Tz. 186
Stand: EL 114 – ET: 04/2024
Nach § 11 Abs 2 S 1 BewG ist der gW von Anteilen an Kap-Ges, für die kein Börsenkurs besteht (s Tz 187), in erster Linie (dh einer Schätzung, s Tz 188, vorrangig) aus Verkäufen abzuleiten (zur Vorrangigkeit der Ableitung des gW aus Verkäufen s Urt des BFH v 29.07.2010, BStBl II 2011, 68 unter II. 2. a) bb und v 16.05.2013, BFH/NV 2013, 1223 unter Rn 12; s R B 11.2 Abs 1 S 1 ErbStR 2019).
Maßgebend sind hier nach einem Stichtagsprinzip nur die (im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten) Verkäufe, die zum Zeitpunkt der Bewertung (s Tz 183, 200–201) weniger als ein Jahr zurückliegen (s Abschn 3 Abs 3 VStR 1995; s R B 11.2 Abs 1 S 1 und 2 ErbStR 2011; Ausnahmen dazu s Tz 186a, 186b; ebenso s Piltz, DStR 2009, 1829). Die Jahresfrist ist vom Realisationsstichtag aus gesehen in die Vergangenheit gem § 108 AO iVm §§ 187ff BGB zu berechnen und bezieht sich auf den Kaufvertragsabschluss. Es genügt auch der Verkauf eines einzigen Anteils, wenn Gegenstand dieses Verkaufs nicht nur ein Zwerganteil ist, dessen Verkaufspreis für den gW der übrigen Anteile nur einen begrenzten Aussagewert hat (s Urt des BFH v 22.06.2010, BStBl II 2010, 843 unter II. 2. a) bb; s R B 11.2 Abs 1 S 3 ErbStR 2019). Ob ein für die Ableitung des gW nicht geeigneter Verkauf eines Zwerganteils vorliegt, lässt sich nicht allein anhand der prozentualen Höhe des verkauften Anteils, sondern nur anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilen (Ausführungen dazu s Urt des BFH v 16.05.2013, BFH/NV 2013, 1223). Die Ausgabe neuer Geschäftsanteile an einer GmbH iRe Kap-Erhöhung zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters ist zur Bewertung als Verkauf idS heranzuziehen (s Urt des BFH v 05.02.1992, BStBl II 1993, 266; s R B 11.2 Abs 1 S 4 ErbStR 2019). Ist die Beteiligung des AE größer als 25 %, wird ein sog Paketzuschlag angesetzt, wenn der gW aus Verkäufen abgeleitet worden ist, bei denen der erzielte Veräußerungspreis den Beteiligungscharakter der zu bewertenden Anteile nicht berücksichtigt (s Urt des BFH v 14.11.1980, BStBl II 1981, 351; s Abschn 3 Abs 4 VStR 1995; s R B 11.6 Abs 2 S 1 und Abs 3 ErbStR 2011; und s R B 11.8 Abs 3 ErbStR 2019). Voraussetzung für die Ableitung des gW aus Verkäufen ist, dass es sich um stichtagsnahe Veräußerungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handelt. Nach der Rspr des BFH ist unter gewöhnlichem Geschäftsverkehr der Handel zu verstehen, der sich nach den marktwirtsch Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig und in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (s Urt des BFH v 07.12.1979, BStBl II 1980, 234 und v 28.11.1980, BStBl II 1981, 353; s R B 11.3 Abs 1 S 2 ErbStR 2019). Dies ist nicht zB der Fall, wenn Anteilsveräußerer und Erwerber mit dem Beteiligungswechsel in erster Linie eine Neuordnung ihrer Unternehmen mit dem Ziel einer gegenseitigen engen wirtsch und technischen Zusammenarbeit erstreben (s Urt des BFH v 28.11.1980, BStBl II 1981, 353; zur Abgrenzung: keine ungewöhnlichen Verhältnisse, wenn ein branchenfremdes Unternehmen in die Branche der Kap-Ges einzudringen versucht; s Urt des BFH v 23.02.1979, BStBl II 1979, 618). Ein krasses Missverhältnis stichtagsnaher Verkaufspreise zu dem Wert, der sich nach dem sog Stuttgarter Verfahren ergeben würde, lässt nicht den Schluss zu, den stichtagsnahen Verkäufen lägen ungewöhnliche oder pers Verhältnisse zugrunde. Denn das sog Stuttgarter Verfahren kann jedenfalls für Stichtage ab dem 31.12.1992 – bedingt durch die ges Anordnung der Übernahme der St-Bil-Werte – den gW der Anteile regelmäßig nicht mehr erreichen (s Urt des BFH v 22.08.2002, BFH/NV 2003, 11). Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich der Beteiligung, nach denen die Anteile (zB) nur im Familienverbund übertragen werden dürfen (ggf nach einem vorher bestimmten Kaufpreismodus) sind ungewöhnliche oder pers Verhältnisse (s § 9 Abs 2 S 3, Abs 3 BewG) und daher nicht zu berücksichtigen (widerlegbar, s R B 11.3 Abs 1 S 3 und Abs 3 ErbStR 2019).
Tz. 186a
Stand: EL 114 – ET: 04/2024
Hat der AE bereits Kaufpreisverhandlungen geführt und eine Einigung über den Kaufpreis von einbringungsgeborenen Anteilen mit einem Erwerber erzielt und stellt der veräußernde AE sodann den Antrag auf Entstrickung nach § 21 Abs 2 S 1 Nr 1 UmwStG (oder gibt seinen inl Wohnsitz auf, was zur Anwendung des § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG führt), ist der gW (ausnahmsweise) selbst dann aus dem Verkaufserlös abzuleiten, wenn nur der förmliche Vertragsabschluss nach dem Bewertungsstichtag liegt. Gleiches gilt in dem Fall, in dem der Preisrahmen durch Verhandlungen, die noch nicht rechtsverbindlich sein müssen, zum Bewertungsstichtag weitgehend verdichtet ist (s Urt des BFH v 11.11.1998, BFH/NV 1999, 908 mwNachw; v 23.06.1999, BFH/NV 2000, 30; und v 22.06.2010, BStBl II 2010, 843). Auch hier ist der gW ausnahmsweise aus einem erst kurz nach dem Stichtag zustande gekommenen Anteilsverkauf zu bestimmen, da der Kaufver...