 1 S 4 KStG besteht darin, dass bei Kö iSd § 1 Abs 1 KStG mit Sitz im Ausl, deren Ort der Geschäftsleitung im Inl belegen ist und die nach inl Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als jur Pers zu behandeln sind, Leistungen (zB Gehalt an den Ges-GF) und Leistungsversprechen (zB Pensionszusage an den Ges-GF) zwischen der Kö und Personen, die aus dieser Kö Eink iSd § 20 Abs 1 Nr 1 und 9 EStG erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit ErtragSt wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Kö und deren AE zu behandeln sind.
Das Bedürfnis für die Ergänzung des § 8 Abs 1 KStG sah der Gesetzgeber insbes vor dem Hintergrund des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU (sog Brexit), da nach Ablauf der zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vereinbarten Übergangsfrist zum 31.12.2020 für eine große Anzahl von nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründeten "private company limited by shares", die ihren Ort der Geschäftsleitung im Inl haben (schätzungsweise 8000 bis 10 000; s Reg-Entw eines Vierten Ges zur Änderung des UmwG, s BT-Drs 19/5463, 7), sowie deren zu einem Großteil inl AE die Frage relevant ist, wie die Beziehungen zwischen den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern zu würdigen sind.
Tz. 496
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Nach dem Brexit ist das Vereinigte Königreich kein EU-Staat mehr und damit im Ergebnis wie jeder andere Drittstaat zu behandeln. Mit dem Wirksamwerden des Brexits haben die britischen Limiteds ihre Niederlassungsfreiheit verloren. Für die zivilrechtliche Anerkennung einer Gesellschaft britischer Rechtsform mit statutarischem Sitz im Vereinigten Königreich und Verwaltungssitz in D gibt es auf nach dem Recht eines Drittstaats gegründete Gesellschaften in D keine Grundlage mehr. Dies ergibt sich aus der Rspr des BGH (s § 1 KStG Tz 72 sowie s Beschl des BGH v 16.02.2021, BB 2021, 715). Denn hiernach gilt für nach dem Recht eines Drittstaats gegründete Gesellschaften die sog Sitztheorie, wonach sich kollisionsrechtlich das auf eine Gesellschaft anwendbare Gesellschaftsstatut nach dem Recht desjenigen Staates richtet, in dem die betroffene Gesellschaft ihre Geschäftsleitung hat. Ausführlich hierzu s § 1 KStG Tz 71ff. Für eine Limited mit Geschäftsleitung in D hat dies zur Folge, dass sie – mangels Gründung der Gesellschaft nach inl Rechtsvorschriften – in D zivilrechtlich nicht mehr nach ihrem Gründungsstatut behandelt und deshalb nicht mehr als Ltd anerkannt wird. Die zivilrechtliche Behandlung richtet sich in diesem Fall – sofern mehrere Personen an ihr beteiligt sind – nach den in D zur Verfügung stehenden Auffangrechtsformen, dh als OHG oder als GbR. Ist nur eine Person an der Gesellschaft beteiligt, tritt zivilrechtlich der bisherige Alleingesellschafter als natürliche oder jur Pers an die Stelle der Ltd.
Weitere Einzelheiten zu stlichen und zivilrechtlichen Behandlung der britischen Ltd nach dem Brexit regelt das – vor Inkrafttreten des § 8 Abs 1 S 4 KStG ergangene – Schr des BMF v 30.12.2020 (BStBl I 2021, 46).
Tz. 497
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Der Erweiterung des § 8 Abs 1 S 4 KStG hätte es uE nicht bedurft. Die stliche Behandlung von Rechtsbeziehungen zwischen Drittstaatengesellschaften und ihren AE ist nicht erst seit dem Brexit für stliche Zwecke von Bedeutung. Vielmehr stellte sich auch schon davor die Frage, wie nach ausl Recht gegründete Gesellschaften mit Sitz im Inl, die keine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit besitzen, stlich zu behandeln sind. Ausschlaggebend dafür, ob auch eine Drittstaatengesellschaft mit Geschäftsleitung im Inl der unbeschr KSt-Pflicht unterliegt ist, dass sie nach dem sog Rechtstypenvergleich einer inl Kö entspr (s Urt des BFH v 08.09.2010, BStBl II 2013, 186; v 20.08.2008, BStBl II 2009, 263; v 24.10.2018, BStBl II 2019, 401, zur britischen Ltd). Weiter hierzu s § 1 KStG Tz 87a sowie s Schr des BMF v 19.03.2004 (BStBl I 2004, 411). Entspr die ausl Gesellschaft hiernach einer dt Kö, ist diese bei Vorhandensein einer inl Geschäftsleitung nach § 1 Abs 1 KStG grds unbeschr KSt-Pflichtig. Die ausl Kö ist in diesem Fall unabhängig von der zivilrechtlichen Rechtslage im Inl nach wie vor das KSt-Subjekt. Hierfür spricht uE das vorstehende Urt des BFH v 09.09.2010 (aaO unter Rn 15 der Urt-Gründe), in dem der BFH ausführt, dass die Klägerin, eine AG Schweizer Rechts, als St-Subjekt existent ist. Weiter führt der BFH aus, dass es nicht allein auf die gesellschaftsrechtliche Existenz und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft und deren etwaigem Fehlen ankommen kann, da andernfalls auch die Eignung eines von der Gesellschaft zugewendeten Vorteils als Kap-Eink iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG entfiele. Dies spricht uE dafür, dass in diesen Fällen nicht ein Pers-Unternehmen, ...