Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkauf von Drittlandswaren in einem Zolllager, Waren in einem Zolllager im zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren, Steuerbarkeit der Lieferung von Waren in einem inländischen Zolllager
Leitsatz (amtlich)
In dem Fall, dass Waren aus einem Drittland in einem Mitgliedstaat in das Zolllagerverfahren übergeführt worden sind, sodann im aktiven Veredelungsverkehr nach dem Nichterhebungsverfahren verarbeitet, anschließend verkauft und erneut in das Zolllagerverfahren übergeführt worden sind und während der gesamten Vorgänge in demselben im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegenen öffentlichen Zolllager verblieben sind, unterliegt der Verkauf solcher Waren nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 geänderten Fassung der Mehrwertsteuer, es sei denn, der Mitgliedstaat hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, diesen Verkauf nach Art. 16 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie nicht der Steuer zu unterwerfen, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1, Art. 16 Abs. 1
Beteiligte
Danové riaditelstvo Slovenskej republiky |
Verfahrensgang
Najvyssí súd (Slowenien) (Urteil vom 22.03.2011; ABl. EU 2011, Nr. C 194/12) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Anwendbarkeit ‐ Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Waren aus einem Drittland, die in einem Mitgliedstaat in das Zolllagerverfahren übergeführt worden sind ‐ Verarbeitung der Waren im aktiven Veredelungsverkehr nach dem Nichterhebungsverfahren ‐ Verkauf der Waren und erneute Überführung in ein Zolllagerverfahren ‐ Verbleib in demselben Zolllager während aller Vorgänge ‐ Lieferung von Gegenständen im Inland gegen Entgelt ‐ Mehrwertsteuertatbestand“
In der Rechtssache C-165/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Najvyšší súd Slovenskej republiky (Slowakei) mit Entscheidung vom 22. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 4. April 2011, in dem Verfahren
Danové riaditeľstvo Slovenskej republiky
gegen
Profitube spol. s r.o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits, J.-J. Kasel und M. Safjan (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Dańové riaditel´sto Slovenskej republiky, vertreten durch V. Pańko als Bevollmächtigten,
‐ der Profitube spol. s r.o., vertreten durch M. Čizmárik, advokát,
‐ der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und P. Pecho als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Mai 2012
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. L 117, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) sowie der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 (ABl. L 168, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Dańové riaditel´stvo Slovenskej republiky (Steuerdirektion der Slowakischen Republik, im Folgenden: Dańové riaditel´stvo) und der Profitube spol. s r.o. (im Folgenden: Profitube) mit Sitz in Košice (Slowakei) über die Zahlung von Mehrwertsteuer für den Verkauf von Waren aus einem Drittland, die in ein Zolllager in der Slowakischen Republik verbracht und nacheinander in das Zolllagerverfahren und in den aktiven Veredelungsverkehr nach dem Nichterhebungsverfahren übergeführt worden sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Zollkodex
Rz. 3
Der Zollkodex wurde aufgehoben und durch die Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (Modernisierter Zollkodex) (ABl. L 145, S. 1) ersetzt. In Anbetracht des Zeitpunkts der maßgeblichen Ereignisse ist jedoch auf den Ausgangsrechtsstreit weiterhin der Zollkodex anwendbar.
Rz. 4
Art. 3 des Zollkodex bestimmte:
„(1) Zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehören:
…
‐ das Gebiet der Slowakisch...