Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustabzug, Konzernabzug bei gebietsfremden Gesellschaften, grenzüberschreitender Konzernabzug
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien, das Königreich der Niederlande und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.
Leitsatz (redaktionell)
Abweisung der Klage der EU-Kommission, wonach das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und Art. 31 des EWR-Abkommen) verstoßen habe, dass es Voraussetzungen für den Konzernabzug bei Verlusten gebietsfremder Gesellschaften (grenzüberschreitender Konzernabzug) aufgestellt habe, die es in der Praxis so gut wie unmöglich machten, einen solchen Abzug vorzunehmen, und diesen Abzug auf Zeiträume nach dem 1. April 2006 beschränkt habe.
Normenkette
AEUV Art. 49; EWR-Abkommen Art. 31
Beteiligte
Kommission / Vereinigtes Königreich |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Art. 49 AEUV ‐ Art. 31 des EWR-Abkommens ‐ Körperschaftsteuer ‐ Konzerne ‐ Konzernabzug ‐ Übertragung von Verlusten einer gebietsfremden Tochtergesellschaft ‐ Voraussetzungen ‐ Zeitpunkt der Feststellung der Endgültigkeit der Verluste der gebietsfremden Tochtergesellschaft“
In der Rechtssache C-172/13
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 5. April 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch W. Roels und R. Lyal als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland,vertreten durch V. Kaye, S. Brighouse und A. Robinson als Bevollmächtigte im Beistand von D. Ewart, QC, und S. Ford, Barrister,
Beklagter,
unterstützt durch
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
Königreich Spanien, vertreten durch A. Rubio González und A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
Republik Finnland, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen und J.-C. Bonichot, der Richter A. Rosas, E. Juhász und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader, der Richter M. Safjan und D. Šváby sowie der Richterinnen M. Berger und A. Prechal,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2014,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. Oktober 2014
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass es Voraussetzungen für den Konzernabzug bei Verlusten gebietsfremder Gesellschaften (im Folgenden: grenzüberschreitender Konzernabzug) aufgestellt hat, die es in der Praxis so gut wie unmöglich machen, einen solchen Abzug vorzunehmen, und diesen Abzug auf Zeiträume nach dem 1. April 2006 beschränkt hat.
Rechtlicher Rahmen im Vereinigten Königreich
Rz. 2
Im Vereinigten Königreich können Konzerngesellschaften aufgrund der Regelung über den Konzernabzug ihre Gewinne und Verluste untereinander verrechnen. Nach der mit dem Income and Corporation Tax Act 1988 (im Folgenden: ICTA) eingeführten Regelung war es jedoch nicht zulässig, Verluste zu berücksichtigen, die gebietsfremden Gesellschaften entstanden sind.
Rz. 3
Im Anschluss an das Urteil Marks & Spencer (C-446/03, EU:C:2005:763) wurde der ICTA durch Bestimmungen des Finance Act 2006, die am 1. April 2006 in Kraft traten, geändert, um den grenzüberschreitenden Konzernabzug unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. In der Folge wurden diese Bestimmungen weitgehend gleichlautend in den Corporation Tax Act 2010 (im Folgenden: CTA 2010) übernommen.
Rz. 4
Der CTA 2010 regelt die Voraussetzungen für den grenzüberschreitenden Konzernabzug. Nach Section 118 des CTA 2010 muss die gebietsfremde Gesellschaft die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten im Steuerzeitraum, in dem die Verluste entstanden sind, und in den früheren Steuerzeiträumen ausgeschöpft haben, während Section 119(1) bis (3) des CTA 2010 bestimmt, dass keine Möglichkeit bestehen darf, die Verluste in zukünftigen Steuerzeiträumen zu berücksichtigen.
Rz. 5
Nach Section 119(4) des CTA 2010 ist die Feststellung, ob Verluste in zukünftigen Steuerzeiträumen berücksichtigt werden können, „unmittelbar nach Ende“ des Steuerzeitraums, in dem die Verluste entstanden sind, zu treffen.
Rz. 6
Nach Paragraph 14(1)(a) und Paragraph 74(1)(a) von Schedule 18 des Finance Act 1998 betr...