Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit. Krankenversicherung. Artikel 22 und 36 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Dienstleistungsfreiheit. Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG). In einem anderen Mitgliedstaat entstandene Krankenhauskosten. Später für unbegründet erklärte Versagung der Genehmigung
Beteiligte
Alliance nationale des mutualités chrétiennes (ANMC) |
Tenor
1. Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c in Verbindung mit Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist so auszulegen, dass, wenn ein Sozialversicherter vom zuständigen Träger die Genehmigung erhalten hat, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um sich dort behandeln zu lassen, der Träger des Aufenthaltsorts verpflichtet ist, ihm Sachleistungen nach den für ihn geltendenBestimmungen über die Kostenübernahme für Leistungen der Gesundheitspflege zu erbringen, als ob der Betroffene bei ihm versichert wäre.
Wurde ein Genehmigungsantrag, den ein Sozialversicherter gemäß Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1408/71 gestellt hat, durch den zuständigen Träger abgelehnt und wird die Unbegründetheit dieser Ablehnung später festgestellt, so hat der Betroffene einen unmittelbaren Anspruch gegen den zuständigen Träger auf eine Erstattung in der Höhe, wie sie der Träger des Aufenthaltsorts gemäß der Regelung nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zu erbringen gehabt hätte, wenn die Genehmigung von Anfang an ordnungsgemäß erteilt worden wäre.
Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 soll keine Erstattung zu den im Mitgliedstaat der Versicherungszugehörigkeit geltenden Sätzen regeln und hindert daher weder an der Gewährung einer ergänzenden Erstattung gemäß dem Unterschied zwischen der Beteiligungsregelung nach den Vorschriften dieses Staates und der für den Aufenthaltsmitgliedstaat geltenden Regelung noch schreibt er eine solche Erstattung vor, wenn die erstere Regelung günstiger als die letztere ist und die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Versicherungszugehörigkeit eine solche Erstattung vorsehen.
Artikel 59 des Vertrages ist so auszulegen, dass dann, wenn die Erstattung von Kosten, die durch in einem Aufenthaltsmitgliedstaat erbrachte Krankenhausdienstleistungen veranlasst worden sind, die sich aus der Anwendung der in diesem Staat geltenden Regelung ergibt, niedriger als diejenige ist, die sich aus der Anwendung der im Mitgliedstaat der Versicherungszugehörigkeit geltenden Rechtsvorschriften im Fall einer Krankenhauspflege in diesem Staat ergeben würde, dem Sozialversicherten vom zuständigen Träger eine ergänzende Erstattung gemäß dem genannten Unterschied zu gewähren ist.
2. Artikel 36 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung kann nicht so ausgelegt werden, dass danach ein Sozialversicherter, der einen Genehmigungsantrag gemäß Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1408/71 gestellt hat und dem dieser Antrag vom zuständigen Träger abgelehnt worden ist, Anspruch auf die Erstattung sämtlicher Krankheitskosten hat, die ihm in dem Mitgliedstat entstanden sind, in dem er behandelt worden ist, wenn sich die Ablehnung seines Genehmigungsantrags als unbegründet erweist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-368/98
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) von der Cour du travail Mons (Belgien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit
Abdon Vanbraekel u. a.
gegen
Alliance nationale des mutualités chrétiennes (ANMC)
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 22 und 36 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung und des Artikels 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola (Berichterstatter), M. Wathelet und V. Skouris sowie der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevón, R. Schintgen und der Richterin F. Macken,
Generalanwalt: A. Saggio
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der belgischen Regierung, vertreten durch J. Devadder als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch R. Silva de Lapuerta als Bevollmächtigte,
- der französischen Re...