Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnausschüttung an gebietsfremde Holding, Steuerbefreiung, Mutter-Tochter-Richtlinie, Quellensteuerabzug, Kapitalertragsteuererstattung
Leitsatz (amtlich)
Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung und Art. 49 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuervorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die einer gebietsfremden Muttergesellschaft, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle nicht zustände, wenn sie die Gewinnausschüttungen einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft unmittelbar bezögen, die Entlastung von Kapitalertragsteuer auf Gewinnausschüttungen verweigert, sobald eine der in dieser Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen erfüllt ist.
Normenkette
EWGRL 435/90 Art. 1 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1
Beteiligte
Bundeszentralamt für Steuern |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Direkte Besteuerung ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Richtlinie 90/435/EWG ‐ Art. 1 Abs. 2 ‐ Art. 5 ‐ Muttergesellschaft ‐ Holding ‐ Quellensteuer auf an eine gebietsfremde Holding-Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne ‐ Befreiung ‐ Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch ‐ Vermutung“
In den verbundenen Rechtssachen C-504/16 und C-613/16
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidungen vom 8. Juli und 31. August 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 23. September und 28. November 2016, in den Verfahren
Deister Holding AG, vormals Traxx Investments NV (C-504/16),
Juhler Holding A/S (C-613/16)
gegen
Bundeszentralamt für Steuern
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund (Berichterstatter) sowie der Richter J.-C. Bonichot und E. Regan,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Deister Holding AG, vertreten durch Rechtsanwälte J. Schönfeld und C. Süß,
‐ der Juhler Holding A/S, vertreten durch Rechtsanwalt A. Stange,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und S. Ghiandoni als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, F. Bergius und L. Swedenborg als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 49 AEUV sowie von Art. 1 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 1990, L 225, S. 6) in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. 2006, L 363, S. 129) geänderten Fassung (im Folgenden: Mutter-Tochter-Richtlinie).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Deister Holding AG, vormals Traxx Investments NV (im Folgenden: Traxx), und dem Bundeszentralamt für Steuern (Deutschland) sowie zwischen der Juhler Holding A/S und dem Bundeszentralamt für Steuern wegen dessen Weigerung, die von ihren deutschen Tochtergesellschaften bezogenen Gewinnausschüttungen vom Quellensteuerabzug zu befreien.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 3 und 5 der Mutter-Tochter-Richtlinie heißt es:
„Die für die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten geltenden Steuerbestimmungen weisen von einem Staat zum anderen erhebliche Unterschiede auf und sind im Allgemeinen weniger günstig als die auf die Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften desselben Mitgliedstaats anwendbaren Bestimmungen. Die Zusammenarbeit von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten wird auf diese Weise gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats benachteiligt. Diese Benachteiligung ist durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems zu beseitigen, wodurch Zusammenschlüsse von Gesellschaften auf Gemeinschaftsebene erleichtert werden.
…
Im Übrigen sollten zur Sicherung der steuerlichen Neutralität von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne vom Quellensteuerabzug befreit werden. …“
Rz. 4
Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie an
‐ auf Gew...