Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Bildungsleistungen, Fahrschulausbildung, Fahrschulunterricht, Schulunterricht, Hochschulunterricht
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er Fahrunterricht, der von einer Fahrschule wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein erteilt wird, nicht umfasst.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, j
Beteiligte
A & G Fahrschul-Akademie GmbH |
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juli 2017, in dem Verfahren
A & G Fahrschul-Akademie GmbH
gegen
Finanzamt Wolfenbüttel
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter A. Arabadjiev, E. Regan (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der A & G Fahrschul-Akademie GmbH, vertreten durch Steuerberater D. Hippke und Rechtsanwalt A. Hüttl,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Urbani Neri, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und R. Campos Laires als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Oktober 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der A & G Fahrschul-Akademie GmbH (im Folgenden: A & G) und dem Finanzamt Wolfenbüttel (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, Fahrschulleistungen von der Umsatzsteuer zu befreien, die von A & G im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. 2006, L 403, S. 18) erbracht wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2006/112
Rz. 3
Titel IX der Richtlinie 2006/112 trägt die Überschrift „Steuerbefreiungen”. Er enthält u. a. ein Kapitel 2 „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten”), in dem sich Art. 132 findet, der in seinem Abs. 1 vorsieht, dass die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer befreien:
„…
i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
j) von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht;
…”
Richtlinie 2006/126
Rz. 4
Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/126 lautet:
„Aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit sollten die Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgelegt werden. Die Normen für die von den Fahrern abzulegenden Prüfungen und für die Erteilung der Fahrerlaubnis müssen harmonisiert werden. Zu diesem Zweck sollten die Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs festgelegt werden, die Fahrprüfung sollte auf diesen Konzepten beruhen, und die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen dieser Fahrzeuge sollten neu festgelegt werden.”
Rz. 5
In Art. 4 dieser Richtlinie heißt es:
„1. Der Führerschein nach Ar...