Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliche Reihengeschäfte, bewegte Lieferung, ruhende Lieferung, Zuordnung der Beförderung/Versendung zu einer Lieferung
Leitsatz (amtlich)
1. Führen zwei aufeinander folgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, so kann diese Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die als einzige befreit ist nach Artikel 28c Teil A Buchstabe a Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995.
Diese Auslegung gilt unabhängig davon, in der Verfügungsmacht welches Steuerpflichtigen ‐ des Erstverkäufers, des Zwischenerwerbers oder des Zweiterwerbers ‐ sich der Gegenstand während dieser Versendung oder Beförderung befindet.
2. Nur der Ort der Lieferung, die zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führt, bestimmt sich nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388 in der Fassung der Richtlinie 95/7; er befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns dieser Versendung oder Beförderung. Der Ort der anderen Lieferung bestimmt sich nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie; er befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft dieser Versendung oder Beförderung, je nachdem, ob diese Lieferung die erste oder die zweite der beiden aufeinanderfolgenden Lieferungen ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 28c Teil A Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a, b
Beteiligte
Finanzlandesdirektion für Kärnten |
Verfahrensgang
VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 26.05.2004) |
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 8 Absatz 1 Buchstaben a und b, 28a Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1, 28b Teil A Absatz 1 und 28c Teil A Buchstabe a Unterabsatz 1 ‐ Innergemeinschaftliche Versendung oder Beförderung von Gegenständen ‐ Lieferungen ‐ Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen ‐ Reihengeschäfte ‐ Ort der Umsätze“
In der Rechtssache C-245/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 26. Mai 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2004, in dem Verfahren
EMAG Handel Eder OHG
gegen
Finanzlandesdirektion für Kärnten
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der EMAG Handel Eder OHG, vertreten durch Rechtsanwalt W. Dellacher im Beistand von Wirtschaftsprüfer A. Breschan,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis und G. Fiengo, avvocati dello Stato,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Jackson und S. Nwaokolo als Bevollmächtigte im Beistand von M. Angiolini, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und K. Gross als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. November 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) (im Folgenden: Sechste Richtlinie), insbesondere ihres Artikels 8 Absatz 1 über den Ort der Lieferung von Gegenständen.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der EMAG Handel Eder OHG (im Folgenden: EMAG), einer in Österreich ansässigen Gesellschaft, und der Finanzlandesdirektion für Kärnten über die von EMAG in Abzug gebrachte Vorsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Sechste Richtlinie
3
Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt, dass „[d]er Mehrwertsteuer… Lieferungen von Gegenständen … [unterliegen], die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
4
Nach Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt als „Lieferung eines Gegenstands … die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand...