Entscheidungsstichwort (Thema)
Margenbesteuerung bei Reiseleistungen
Leitsatz (redaktionell)
Die Europäische Kommission hatte Deutschland verklagt, weil nach ihrer Auffassung die in § 25 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UStG getroffene Regelung zur Margenbesteuerung bei Reiseleistungen nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UStG waren Reiseleistungen von der Umsatzsteuer befreit, soweit es sich bei den Reisevorleistungen um grenzüberschreitende Beförderungen mit Flugzeugen oder Schiffen handelte, die sich ausschließlich auf das Ausland erstreckten.
Der EuGH hat der Klage der Kommission stattgegeben. Nach dem Urteil kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf die Nichtigkeit und Durchführbarkeit einer Richtlinie berufen, deren Verletzung ihm vorgeworfen wird. Er stellt fest, daß Artikel 26 der 6. EG-Richtline eine Besteuerung der Reiseleistungen vorsieht und als einzige ausdrückliche Ausnahme die Steuerbefreiung bei Reisevorleistungen zuläßt, die außerhalb des Gemeinschaftsgebiets erbracht werden. Durch die Änderung in § 25 Abs. 2 Satz 1 UStG mit Wirkung 1.11.1993 wurde das EuGH-Urteil in deutsches Recht umgesetzt. Seither sind Reiseleistungen nur in dem Umfang steuerfrei, in dem die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen in Gebieten außerhalb der Gemeinschaft bewirkt werden.
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Bundesrepublik Deutschland |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
„Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Sonderregelung für die Erhebung der Mehrwertsteuer bei Reisebüros”
In der Rechtssache C-74/91
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Bernd Langeheine und Daniel Calleja y Crespo, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte; Zustellungsbevollmächtigter: Roberto Hayder, Vertreter des Juristischen Dienstes, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Ernst Röder, Ministerialrat im Bundesministerium für Wirtschaft, und Joachim Karl, Regierungsdirektor im Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte; Zustellungsanschrift: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, 20-22, avenue Emile-Reuter, Luxemburg,
Beklagte,
wegen Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstoßen hat, daß sie eine Mehrwertsteuerregelung auf die Marge der Reisebüros angewandt hat, die mit Artikel 26 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) unvereinbar ist,
erläßt
Der Gerichtshof
unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer, G. C. Rodríguez Iglesias, in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Kammerpräsidenten M. Zuleeg, J. L. Murray, der Richter G. F. Mancini, R. Joliet, F. A. Schockweiler, J. C. Moitinho de Almeida, F. Grévisse und D. A. O. Edward,
Generalanwalt: C. Gulmann
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Vertreter der Parteien in der Sitzung vom 17. Juni 1992, in der die Kommission durch Daniel Calleja y Crespo, Juristischer Dienst, im Beistand von Claus-Michael Happe, der Kommission im Wege des Austauschs von Beamten zur Verfügung gestellter deutscher Beamter, vertreten war,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. September 1992,
folgendes
Urteil
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. Februar 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstoßen hat, daß sie eine Mehrwertsteuerregelung auf die Marge der Reisebüros angewandt hat, die mit Artikel 26 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) unvereinbar ist.
2 Die Sechste Richtlinie enthält in Artikel 26 eine Sonderregelung für die Mehrwertsteuer, die für die Umsätze der Reisebüros gilt, wenn diese gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen. Nach dieser Regelung gelten die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze als einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden. Als Besteuerungsgrundlage gilt die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen. Werden die Umsätze, für die das Reisebüro...