Entscheidungsstichwort (Thema)
Konzernbesteuerung, Verlustabzug für ausländische Tochtergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 43 EG und 48 EG stehen beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die es einer gebietsansässigen Muttergesellschaft allgemein verwehrt, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn Verluste abzuziehen, die einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft dort entstanden sind, während sie einen solchen Abzug für Verluste einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft zulässt. Es verstößt jedoch gegen die Artikel 43 EG und 48 EG, der gebietsansässigen Muttergesellschaft eine solche Möglichkeit dann zu verwehren, wenn die gebietsfremde Tochtergesellschaft die im Staat ihres Sitzes für den von dem Abzugsantrag erfassten Steuerzeitraum sowie frühere Steuerzeiträume vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft hat, gegebenenfalls durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Tochtergesellschaft in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat, und wenn keine Möglichkeit besteht, dass die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft im Staat ihres Sitzes für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten, insbesondere im Fall der Übertragung der Tochtergesellschaft auf ihn, berücksichtigt werden.
Normenkette
EGVtr Art. 43, 48
Beteiligte
David Halsey (Her Majesty’s Inspector of Taxes) |
Verfahrensgang
High Court of Justice London (Entscheidung vom 16.07.2003) |
Tatbestand
„Artikel 43 EG und 48 EG ‐ Körperschaftsteuer ‐ Konzern ‐ Steuervorteil ‐ Gewinne von Muttergesellschaften ‐ Abzug der Verluste einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft ‐ Bewilligung ‐ Abzug der Verluste einer gebietsfremden Tochtergesellschaft ‐ Ausschluss”
In der Rechtssache C-446/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 16. Juli 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Oktober 2003, in dem Verfahren
Marks & Spencer plc
gegen
David Halsey (Her Majesty’s Inspector of Taxes)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas, der Richter C. Gulmann (Berichterstatter), A. La Pergola, J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. Klŭcka, U. Lõhmus, E. Levits und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Marks & Spencer plc, vertreten durch G. Aaronson, QC, und P. Farmer, Barrister,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Bethell als Bevollmächtigten im Beistand von R. Plender, QC, und D. Ewart, Barrister,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Boskovits und V. Kyriazopoulos sowie durch I. Pouli und S. Trekli als Bevollmächtigte,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Jurgensen-Mercier als Bevollmächtigte,
‐ Irlands, vertreten durch D. J. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von E. Fitzsimons, SC, und G. Clohessy, BL,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, S. Terstal und J. van Bakel als Bevollmächtigte,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 43 EG und 48 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Marks & Spencer plc (im Folgenden: Marks & Spencer) und der britischen Steuerverwaltung über die Ablehnung eines Antrags auf Gewährung eines Steuervorteils, mit dem Marks & Spencer den Abzug der Verluste ihrer in Belgien, in Deutschland und in Frankreich ansässigen Tochtergesellschaften von ihrem steuerpflichtigen Gewinn im Vereinigten Königreich geltend macht.
Rechtlicher Rahmen
3
Die für das Ausgangsverfahren maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften sind im Income and Corporation Tax Act 1988 (im Folgenden: ICTA) enthalten. Sie werden im Folgenden auf der Grundlage der Angaben in der Vorlageentscheidung wiedergegeben.
Körperschaftsteuerpflicht
4
Gemäß Sections 6 (1) und 11 (1) ICTA sind Gewinne von Unternehmen, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben oder dort durch eine Zweigniederlassung oder Agentur gewerblich tätig sind, körperschaftsteuerpflichtig.
5
Gemäß Section 8 (1) ICTA sind gebietsansässige Gesellschaften mi...