Entscheidungsstichwort (Thema)
Reiseleistungen, Ermittlung Bemessungsgrundlage bei gemischten Leistungen, Marktwertmethode, Kostenmethode
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der seine Mehrwertsteuererklärung für einen Besteuerungszeitraum unter Verwendung der Methode abgegeben hat, die in der nationalen Regelung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in das innerstaatliche Recht vorgesehen ist, kann seine Mehrwertsteuerschuld nach der vom Gerichtshof als gemeinschaftsrechtskonform angesehenen Methode unter den in seinem nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen, die dem Äquivalenzprinzip und dem Effektivitätsprinzip entsprechen müssen, neu berechnen.
2. Artikel 26 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der gegen Zahlung eines Pauschalpreises dem Reisenden von Dritten erworbene sowie selbst erbrachte Leistungen liefert, grundsätzlich den seinen eigenen Leistungen entsprechenden Teil des Pauschalangebots auf der Grundlage des Marktwerts dieser Leistungen errechnen muss, sofern dieser Wert bestimmt werden kann. Ein Steuerpflichtiger kann jedoch das Kriterium der tatsächlichen Kosten verwenden, wenn er nachweist, dass dieses Kriterium der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots exakt Rechnung trägt. Die Anwendung des Kriteriums des Marktwerts ist weder davon, dass sie einfacher ist als die Anwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode, noch davon abhängig, dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die der Schuld gleich oder ähnlich ist, die sich bei der Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode ergeben würde. Daher
‐ darf ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter die auf den Marktwert gestützte Methode nicht nach eigenem Ermessen anwenden und
‐ gilt die letztgenannte Methode für die eigenen Leistungen, deren Marktwert bestimmt werden kann, auch wenn im Rahmen desselben Besteuerungszeitraums der Wert anderer eigener Bestandteile der Pauschalleistung nicht bestimmt werden kann, weil der Steuerpflichtige keine ähnlichen Leistungen außerhalb eines Pauschalangebots verkauft.
3. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Umstände des Ausgangsrechtsstreits den Marktwert der im Rahmen der Pauschalurlaubsreisen gelieferten Flugreisen zu bestimmen. Dieses Gericht kann diesen Marktwert ausgehend von Durchschnittswerten bestimmen. In diesem Zusammenhang kann der Markt, der auf den an andere Reiseveranstalter verkauften Sitzen basiert, den am besten geeigneten Markt darstellen.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 26
Beteiligte
Commissioners of Customs & Excise |
Verfahrensgang
VAT and Duties Tribunal Manchester (Vereinigtes Königreich) (Entscheidung vom 30.06.2003) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Regelung für Reisebüros ‐ Pauschalreisen ‐ Von Dritten erworbene Leistungen und eigene Leistungen ‐ Methode für die Berechnung der Steuer“
In der Rechtssache C-291/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom VAT and Duties Tribunal, Manchester (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 30. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juli 2003, in dem Verfahren
MyTravel plc
gegen
Commissioners of Customs & Excise
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, S. von Bahr und U. Lõhmus,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M. M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der MyTravel plc, vertreten durch N. Gibbon, Solicitor, und J. Woolf, Barrister,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten, Beistand: N. Paines, QC,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma MyTravel plc (im Folgenden: Klägerin) und den Commissioners of Customs & Excise darüber, ob auf diese Firma nach dem Urteil vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin, Slg. 1998, I-6229) die Regelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie anzuwenden ist.
Rechtlicher Rah...