Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des Mindeststreitwerts bei objektiver Klagehäufung im Finanzprozess. Umsatzsteuer 1996–2001
Leitsatz (redaktionell)
Bei Behandlung mehrerer selbständiger Klagebegehren in einem gerichtlichen Verfahren (objektive Klagehäufung) ist der Streitwert durch Addition der tatsächlichen Streitwerte der einzelnen Klagebegehren zu ermitteln. Der Mindeststreitwert (§ 52 Abs. 4 GKG) kommt dabei nur zur Anwendung, wenn der Gesamtstreitwert des Verfahrens unter 1000 EUR liegt, nicht aber, wenn der Streitwert eines oder mehrerer der selbstständigen Klagebegehren unter 1000 EUR liegt.
Normenkette
GKG § 52 Abs. 1, 4, § 39 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 63 Abs. 2 S. 2; FGO § 43
Tenor
Der Streitwert wird auf 4.977 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 GKG.
Der festgesetzte Betrag entspricht der Summe der Werte der Streitgegenstände des Verfahrens (§ 39 Abs. 1 GKG). Er errechnet sich somit aus der Summe der jeweils in den Streitjahren geltend gemachten Erstattungsansprüche wie folgt:
Umsatzsteuer 1996 bis 2000 (5 × 969,37 EUR =) |
4.846,85 EUR |
Umsatzsteuer 2001 |
130.17 EUR |
insgesamt |
4.977,02 EUR |
Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass der Wert eines Streitgegenstandes mit 1.000,– EUR anzusetzen sei, wenn er weniger als 1.000,– EUR beträgt. Diese hätte im Streitfall zur Folge, dass sich der Wert des Streitgegenstandes „Umsatzsteuer 2001” nicht auf 130,17 EUR, sondern auf 1.000,– EUR beliefe. Diese Auffassung lässt sich nicht aus § 52 Abs. 4 GKG ableiten, wonach in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert nicht unter 1.000,– EUR angenommen werden darf (Mindeststreitwert). In dem Fall, in dem mehrere selbständige Klagebegehren in einem gerichtlichen Verfahren behandelt werden (objektive Klagehäufung, § 43 Finanzgerichtsordnung) ist der Mindeststreitwert nicht zu vervielfachen. § 52 Abs. 4 GKG gebraucht den Begriff „Verfahren” und nicht den Begriff „Streitgegenstand”. Das GKG unterscheidet diese Begriffe, wie sich aus § 39 GKG ergibt. In § 52 Abs. 4 GKG ist somit der Streitwert auf den Begriff „Verfahren” bezogen, so dass der Mindeststreitwert je Verfahren und nicht je Streitgegenstand anzusetzen ist. Der Senat sieht sich in dieser Auffassung bestätigt durch die Überlegungen des Gesetzgebers zu § 52 Abs. 4 GKG, wonach mit dem Mindeststreitwert dem Aufwand, den ein finanzgerichtliches Verfahren mit sich bringt, besser Rechnung getragen werden kann, zumal zahlreichen Verfahren ein sehr geringer Streitwert zu Grunde liegt (BT-Drs. 15/1971).
Fundstellen
Haufe-Index 1440525 |
EFG 2005, 1894 |
DStRE 2006, 183 |
AGS 2008, 29 |
NWB direkt 2005, 3 |
RVGreport 2007, 479 |